Читать книгу Die Zeit Constantins des Großen - Jacob Burckhardt - Страница 6

Einzelne Provinzen und Nachbarlande Der Westen Dritter Abschnitt

Оглавление

Im vorigen Abschnitt wurde nicht verhehlt, wie misslich es mit den Durchschnittsurteilen über manche der wichtigsten Lebensfragen im spätrömischen Reiche aussieht. Es fehlt die wesentliche Basis: die Kenntnis des Zustandes der einzelnen Provinzen. Aus vereinzelten Notizen in den Geschichtschreibern, aus den massenhaft gesammelten Inschriften und aus den Bauresten gehen wohl manche sichere und wertvolle Tatsachen, teils unmittelbar, teils durch Schlüsse hervor, allein nur um so empfindlicher sind die grossen Lücken, welche unausfüllbar dazwischenliegen. Uns ist hier nur gestattet, digressionsweise über diejenigen Provinzen das Wesentliche zusammenzustellen, welche, als die offenen Wunden des kranken Reichskörpers in dieser Zeit, ohnedies die grösste Aufmerksamkeit auf sich ziehen: zunächst über das damalige Gallien, dessen Schicksal mit demjenigen Britanniens eng zusammenhängt Vgl. u. a. Am. Thierry, Hist. de la Gaule sous l'administration rom., Bd. 2. – Hallische Welthistorie, Zusätze, Bd. 6..

Die grossen Tyrannen Galliens hatten zwar einstweilen den Okzident nach Kräften gegen die eindringenden Germanen verteidigt. Allein die Gewaltsamkeit ihrer Sukzession, der fortwährende Kampf nach aussen und zuletzt der Bürgerkrieg zwischen der Partei des Tetricus und derjenigen der italischen Kaiser, wozu Aurelians Feldzug nach Gallien mit der Schlacht bei Chalons s. M. den Schluss bildete – dies alles hatte das allgemeine Elend und die Auflösung aller politischen und sittlichen Bande unerträglich gesteigert. Nun erneute sich der Kampf gegen Franken und Alamannen; noch unter Aurelian siegte der Feldherr Constantius Chlorus über die letztern bei Windisch (274) Dies die frühere chronologische Annahme; nach Preuss, a. a. O., S. 65, fiele der Sieg bei Vindonissa erst in eine weit spätere Zeit, um 298, und zwar erst nach der (unten zu erwähnenden) Schlacht bei Langres., und zwar an demselben Tage, da ihm sein Sohn Constantin geboren wurde; aber alle Siege schienen nur neue Scharen dieser unerschöpflich jugendlichen Völker über den Rhein zu rufen. Es half nichts mehr, ihre Gesandten durch weinfeste Obristen unter den Tisch trinken und in diesem Zustande aushorchen zu lassen; es machte keinen Eindruck mehr, wenn der Kaiser ihre Deputationen mit absichtlichem Pomp vor der halbmondförmigen Fronte empfing, er selber im Purpur auf hoher Bühne, vor ihm die goldenen Legionsadler und die kaiserlichen Bildnisse und die mit Gold geschriebenen Heeresverzeichnisse auf silbernen Lanzen Hist. Aug., Bonosus, c. 14. – Dexippi fragm. 24 ap. Müller., Fragm. hist. Graec. III.. Unter Probus nahm der Krieg wieder ganz ungeheure Dimensionen an, und ohne das Talent und den Heldenmut des grossen Kaisers wäre Gallien entschieden verloren gewesen. Dennoch regte sich immer von neuem, hauptsächlich in Lyon und der Umgegend, eine Partei, welche offenbar eine Fortsetzung des gallischen Kaisertums nach dem Vorbilde des Postumus und der Victoria erstrebte. Vielleicht musste Diocletian später bei seiner Teilung der Macht auch auf diese Umstände einige Rücksicht nehmen. Aber ehe es dazu kam, waren die Eroberungen des Probus in Süddeutschland von neuem verloren und das unglückliche Gallien noch einmal von deutschen Scharen überzogen worden; Carinus hatte diese zwar geschlagen und ein Heer dort gelassen, dieses jedoch bei seinem Kriege gegen den Usurpator Julian und den heranziehenden Diocletian wieder abrufen müssen, worauf in Gallien der ganze gesellschaftliche Zustand aus den Fugen ging.

Diesmal sind es die Bauern, welche seitdem in den grossen Krisen des alten Frankreichs mehr als einmal plötzlich in furchtbarer Machtfülle aufgestanden sind. Damals lebten sie in altererbter Sklaverei, wenn das Verhältnis auch in der Regel nicht diesen Namen trug Guizot, Hist. de la civilisation en France, vol. I, p. 73.. Eine Anzahl Bauern waren wirkliche Ackersklaven, andere erschienen als Leibeigene an die Scholle gebunden, wieder andere hiessen Kolonen, das heisst Kleinpächter auf halben Ertrag Über den vermutlichen Ursprung dieser Kolonen hauptsächlich von angesiedelten Germanen seit Augustus vgl. Preuss, Kaiser Diocletian, S. 25 ff., wo der ganze Zustand Galliens eingehender geschildert wird.; auch bessergestellte Pächter um Geldzins fehlten nicht; endlich gab es eine Masse sogenannter freier Arbeiter und Taglöhner. Aber alle vereinte jetzt dasselbe Unglück. Die Grundeigentümer, ausgesogen durch die raubähnlich steigenden Bedürfnisse des entzweiten Staates, wollten sich an ihren Bauern erholen, gerade wie der französische Adel nach der Schlacht bei Poitiers, als es sich um die Loskaufssumme für die mit König Johann dem Guten gefangenen Ritter handelte. Das einemal nannte man, was daraus entstand die Bagauda, das anderemal die Jaquerie (1358). – Die Bauern und Hirten hatten scharenweise ihre Hütten verlassen, um auf Bettel herumzuziehen. Überall abgewiesen und von den Garnisonen der Städte verjagt, taten sie sich in Bagauden, das heisst Banden, zusammen. Ihr Vieh töteten sie und assen es auf; mit den Ackerwerkzeugen bewaffnet, auf ihren Ackerpferden beritten, durchzogen sie das flache Land, nicht nur, um für ihren Hunger zu sorgen, sondern um es in wahnsinniger Verzweiflung zu verwüsten Panegyr. II (Mamertin., Ad Max. H.), c. 4: cum arator peditem, cum pastor equitem, cum hostem barbarum suorum cultorum rusticas vastator imitatus est. – Vgl. auch Paneg. IV und VII (Eumenius, Pro rest. schol. und Gratiar. actio) und die wenigen Worte in den Geschichtschreibern. – War der Bürgerkrieg in Gallien, welchen Eutrop IX, 4 unter Decius erwähnt, ein Vorspiel dieser Bagauda?. Dann bedrohten sie die Städte, wo ihnen oft ein plünderungssüchtiger, im Elend verkommener Pöbel die Tore öffnete. Die allgemeine Desperation und die dem Gallier angeborene Sucht nach Abenteuern vergrösserten ihr Heer in kurzem dergestalt, dass sie es wagen konnten, zwei von den Ihrigen, Aelianus und Amandus, zu Kaisern zu erheben und so den Anspruch auf das gallische Imperium zu erneuern. Bunt und sonderbar mag die Hofhaltung dieser ländlichen Imperatoren ausgesehen haben; das dritte Jahrhundert hatte zwar Bauernsöhne und Sklavenkinder genug auf den Thron der Welt gesetzt, aber in der Regel solche, die in den Armeen und dann im kaiserlichen Generalstab eine Vorschule der Herrschaft durchgemacht hatten. Aelianus und Amandus besassen einen solchen Anspruch nicht, dafür aber möglicherweise einen andern, der die sonstigen Mängel aufwog. Die christliche Sage, nachweisbar seit dem siebenten Jahrhundert, hat sie nämlich zu Christen gemacht Die Münzen, deren heidnische Reverse das Gegenteil beweisen würden, sind notorisch aus Münzen früherer Kaiser durch Änderung des Namens gefälscht. und ihnen auf diese Weise ein Recht verliehen gegenüber den götzendienerischen Kaisern. Soviel darf immer angenommen werden, dass eine Menge Christen unter den Armen und Elenden waren, welche sich den Bagauden anschlossen. Wir können dasselbe von Verfolgten aller Art, sogar von Verbrechern vermuten Die Sage von dem Martertod der thebäischen Legion, welche Maximian gegen die Bagauden führen wollte, ist von der Kritik vollkommen zernichtet. Vgl. Rettberg, Kirchengesch. Deutschlands I, S. 94, und (gegen Gelpkes teilweisen Rettungsversuch): Hunziker, Zur Regierung und Christenverfolgung Diocletians, S. 265 ff. – Vogel, Der Kaiser Diocletian, S. 93, weist bei Anlass der Bagauden auf die afrikanischen Circumcellionen hin, welche 30 Jahre später auftraten, als christliche Sekte und zugleich als Auflösung des Bauernlebens in Vagabundentum..

