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Diocletian Das System seiner Adoptionen Seine Regierung Zweiter Abschnitt

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Die Vorbedeutungen waren erfüllt, und die Orakel hatten recht behalten, als der Sohn dalmatinischer Sklaven, die dem römischen Senator Anulinus gehört hatten, etwa neununddreissigjährig den Thron der Welt bestieg. Von ihrer Heimat, dem kleinen Dioclea unweit Cattaro, hatten Mutter und Sohn ihren Namen erhalten; nur nannte sich jetzt Diokles, »der Zeusberühmte«, den Römern zuliebe mit vollerer Endung Diocletianus Der Name bei Orelli, Insc. Lat.sel., nr. 1052: Gaius Aurelius Valerius Diocletianus. – Er war schon Statthalter von Moesia gewesen, auch einmal consul suffectus, und hatte den Carus in der hohen Stellung eines comes domesticorum in den Orient begleitet. – Vgl. Theodor Preuss, Kaiser Diocletian und seine Zeit (Leipzig 1869), S. 19 ff. Wir werden uns auf diese treffliche Monographie noch oft beziehen., ohne deshalb die Beziehung auf den höchsten der Götter aufzugeben, an welchen auch sein neuer lateinischer Beiname, Iovius, erinnert.

Von seinen Kriegstaten, seiner Regierung und seinem so sehr bestrittenen Charakter wird weiterhin die Rede sein müssen; uns beschäftigt zunächst die ganz eigentümliche«Weise, in welcher er seine Kaisergewalt auffasst und zu sichern, zu teilen, zu vererben sucht.

Die letzten Kaiser waren zum Teil durch gewaltsamen Tod an jeder Verfügung über die Krone verhindert worden, zum Teil hatten sie wissentlich den Generalen die Entscheidung überlassen; dass endlich Carus ohne weiteres seine Söhne als Reichserben aufgestellt hatte, war vielleicht einer der entscheidenden Gründe ihres Unterganges gewesen. Diocletian, der von seiner Gemahlin Prisca, wie es scheint, nur eine Tochter, Valeria, hatte, musste natürlich auf einen andern Ausweg denken. Vielleicht hätte er bei ruhigem Zustande des Reiches jede Entscheidung verschoben, allein die heftigsten Stürme drängten von aussen heran, und im Innern war seit Carus alles voller Usurpatoren, die eigene Regierung Diocletians im Grunde nicht ausgenommen, wenn sie auch die Anerkennung des Senates erhalten haben mochte. Wie war hier zu helfen?

Was Diocletian tat, verrät einerseits einen hohen, durchdringenden Geist, andererseits aber erscheint es sonderbar und rätselhaft.

Die Erfahrung des letzten Jahrzehntes hatte gezeigt, dass auch die tüchtigsten Regenten, die Retter des Reiches, dem gemeinen verräterischen Mord und dem Soldatenaufruhr unterliegen mussten. Die grossen Generale, aus welchen ihre Umgebung bestand, konnten es nicht hindern, und einzelne wollten auch wohl nicht, weil ihr Ehrgeiz, wenn auch mit Schaudern, auf den Thron hinblickte. Auf die Länge wäre unausbleiblich ein Zustand wie zur Zeit des Gallienus und der Dreissig Tyrannen wieder eingetreten, wozu es im Jahre 285 schon allen Anschein hatte, und das Reich wäre von neuem in Stücke gegangen, vielleicht auf immer. Diocletian ergriff das wahre Gegenmittel; er umgab sich mit Nachfolgern und Mitregenten. Damit war der Usurpation des Ehrgeizes Ziel und Zweck verrückt, dem Lageraufruhr der Erfolg sehr erschwert. Denn wenn bloss einer der Kaiser oder Caesaren fiel, wenn es nicht gelang, an einem Tag die zwei oder vier Herrscher etwa in Nikomedien, Alexandrien, Mailand und Trier zugleich aufzuheben und zu ermorden, so gab es für die vereinzelte Gewalttat unfehlbar einen oder mehrere Rächer; alle Guten wussten sofort, an wen sie sich anzuschliessen hatten, und brauchten sich nicht mehr in besinnungslosem Schrecken der ersten besten Soldatenwahl in die Arme zu werfen. Der zweite sehr grosse Vorzug von Diocletians Massregel war die Teilung der Reichsarbeit, die nun mit Ruhe und Besinnung, nach festen gemeinsamen Planen unternommen und im Ganzen glorreich durchgeführt werden konnte.

Rätselhaft aber kömmt uns das künstliche System dieser Adoptionen vor. Der einfachste Ausweg, obenhin betrachtet, wäre es offenbar gewesen, wenn Diocletian eine begabte Familie von mehrern Brüdern adoptiert und in die Provinzen und Regierungsaufgaben verteilt hätte. Was dem Hause des Carus zum Teil durch Schuld Carins misslungen war, konnte jetzt viel eher gelingen, nämlich der Übergang aus dem wechselvollen Caesarismus Ich wüsste nicht, weshalb die Wissenschaft gegen diesen von Romieu aufgebrachten Ausdruck sich spröde erweisen sollte, indem derselbe eine ganz bestimmte Sache sehr gut bezeichnet. in eine erbliche Dynastie, auf welche am Ende jede monarchische Herrschaft mit Notwendigkeit hindrängt. Oder fürchtete er, selber von einer auf diese Weise erhobenen Familie beiseite geschoben zu werden? Ein so imposanter Mensch lässt sich nicht ohne weiteres beseitigen. Mochte er den Banden des Blutes in dieser zerfallenen Zeit keine sittliche Wirkung mehr zutrauen? Er selbst hat nachher die Caesaren zu Schwiegersöhnen der Imperatoren gemacht. Musste er möglichst viele Ehrgeizige durch die Adoption oder die Hoffnung darauf zu befriedigen suchen? Er wusste besser als sonst jemand, dass man gerade die Gefährlichsten nie zufriedenstellt, auch lag es gar nicht in seinem Wesen, sich sonderlich um aller Welt Zufriedenheit und Beistimmung zu bemühen. Fasst man aber die einzelnen Tatsachen und ihre nachweisbaren oder vermutlichen Motive näher ins Auge, so lässt die lückenhafte Überlieferung zwar manches unerklärt, doch leitet sie vielleicht im ganzen auf die richtige Spur.

Angesichts des gallischen Bauernkrieges erhebt Diocletian noch im Jahr 285 seinen Kriegsgenossen Maximian zum Caesar und im folgenden Jahre zum Augustus Über den Gebrauch dieser beiden Titel vgl. die Untersuchung bei Preuss, a. a. O., S. 174 ff.; das Verhältnis der Adoption drückt sich schon in dessen Beinamen Herculius aus, der vom Sohne des Zeus entlehnt ist. Nachdem beide sechs Jahre lang rastlos gegen Barbaren, empörte Provinzen und Usurpatoren an allen Enden des Reiches gekämpft, ohne dasselbe unter sich förmlich geteilt zu haben, erheben sie (292) zu Caesaren die Feldherrn Galerius und Constantius Chlorus, wobei es ausdrücklich von Diocletian ausgesprochen wird, »es sollten fortan immer zwei Grössere im Staat sein, als Herrscher, und zwei Geringere, als Helfer« De mortibus persecutorum 18.. Maximians Sohn, Maxentius, wird ohne Umstände übergangen Der Lobredner Mamertinus hatte noch im nämlichen Jahre (Panegyr. III, 14) auf denselben als vermutlichen Thronfolger hingedeutet., dafür aber ein neues, künstliches Band der Pietät geknüpft, indem die Caesaren die Töchter der Imperatoren heiraten müssen, Galerius die Valeria, Constantius die Theodora, letztere strenge genommen nur die Stieftochter Maximians Ob die frühern Frauen, welche sie verstiessen, gesetzlich angetraute Gemahlinnen waren, bleibt bei derjenigen des Galerius unentschieden; die Helena des Constantius war offenbar eine blosse Beischläferin.. Die Caesaren waren in der Schule des Aurelian und Probus gebildet, Constantius von hoher Geburt und mütterlicherseits der Grossneffe des Claudius Gothicus; Galerius dagegen ein riesiger Hirtensohn, der nur um so lieber sich verlauten liess, dass seine Mutter von einem göttlichen Wesen in Schlangengestalt oder gar wie Rhea Silvia von Mars geschwängert worden. Jetzt gab es vier Höfe, Verwaltungen und Armeen; über Gallien und Britannien waltete Constantius, über den Donaulanden nebst Griechenland Galerius, dem Maximian waren Italien, Spanien und Afrika, dem Stifter ihrer Macht endlich Thracien, Asien und Ägypten vorbehalten. Über zwölf Jahre dauerte unter so verschiedenen und zum Teil so rohen Menschen die merkwürdigste Eintracht »Der harmonische Vierklang«, sagt Julian in den Caesares. – Auf den Münzen wird diese Concordia beständig gerühmt. – Über Persönlichkeit und Herkommen der beiden Caesaren umständlich Preuss, a. a. O., S. 48 ff., die vollends unerklärlich wird, wenn man sieht, wie der eine in den Gebieten des andern mitregiert und Heere anführt, und wie wenig Diocletian zum Beispiel den leidenschaftlichen Galerius in Gegenwart ganzer Heere schont. Was von ihm kömmt, die schwierigsten Kriegspläne, die bedenklichsten Befehle, alles wird mit kindlicher Unterwürfigkeit vollzogen; keinen Augenblick wird daran gezweifelt, dass er die Seele des Ganzen ist. »Sie sahen empor zu ihm«, sagt Aurelius Victor, »wie zu einem Vater oder höchsten Gott; wie viel dies aber heissen will, wird erst klar, wenn man all den Familienmord von Romulus bis auf unsere Tage daneben hält.«

Die wahre Feuerprobe des Gehorsams bestand in der Folge der Mitkaiser Maximian, als Diocletian, nach zwanzigjähriger Doppelregierung, ihn zu der schon längst abgeredeten gemeinschaftlichen Abdankung nötigte (305). Maximian fügte sich Panegyr. VI (Max. et Const. M.), 9: consilii olim inter vos placiti constantia et pietate fraterna., obwohl mit grossem Widerwillen; er liess es geduldig geschehen, dass auch diesmal bei der Ernennung zweier neuer Caesaren (an der Stelle der zu Kaisern beförderten Galerius und Constantius) sein Sohn Maxentius übergangen wurde, und dass er selbst, der alte Sieger über Bagauden, Germanen und Mauren, bei der Caesarenwahl gar nichts zu sagen hatte; Diocletian hatte dieselbe ausschliesslich seinem Adoptivsohn Galerius vorbehalten In dem einzigen analogen Fall früherer Zeiten liegt gerade hier eine Verschiedenheit; Hadrian adoptiert den Antonin unter der Bedingung, dass dieser den Lucius Verus und den Marc Aurel adoptiere; Diocletian dagegen lässt dem künftigen Oberkaiser freie Hand., welcher einen getreuen Offizier, Severus, zum Caesar des Westens und seinen Neffen, Maximinus Daza, zum Caesar des Ostens erhob. Dem Constantius Chlorus ging es ähnlich wie dem Maximian; obwohl zur Kaiserwürde avanciert, musste er sich statt eines seiner Söhne den Severus als eventuellen Caesar gefallen lassen, wobei die christlichen Autoren Orosius VII, 25. – Auch bei Eutrop. X, 1 liegt ein Missverständnis zugrunde. ganz unnützerweise seine bescheidene Mässigung rühmen.