Es scheint, dass das südliche und westliche Gallien weniger von der Bewegung berührt wurde als der Norden und Osten, wo die Not der Barbaren wegen viel grösser sein musste. Eine Stunde über Vincennes hinaus bildet die strengfliessende Marne, kurz vor ihrem Ausfluss in die Seine, eine Halbinsel, auf deren Rücken später die Benediktinerabtei St. Maur-les-fosses erbaut wurde. Schon die alten Kelten hatten mit Vorliebe solche Punkte zu ihren Kriegsfesten (oppida) gewählt, und gewiss gab es an Ort und Stelle schon Wall, Graben und Mauern aus alter Zeit Die Vita S. Baboleni, bei Bouquet, Scriptores, T. III, lässt darüber kaum einen Zweifel, wenn man die keltische Befestigung des Bremgarten bei Bern und anderer Halbinseln damit vergleicht. Wie überall nannte die Volkssage auch in S. Maur Caesar als Erbauer., als Aelianus und Amandus die Halbinsel zum »Bagaudenschloss« machten, ein Name, den sie noch Jahrhunderte hindurch geführt hat, obwohl in dem einen Jahre 285 auf 286 das wenigste daran gebaut sein konnte. Von diesem unangreifbaren Punkte aus, dem durch keine Furt noch Untiefe beizukommen war, machten sie ihre Streifzüge in Nähe und Ferne; hieher schleppten sie auch ihre Beute zusammen. Sie waren mit der Zeit keck genug geworden, nicht nur schwächere Städte ohne weiteres zu brandschatzen, sondern auch stärkere zu belagern. Es gelang ihnen, das alte, weitläufige Augustodunum (Autun) einzunehmen, wo weder Tempel noch Hallen noch Thermen vor ihnen Gnade fanden; alles wurde ausgeraubt und zerstört, die Einwohner ins Elend vertrieben.

Es musste mit den Bagauden aufgeräumt werden, bevor sie auf diese Weise Stadt um Stadt und damit alle Haltpunkte gegen die Barbaren zugrunde richteten. Dies war die Aufgabe des damaligen Caesars Maximianus Herculius, der sich damit den Augustustitel verdiente. Wir erfahren nur, dass er rasch und leicht fertig wurde, indem er die Banden teils aufs Haupt schlug, teils durch Hunger, wozu sich eine Pest gesellte, zur Übergabe zwang. Ob irgendeine direkte Erleichterung der erdrückenden Lasten erfolgte, welche den Aufruhr hervorgerufen hatten, ist mehr als zweifelhaft, da die Klagen über allzu hohe Steuern sich eher vermehren. Mittelbar besserte sich wohl die Lage des Landes überhaupt, als in der Folge die Germanen für mehrere Jahrzehnte eingeschüchtert wurden und die Usurpation aufhörte; aber im fünften, vielleicht schon im vierten Jahrhundert riefen ähnliche Ursachen auch wieder ähnliche Wirkungen hervor; die Bagauda hob wieder ihr Haupt empor Salvianus, De vero iudicio et providentia dei, l. V. – Marii Victoris Ep. ad Salmonem bei Wernsdorf, Poetae Lat. min., v. III. – Zosim. VI, 2., und man möchte beinahe vermuten, dass sie nie ganz aufgehört hatte.

Doch wir kehren zu den Zeiten Diocletians zurück. Viele Gegenden Galliens lagen bleibend darnieder; die tiefverschuldeten Landbesitzer um Autun zum Beispiel hatten noch unter Constantin Panegyr. VIII (Eumen., Gratiar. actio), c. 6. Vom Jahr 311, wogegen Panegyr. IV (Pro rest. schol.) mit seinem Hymnus auf den Wiederanbau der Fluren und die Herstellung der Städte nicht als Zeugnis gelten kann. sich nicht so weit erholt, dass sie auch nur die alte Bewässerung und Reutung hätten in Gang setzen können, so dass ihr Boden in Sumpf und Gestrüpp ausartete; die Burgunderreben starben ab; das Waldgebirg füllte sich mit wilden Tieren. »Die Ebne bis an die Saone war einst fröhlich und reich, solange man die Gewässer in Ordnung hielt – jetzt sind die Niederungen zum Flussbett oder zur Pfütze geworden; die gewaltigen Weinstöcke sind verholzt und verwildert Im Schwarzwald unweit Pforzheim soll man noch jetzt zwischen römischen Überresten aller Art Stöcke der verwilderten Weinrebe, vitis labrusca, finden. Vgl. Creuzer, Zur Gesch. altröm. Cultur am Oberrhein und Neckar, S. 67., und neue kann man nicht pflanzen . . . Von der Stelle an, wo der Weg auswärts führt nach dem belgischen Gallien (also so ziemlich von Autun selbst an), ist alles wüste, stumme, düstere Einöde; selbst die Heerstrasse ist schlecht und uneben und erschwert den Transport der Früchte sowohl als die öffentlichen Sendungen.« – Im Mittelalter kam es auch einmal, um die Zeit der Jungfrau von Orleans, so weit, dass die Rede ging: es stehe von der Picardie bis Lothringen kein Bauernhaus mehr aufrecht; allein was eine lebenskräftige Nation in zwanzig Jahren wieder einholt, gereicht einer abzehrenden zur tödlichen Einbusse.