In einer nicht viel später verfassten Schrift De mortibus persecutorum. Früher glaubte ich nicht, dass die Schrift von Lactantius sei, schliesse mich aber jetzt den vielen und überzeugenden Gründen an, welche Ebert (in den Berichten der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, 1870) für dessen Urheberschaft geltend gemacht hat. werden die persönlichen Beweggründe dieser Staatsaktionen dramatisch ausgesponnen. Schon Gibbon erkannte, dass wir hier keine reine Geschichte, sondern die Erzählung eines erbitterten Feindes vor uns haben, der namentlich darin irregeht, dass er die abdankenden alten Imperatoren durch Galerius terrorisiert darstellt. Ein höchst merkwürdiger Zug aber Cap. 20. – Die sonstigen, erst auf eine vielleicht ferne Zukunft gehenden Absichten, welche der Autor hier bei Galerius schon im Jahre 305 vorauserraten will, sind wohl blosse Fiktionen. ist wohl nicht ersonnen: es wird dem Galerius die Absicht beigelegt, einst nach zwanzigjähriger Herrschaft, wenn die Thronfolge auf lange hinaus geordnet sein würde, abzudanken, gleich Diocletian. Der Autor hält dies für einen freiwilligen Entschluss, den er bei seinem glühenden Hasse gegen Galerius wahrscheinlich nur ungerne berichtet; wenn uns aber nicht alles trügt, so haben wir es hier mit einem vorgeschriebenen und sehr wesentlichen Hauptgesetz des diocletanischen Systems zu tun, welches die Zeitgenossen nur stückweise erraten haben. Diese Festsetzung einer zwanzigjährigen Dauer des Herrscheramtes bildet den Schlußstein und Regulator des Ganzen. Sie sollte den Adoptionen und Thronfolgen den Stempel des Unabwendbaren, Notwendigen aufdrücken.

Gleich im folgenden Jahre (306) wird freilich dies ganze System durchbrochen und unheilbar gestört durch die Usurpation der beseitigt geglaubten Kaisersöhne: Constantin (der Grosse) erbt mit Hilfe der Soldaten die Herrschaft seines Vaters, Maxentius reisst Italien an sich, und auch der alte Maximian verlässt den Sitz widerwilliger Ruhe, um sich seinem Sohne beizugesellen. Diocletian aber, dessen geweihte Reichsordnung durch diesen Einbruch des Erbrechtes zernichtet war, musste mit ihr das Reich selber dem Untergang Laut Aur. Vict., Caes. erwartete er: intestinas clades et quasi fragorem guendam status Romani. verfallen glauben; tiefe Bekümmernis erfüllte ohne Zweifel seine letzten Jahre, die er krank und lebensmüde in der Heimat, in den Hallen seines lagerähnlichen Palastes zu Spalatro, zubrachte.

In der Tat, jenes sein Ideal von Reichsordnung war wunderlich und auffallend gewesen. Und bei den möglichen Konsequenzen von Generalsregierungen, wie die der damaligen Imperatoren waren, darf man auch auf Wunderliches gefasst sein; wissen wir doch nicht, was für Erfahrungen unser spätes Europa für unsre Nachkommen in Bereitschaft halten mag. – Ein doppeltes zwanzigjähriges Kaisertum mit einbedungener Abdankung; die Caesarenernennung ausschliesslich dem altern Imperator überlassen; die einzelnen Regenten (und wären sie auch Helden der Entsagung gewesen) beständig gereizt und verletzt durch den Ausschluss ihrer Söhne – alles, um eine künstliche Dynastie zu bilden. Mag es zugestanden werden, dass um der Reichsverteidigung willen eine Teilung der Gewalt durchaus nötig war, und dass es die Usurpation von aussen unendlich schwerer hatte, gegen vier Regenten aufzukommen als gegen einen; aber wie wollte man sie verhindern in den Kaiserhäusern selbst? Anderer Umstände nicht zu gedenken, mit welchen uns Diocletian lauter Rätsel aufgibt.

Mit politischen und psychologischen Motiven allein reicht man hier nicht aus. Die Ergänzung liegt in der Annahme einer durchgehenden, alle diese Verhältnisse beherrschenden religiösen Superstition.

Es wurde schon erwähnt, welche Stelle die Vorbedeutungen und Weissagungen im Leben Diocletians einnahmen Aurel. Vict., Caes. – Euseb., Vita Const. II, 51. –Zosim. II, 10. – De mort. pers. 10. 18. 19. – Sind etwa die Geschichtsschreiber der Historia Augusta, welche ihm ihre Biographien widmeten, um seines persönlichen Geschmackes willen so fleissig in der Aufzeichnung der Omina?. Er heisst »ein Forscher künftiger Dinge«, »den heiligen Bräuchen stets zugewandt«; wir finden ihn von Priestern umgeben als eifrigen Opferer in den Eingeweiden der Tiere wühlend, voll von Sorgen wegen ominöser Blitze Const. M., Orat. ad sanctor. coetum, c. 25 ist ohne Zweifel so zu deuten.. Selbst in Eigennamen sucht er Vorbedeutungen auf; Galerius muss sich Maximianus nennen, um dadurch zu der bewährten Treue des alten Maximian magisch gezwungen und verbunden zu sein, und auch der junge Daza erhält später ebendeshalb den ähnlichen Namen Maximinus. Wahrscheinlich suchte der Kaiser in einen ganz besondern Rapport zu seinem Namensgotte Juppiter zu gelangen, der zum Beispiel auf der Rückseite seiner Münzen auffallend oft wiederkehrt. Unter einem Pfeiler mit der Zeusstatue auf dem freien Felde bei Nikomedien geschah in der Folge auch die Abdikation, und noch im Palast zu Spalatro zieht der achteckige Juppitertempel vor allem den Blick auf sich. – Auch in den öffentlichen Akten Codex Gregorian. V, 1 und XIV, 4. erkennen wir eine auffallende religiöse Tendenz; der Eingang des Ehegesetzes vom Jahr 295 lautet wie eine Predigt, und das Gesetz gegen die Manichäer vom Jahr 296 atmet einen ganz persönlichen Eifer.

Die Mitregenten sind fast sämtlich ebenfalls für ihre Superstitionen bekannt, ohne welche überdies ihr langer Gehorsam kaum erklärlich wäre. Sie mochten wissen, dass sie schon ihre Erhebung derartigen Erwägungen verdankten. Welche befremdliche, für uns ganz unbegreifliche Sorgen gingen den Adoptionen Diocletians voran! Da erscheint ihm zum Beispiel im Traume eine Gestalt, welche ihn beharrlich damit belästigt, er solle einen gewissen Mann zum Nachfolger wählen, dessen Name ihm genannt wird. Er vermutet, es sei ihm ein Zauber angetan, lässt endlich eines Tages den Betreffenden vor sich kommen und sagt nur: »Empfange denn die Herrschaft, die du jede Nacht von mir verlangst und missgönne wenigstens dem Kaiser nicht seine Nachtruhe!« – Es ist nicht bekannt, auf wen sich diese Palastanekdote Fragm. anonymi, bei Müller, Fragm. Hist. Graec., vol. IV, 198. bezieht und wie weit sie wahr ist, aber bezeichnend ist sie gewiss.

Maximian war ein grosser, wenigstens ein tüchtiger Feldherr, und Diocletian mochte ihm schon als früherem Mitwisser seiner hochfliegenden Pläne Hist. Aug., Numerian. 15. Rücksichten schuldig sein; was aber bei seiner Erhebung möglicherweise den Ausschlag gab, war etwa doch, dass er an demselben Monatstage mit Diocletian geboren war Panegyr. III (Mamertini Genethliacus ad Max. Herc.), cap. 1 et 2.. Von Constantius können wir mit einiger Sicherheit annehmen, dass er wesentlich der Weissagung der Druidinnen zuliebe Hist. Aug., Aurelian. 44. von Diocletian zum Caesar gemacht wurde.

Dieser war, wie gesagt, ein Dalmatiner, Maximian ein Bauernsohn von Sirmium (Mitrovicz an der Save), der Heimat der tapfersten Kaiser des dritten Jahrhunderts Unweit Sirmium sah man den Palast, welchen er an der Stelle hatte errichten lassen, wo seine Eltern um Tagelohn gearbeitet hatten. Aurel. Vict., Epit. 40. Auch Galerius schämte sich solcher Erinnerungen nicht und benannte seinen Geburtsort nach seiner Mutter Romula Romulianum, ibid.; Galerius ein Hirte, entweder aus Dacien oder von Sardica (dem jetzigen Sophia in der Bulgarei); Maximinus Daza wahrscheinlich aus derselben Gegend; Constantius Chlorus wohnte, als ihm sein Sohn Constantin geboren wurde, zu Nissa in Serbien; der später auftretende Freund des Galer, Licinius, war ein Bauer von der untern Donau; die Heimat des Severus ist unbekannt. Man muss einstweilen es ganz auf sich beruhen lassen, ob eine örtliche Religion oder Superstition die Herrscher noch besonders vereinte. Von Maximians Abdankung kennen wir nur die Formel, die er im Tempel des kapitolinischen Gottes (wahrscheinlich in Mailand) aussprach: »Nimm zurück, o Juppiter, was du verliehen hast« Panegyr. VI (Max. et Const. M.), 12 und VII (Const. M.), 15. – Malalas l. XII, ed. Bonn. p. 310 lässt den Diocletian zu Antiochien als Alytarch (Vorsteher) den olympischen Spielen präsidieren, worauf er in bezug auf seine Festtracht gesagt haben soll: »Ich lege die Herrschaft nieder; ich habe das Kleid des unsterblichen Zeus getragen.« Dasselbe wird dann von Maximian wiederholt. Hier liegt vielleicht eine echte Tradition, nur entstellt, zugrunde.. Mit Schwüren, Opfern und Weihen mochte Diocletian ersetzen, was seiner politischen Kombination an Kraft und Haltbarkeit abging.