Was halfen da die grossen und dauernden Anstrengungen des Maximian und Constantius? Mit der Deckung des Rheines, wozu sie es samt aller Tapferkeit und allem Talent brachten, war doch erst die Möglichkeit einer Heilung des zerstörten Innern gegeben, aber noch lange nicht die Heilung selbst. Immerhin wirkte die Tätigkeit der beiden Fürsten nachhaltig, so dass die Germanen auf längere Zeit die Schläge fühlten. Mehrmals zieht Maximian gewaltig über den Rhein, gleich Probus, und bändigt (287–288) Burgundionen, Alamannen, Heruler und Franken Vgl. Preuss, a. a. O., S. 34 ff.; Constantius befreit das Bataverland von den letztern (294) und schlägt die wieder hereingebrochenen Alamannen in der furchtbaren Schlacht bei Langres (298, nach andern 300), wo ihrer 60 000 fielen. Allerdings kam den Römern dabei eine innere Krisis unter den Germanen zustatten, von der wir nur leider zu wenig wissen. »Die Ostgoten«, heisst es Panegyr. III (Mamert., Genethl. ad Max. Herc.), 16–18., »zernichten die Burgundionen, aber für die Besiegten waffnen sich die Alamannen; die Westgoten, mit einer Schar Taifalen, kämpfen gegen Vandalen und Gepiden . . . Die Burgundionen haben die Gegend der Alamannen weggenommen, aber mit schwerem Verlust bezahlt, und nun wollen die Alamannen das Verlorne wieder erkämpfen.« Hier liegt offenbar die Erklärung der seltsamen, immer nur auf kurze Zeit gestörten Waffenruhe zwischen Römern und Deutschen unter Constantin dem Grossen; die welthistorische Veränderung, welche er zu leiten hatte, sollte ohne allzu bedeutende Störung von aussen sich vollziehen können; ebendazu musste gleichzeitig im fernen Osten der Friedensschluss vom Jahr 297 und die Minderjährigkeit des Sassaniden Sapor II. dienen.

Maximian und Constantius hatten mittlerweile wenigstens die Befestigung des Rheines als Grenze durchgeführt. Auf diese »Kastelle mit Reiterschwadronen und Kohorten« in der Nähe des Stromes wird man wohl den vorgeblichen Wiederaufbau der »in Waldnacht versunkenen, von wilden Tieren bewohnten Städte« beschränken müssen, wenn schon der Lobredner, dem wir diese Worte verdanken Paneg. IV (Eumen., Pro rest. schol.) c. 18., eine allgemeine Lobpreisung des wiedergekehrten goldenen Zeitalters daran knüpft. Wo früher Städte waren, kennt das vierte Jahrhundert Kastelle, und auch da gab es auffallende Lücken Ammian. Marc. XVI, 3. – Die Inschr. v. Oberwinterthur bei Orelli, Inscr. Lat. sel., nr. 467. – Über die einzelnen Stücke des obern rechten Rheinufers, welche auch nach Probus zeitweise römisch waren, vgl. Mone, Urgeschichte des badischen Landes, II, S. 286. Im ganzen blieb eben doch der südwestliche Winkel Deutschlands, die sog. agri decumates, von Carus bis zu Julian verloren, und der Rhein galt als Grenze..

Prachtvoll hergestellt wurde vielleicht nur die nordische Residenz, Trier. Da erhoben sich aus den Trümmern, welche der Besuch der Franken, vielleicht auch der Bagauden hinterlassen, ein grosser Zirkus, mehrere Basiliken, ein neues Forum, ein gewaltiger Palast und andere Luxusbauten mehr Panegyr. VII (Eumen. Constantino, vom J. 310), c. 22, wo dies alles als Werk Constantins dargestellt wird. Den Anfang möchten doch schon Maximian und Const. Chlorus gemacht haben. – Die Porta nigra gilt gegenwärtig als beträchtlich älter, als Werk des ersten Jahrh. n. Chr.. – Das unglückliche Autun fand einen warmen Fürsprecher an Eumenius, den wir hier von der bessern Seite kennenlernen. Er war ein Sekretär (magister sacrae memoriae) des Constantius gewesen und hatte (wahrscheinlich infolge sehr wichtiger Dienstleistungen) eine Pension von mehr als 26 000 Franken unseres Geldes zu verzehren mit der Sinekure eines Vorstehers der Schulen zu Autun, wo schon sein aus Athen gebürtiger Grossvater eine Professur bekleidet hatte. Nun geht sein ganzer Ehrgeiz dahin, sein Einkommen (obwohl er Familie hatte) diesen Schulen zum Geschenk zu machen und überdies die Gnade des Constantius und nachher des Constantin auf diese arg zerrütteten Anstalten und auf die ruinierte Stadt hinzulenken. Es ist derselbe schöne antike Lokalpatriotismus, der uns in den Schilderungen des Philostratus mit so manchem griechischen und asiatischen Sophisten des ersten und zweiten Jahrhunderts nach Christus versöhnt und befreundet. Man muss diese seltsame Mischung von Edelsinn und Schmeichelei aufnehmen und würdigen, wie jene Zeit sie hervorbrachte. »Diese Besoldung«, sagt Eumenius, »nehme ich, was die Ehre betrifft, anbetend in Empfang, schenke sie aber weiter . . . Denn wer wird jetzt so erbärmlicher Gesinnung, so allem Streben nach Ruhm abhold sein, dass er sich nicht ein Andenken stiften und eine günstige Meinung von sich hinterlassen wollte?« – In den hergestellten Schulen werde man lernen, die Fürsten auf würdige Weise zu loben, und einen bessern Gebrauch der Eloquenz gebe es ja überhaupt nicht. Selbst der alte Maximian kömmt hier noch zu einer recht unverdienten Parallele mit Hercules musagetes, dem Vorsteher der Musen; denn – ihm ist die Ernennung eines Scholarchen für Autun so wichtig gewesen, als handelte es sich um eine Reiterschwadron oder um eine prätorianische Kohorte Panegyr. IV (Pro rest. schol.), passim. – Vom J. 295. – Für das Nähere über Eumenius vgl. Preuss, a. a. O., S. 60 ff.. Mit der Herstellung der ganzen Stadt hatte es indes noch gute Weile; erst Constantin konnte mit einem bedeutenden Steuererlass und mit direkten Bewilligungen nachdrücklicher aushelfen. Fast rührend schildert Eumenius seinen Einzug (311): »Wir schmückten Dir die zum Palatium führenden Gassen mit ärmlichem Zierat aus; doch trugen wir wenigstens die Symbole aller unserer Zünfte und Körperschaften und die Bilder aller unserer Götter hervor; einige wenige Musikinstrumente hast Du mehrmals angetroffen, weil wir Dir damit durch Nebenwege vorauseilten. Dir entging wohl nicht die gutwillige Eitelkeit der Armut« Panegyr. VIII (Gratiarum actio, vom J. 311), c. 8..