Wer dieser unserer Erklärung nicht beistimmen will, mag annehmen, dass Diocletian bei der Erhebung Maximians dessen Stillschweigen und Feldherrngaben nicht entbehren wollte, dessen Sohn Maxentius aber deshalb beseitigte, weil Galerius mit diesem von jeher verfeindet war De mort. pers. 18.. Allein man sehe wohl zu, ob eine Handlungsweise dieser Art mit dem ganzen Wesen und dem Mass von Regentengrösse vereinbar ist, welches man dem Diocletian nicht wohl streitig machen wird. Es liegt ein tiefer Ernst in seinen Anordnungen, zumal in der Herabsetzung des Kaisertums auf eine bestimmte Amtsdauer. Wenn andere dasselbe für eine Sache des Genusses ansehen würden, so war dies nicht seine Schuld; er hielt es für ein furchtbares und verantwortungsvolles Amt, welches Kindern und Greisen zu ihrem und des Reiches Glück entzogen bleiben sollte. Zugleich war aber dem berechtigten Ehrgeiz der jeweiligen Caesaren Rechnung getragen; sie konnten nun den Tag und die Stunde berechnen, da sie (wenn nichts in der Zwischenzeit vorfiel) spätestens den Thron besteigen würden. Mit den Gefühlen eines Menschen, der seinen Todestag kennt, mochte der Imperator von fünf zu fünf Jahren die Quinquennalien und die Decennalien und die Quindecennalien feiern; unabwendbar nahten die Vicennalien, da er den Purpur auszuziehen hatte. Denn so wollen es die »übermächtigen Schicksalsgöttinnen«, welche auf einer Münze des Abdankungsjahres Mit der Inschrift: FATIS · VICTRICIBVS. – Dass Diocletian von erblicher Herrscherbegabung nicht viel hielt, hat man, gewiss mit Recht, aus Hist. Aug., Sept. Sever. 20 geschlossen, wo der Autor, mit direkter Anrede an ihn, als etwas Ausgemachtes betont, dass fast kein grosser Mann einen würdigen und tüchtigen Sohn hinterlassen habe. verherrlicht sind. Dass man Nachfolger nicht auf ewig binden könne, wusste auch Diocletian, aber er wollte, so scheint es, ein Beispiel geben. Überdies verbürgte nur die Zwanzigjährigkeit des Amtes den Ausschluss der Kaisersöhne, welcher bei dessen Lebenslänglichkeit unfehlbar dahinfallen musste. Man könnte fragen, ob es wohlgetan war, auch den feindlichen Menschen und den gärenden Elementen im Staate einen festen Termin zum vielleicht erfolgreichen Ausbruch zu bezeichnen; allein auch die Mittel des Widerstandes konnten in Bereitschaft gehalten werden. Während der Krankheit Diocletians, die seiner Abdankung vorausging, blieb das Volk dritthalb Monate in der Ungewissheit, ob er überhaupt noch lebe De mort. pers. 17., und doch rührte sich in dem wohlgebändigten Staate Romanam gentem modestam atque tranquillam . . . Cod. Gregor. XIV, IV. – Die nähere Motivierung und die Konsequenzen des diocletianischen Systems sind mit vorsichtiger Kritik erörtert bei: Hunziker, Zur Regierung und Christenverfolgung Diocletians, S. 250 (in Rüdingers Untersuchungen zur römischen Kaisergeschichte, Bd. II). Wahrscheinlich sollte das Oberkaisertum zwischen Osten und Westen abwechseln. Die zurückgezogenen Augusti, in dauerndem Besitz kaiserlicher Ehren, konnten als eine Art Obertribunal bei Zwisten ihrer Nachfolger gelten. – Über den Grad der Vollmacht des Mitaugustus und der Caesaren gegenüber dem Oberkaiser vgl. die genauen Untersuchungen bei Preuss, a. a. O., S. 88 ff. keine Hand.

Merkwürdigerweise bewegten dieselben Fragen, dieselben Ereignisse gleichzeitig das feindliche Nachbarland im Osten, das Sassanidenreich. Bei Bahram III., welcher nur einige Monate im Jahre 293 regierte, bemerken die Schriftsteller Hamza Ispahanens., ed. Gottwaldt, p. 36 seq. – Mirkhond, ed. Sacy, p. 299. – Vgl. Clinton, Fasti Rom., vol. I ad a. 301 et vol. II, p. 260. zum erstenmal: der König von Persien habe denjenigen Sohn oder Bruder, den er zum Nachfolger bestimmt, einstweilen zum Fürsten einer Provinz gemacht, mit dem Titel Schah, und so habe auch Bahram früher bloss Schah von Segan oder Sistan geheissen, solange sein Vater Bahram II. noch lebte. Nach seiner kurzen, wahrscheinlich von gewaltsamen Umständen begleiteten Regierung folgt sein jüngerer Bruder Narsi, und dieser krönt dann selber seinen Sohn Hormuz zum Nachfolger, um sich im Jahre 301 vom Thron in die Stille des Privatlebens, »unter den Schatten der Güte Gottes« zurückzuziehen. Laut Mirkhond bewog ihn hiezu der Gedanke an den Tod, »dessen Augenblick in ewigen Beschlüssen vorgezeichnet und unvermeidlich ist«. Möglicherweise hatten ihm die Magier eine bestimmte Todesstunde geweissagt und ihm damit die Lust am Leben genommen; weiterhin aber wird angedeutet, dass Narsi den Wechselfällen des königlichen Schicksals, die er in seinem Kriege mit den Römern sattsam erfahren, aus dem Wege gehen wollte. »Der Weg ist lang«, sagte er, »man muss oft auf- und niedersteigen.« Es ist nicht undenkbar, dass dieses Beispiel auf das Gemüt Diocletians einigen Eindruck gemacht habe.

Mit der Feierlichkeit, welche das ganze, abergläubisch bedingte Leben Diocletians umgab, steht ohne Zweifel in engster Verbindung die plötzliche und auffallende Steigerung des Hofzeremoniells. Oder hätte er wirklich nur, nach Art der Emporkömmlinge, des äussern Pompes nicht genug bekommen können, wie der ältere Aurelius Victor meint? In diesem Falle wäre es befremdlich, dass keiner von den grossen Soldatenkaisern des dritten Jahrhunderts ihm darin vorangegangen, welche fast sämtlich aus den geringsten Verhältnissen sich zum Thron emporgearbeitet hatten. Wir sehen zum Beispiel den gewaltigen Aurelian harmlos mit seinen alten Freunden verkehren, die er gerade so weit ausstattet, dass sie nicht mehr dürftig heissen können; seidene Kleider sind ihm zu teuer; das Gold möchte er am liebsten ganz aus der Bauverzierung und aus den Gewändern entfernen, während er das kostbarste Geschmeide, das man ja wieder einschmelzen kann, andern gern gestattet, sich selber versagt; seine Diener kleidet er nicht prächtiger als bevor er Kaiser war; in dem prachtvollen Palaste auf dem Palatin, an dessen bunten Marmorwänden das Blut so vieler Kaiser klebte, ist ihm nicht wohl zumute; er bezieht (wie einst Vespasian) die Gärten des Sallust, in deren miglienlanger Halle man ihn täglich turnen und die Pferde tummeln sah Hist. Aug., Aurelian. 45–50, wogegen die Notizen in Aur. Vict., Epit. und bei Malalas über das Diadem nicht zu allgemeinen Schlüssen berechtigen.. – Jetzt änderte sich dies alles. Diocletian hatte Freunde aus früherer Zeit; aber das Zutrauen war, vielleicht auf beiden Seiten zugleich, verschwunden; er fürchtete nicht mit Unrecht, dass eine Intimität mit dritten Personen seine künstliche Harmonie mit den Kollegen stören könnte. Statt des einfachen Purpurs, womit sich fast alle frühern Kaiser (die wahnsinnigen ausgenommen) begnügt hatten, trägt er (seit 293) seidene und golddurchwirkte Gewänder und bedeckt selbst die Schuhe mit Edelsteinen und Perlen; das Haupt aber umgibt er mit dem Diadem, einer weissen, perlenbesetzten Binde. Dies war natürlich nur das Staatskleid, in welchem er bloss bei festlichen Gelegenheiten auftrat; auf seinen Schnellreisen und Feldzügen werden er und sein Kollege Maximian es wohl anders gehalten haben, und so vollends die auf jeden Wink beweglichen »Wie stets herumreisende Diener«, Ammian. XIV, 11, § 10. Caesaren, von welchen besonders Constantius das einfachste Auftreten liebte. Allein in Nikomedien hielt Diocletian auf das Feierliche. Der Zutritt zu seiner geheiligten Person wurde täglich schwieriger durch das wachsende Zeremoniell. In den Sälen und Vorhallen des Palastes waren Offiziere, Hofbeamte und Wachen aufgestellt; im Innern walteten einflussreiche Verschnittene; wem es sein Geschäft oder sein Rang möglich machten, bis zum Kaiser durchzudringen, musste nach orientalischem Brauch zur Anbetung niederfallen. Schon bei Anlass der Zusammenkunft Diocletians und Maximians in Mailand (291) bezeichnet der Lobredner Mamertinus Panegyr. III, 11. – Constantin entzückte später die Bischöfe, wenn er sie »bis in die innersten Gemächer« zu sich liess. Euseb., V. C. III, 1. die feierliche Cour als »eine im Innersten des Heiligtums verborgene Verehrung, welche nur die Gemüter derer mit Staunen erfüllen durfte, denen der Rang ihrer Würde den Zugang zu Euch verstattete«. Und bei den stummen Formen blieb man nicht mehr stehen, auch das bedenkliche Wort wurde ausgesprochen; der Kaiser nannte sich nicht mehr nach den so harmlos gewordenen Titeln des republikanischen Roms, dem Konsulat, der tribunizischen Gewalt usw.; er hiess jetzt dominus, der Herr In der gewöhnlichen Anrede an den Kaiser war der Titel längst vorgekommen, und auch hie und da in Inschriften, z. B. auf Valerian und Gallienus, vgl. Millin, Voyage dans les dep. du Mich, III, p. 6. Dann bei Aurelian.. Gegen den Titel rex hatte sich das römische Gefühl beharrlich gesträubt, weil sich verabscheute Erinnerungen daran knüpften; die Griechen aber, welche in Sparta und ihren halbbarbarischen Nachbarländern des Königtitels nie entwöhnt worden und denselben unter den Nachfolgern Alexanders Jahrhunderte hindurch gebraucht hatten, nannten ohne Bedenken die römischen Imperatoren von Anfang an βασιλει̃ς, Könige, weil bei ihnen die Behauptung der republikanischen Fiktion keinen Sinn gehabt hätte Man vergleiche den neu erfundenen Mythus von Basileia und Tyrannis in der ersten Rede des Dio Chrysostomus, wahrscheinlich an Trajan gerichtet.. Jetzt ging man auch über diesen Titel hinaus und führte einen neuen ein, welcher das Verhältnis völliger Herrschaft und Dienstbarkeit ausdrückte. Daneben konnte bald auch eine wahre Vergötterung nicht mehr auffallen; über die verstorbenen Kaiser hatte ja längst der Senat das Kanonisationsrecht geübt, und tatsächlich hatte man den lebenden dieselbe Ehre immerfort erwiesen durch das Opfern und Schwören vor ihren Statuen, wenn man auch dabei den unbestimmten und deshalb unübersetzbaren Ausdruck »numen imperatoris« brauchen mochte. – Maximian hatte übrigens die Schwäche, sich wie Commodus und ähnliche Vorfahren im Reiche auf Münzen mit der Löwenhaut seines Namensheros abbilden zu lassen.

Ein Mensch von der Bedeutung und den Erfahrungen Diocletians nimmt die Last einer so gesteigerten Repräsentation nicht ohne genügenden Anlass auf sich; von ihm wissen wir überdies, dass er die Übelstände seiner Abgeschlossenheit öfter laut beklagte Hist. Aug., Aurelian. 43.. Er kannte den grossen Vorteil, der dem Regenten aus der persönlichen Berührung mit den Untertanen, vom Oberbeamten bis zum geringen Bittsteller, erwachsen kann. »Ihrer vier oder fünf«, sagte er, »tun sich zusammen, um den Kaiser zu täuschen; sie legen ihm einen Entscheid vor; er, zu Hause eingeschlossen, kennt die wahre Sachlage nicht; er darf nur das wissen, was jene sagen; er ernennt Beamte, die besser nicht angestellt würden, und setzt die ab, welche er an ihrer Stelle lassen sollte, und so wird auch der beste, der klügste Kaiser verkauft.«

Es lässt sich noch ein Grund anführen, der ihn trotz dieser klaren Einsicht zu den genannten Massregeln kann bewogen haben. Seit den Kriegen des Aurelian und Probus mochte sich der Hof und namentlich der Generalstab mit einer grossen Anzahl barbarischer Offiziere angefüllt haben, welche ihrer bunten Mischung und ihrer unrömischen Bildung nach auf den beinahe traulichen, kameradschaftlichen Ton des bisherigen Kaiserhofes gar nicht hätten eingehen können. Sodann waren Euseb., Hist. eccles. VIII, 1. an den verschiedenen Höfen bis zur grossen Verfolgung eine Menge Christen, welchen durch die feierlichere Haltung des Hoflebens manche unangenehme Erörterungen mit den Heiden abgeschnitten wurden. – Man liebte zwar, und selbst in Edikten, einigermassen das Pathetische, wie wenig aber gemeine Eitelkeit und Liebe zum Pomp den Imperator bestimmte, erhellt schon daraus, dass er seinen einzigen Triumph nach einer so gewaltigen Reihe von Siegen bis ans Ende seiner Regierung (303) verschob und ihn dann mit ganz bescheidenem Glänze abhielt Zu den Spielen wurden nur 13 Elefanten und 250 Pferde mitgebracht..

Immerhin hatte Diocletian in mehr als einer Hinsicht sehr offenbar mit dem altrömischen Wesen gebrochen. Es kam hinzu, dass er zu der Stadt Rom selber zu Anfang seiner Herrschaft in gar kein Verhältnis trat. Noch die Kaiser des dritten Jahrhunderts hatten in der Regel zu Rom auf dem Palatin gewohnt, weniger vielleicht aus Pietät für die geweihten Erinnerungen und die Heiligtümer der Weltstadt, als weil dieselbe durch ihre zentrale Lage und ihre Fülle von Pracht und Vergnügungen sich zur Residenz vor allen Städten eignete, und weil neben ihren alten Ansprüchen ihr auch ein Rest wirklicher Macht geblieben war. Denn hier wohnte der Senat, welcher vor noch nicht langer Zeit Kaiser abgesetzt, gewählt oder anerkannt hatte. Ihn aus der Stadt zu treiben wagte nur Elagabal, und sonst vor und nach ihm kein Imperator; andere traten ihn mit Füssen und suchten ihn zu demoralisieren; die klügsten setzten sich mit ihm in ein billiges Einvernehmen. Neben dieser Rücksicht nahm die Besorgnis vor dem unruhigen Pöbel und vor dem Rest prätorianischer Kohorten gewiss nur eine untergeordnete Stelle ein, wenigstens in dem Gemüt eines tüchtigen Regenten; für einen schwachen Fürsten aber war in Rom gerade so viel Gefahr als ausserhalb.

Wenn nun die Kaisermacht einmal aus Rücksicht auf die Grenzverteidigung geteilt werden sollte, so konnte Rom unmöglich der Wohnsitz eines der zwei oder vier Herrscher werden. Die Erhaltung der Reichsgrenzen stand höher als die Freundschaft mit dem Senat, welche letztere ein wahrhaft römisch gesinnter Fürst sich ausserdem wohl noch zu erhalten gewusst hätte. Maximian bekam seine Residenz in Mailand, welches bei dem erneuten Vordringen der Alamannen seit Probus' Tode beinahe ein Grenzposten heissen durfte und zugleich für die Sicherung Galliens so richtig gewählt war, als ein Punkt südlich von den Alpen sein konnte; musste er doch von hier aus zugleich Italien beobachten und in Afrika intervenieren können. Den kriegführenden Caesar Constantius finden wir am häufigsten in Trier, später auch in York. Diocletian liess sich zu Nicomedia in Bithynien, am Ende eines tiefen Golfes des Mare di Marmora nieder; von dort aus hatte er die Bewegungen der Goten und anderer Pontusvölker, namentlich die bedrohte untere Donau, im Auge und war zugleich nicht allzu entfernt von den Gefilden des obern Euphrat, wo sich die Kämpfe mit den Persern zu entscheiden pflegten. In den ersten Jahren war indes keine feste Residenz möglich; beide Augusti eilen von Schlachtfeld zu Schlachtfeld, und ebenso in der Folge die Caesaren. Diocletians etwas quälerischer Baugeist hielt sich inzwischen schadlos, indem er ein Quartier von Nikomedien zu einem grossen, regelmässigen Palast umschuf, der vielleicht, wie der später zu Salona erbaute, die Form eines Feldlagers haben mochte. Man fand darin Basiliken, einen Zirkus, eine Münzstätte, ein Arsenal, besondere Wohnungen für seine Gemahlin und für seine Tochter Diese Aufzählung, De mort. pers. 7, bezieht sich ohne Zweifel ganz auf den Palast zu Nikomedien.. Natürlich wuchs diese Stadt nun an, in der Art, wie Residenzstädte zu wachsen pflegen. Nikomedien sah zu Anfang des vierten Jahrhunderts aus wie ein Quartier (regio) von Rom Ammian. Marc. XXII, 9.. In Mailand baute Maximian vielleicht das meiste von dem, was dann der Dichter des vierten Jahrhunderts Auson., Ordo nobil. urb. – Die sechzehn Säulen vor S. Lorenzo und der Grundplan nebst einigen Bestandteilen der Kirche selbst sind die wahrscheinlichen Überbleibsel des maximianischen Palastes, nach andern der Thermen. bewunderte.

Rom musste, selbst wenn es keinen äusserlichen Verlust spürte, doch in hohem Grade empfindlich werden. Die schon erwähnte feindselige Quelle berichtet: der raubgierige Maximian habe sich an reiche Senatoren gemacht, welche fälschlich verklagt wurden, als strebten sie nach der Herrschaft, und so seien unaufhörlich die Lichter des Senats ausgelöscht, seine Augen ausgestochen worden De mort. pers. 8.. – Jeder Versuch, Recht oder Unrecht hier auf beide Seiten billig verteilen zu wollen, ist erfolglos. In dem Werke des Zosimus, dem einzigen, welches in der Darstellung und Beurteilung von Diocletians Charakter und Herrschaft der Wahrheit und Vollständigkeit irgend nahekommen mochte, gibt es hier eine Lücke von zwanzig Jahren. Vielleicht schien eifrigen Christen die letzte grosse Verfolgung allzusehr zugunsten der Verfolger dargestellt, und sie fanden es leichter, das Werk zu verstümmeln als zu widerlegen; gerade wie damals die Heiden ihrerseits Ciceros Bücher von der Natur der Götter verstümmelten Arnob., Adv. gentes l. III. – Leider fehlt auch Ammianus Marcellinus und so vieles andere., damit die Christen darin keine Waffen für ihre Polemik gegen die Vielgötterei finden möchten.

Eine Spannung zwischen dem Senat und den Imperatoren war schon dadurch gegeben, dass Diocletian ohne alles Zutun des erstern Kaiser geworden war und seine Mitregenten ernannt hatte. Dem Senat blieb nur übrig, sie anzuerkennen und ihnen der Form halber zeitweise das Konsulat zu übertragen, mit welchem Diocletian bei einem spätern Anlass so wenig Umstände machte, dass er ein paar Tage vor dessen feierlichem Antritt von Rom abreiste De mort. pers. 17. – Im Jahr 303, vgl. unten.. – Bei der schon erwähnten Zusammenkunft in Mailand (291) fand sich auch eine Deputation des römischen Senates ein, wahrscheinlich nur zur Bezeugung der Ergebenheit. Der Lobredner Mamertinus ruft in Maximians Gegenwart Panegyr. III (Geneth. Max.), c. 12. aus: »Der Senat hat der Stadt Mailand ein Abbild seiner Hoheit geliehen, damit es das Ansehen habe, als sei der Sitz des Reiches an der Stätte, wo sich die beiden Imperatoren zusammengefunden.« Diese Äusserung war vermutlich eine unliebsame, und wir wissen nicht, wie sie aufgenommen wurde; doch sollte man daraus schliessen, dass wenigstens in dem betreffenden Jahre das Verhältnis der Kaiser zum Senat noch kein offenkundig unfreundliches gewesen. Wann und wie es sich verschlimmert, bleibt uns ein Rätsel. Maximian war von Hause aus grausam und tückisch, und Diocletian mied vielleicht nicht immer ein nützliches Verbrechen; die Römer mit ihrer »wenn nicht frechen, doch freien De mort. pers. 16, und besonders Ammian. Marc. XVI, 10. Redeweise« waren ihnen höchlich zuwider; auch jene verabredeten, im Takt und in vielfacher Wiederholung vorgetragenen Zurufe, womit die Senatoren in ihrem Lokal und das Volk im Zirkus den Kaisern Mahnungen sowohl als Huldigungen pflegten zukommen zu lassen, konnten unmöglich nach dem Geschmacke der neuen Herrscher sein; allein die Häupter des Senates opferten sie gewiss nicht ohne triftigen Grund, wenn es wirklich dazu kam, und wenn nicht jener Autor nach seiner Art aus einer Kleinigkeit eine Untat gemacht hat.