In den verödeten, nördlichen und östlichen Teilen Galliens musste man wohl oder übel in dem seit Claudius und Probus begonnenen System fortfahren und die kriegsgefangenen Germanen als Ackerknechte, teilweise aber auch als freie Bauern, ja als Grenzwächter ansiedeln. Die Lobredner Panegyr. V (Eumen. Constantio, vom J. 297) und VII (Constantino, vom J. 310), passim. Vgl. Hist. Aug., Probus 15. rühmen es, wie alle Markthallen voll Gefangener sitzen, welche ihr Schicksal erwarten; wie der Chamave, der Friese – einst so leichtfüssige Räuber – jetzt im Schweiss ihres Angesichtes das Feld bauen und die Märkte mit Vieh und Korn besuchen; wie sie sich auch der Aushebung und der römischen Kriegszucht unterwerfen müssen; wie Constantius die Franken von den fernsten Gestaden des Barbarenlandes hergeholt, um sie in den Einöden Galliens Nachweisbar z. B.: in den Vogesen, wo es noch im Mittelalter einen Chamavengau und einen Chattuariergau gegeben hat. Vgl. für die ganze Völkerwanderung: Zeuss, Die Deutschen und ihre Nachbarstämme, und Wietersheim, Gesch. der Völkerwanderung. zum Ackerbau und Kriegsdienst zu erziehen, u. dgl. m. – tatsächlich waren es doch lauter Experimente der Not, und zwar sehr gefährliche, tatsächlich war das nördliche Gallien bereits halb germanisch geworden. Sobald die Stammesgenossen dieser Gefangenen wieder in Gallien einbrachen, konnten sie in den letztern lauter Verbündete finden, wenn nicht eine geraume Zeit dazwischen verstrichen war.

Diese Eventualität einstweilen abzuhalten, gelang dem Glück, dem Talente und der Grausamkeit Constantins, als er in dem ersten Jahre nach seines Vaters Tode (306) den Bund einiger Frankenvölker zu bekämpfen hatte, welche zu den später so genannten ripuarischen Franken gehörten (wahrscheinlich Chatten und Ampsivarier, nebst den Brukterern). Sie hatten schon bei Lebzeiten seines Vaters den Rhein überschritten; nun schlug er sie und bekam ihre Fürsten Askarich und Regais (oder Merogais) gefangen Panegyr. VI (Eumen. Constantino), c. 11. 12.. In dem Amphitheater zu Trier, dessen gewaltige Überreste man noch jetzt in den Weinbergen aufsucht, wurden die beiden den wilden Tieren vorgeworfen; dasselbe geschah massenweise mit den gefangenen Brukterern, »die zu unverlässig waren, um als Soldaten, zu unbändig, um als Sklaven zu dienen«; »die wilden Bestien ermatteten ob der Menge ihrer Opfer«. – Noch zweimal, im Jahr 313 und 319, werden kurze Feldzüge gegen die Franken erwähnt, freilich bei den Geschichtschreibern nur mit einem Worte, woraus schon ihre geringe Bedeutung hervorgeht Etwas umständlicher Panegyr. IX, 23 und X, 17 und 18, hier mit offenbarer Übertreibung. Bei einem dieser Züge soll z. B. Constantin selber verkleidet die Feinde ausgekundschaftet und durch Zureden zum Angriff provoziert haben.. Constantin nahm sogar wieder von einem Stücke des rechten Rheinufers Besitz und erbaute zu Köln eine grosse steinerne Brücke, welche bis in die Mitte des zehnten Jahrhunderts vorhanden war, aber in einem so baufälligen und gefährlichen Zustande, dass Erzbischof Bruno, der Bruder Ottos des Grossen, sie abbrechen liess Fiedler, Rom. Gesch., 3. Aufl., S. 433. – Noch 1766 sah man bei niedrigem Rheinstande einige Pfeiler davon.. Den Brückenkopf bildeten die Castra Divitensia, das heutige Deutz. – Ein periodisches Fest, die Fränkischen Spiele (ludi Francici) verewigte diese Erfolge. Bei der Siegesfeier vom Jahr 313 stürzten sich die dem Tode geweihten Franken den wilden Tieren mit sehnsüchtiger Ungeduld entgegen.

Vergebens sucht man das Gesamtbild des alten Galliens, wie es unter Diocletian und Constantin sein mochte, weiter zu vervollständigen, indem die ergiebigern Quellen erst für die Zeit von Valentinian I. an zu fliessen beginnen. Von dem Los der Landbevölkerung kann man sich nach dem Obigen einen ungefähren Begriff machen. Der Gallier fühlte aber auch seine Not viel lebhafter als manche andere Bevölkerungen des Reiches. Schon physisch sehr bevorzugt, hoch und derb, hielt er etwas auf seine Person, liebte die Reinlichkeit und wollte nicht in Lumpen einhergehen. Er verzehrte viel, namentlich in Wein und andern berauschenden Getränken, hatte aber dafür jene Anlage des geborenen Soldaten, welche bis ins vorgerückte Alter keine Furcht kannte und keine Anstrengung mied. Man meinte, dies hänge mit seiner kräftigen Blutfülle zusammen und verglich ihn mit jenen magern, verkommenen Südländern, welche zwar mit einer Zwiebel des Tages ihren Hunger stillen, dagegen im Krieg ihr Blut sparen, dessen sie so wenig übrig haben Veget., De re milit. I, 2.. Auch die gallischen Weiber, blonde, gewaltige Figuren, scheuten den Streit nicht; sie waren furchtbar, wenn sie die weissen Arme aufhoben und ihre Schläge und Fusstritte »gleich Katapult-Schüssen« austeilten Ammian. Marc. XV, 12.. Eine solche Bauerschaft lässt sich nicht zuviel bieten, und ein gewisser Grad von Elend wird unvermeidlich den Ausbruch herbeiführen, wie damals geschah. – Allein auch in den Städten herrschte Not und Dürftigkeit; der wichtigste Besitz des Stadtbewohners in diesem fast ausschliesslichen Agrikulturlande war der ausgeliehene oder durch Knechte bewirtschaftete Boden, dessen Unglück der Eigentümer in vollem Masse mitempfand. Sodann erdrückte der Staat hier wie im ganzen Reiche durch das Dekurionenwesen auch die Wohlhabenden, insofern er die Besitzer von mehr als fünfundzwanzig Morgen Landes insgesamt für die fixen, oft noch willkürlich erhöhten Steuern des Bezirkes haftbar machte; eine Lage, welcher sich der einzelne bisweilen durch ganz verzweifelte Schritte, später selbst durch Flucht zu den Barbaren, zu entziehen suchte. Wenn man nun doch noch Beispiele von ausserordentlich reichen Leuten und einem grossen Luxus findet, so erklärt sich dies fürs erste durch das Fortbestehen der sogenannten senatorischen Familien, welche durch erbliche Verleihung Mitglieder des römischen Senates gewesen sein müssen und ausser ihrem Titel clarissimi und andern Ehrenrechten auch die Befreiung von dem Ruin der übrigen Städter, dem Dekurionat, für sich hatten. Ein anderer Grund liegt wohl in einem merkwürdigen Zuge des alten gallischen Nationalcharakters, welcher aus Liebe zu Parteiungen aller Art, später dann natürlich aus Not, beständig auf Verhältnisse der Klientel, des Schutzes Geringerer durch Mächtige, hindrängt. Schon Caesar Bellum Gall. VI, 13. fand in dieser Beziehung einen ganz ausgearteten Zustand vor; die Masse war bereits in die Knechtschaft des Adels geraten. Aber ein halbes Jahrtausend nach ihm kehrt dieselbe Klage fast unverändert wieder; Salvian De vero iudicio et provid. dei, l. V. bejammert das Los der kleinen Grundbesitzer, welche aus Verzweiflung über den Beamtendruck und die ungerechten Richter den Grossen des Landes sich und ihre Habe zu eigen überlassen. »Dann ist ihr Grundstück die Landstrasse Wenn fundos viarum quaerunt so zu übersetzen ist. und sie sind die Kolonen der Reichen! Der Sohn erbt nichts, weil der Vater einmal Schutz nötig gehabt hat!« – Auf diese Weise war es schon möglich, dass der einzelne Vornehme, der einzelne Grosspächter von Staatsländereien usw. ganz endlose Latifundien zusammenbrachte und dann wieder in antiker Weise gegen seinen Wohnort oder seine Provinz freigebig sein, zum Beispiel prächtige öffentliche Gebäude errichten konnte, während alles um ihn her darbte oder von seiner Gnade lebte. Ist dies im einzelnen für Gallien nicht nachzuweisen, so bleibt es doch die einzige Erklärung des Kontrastes zwischen der äussern Pracht der Städte (soweit dieselbe nicht kaiserliche Munifizenz war) und dem notorischen Elend. An Tempeln, Amphitheatern, Theatern, Triumphbögen, Fontänen, Thermen, Doppelpforten konnten namentlich die südgallischen Städte es mit den meisten italienischen aufnehmen, wie ihre Ruinen beweisen – noch jetzt die Zierden jedes betreffenden Ortes, wie sie einst als unversehrtes Ganzes den Dichter Ausonius entzückten. Abgesehen von Schenkungen mussten ohne Zweifel auch oft die Dekurionen aus ihrem eigenen und aus dem Stadtgut dergleichen Ausgaben bestreiten helfen. Von den Lehranstalten Galliens wird weiterhin die Rede sein; durch sie erhielt sich das Land seine bedeutende Stellung im Verhältnis zum römischen Geistesleben, auf welche es so stolz war. Denn man wollte ja nicht mehr zum alten Keltentum zurückkehren, sondern nach Kräften Römer sein; mit einem wahren Eifer muss das Volk zum Beispiel seine alte Sprache L. Dieffenbach, Celtica II, 84. Noch Anfang des dritten Jahrhunderts werden einzelne Urkunden keltisch abgefasst. – Vgl. besonders Panegyr. IX, c. 1. zu vergessen gesucht haben, die durch blosse römische Kolonisation und Verwaltung nicht so völlig zurückgedrängt worden wäre. Vielleicht gibt bis zu einem gewissen Grade der Sprachenzustand des Elsass eine Vorstellung des damaligen gallischen; die alte Sprache dauert im täglichen Leben fort, sobald aber ein Interesse höherer Bildung berührt wird, oder sobald man sich irgendwie offiziell zu gebärden hat, tritt die neue in ihr Recht, auf deren wenn auch mangelhafte Kenntnis alle Welt sich etwas zugute tut. Auch die alte Religion der Gallier hatte sich bequemen müssen, ein römisches Gewand anzuziehen, und die Götter haben sich nicht bloss (wo es anging) im Namen, sondern auch in der plastischen Darstellung dem römischen Stil gefügt, mag er auch nicht wenig provinziell verwildert erscheinen, sobald er sich über die alten, kunstverständigen Städte des Südens hinauswagt. In einem Falle mindestens hat aber der klassische Bildhauer auch ein rein keltisches Götterideal verwirklichen müssen, nämlich die geheimnisvollen Matronen Vgl. H. Schreiber: Die Feen in Europa, Freibg. 1842. – Auch diese ausgezeichnete Monographie hätte nebst mehrern andern dringend wünschen lassen, dass der seither verewigte Verfasser, welchem einst die erste Auflage dieses Buches gewidmet war, der deutschen Wissenschaft eine Gesamtdarstellung des Keltentums geschenkt haben möchte., welche in ihrem wunderlichen Kopfputz, Fruchtschalen auf dem Schoss, zu dreien nebeneinander zu thronen pflegen. Von einer ganzen Menge zumal lokaler Gottheiten, deren Namen sich schon deshalb nicht ins Lateinische übersetzen liessen, haben wir bloss die Weiheinschriften Orelli, Inscr. Lat. sel. I, cap. IV § 36 u. 37. – S. den V. Abschnitt. ohne Bildwerke.