Gegen die Einwohnerschaft Jenen vulgus urbis Romae, welchem einst Carin die Güter des Senats versprochen, als wäre er der populus Romanus. Vgl. Hist. Aug., Carin. 1. von Rom (um nicht den entweihten Namen des römischen Volkes zu brauchen) erwiesen sich aber Diocletian und sein Mitkaiser später in einer ganz absichtlichen Weise gefällig; als wären zu Rom noch nicht Vergnügungsanstalten genug, bauten sie auf dem Viminal jene ungeheuersten aller römischen Thermen (299). Unter den etwa zehn Thermenbauten früherer Kaiser und Privatleute befanden sich die riesigen Hallen Caracallas, mit deren rätselhaft weiten Wölbungen die ermüdete Kunst nicht mehr wetteifern konnte; da wurde wenigstens die Ausdehnung überboten, bis man ein Ganzes von 1200 Schritt Umfang, mit 3000 Gemächern, geschaffen hatte, dessen erstaunlicher Mittelbau mit jenen Granitsäulen von 15 Fuss Umfang jetzt den Hauptraum der Karthäuserkirche bildet, während man die übrigen Reste weit ringsum in Klöstern, Weingärten und einsamen Strassen zusammensuchen muss [Nachtrag:] Hier ist versäumt worden zu berichtigen, dass die Umgebung der Diocletiansthermen in neuerer Zeit zu den belebtern Quartieren Roms gehört.. – Im gleichen Jahre Euseb., Chronicon. begann Maximian einen Thermenbau zu Karthago, möglicherweise in einer ähnlichen, begütigenden Absicht. Karthago war bisher ein Hauptschauplatz für das erste Auftreten von Usurpatoren gewesen. Von andern Bauten dieser Regierung in Rom werden namentlich erwähnt S. Mommsens Ausg. des Chronographen v. J. 354, S. 648.: die Herstellung des unter Carinus verbrannten Senatslokales, des Forum Caesaris, der Basilica Iulia und des Pompeiustheaters; sodann als Neubauten ausser den Thermen die beiden Portiken mit den Beinamen Iovia und Herculea, drei Nympheen, ein Isis- und ein Serapistempel und ein Triumphbogen. Vielleicht hatte auch die auffallende Masse von Prachtgebäuden, womit Diocletian das tadelsüchtige und gefährliche Antiochien versah Malalas l. XII, ed. Bonn. p. 306., keinen andern Zweck, als die Ablenkung von politischen Gedanken. Es werden Tempel des olympischen Zeus, der Hekate, der Nemesis und des Apoll, ein Palast in der Stadt und einer in Daphne, mehrere Thermen, Speicher, ein Stadium und anderes mehr genannt, meist als Neubauten, weniger als Reparaturen.

Für Rom waren überdies die öffentlichen Spenden Aur. Vict., Caes. und Schauspiele nie unterbrochen worden; erst nach der Abdankung des Jahres 305 wagte Galerius jede Rücksicht gegen die alte Weltherrscherin beiseite zu setzen. Aber schon Diocletian hatte noch in einer andern, bereits angedeuteten Beziehung Rom beleidigt. Zunächst hinter seinen Thermen, von drei Seiten durch die Stadtmauer Aurelians umgrenzt, liegt eine grosse Vigne, später den Jesuiten gehörend, an der Mauer ringsum halbzerstörte gewölbte Zellen. Es ist das ehemalige prätorianische Lager, dessen Bewohner so oft den Kaiserpurpur auf der Spitze ihrer Schwerter hatten in die Luft flattern lassen, öfter hatte man sie aufzulösen, zu ersetzen gesucht; im Laufe des dritten Jahrhunderts aber scheint sich das alte Verhältnis wieder festgesetzt zu haben, dass nämlich in der Umgegend Roms und in den nähern Teilen Italiens die vielleicht wenigen tausend Mann ausgehoben wurden, die wir schon kaum mehr als kaiserliche Garde, sondern eher als Garnison der Hauptstadt zu bezeichnen haben. Jetzt verminderte sie Diocletian sehr beträchtlich Aur. Vict., Caes. – S. auch De mort. pers. 26, wo die Massregel mit Unrecht erst dem Galerius zugeschrieben wird. – Gegenwärtig ist die Örtlichkeit wieder zum Campo militare geworden., sicher nicht bloss, weil er in ihnen die unruhigen, anspruchvollen Italier fürchtete, sondern auch aus Sparsamkeit, und weil durch den Lauf der Dinge ein neues Korps bereits an ihre Stelle getreten war. Eine herrliche Reihe illyrischer Kaiser seit Decius hatte das Reich gerettet Panegyr. II (Mamert. ad Max. Herc.), 2 Halia gentium domina gloriae vetustate, sed Pannonia virtute. – Auf der andern Seite hatte auch der Neid einen Spottnamen auf die Illyrier in Umlauf gebracht, sabaiarius, welches etwa unserm »Bierlümmel« entspricht. Ammian. Marc. XXVI, 8.; kein Wunder, dass im Lauf von dreissig Kriegsjahren sich eine getreue landsmännische Schar um sie bildete, welche ihnen in jeder Beziehung näherstand als jene Latiner und Sabiner und sich noch besonders durch eine nationale Waffe empfahl. Es sind dies die beiden Legionen, jede von 6000 Mann, welche jetzt zur Belohnung mit den Beinamen der Kaiser als Jovier und Herculier benannt wurden Vegetius, De re milit. I, 17. – Wenn ihre Waffe aus Bleikugeln bestand, deren je zwei durch einen Riemen verbunden waren, so erklärt sich auch die Tötung mit Bleikugeln, deren Zosim. V, 2 erwähnt.; früher hatten sie Martiobarbuli geheissen, nach den Bleigeschossen, deren sie je fünf (fünf Paare?) am Schild befestigt trugen und die sie mit der Schnelligkeit und der Wucht eines Pfeiles zu schleudern wussten. Sie erhielten jetzt den offiziellen Vorzug vor allen andern Legionen, ohne dass damit erwiesen wäre, dass sie ihre bleibende Garnison in der Umgebung der Kaiser gehabt hätten. – Erregten früher in Rom die Prätorianer beim Volke meist Furcht und Hass gegen sich, so empfand man jetzt doch ihre Auflösung als einen Angriff auf die Majestät der Hauptstadt; es bildeten sich gemeinsame Antipathien, und die wenigen Prätorianer, welche im Lager zu Rom blieben, nahmen später im Einklang mit Senat und Volk an der Empörung gegen Galerius teil Ausserdcm verminderte Diocletian auch die Zahl »der bewaffneten Leute aus dem Volk«, in armis vulgi, laut Aur. Vict., Caes. – Am leichtesten wird man dies auf jene Bürgergarde beziehen, welche laut Zosim. I, 37 der Senat beim sog. Scytheneinfall unter Gallienus einrichtete, und deren Fortbestand auch z. B. zur Erbauung der Stadtmauer unter Aurelian ganz wohl passen möchte. – Andere deuten es etwas gezwungen auf die cohortes urbanae, oder lesen: inermis vulgi..

Die Römer konnten diese ganze Wendung der Dinge beklagen und verabscheuen, allein es geschah ihnen im Grunde kein Unrecht. Irgendeinmal musste die grosse Täuschung aufhören, als ob der Imperator noch immer der Beamtete und Repräsentant des örtlich römischen oder auch des italischen Lebens und Volkes sei, in dessen Namen er über den Erdkreis zu herrschen habe. Hätte Diocletian nicht das Erlöschen dieses Vorurteils auch äusserlich durch Verlegung der Residenz, orientalische Gestaltung des Hofwesens, Missverhältnisse mit dem Senat und Verminderung der Prätorianer konstatiert, so hätte doch bald darauf das Christentum dieselbe Aufgabe auf seine Weise vollbringen müssen, indem es mit Notwendigkeit ganz neue Schwerpunkte der Macht schuf.

Wir werden im folgenden erzählen, unter welchen furchtbar gewaltsamen Umständen Diocletians Neuerungen vor sich gingen – während er und seine Mitregenten das Reich an allen Grenzen verteidigen und den Usurpatoren stückweise entreissen mussten, was man bei seiner Beurteilung nie vergessen darf. Was den höher gespannten Ton des Hofes und das neue Zeremoniell betrifft, so fanden sich ohne Zweifel Leute genug, welche mit allem Eifer darauf eingingen. Auf Übergangsstufen, wie jene Zeit eine war, verspürt der Imperator noch das Bedürfnis, sich öffentlich anloben zu lassen, eine Gattung von Anerkennung, welche der durchgebildete Militärdespotismus entbehren kann und verachtet, auch wohl sich geradezu verbittet. Damals kam man noch halbfrisch aus der alten Welt und ihrer Lebenslust, der Öffentlichkeit; alle Bildung war noch rhetorisch und die Gelegenheitsreden von einer Wichtigkeit im ganzen Leben des antiken Menschen, von welcher sich die heutige Welt keinen Begriff mehr machen kann. Dazu gehörten denn auch die Panegyriken, welche bei Jahresfesten und andern feierlichen Gelegenheiten von irgendeinem angesehenen Rhetor der Stadt oder Nachbarschaft in Gegenwart des Kaisers oder eines hohen Beamten gehalten wurden. Erhalten ist uns der bekannte Panegyricus des jüngern Plinius auf Trajan; dann folgt nach einer langen Lücke zufällig ein Stoss Lobreden auf die Mitregenten Diocletians nebst einigen wenigen auf noch spätere Kaiser Ich zitiere die Ausgabe in usum delph., Paris 1676. Die Numerierung schwankt, je nachdem die Rede des Plinius, wie hier, mitgezählt wird oder nicht. – Wie unersättlich Constantin in diesem Punkte war, geht aus Panegyr. (incerti) IX, cap. 1 hervor.. Als historische Quelle sind diese Reden natürlich mit Vorsicht zu gebrauchen, in gewissen Beziehungen aber höchst schätzbar und auch als literarische Arbeiten keineswegs verächtlich. Der Stil ihrer Schmeichelei ist wahrscheinlich noch ganz derselbe, welcher in den verlorenen Lobreden des dritten Jahrhunderts herrschte. Lebhaft und fast zudringlich versetzt sich der Rhetor in die möglichst veredelte Person des anwesenden Kaisers hinein und errät ihm, eins nach dem andern, seine Gedanken, Pläne und Empfindungen, was der ausgelernte Höfling klüglich bleiben lässt, weil hier schon die idealisierende Dichtung indiskret ist, geschweige denn die Wahrheit. Dies wird jedoch überwogen durch den starken Duft unmittelbaren Lobes und Entzückens, wie es dem Ohre eines Maximian angemessen war, mochte auch dieser schwerlich genug Bildung besitzen, um all die verbindlichen Beziehungen zu verstehen. Da wird Panegyr. II (Mamertin. ad Max.) und III (Genethliacus), aus den Jahren 289 und 291, nach andern beide von 292. vor allem der Beiname Herculius ausgenützt zu einer beständigen Verflechtung und Parallelisierung mit der Geschichte des Hercules, welcher endlich gleichwohl zu kurz kömmt, insofern Maximians Bagaudensieg doch etwas ganz anderes sei als der Sieg des Alciden über Geryon. Schon etwas weiter reicht die sonst dem altern Kaiser vorbehaltene Vergleichung mit Juppiter, dessen Kindheit bekanntlich, wie die des am Donaustrand aufgewachsenen Maximian, von Waffenlärm umgeben war. Unermüdlich häuft der Redner Bild auf Bild, um die Eintracht der Kaiser zu verherrlichen; die Regierung ist ihnen gemeinschaftlich wie das Tageslicht zweien Augen; wie sie beide an einem Tage (vgl. S. 64) geboren sind, so ist ihre Herrschaft eine Zwillingsherrschaft gleich derjenigen der Heraklidenkönige in Sparta; Rom ist jetzt glücklicher als unter Romulus und Remus, deren einer den andern totschlug; es darf sich jetzt Herculea und Iovia zugleich nennen. Wie auf Maximian die Geschichte des Hercules, so wird nämlich auf Diocletian der Mythus von Zeus angewandt, zumal in Betreff der Allgegenwart, welche durch die kaiserlichen Schnellreisen gewissermassen nachgeahmt schien. Aber aus der wohlbemessenen Kadenz dieser Phrasen heraus klingt eine sehr kecke, selbst unverschämte Bevorzugung Maximians, welcher dergleichen vielleicht ohne eine Miene zu verziehen ganz gerne anhörte. »Durch Übernahme der Mitherrschaft hast du dem Diocletian mehr gegeben als von ihm empfangen . . . Du ahmst den Scipio Africanus nach, Diocletian aber dich« – dies und ähnliches wagte Mamertin im Palast zu Trier vor dem ganzen Hofe zu deklamieren. Freilich strömt dazwischen ungehemmt der Blütenregen gemeinschaftlicher Huldigungen für beide. »Wie der Rhein seit Maximians jenseitigen Eroberungen getrost vertrocknen darf, so braucht auch der Euphrat Syrien nicht mehr zu decken, seit Diocletian ihn überschritten . . . Ihr verschiebt die Triumphe um immer neuer Siege willen; ihr eilt zu immer grössern Dingen hin . . .« Auch viel kleinere Taten werden kühnlich zu grossen aufgestutzt. Bei Anlass der Zusammenkunft des Jahres 291, als Diocletian aus dem Orient, Maximian über die Alpen mitten im Winter nach Mailand eilten, ruft zum Beispiel Mamertinus aus: »Wer nicht mit Euch reiste, konnte glauben, Sonne und Mond hätten Euch ihr tägliches und nächtliches Gespann geliehen! Gegen den strengen Frost schützte Euch die Macht Eurer Majestät; während alles erfror, folgten Euch laue Frühlingslüfte und Sonnenschein. Geh doch, Hannibal, mit deiner Alpenreise!« – Wozu ganz wohl passt, dass seit der Herrschaft dieser Kaiser selbst die Erde plötzlich fruchtbarer geworden sei. In ähnlichem, nur mehr bukolischem Ton hatte einige Jahre vorher der Dichter Calpurnius Siculus (in der achten oder vierten Ekloge) den Caesar Numerian besungen, in dessen Gegenwart die Wälder vor Ehrfurcht schweigen, die Lämmer munter werden, die Wolle und die Milch reichlicher, Saaten und Bäume üppiger, denn unter seiner sterblichen Gestalt birgt sich ein Gott, vielleicht der höchste Juppiter selber. – Etwas feiner weiss der Redner Eumenius mit dem gebildeten Caesar Constantius Chlorus umzugehen Paneg. IV und V (Pro scholis und Ad Constantium), aus den Jahren 295 und 297., wenn er zum Beispiel die Jugend Galliens vor die grosse Weltkarte zu führen verspricht, welche in der Halle zu Autun (zwischen dem Apollstempel und dem Kapitol mit dem Heiligtum der Minerva) auf die Mauer gemalt war. »Dort lasst uns nachsehen, wie Diocletians Milde das wild empörte Ägypten beruhigt, wie Maximian die Mauren niederschmettert, wie unter deiner Rechten, o Herr Constantius, Batavien und Britannien das verkümmerte Antlitz wieder aus Wäldern und Fluten emporheben, oder wie du, Caesar Galerius, persische Bogen und Köcher zu Boden trittst. Denn jetzt erst ist es eine Freude, den gemalten Erdkreis zu betrachten, da wir nichts mehr darauf erblicken, was nicht unser wäre.« Neben der schwungvollen Schilderung dieses erneuten »goldenen Zeitalters« mag man dem Redner die spielende Symbolik gerne nachsehen, welche er mit der Vierzahl der Regenten treibt. Sie erscheint ihm als Grund und Fundament der Weltordnung in den vier Elementen, den vier Jahreszeiten, selbst den vier Weltteilen orbis quadrifariam duplici discretus Oceano, Paneg. V, 4. Worte, deren Deutung den Kennern der damaligen geographischen Ansichten überlassen bleibe.; nicht umsonst folgt je nach vier abgelaufenen Jahren das Lustrum; am Himmel sogar fliegt ein Viergespann vor dem Sonnenwagen, und wiederum sind den zwei grossen Himmelslichtern, Sonne und Mond, zwei kleinere, Morgenstern und Abendstern beigegeben. – Es sollte uns nicht wundern, wenn irgendwo im alten Gallien etwa ein Mosaikboden ausgegraben würde, welcher diese Ideen zu einer grossen Prachtkomposition verarbeitet enthielte. Die bildende Kunst und die Rhetorik mussten bei Aufgaben dieser Art oft auf die gleichen Mittel angewiesen sein. Eumenius zeichnet sich übrigens nicht bloss durch Takt und Talent vor den andern Lobrednern aus; wir werden in ihm einen ganz ehrwürdigen Patrioten kennenlernen, der nicht zu eigenem Vorteil schmeichelte. Hier wie in tausend Fällen muss das geschichtliche Urteil das, was die Zeit und die Umgebung dem einzelnen auferlegt, und das, was er kraft eigenen Entschlusses tut, sorgfältig zu scheiden suchen.

Ob am Hofe Diocletians die Sprache um einige Grade knechtischer und mehr mit Phrasen der Anbetung vermischt war, wissen wir nicht. Jedenfalls muss das Zeremonienverhältnis, soweit es die kaiserliche Person betraf, noch ziemlich unentwickelt und unschuldig gewesen sein; gewiss hielt es noch keinen Vergleich aus mit dem spätern byzantinischen Hofe, wo Kaiser Constantinus Porphyrogennetos im zehnten Jahrhundert in Person den Hofmarschall machen muss, um Mit- und Nachwelt durch ein systematisches Buch in jenes Labyrinth heiliger Bräuche einzuweihen, deren Knechtschaft die allerheiligsten und gottgeliebtesten Autokratoren sich allmählich hatten gefallen lassen, seitdem kirchliches und höfisches Zeremoniell sich gegenseitig durchdrungen und gesteigert hatten.

Wenn nun auch vom Throne abwärts das Titel- und Rangwesen allmählich die römische Gesellschaft überwältigte, so ist dies nicht notwendig die Schuld Diocletians. Der natürliche Erstarrungsprozess des antiken Lebens musste unvermeidlich diese Form annehmen; seit langer Zeit war die Regierung eine fast vollständige Soldatenherrschaft gewesen; eine solche aber wird jederzeit auch die ganze Staatsmaschine nach ihrem Bilde, das heisst mit strenger, äusserlich kennbarer Ordnung nach Graden und Würden umschaffen, weil die Subordination ihre Seele ist. Viele äussere Einrichtungen dieser Art, die man Diocletian beizulegen geneigt ist, können schon unter frühern Kaisern eingetreten sein; die definitive Umgestaltung des Staatswesens aber erfolgte erst unter Constantin.

Allerdings vermehrte schon Diocletian die Zahl der Beamten beträchtlich. Gewiss nicht so sehr die vier Höfe als die vier Verwaltungen haben damals die Lasten gesteigert. Wenn man den Lactantius De mort. persec. 7. anhört, so ergeben sich folgende schreckliche Klagpunkte gegen seine Regierung: »Jeder der vier Herrscher hielt für sich allein schon mehr Soldaten als frühere Kaiser überhaupt gehabt hatten. Die Steuern stiegen unerhört; die Zahl der Empfangenden übertraf so sehr die Zahl der Gebenden, dass die erschöpften Kolonen die Äcker verliessen und das angebaute Land zum Wald wurde. Um alles mit Schrecken zu erfüllen, wurden die Provinzen in Stücke zerschnitten und jedes Land, jede Stadt mit Beamtenscharen überlastet, mit Steuereinnehmern, Vikarien der Präfekten u. a., wovon das Ergebnis war, dass wenig Gemeinnütziges vorkam, vielmehr nichts als Verurteilungen, Ächtungen, Aussaugereien ohne Zahl und Ende, begleitet von unerträglichen Gewalttaten usw.« Ja, Diocletian wird eines ganz unmässigen Aufsammelns von Schätzen angeklagt.

Wir halten inne, um einen sonst nicht weniger parteiischen Christen zu Worte kommen zu lassen Euseb., Hist. eccl. VIII, 13.. »Welche Worte sollen genügen«, ruft Euseb, »um die Fülle der Güter und die gesegneten Zeiten zu schildern vor der Verfolgung, als die Kaiser noch mit uns in Frieden und Freundschaft lebten, als mit Festen, Schauspielen, Gastmählern und aller Fröhlichkeit ihre Vicennalien in tiefem Frieden gefeiert wurden!« – Was bleibt nun wohl von jenen Klagen mit einigem Rechte übrig?