Wie stand es aber mit dem einst so mächtigen Priestertum, welches diese Religion verwaltete, mit den Druiden? Vor Zeiten hatten sie mit den Adligen einen herrschenden Stand ausgemacht; diesen blieb Herrschaft und Kriegsmacht, ihnen das Richteramt und die Pflege der geheimen Wissenschaften, der gewaltigen Superstitionen, womit sie das ganze Leben des Volkes umsponnen hielten. Ihr Bann war die schrecklichste Strafe; wen sie von den Opfern ausschlossen, der galt als unrein und rechtlos. Als Geweihte der Gottheit waren sie frei von Abgaben und Kriegsdienst. Vielleicht gehörten zu ihren Heiligtümern (oder Tempeln, wenn man so sagen darf) beträchtliche Domänen, jedenfalls aber Schätze in edeln Metallen, deren Fülle sprichwörtlich geworden war.

Aus dieser hohen Stellung waren jedoch die Druiden längst verdrängt, ohne dass man genau sagen könnte, seit wann und wie. Schon die unermesslichen Erpressungen Caesars hatten gewiss auch jenen Tempelschätzen gegolten und damit tatsächlich der Macht der Druiden, welche überdies durch die Vermischung des römischen Götterdienstes mit dem ihrigen und durch die Einführung römischer Priestertümer mehr und mehr beeinträchtigt wurden. Unter Augustus und Tiberius verraten sich Zuckungen der Unzufriedenheit; wenigstens soll der letztere sich veranlasst gefunden haben, »die gallischen Druiden und derartige Wahrsager und Ärzte aufzuheben« Plin., Hist. nat. XXX, 4. – Wie weit der Druidismus bei den verschiedenen Aufständen Galliens beteiligt war, bleibt durchaus ungewiss.. Sie dauerten aber doch fort, selbst nachdem Claudius »ihre furchtbar grausame Religion, deren Begehung bereits Augustus den römischen Bürgern untersagt, gänzlich aufgehoben hatte« Sueton., Claud. 25.. Damit sind die Menschenopfer gemeint, wozu bei Claudius noch der Widerwille gegen die gefährlichen Amulette kommen mochte, welche die Druiden im Gebrauch hielten, zum Beispiel Eier gewisser Schlangen, wodurch man sich den Sieg in jedem Streit und den Zugang zu Fürsten gesichert glaubte Plin., Hist. nat. XXIX, 12.. Der Stand als solcher musste jetzt freilich seinen Zusammenhang verlieren, die druidischen Tagsatzungen zwischen Dreux und Chartres allmählich eingehen, das Wandern der Druidenzöglinge nach dem seither ebenfalls römisch gewordenen Britannien aufhören, nachdem die Insel seit unvordenklichen Zeiten als die hohe Schule aller druidischen Weisheit gegolten – aber es gab doch noch fortwährend Druiden bis in die christliche Zeit hinein, ohne Zweifel, weil das Volk des von ihnen gepflegten Aberglaubens im täglichen Leben nicht entbehren wollte. Leicht kann man sich ihre Lage im dritten Jahrhundert vorstellen: die gebildete Welt hat sich längst dem römischen Wesen in die Arme geworfen und steht in keinem Verhältnis mehr zu dem altnationalen Priesterstande; dieser hat darob seine höhere gemeinsame Weihe eingebüsst, und es ist aus dem Priester ein Beschwörer, Quacksalber und Wahrsager geworden, wie teilweise in Ägypten. Vorzüglich machten sich die Druidinnen als die Zigeunerinnen des sinkenden Altertums bemerklich. Aurelian befragte ihrer mehrere – möglicherweise ein ganzes Druidinnenkollegium Wenigstens eine Druis antistita (und damit eine Ihr untergebene Anzahl von Priesterinnen) ist bewiesen durch eine Metzer Inschrift, bei Orelli Nr. 2200. Aber sie trägt den griechischen Namen Arete, und die Weihung, wozu sie »ein Traumgesicht aufgefordert«, gilt dem Silvanus und den Nymphen. – Das Folgende aus Hist. Aug., Aurelian. 44. Alex. Sev. 59 II. Numerian. 14. – Ammians Darstellung des Druidenwesens (XV, 9) ist offenbar aus viel ältern Quellen genommen, welche zugleich diejenigen Strabos waren, und hat für das vierte Jahrhundert gar keine Geltung. – über die Nachfolge im Reiche, und zwar sicher nicht bloss im Scherze, denn der Scherz auf diesem Gebiete war gefährlich. Sonst gaben sie ihre Weissagungen auch ungefragt, wie jenes rücksichtslose Weib, das dem Alexander Severus auf gallisch zurief: »Ziehe hin, hoffe keinen Sieg, und deinen Soldaten traue nicht!« – oder wie jene druidische Wirtin im Tungernland (bei Lüttich), mit welcher der damalige Unteroffizier Diocles, der spätere Diocletian, seine tägliche Kost verrechnete. »Du bist zu geizig, zu sparsam!« sagte sie. »Ich will freigebig sein, wenn ich einmal Kaiser bin«, antwortete er. »Spotte nicht«, erwiderte die Wirtin, »du wirst Kaiser werden, wenn du einen Eber erlegt hast.«