Dass Diocletian die Truppenzahl vermehrte, war äusserst notwendig und zweckmässig, weil er, wie wir sehen werden, das halbe Reich den Usurpatoren und den Barbaren wieder aus den Händen reissen musste. Wie hoch er die Kriegsmacht zu bringen hatte, konnte niemand besser beurteilen als er selber. Über das Mass der Vermehrung haben wir keine nähere Kunde; dass sie im Verhältnis zu den Heeren eines Aurelian und Probus mehr als eine Vervierfachung gewesen sei, mag jenem Romanschreiber glauben wer will.

Dann die gewöhnliche Anklage wegen des Thesaurierens, welcher ein Fürst gar nicht entgehen kann. Viele Herrscher haben wirklich in einer falschen Ansicht vom Alleinwert des edeln Metalls grosse Schätze gesammelt und es im rechten Augenblick nicht übers Herz bringen können, sie zweckmässig auszugeben; der orientalische Despotismus ist sogar durchweg mit dieser Unsitte behaftet, und die Untertanen machen es dem Despoten nach und vergraben jedes Silberstück in die Erde. Allein bei Diocletian kann hievon schwerlich die Rede sein; die Ausgaben für die Wiedergewinnung und Herstellung des erschütterten Reiches waren zu enorm, als dass noch ein unverhältnismässig grosser Überschuss in der Kasse geblieben wäre. Schon die Grenzbefestigungen allein, jene Kastelle von den Niederlanden bis ans Rote Meer, samt ihren Besatzungen beseitigen jenen Gedanken selbst für die letzte, ruhigere Zeit seiner Regierung.

Das Reich musste sich allerdings recht sehr anstrengen, allein wo so grosse, meist glücklich erreichte Zwecke vorliegen wie hier, darf man wenigstens den Herrscher von der vulgären Beschuldigung entbinden, als hätte er die Menschen nur geplagt, um das Gold und Silber gleichsam allein aufzuessen. Wohl kann bei seinen vielen Bauten der Verdacht der Verschwendung entstehen, allein bei weitem das meiste waren (wie es scheint) politische Geschenke an bestimmte Städte, wodurch man mehr als eine Garnison ersparen konnte. Neben der Bauverschwendung Constantins kommen diese Ausgaben überdies kaum in Betracht. Der Palast von Spalatro war wohl ein grosses Viereck, die einzelnen Räume aber weder an Höhe noch an Grösse ausgezeichnet und mit den Riesenhallen der Thermen in Rom nicht zu vergleichen. Beim Umbau von Nikomedien mag es gewalttätig hergegangen sein, wie einst bei den Städtebauten der Diadochen und später bei der Neugründung von Byzanz, dass aber überall – ubicunque – wo Diocletian ein schönes Landgut, eine zierliche Wohnung sah, dem Eigentümer darob ein Kapitalprozess angehängt worden, mag glauben, wer da will. Traurig genug, dass schon um des Geldbedürfnisses willen mancher Wohlhabende ins Verderben gestürzt wurde, allein dies war ohne Zweifel das Werk schrecklicher Beamten, mit welchen das Imperium schon lange vor Diocletian heimgesucht war De mort. persec. 7: hoc enim usitatum et fere licitum consuetudine malorum..

Die neue Einteilung des Reiches in 101 Provinzen und 12 Diözesen wurde von einer Regierung wie diese gewiss nicht ohne guten und hinreichenden Grund eingeführt und auch die Beamtenzahl nicht ohne Not gesteigert. Diocletian selber war der emsigste Beamte seines Reiches; ausser seinen Feldzügen findet man ihn oft und viel auf rastlosen Reisen, immer regierend und entscheidend, so dass zum Beispiel sein Itinerarium in den Jahren 293 und 294 fast Woche für Woche, ja Tag für Tag in den Daten der Reskripte offen liegt; über 1200 (privatrechtliche) Reskripte von ihm finden sich in den Rechtsbüchern Vgl. über dies alles Preuss, a. a. O., S. 43. 47. 68. 85. 288 usw., zum Teil nach Mommsen: Über die Zeitfolge der in den Rechtsbüchern enthaltenen Verordnungen Diocletians (Abhandlungen der Berliner Akad. 1860). – Das genauere Verzeichnis der neuen Diözesen und Provinzen samt Rangordnung der Beamten bei Preuss, S. 91 ff.. Wenn nun für jene Neueinteilung des Reiches in kleinere Provinzen samt der Vermehrung der Beamten ein Grund namhaft gemacht werden soll, so kann es nur der gewesen sein, dass dem Kaiser die bisherigen Organe nicht genügten, und dass er eine schärfere Aufsicht und bessere Ausführung des Befohlenen für notwendig erachtete. Er musste freilich mit demjenigen Material arbeiten, das er vorfand, und dass dieses nicht das beste war, wird er selber am genauesten gewusst haben. Jedenfalls fielen nun die letzten provinzialen Unterschiede dahin, zugunsten einer gleichmässigen Administration. Was Diocletian begonnen, hat dann Constantin durchgeführt und vollendet.

Nun ist zwar jedermann darüber einverstanden, dass das römische Finanzsystem im ganzen ein schlechtes und drückendes war, und wir haben keinen Grund, bei Diocletian eine viel höhere staatsökonomische Einsicht oder eine Kraft zu Verbesserungen, die auch die tüchtigsten Kaiser nicht gehabt, vorauszusetzen; zudem lehrt der neueste Zustand grosser europäischer Staaten, wie weit selbst die gründlichste Erkenntnis in diesen Dingen von der wirklichen Abschaffung des Schlechten entfernt sein kann. Allein was Diocletian bei einem der billigsten Beurteiler, dem altern Aurelius Victor, speziell zum Vorwurf gemacht wird, könnte leicht zu seinem Lobe umschlagen. In einer leider unklaren und verdorbenen Stelle Aur. Vict., Caes. 39, § 31. – Es war die Grundsteuer, vgl. Preuss, S. 110 samt Anm. wird darüber geklagt, dass »ein Teil von Italien« zu gewissen allgemeinen Steuern und Lasten (pensiones) herbeigezogen worden sei, welche »bei der damaligen Mässigung« leidlich gewesen, im Verlauf des vierten Jahrhunderts aber zum Verderben des Landes geworden seien. Welcher Art diese Steuer auch gewesen sein mag, jedenfalls war es billig, dass Italien mitbezahlen half, seitdem es nicht mehr fähig war, das Reich zu retten und zu beherrschen. – Für die Beurteilung des römischen Finanzwesens im allgemeinen ist auf die besondern Forschungen über diesen Gegenstand, bei Hegewisch, Naudet, Dureau, Mommsen u. a. zu verweisen; nur ein spezieller Punkt muss hier noch berührt werden.

In verschiedenen Annalen findet sich zum Jahre 302 die Notiz: »Damals befahlen die Kaiser Wohlfeilheit«, das heisst: Diocletian stellte ein Maximum der Lebensmittelpreise fest. Keine Massregel wird von der jetzt herrschenden Ansicht stärker verdammt als die Maximumspreise, zu deren Behauptung bekanntlich der unausgesetzte Taktschlag der Guillotine gehört, wie das lehrreiche Beispiel des Nationalkonventes zeigt. Die Massregel setzt entweder die äusserste, verzweifeltste Not voraus, oder ein gänzliches Verkennen der wahren Begriffe von Wert und Preis. Die Folgen waren denn auch die unausbleiblichen De mort. persec. 7.: die Ware verbarg sich, wurde trotz dem Verbote teurer als zuvor und zog unzähligen Verkäufern die Todesstrafe zu, bis man das Gesetz aufhob.

Von dieser Massregel hat sich nun ein genaues Andenken erhalten in der berühmten Inschrift von Stratonicea Vollständig bei Haubold-Spangenberg, Antiq. Rom. monum. legalia, Nachtrag. – Erläutert u. a. bei Dureau de la Malle, Economie politique des Romains, vol. I, und seither in der Abhandlung Th. Mommsens: Das Edikt Diocletians de pretiis rerum venalium vom Jahre 301, abgesehen von spätem Ergänzungen durch neu entdeckte Fragmente, vgl. Preuss, a. a. O., S. 115, und Vogel, Der Kaiser Diocletian, S. 78 ff. – Das Edikt, im Namen aller vier Herrscher erlassen, war doch für den Orient bestimmt und wurde vielleicht nur dort (zwischen September 301 und März 302) publiziert., welche das ganze Edikt samt mehrern hundert Preisbestimmungen (zum Teil unleserlich und schwer erklärbar) wiedergibt. Die Imperatoren äussern sich im Eingang ungefähr wie folgt: Der Preis der Dinge, die man auf den Märkten kauft oder täglich in die Städte bringt, hat so sehr alle Grenzen überschritten, dass die zügellose Gewinnsucht weder durch reichliche Ernten noch durch Überfluss der Waren gemässigt wird . . . Die Raubsucht tritt überall auf, wo nach dem Gebot des öffentlichen Wohles unsere Heere hinziehen, nicht nur in Dörfern und Städten, sondern auf allen Strassen, so dass die Preise der Lebensmittel nicht bloss auf das Vierfache und Achtfache, sondern über jedes Mass steigen, öfter sogar ist durch Aufkauf (?) einer einzigen Ware der Krieger seines Soldes und unserer Geschenke beraubt worden . . . Diese Habsucht soll in unserm Gesetz Grenzen und Mass finden. (Worauf den Zuwiderhandelnden die schwersten Strafen angedroht werden.)

Die Erwägungsgründe sind an sich so rätselhaft als die Verfügung selber. Am ehesten lässt sich denken, dass im Orient eine Sippschaft von Spekulanten ziemlich rasch die Preise der unentbehrlichsten Mittel des Daseins in die Höhe getrieben hatte, dass jedermann darunter litt, das Leiden der Armee jedoch weit die grössten und nächsten Gefahren herbeizuführen drohte. Das Reich, dessen Haupteinnahmen bei weitem in Naturalien bestanden, konnte vielleicht nicht im gehörigen Augenblick bei jeder Garnison damit zur Stelle sein. Und da nun der Beschluss der Abhilfe, vielleicht in Eile und in heftiger Stimmung, gefasst war, dehnte man die Fürsorge gleich auf alle Menschenklassen und auf Werte jeder Art aus, um besonders auch für die städtischen Massen Hilfe zu schaffen.