Am längsten muss das Druidentum sich in den Gegenden gehalten haben, welche noch jetzt teilweise ihre keltische Nationalität und Sprache bewahren, also in der Bretagne und im westlichen Teil der Normandie. Noch im vierten Jahrhundert lernen wir eine von hier stammende Druidenfamilie kennen, deren Mitglieder zu den gelehrtesten Rhetoren der Schule zu Bordeaux gehörten. Es gab ihnen eine gewisse Weihe, dass man wusste, das Priestertum des keltischen Sonnengottes Belenus sei in ihrem Hause erblich gewesen. Allein sie fanden – bezeichnend genug – ihren Vorteil darin, dieses ganze Verhältnis zu gräzisieren und sich Phoebicius und Delphidius zu nennen Auson., Prof. Burd. 4 u. 10..

Vermutlich hielten die Druiden, wo sie noch existierten, nach Kräften den Kultus im Gange, welchen das gemeine Volk noch bis tief in die christlichen Jahrhunderte hinein den gewaltigen, formlosen Steindenkmälern des alten Keltentums widmete, jenen Pfeilern, Decksteinen, Spindeln, Steinbänken, Feengängen usw., wo des Nachts Lichter und Opfer brannten und Gelage gefeiert wurden. Darauf bedeckt tiefes Dunkel den Untergang des keltischen Heidentums; in späterer Zeit leben dann, durch die Ferne vergrössert, die Druiden als Riesen, die Druidinnen als Feen fort, und über die Steindenkmale, wo es nicht recht geheuer ist, spricht die Kirche ihren vergeblichen Exorzismus Vgl. Schreiber, a. a. O., S. 76..

Während Maximian Gallien zur Botmässigkeit brachte, trat ein Abfall Britanniens ein S. vor allem Gibbon, Kap. 13, wo von den frühern etwas zu phantastischen Darstellungen des Carausius das Bewährte gesichert ist. – Das Material in der Abhandlung von Genebrier, im 6. Bd. der Zusätze zur Hallischen Welthistorie. – Die Hauptquellen sind die Panegyriken II bis V., welcher einerseits wohl das Nachspiel ausmacht zu der rettenden Usurpation der Dreissig Tyrannen unter Gallienus, andererseits aber das Vorspiel war zu dem definitiven Verlust Britanniens, wie er etwa hundertvierzig Jahre später eintrat.

Seit Probus war die Insel, wie auch die gallischen Küsten, umschwärmt von Piraten, welche bald als Franken (und dann als Salier), bald als Sachsen bezeichnet werden. Gegen sie bedurfte man einer Flotte, welche in der Tat zu Boulogne (Gessoriacum) ausgerüstet wurde; den Befehl derselben vertraute Maximian dem seekundigen und tapfern, auch noch im Bagaudenkrieg erprobten Carausius an, einem Menapier (Brabanter) von dunkler, vielleicht kaum römischer Herkunft. Dieser begann bald ein sonderbares Spiel mit seiner Stellung zu treiben. Er liess die Piraten ungestört ihre Ausfahrten bewerkstelligen und fing sie erst bei der Rückkehr auf, um die ihnen abgenommene Beute für sich selbst zu behalten. Sein Reichtum erregte Aufsehen, und Maximian, der alles erfahren, hatte schon Befehl gegeben, ihn zu töten, allein Carausius wusste ihm zuvorzukommen. Durch Freigebigkeit hatte er seine Soldaten sowohl als die Franken und Sachsen selbst an sich zu ketten vermocht, so dass er noch in Gallien sich zum Kaiser aufwerfen konnte (286), doch nicht, um sich hier zu halten. Er fuhr mit der ganzen Flotte nach Britannien hinüber, wo die römischen Truppen sich sofort für ihn erklärten, so dass das ganze Land in seine Gewalt kam, während Maximian das notwendigste Mittel zu seiner Verfolgung entbehrte. Sieben Jahre lang beherrschte er die damals reiche Insel, indem er die Nordgrenze gegen die alten Feinde, die Caledonier, verteidigte; auch Boulogne mit der Umgegend behielt er als Absteigequartier und als Stützpunkt für seine Kaper bei, wie zu Ende des Mittelalters Calais diese Stelle vertrat. Als Herr Britanniens suchte er nun zwar die römische Bildung und Kunst zu erhalten, allein seinem Bündnis mit den Franken in den Niederlanden zuliebe trug er und seine Römer doch ihre Tracht und nahm ihre junge Mannschaft in sein Heer und auf seine Flotte, wo sie alle römische Kriegsübung lernen konnte. Es ist keine Frage, dass England bei einer längern Isolierung unter ihm und ähnlichen Nachfolgern barbarisiert worden wäre, ehe es die römisch-christliche Bildung, das wichtigste Erbteil des alten orbis terrarum, in sich aufnehmen und verarbeiten konnte. Von der andern Seite ist es ein imposanter Anblick um diese Insel, wie sie zum erstenmal in der Geschichte ihrer künftigen Seeherrschaft sich plötzlich bewusst wird, weil ein kühner Empörer von ihr aus die Mündungen der Seine und des Rheins beherrscht und die ganze Küste des Ozeans in Schrecken hält. – Seine Popularität konnte übrigens nur darauf beruhen, dass die Piraten, jetzt in seinem Dienst, die Küsten nicht mehr belästigten, und dass er zugleich die Nordgrenze verteidigte.

Maximian musste eine neue Flotte rüsten (289), aber sein Versuch scheint unglücklich abgelaufen zu sein; der Usurpator hatte alle erfahrenen Seeleute bei sich. In der Besorgnis, dass derselbe seine Herrschaft noch weiter ausdehnen möchte, entschlossen sich die Kaiser (290) zur Abfindung mit ihm; er behielt die Insel und den Titel Augustus, wenigstens konnte man es nicht verhindern, dass er sich fürderhin wie bisher so nannte. Am allerwenigsten war man aber gewillt, ihm den Raub auf die Länge zu lassen. Sobald die beiden Caesaren adoptiert waren, brach man wieder mit ihm, gleichviel unter welchem Vorwand, vielleicht bei Anlass von Boulogne (293). Constantius Chlorus musste diese Stadt belagern; die carausische Flottenstation im Hafen liess sich geduldig den Eingang desselben durch einen Damm verschütten und fiel in die Hände des Belagerers Panegyr. V (Eumen. Constantio), c. 6, wo Dinge mit Stillschweigen übergangen sind, ohne welche man diese Kriegstat unmöglich beurteilen kann.. Vielleicht war es der Rückschlag dieses Ereignisses auf die Stimmung Englands, welcher einem vertrauten Gefährten des Usurpators, Allectus, den Mut zu dessen Ermordung gab, worauf Volk und Soldaten ihn ohne weiteres anerkannten. Jetzt nahm sich Constantius die Müsse, für die künftige Eroberung Britanniens eine weite, zuverlässige Basis vorzubereiten und sich vor allem die rechte Flanke zu sichern durch Unterwerfung derjenigen Franken, welche das Bataverland besetzt hielten. Er schlug sie (294) und verpflanzte einen grossen Teil in das römische Gebiet, um Trier und Luxemburg. Zugleich wurde eine neue Flotte gerüstet, und zwei Jahre später (296) war alles bereit zum Hauptangriff. Allectus hatte eine Beobachtungsflotte bei der Insel Wight aufgestellt, aber der kaiserliche Admiral Asclepiodotus, der am Seineausfluss unter Segel gegangen war, konnte unter dem Schutz eines dichten Nebels glücklich an derselben vorbeikommen und irgendwo an der Westküste landen, wo er sofort seine Schiffe hinter sich verbrannte, wahrscheinlich, weil seine Mannschaft zu gering war, um sie in ein Angriffsheer und in ein Schutzkorps für die Flotte zu teilen. Allectus, der den Hauptangriff des Constantius mit der Boulogner Flotte in der Gegend von London hatte erwarten wollen, verlor die Haltung, indem er sich nun unvorbereitet nach dem Westen werfen musste, wo er den Asclepiodotus unterwegs traf. Ein vielleicht ganz unbedeutendes Treffen zwischen ein paar tausend Mann, in welchem Allectus fiel, entschied das Schicksal Englands, so dass Constantius bei seiner Landung in Kent bereits allgemeine Unterwerfung vorfand. Der Lobredner tröstet sich über das in diesem Krieg geflossene Blut damit, dass es nur das Blut gemieteter Barbaren gewesen sei.

Constantius musste der Insel dieselben Vorteile zu gewähren suchen, die sie unter Carausius genossen: hauptsächlich den Schutz nach aussen und dann die öftere Residenz. Ersteres wurde ihm bei der jetzigen Demütigung der Franken nicht schwer; in letzterer Beziehung teilte er sich bei ruhigen Zeiten zwischen Trier und York, wo er auch starb (306).

So war denn die sehr bedeutende römische Kultur gerettet, welche damals zwischen England und dem jenseits des Hadrianswalles gelegenen Schottland, dem jenseits der Meerenge liegenden Irland einen so bedeutenden, bis auf den heutigen Tag fühlbaren Unterschied machte. Die Schicksale des fünften Jahrhunderts kamen zu spät, um ihre mächtigen Spuren gänzlich zu zerstören.

Unsere Aufgabe wäre nun vor allem, den damaligen Zustand der Germanen zu schildern, nicht nur an den Reichsgrenzen, sondern soweit in den Norden und Osten sie sich überhaupt verfolgen lassen. Als künftige Erben des Reiches verdienten sie die genaueste Betrachtung, auch wenn zufällig die Zeit Constantins für sie eine Zeit des Zurückschreitens und der innern Zerrüttung gewesen sein sollte; selbst die flüchtigsten Notizen und Andeutungen müssten uns von grösstem Werte sein, um das ewig verschwimmende, zerrissene Bild jener grossen Völkertafel, soweit es irgend möglich, herzustellen.

Allein der Mut zu dieser Arbeit entsinkt dem Verfasser, angesichts einer seit vielen Jahren erhobenen wissenschaftlichen Diskussion über die grössten Hauptfragen der alten germanischen Geschichte, in welche er auf keine Weise berufen ist hineinzureden. Die Resultate von Jakob Grimms »Geschichte der deutschen Sprache« würden nämlich nicht bloss die bis jetzt geltenden Annahmen über die Westgermanen mannigfach umgestalten, sondern auch die alten Donau- und Pontus-Völker, vor allem die Dacier und Geten, selbst die Scythen dem deutschen Stamm in näherm oder entfernterm Grade zuweisen, und insbesondere die Geten mit den spätern Goten identifizieren. Damit würde die ganze bisherige Ansicht über Macht und Ausdehnung der Germanen verändert und nicht minder die Urgeschichte der Slaven umgewandelt, welche als die Sarmaten des Altertums zwischen und unter jenen Germanenvölkern wohnend zu denken wären.

Wenn wir aber auch für das halbe Jahrhundert von Diocletian bis zum Tode Constantins die Sitze, Wanderungen und Mischungen wenigstens der Grenzvölker von den Niederlanden bis ans Schwarze Meer genau nachweisen könnten, so blieben doch als grosses Rätsel die innern Zustände übrig. Wer gibt uns Kunde von der Gärung und Neugestaltung des germanischen Wesens seit den Zeiten des Tacitus? Von den Ursachen der grossen Völkerbünde? Von dem plötzlichen Eroberungsdrang der Pontus-Goten im dritten Jahrhundert? Von ihrem nicht minder auffallenden Stillesitzen Die Ausnahme s. unten, S. 119f. in der ersten Hälfte des vierten? Wer leiht uns einen Maßstab für das weitere oder geringere Eindringen römischer Sitte in den germanischen Grenzländern? Ja, selbst von Sitte und Zustand der ins römische Reich aufgenommenen Germanen, sowohl der Soldaten als der Kolonen ist uns wenig bekannt. – So mag es denn auch genügen, wie oben die Kämpfe an der Rheingrenze, so auch die übrigen Kriege am Nordsaum des Reiches nur kurz zu erwähnen. Eine grosse Bedeutung können die letztern, nach der Einsilbigkeit der Quellen Die Stellen gesammelt u. a. bei Manso, Leben Constantins, und bei Clinton, Fasti Rom., passim. Vgl. auch Ammian. Marc. XXVIII, 1. zu schliessen, ohnedies kaum gehabt haben; fast alle Nebenumstände, sogar Ort und Stelle, bleiben völlig dunkel.

»Die Markomannen wurden aufs Haupt geschlagen« – so lautet die für lange Zeit einzige Notiz über jenes Volk (299), welches unter Marc Aurel als Zentrum eines grossen Bundes das Römerreich mit Untergang bedroht hatte.

Die Bastarnen und Carpen, wahrscheinlich Gotenvölker an der untern Donau, werden (294–295) durch Diocletian und Galerius besiegt, und die ganze Nation der Carpen auf römischem Boden angesiedelt, nachdem hunderttausend Bastarnen bereits unter Probus dasselbe Schicksal gehabt.