Die Tabelle selbst ist ein Dokument ersten Ranges, weil sie die Werte der Gegenstände und der Arbeiten im Verhältnis zueinander für die damalige Zeit offiziell angibt. Viel schwieriger ist die Reduktion der einzelnen Werte auf unsern jetzigen Münzfuss. Man hat sich nämlich über die Einheit, welche im Edikt bloss mit einem * bezeichnet wird, noch nicht verständigen können, so dass die einen den damaligen Silberdenar (9 Sous), andere dagegen So Dureau de la Malle. Höher, doch noch ebenfalls niedrig, wird die Einheit taxiert von Mommsen (10 Cents) und von Waddington (6,2 Cents). den Kupferdenar (½ Sou) dafür annehmen; im erstern Fall entstehen ungeheure Preise, im letztern Fall solche, die von den unsrigen nicht sehr weit abweichen würden und gewiss die weit grössere Wahrscheinlichkeit für sich haben, das heisst soweit man wiederum über die vorausgesetzten Masse und Gewichte im klaren ist. Wäre wirklich der Kupferdenar gemeint, so wären die Hauptresultate folgende: die festgesetzten Arbeitslöhne erscheinen etwas niedriger als der vor etwa drei Jahrzehnten für Frankreich geltende Durchschnitt, diesen zu 1 Fr. 25 Cent. angenommen; der Ackerknecht erhielt täglich 65 Centimes, der Maurer, der Zimmermann, der Schmied, der Bäcker, der Kalkbrenner 1 Fr. 25 Cent., der Maultiertreiber, Schäfer, Wasserträger, Kloakenreiniger usw. die Nahrung und 50 bis 60 Cent.; von den Lehrern bekam der eigentliche Pädagog für jeden Zögling monatlich 1 Fr. 25 Cent., ebenso der Leselehrer und Schreiblehrer, dagegen der Rechnungslehrer und Schnellschreiblehrer 1 Fr. 90 Cent., der Grammatiker für griechische Sprache 5 Fr., ebenso der für lateinische Sprache und der Geometrielehrer. Ein Paar Schuhe sollte kosten: für Bauern und Tiertreiber 3 Fr., für Soldaten 2 Fr. 50 Cent., für Patrizier 3 Fr. 75 Cent., für Frauen 1 Fr. 50 Cent., wobei Gestalt und Arbeit natürlich ungleich war. Die Fleischpreise waren, in römischen Pfunden zu 24 Lot, für Rind- und Hammelfleisch etwa 28 Cent., für Lamm- und Schweinefleisch etwa 35 Cent.; der sehr umständlich aufgezählten Würste und der eigentlichen Leckerbissen nicht zu gedenken. Der gewöhnliche Wein, den Sextarius zu ½ Liter gerechnet, wurde etwas wohlfeiler angesetzt, als er jetzt gilt, nämlich zu 20 Cent., der bessere alte Wein zu 60 Cent., die edlen italienischen Weine, auch Sabiner und Falerner, zu 75 Cent., das Bier (cervesia cami?) zu 10 Cent., eine geringere Art (zythum) zu 5 Cent. Wir haben diese wahrscheinlich zu niedrig berechneten Preise (aus Dureau de la Malle) beibehalten, weil sie den einstweilen einzig möglichen Zweck, das Proportionale in den Werten zu veranschaulichen, genügend erreichen. Leider fehlt völlig der Preis des Weizens, welcher entscheiden würde. Die Preise sind im Edikt selbst ohne Zweifel hoch genommen, weil mit niedrigen von vornherein nichts wäre zu erreichen gewesen, und man darf sich nicht durch jenes Wort der Idatianischen Jahrbücher irren lassen: »Die Kaiser befahlen, dass Wohlfeilheit sei«.

Von allem, was Diocletian je getan hat, wird man diese Einführung des Maximums vielleicht am schärfsten tadeln können. Hier hatte sich einmal der absolute Staat im Vertrauen auf seine Zwangsmittel vollständig verrechnet; doch wird man die gute Absicht auch nicht ganz verkennen dürfen. Dieselbe tritt auch in dem neuen Kataster deutlich hervor, welchen Diocletian im letzten Jahre seiner Regierung (305) durch das ganze Reich hindurch aufnehmen liess. Wohl heisst Ioh. Lydus, De magistrat. Rom. I, 4. es »er liess das Land vermessen und beschwerte es mit Abgaben« – allein es war dabei sicher nicht bloss auf die Erhöhung, sondern auch auf die billigere Verteilung der Steuern abgesehen.

Überhaupt möchte seine Regierung alles in allem genommen eine der besten und wohlwollendsten gewesen sein, welche das Reich je gehabt hat. Sobald man den Blick freihält von dem schrecklichen Bilde der Christenverfolgung Von deren wahrscheinlichen Ursachen im achten Abschnitt die Rede sein wird. und von den Entstellungen und Übertreibungen bei Lactantius, so nehmen die Züge des grossen Fürsten einen ganz andern Ausdruck an. Man wird vielleicht einen Zeitgenossen, welcher ihm ein Werk dedizierte, nicht als gültigen Zeugen anerkennen; immerhin darf es nicht übergangen werden, dass laut dem Biographen des Marc Aurel in der Historia Augusta (Kap. 19) dieser edle Fürst in Sitte und Wandel sowohl als in der Milde das Vorbild Diocletians war und in dessen Hauskult eine der vornehmsten Stellen einnahm. Hören wir jedoch einen Spätern. Der ältere Aurelius Victor, welcher auch für die Schattenseiten keineswegs blind und, wo Italien in Frage kommt, sogar ein Gegner ist, sagt von ihm: »Er liess sich den Herrn nennen, benahm sich aber als Vater; der kluge Mann wollte ohne Zweifel zeigen, dass nicht schlimme Namen, sondern schlimme Taten entschieden.« Und weiter nach Aufzählung der Kriege: »Auch die Einrichtungen des Friedens wurden durch gerechte Gesetze befestigt; . . . für die Verproviantierung, für Rom, für das Wohl der Beamten wurde eifrig und emsig gesorgt, überhaupt durch Beförderung der Wackern und Bestrafung der Missetäter der Trieb zum Guten gesteigert . . .«. Endlich bei Anlass der Abdankung schliesst Victor:

»Bei dem Widerstreit der Meinungen ist der Sinn für den wahren Sachverhalt verlorengegangen; unsere Ansicht aber geht dahin, dass es einer hohen Anlage excellens natura. – Das äussere Aussehen, freilich nach einer sehr späten Quelle: eine lange, hagere Gestalt, ein blasses Antlitz mit starker Nase, das graue Auge ernst blickend (Preuss, a. a. O., S. 128). bedurfte, um mit Verachtung alles Pompes wieder in das gemeine Leben herabzusteigen.«

Und dieser absolute Herrscher, der sein Land schrittweise der Usurpation hatte abkämpfen müssen, war auch grossgesinnt genug, um die politische Spionage abzuschaffen Aurel. Vict., Caes., ibid. c. 39.. Wahrscheinlich fand er seine Macht gerade durch die Teilung so vollständig gesichert, dass es dessen nicht mehr bedurfte. Allerdings war das Späheramt in die Hände einer Korporation geraten, welche der Regierung selber gefährlich werden konnte; es waren die Frumentarier, ursprünglich die den Armeen vorausgesandten Proviantmacher, später als Ordonnanzen und endlich als Träger und Vollstrecker bedenklicher Befehle gebraucht; ausgeartet zu einer Clique, welche durch falsche Anklagen und durch den Schrecken davor namentlich in entlegenen Provinzen die angesehenen Leute auf das schändlichste brandschatzte. Viel mehr ist nicht davon bekannt Aus Hist. Aug., Hadr. 10. Commod. 4. Max. et Balb. 10. Claud. Goth. 17 geht hervor, dass schon Hadrian die Frumentarier zum Spionieren brauchte, und dass sie nachher vielfach zu Botschaften und selbst zu Exekutionen gebraucht werden konnten, weil sie überall hinkamen. – Vgl. Preuss, S. 111 ff., aber man darf sich den Missbrauch wohl sehr furchtbar ausmalen; eine Bande böser Menschen, unter hoher Protektion, gegenseitig sich stützend und haltend, alle Stimmungen des Misstrauens in der Seele der Herrscher erlauschend und benutzend, und diesen hilflos gegenüber die reichen, altangesehenen Familien in Gallien, Hispanien oder Syrien, geängstigt und zu den grössten Opfern genötigt, um nicht als Teilnehmer an erdichteten Verschwörungen denunziert zu werden. Später, seit Constantin, der sonst die Angeber hasste Aur. Vict., Epit. 41. Das Gesetz gegen Delatoren v. J. 319, Cod. Theodos. X, 10. – Die Ergänzung zum Gesetz über Majestätsverbrechen, vom J. 314: ibid. IX, 5., kam die Sache wieder, nur unter anderm Namen; abermals waren es die Unternehmer des kaiserlichen Fuhrwesens, welche als agentes in rebus, als veredarii, jene schmähliche Rolle weiterspielten.

Sonst ist der Despotismus der römischen Kaiser überhaupt nicht mit der peinlichen Aufsicht über alle Kleinigkeiten, mit dem Hineinregieren in alles und jedes, namentlich nicht mit dem Diktieren und Kontrollieren geistiger Richtungen behaftet, die dem modernen Staat ankleben. Diese verrufene Kaiserherrschaft, welche das Leben des einzelnen so wenig achtete, so drückende Steuern eintrieb, für die öffentliche Sicherheit so schlecht sorgte – sie begnügte sich doch mit ihren nötigsten Zwecken und überliess sonst die einst mit Strömen Blutes unterworfenen Provinzen ungehemmt ihrem lokalen Leben. Auch sonst sah sie zu da, wo sie hätte eingreifen können. Dies zeigt sich nicht nur an den örtlichen, sondern auch an den Standesunterschieden, die sie bestehen und neu aufkommen liess. Es bildet sich zum Beispiel eine Aristokratie der Steuerfreiheit für die senatorischen Familien, die vom Staat angestellten Lehrer und Ärzte nebst einigen andern Kategorien, wozu in der Folge auch die christlichen Priester kamen. Von einer lebendigen neuen Gliederung des Staatswesens konnte allerdings nicht mehr die Rede sein; das Höchste, was selbst ein Regent wie Diocletian zu erreichen hoffen durfte, war die Erhaltung des Reiches in seinem Umfang und eine leidliche Ausbesserung der Schäden im Innern Über die Verbesserungen im Münzwesen s. Preuss (nach Mommsen), S. 112. – Das Verzeichnis sämtlicher bekannter Bauten dieser Regierung S. 117 ff..

Die Zeit Constantins des Großen

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