Eine wiederkehrende Sorge verursachten die Sarmaten, wahrscheinlich ein slavisches Donauvolk. Diocletian kämpfte zuerst allein (289), dann mit Galerius gegen sie (294) und versetzte auch von ihnen viele in das Reich. Spätere Einfälle strafte Constantin durch einen Feldzug (319), welcher ihrem König Rausimod das Leben kostete; gegen Ende seines Lebens aber nahm er (334), wie es heisst, nicht weniger als 300 000 Sarmaten in das Reich auf, nachdem dieselben durch einen Aufstand ihrer Sklaven (offenbar eines früher unterjochten Volkes) aus der Heimat waren vertrieben worden. Leider fehlen zur Beurteilung solcher massenhaften Aufnahmen ganzer Völker fast alle erklärenden Nebenumstände, so dass wir weder die Grenzen des Notwendigen und Freiwilligen, noch die militärische und ökonomische Berechnung kennen, welche die römischen Herrscher dabei leitete. Ein einziger erhaltener Vertrag würde grösseres Licht auf diese Verhältnisse werfen als alle Vermutungen, welche den verlorenen Hergang aus Analogien wieder aufbauen müssen Es genügt hier, auf ein Meisterwerk rekonstruierender und dabei gewissenhafter Kritik zu verweisen, wie Gaupp, »Die germanischen Ansiedelungen und Landesteilungen in den Prov. des röm. Westreiches«. – Die ganze seit der ersten Auflage unseres Buches so ausserordentlich geförderte, aber noch nicht zum Abschluss gelangte Forschung über die Germanen der Völkerwanderung darf bei der uns vorgeschriebenen Kürze übergangen werden, indem die Berührungen mit den Germanen gerade in der langen Regierung Constantins relativ unbedeutend gewesen sind. Über die Germanen innerhalb des Reiches, als Kolonen, Kriegsmannschaft, Beamte und Hofleute, eine treffliche zusammenfassende Darstellung bei Richter, Das weströmische Reich (Berlin 1865), Buch I, Kap. 3..

Auch ein Goteneinfall (323) wird erwähnt, wahrscheinlich von einer andern Art als die frühern und spätern, ja vielleicht nur die Tat eines einzelnen Stammes, der durch geheimnisvolle römische Einwirkung über die schlecht bewachte Grenze gelockt wurde. Constantin soll die Feinde durch seinen Anzug erschreckt und dann durch eine Niederlage zur Zurückgabe der mitgeschleppten Gefangenen genötigt haben. Der Zusammenhang mit dem Angriff gegen Licinius (wovon unten) wirft ein überaus zweideutiges Licht auf diesen ganzen Krieg. – Einige Jahre später (332) zieht Constantin mit seinem gleichnamigen Sohn auf Ansuchen der bedrängten Sarmaten in das Land der Goten, etwa in die Moldau und Walachei, wobei hunderttausend Menschen (wahrscheinlich beider Parteien) durch Hunger und Kälte sollen umgekommen sein; unter den Geiseln erhielt man auch den Sohn des Königs Ariarich. Darauf erfolgte die schon erwähnte Einmischung in die Sache der Sarmaten und deren Verpflanzung.

Es bleibt nun immer die Frage, von welchen Goten und Sarmaten jedesmal die Rede sei Was z. B. in dem bekannten Kap. 21 des Iornandes nirgends gesagt ist. – Dass Constantin in der Kurie zu Konstantinopel gotischen Königen Statuen errichtete, vgl. Richter, a. a. O., S. 230, nach Themistius.. Denn diese Namen umfassen ganze Reihen von ursprünglich einigen, aber längst geschiedenen Stämmen, deren Bildungsstand vielleicht alle Stufen und Nuancen darstellte, welche zwischen einer fast römischen, städtischen Kultur und wildem Jägerleben in der Mitte liegen. Die Rückschlüsse, zu welchen zum Beispiel das Dasein und die Beschaffenheit der gotischen Bibel des Ulfilas (bald nach Constantin) berechtigt, würden eine sehr hohe Idee von der Bildung der betreffenden Stämme schon in constantinischer Zeit erwecken, während andere Spuren barbarischer Roheit verraten. Die vorhandenen einzelnen Züge zu einem Bilde zu verarbeiten, überschreitet jedoch unsern Zweck und unsere Kräfte.

Auch dem Gegenbilde, den römischen oder römisch gewesenen Donaulanden Dacien (Siebenbürgen, Niederungarn, Moldau und Walachei), Pannonien (Oberungarn nebst den westlichen und südlichen Nachbargegenden) und Mösien (Serbien und Bulgarien) kann hier nicht die gebührende Beachtung zuteil werden, weil dem Verfasser die Übersicht der beträchtlichen neuern Entdeckungen in diesen Gegenden gänzlich fehlt. In der Zeit, um welche es sich hier handelt, waren dieselben eine Militärgrenze wie zum Teil jetzt, nur umgekehrt gegen den Norden, nicht gegen den Süden; seit Philipp dem Araber wollte der Waffenlärm hier gar nicht mehr verstummen Panegyr. III, (Genethl. Max.), c. 3 in quibus (provinciis) omnis vita militia est . . . Als Schule von Helden wurden sie schon oben bezeichnet., und Aurelian hatte Dacien, die gefährliche Eroberung Trajans, bereits den Goten soviel als preisgeben müssen. Vorher aber und in den weniger bedrohten Gegenden auch nachher muss hier eine sehr bedeutende römische Kultur geherrscht haben, deren Wirkungen auf diesem von der Völkerwanderung ganz durchwühlten Boden nicht zu vertilgen gewesen sind und zum Beispiel in der romanischen Sprache der Walachen noch kenntlich fortdauern. Städte wie Vindobona (Wien), Carnuntum (St. Petronell), Mursa (Essek), Taurunum (Semlin) und vor allem Sirmium (Mitrovicz), dann weiter abwärts Naïssus (Nissa), Sardica (Sophia), Nikopolis am Haemus und das ganze reiche Itinerarium der Donau überhaupt lassen auf ein Dasein schliessen, welches an Fülle und Wichtigkeit vielleicht die Rheingrenze bedeutend überholte. Wenn einst moderne Hände den slavischen und türkischen Schutt von den alten Donaustädten wegräumen dürfen, so wird auch das römische Leben jener Gegenden wieder zum Vorschein kommen. Die Weltgeschichte hätte eine andere Wendung nehmen können, wenn es in diesen Landen einem kulturfähigen Germanenvolk durch Mischung mit den kräftigen Einwohnern des nördlichen Illyricums gelungen wäre, ein mächtiges und dauerndes Reich zu gründen.

Am Schwarzen Meer endlich treffen die Germanen nebst andern Barbaren mit den griechischen, meist milesischen Kolonien Für das folgende s. Boeckh, Corpus inscr. Graec., vol. II, pars XI, bes. die Einleitung dazu. – Hallische Welthistorie, Zusätze, Bd. IV. zusammen, welche als nördlichste Vorposten des Hellenentums seit mehr als acht Jahrhunderten den Pontus zu einem »gastlichen« (euxeinos) machten. Ein Teil derselben hatte sich längst mit einigen barbarischen Stämmen zu dem sogenannten Bosporanischen Königreich verschmolzen, welches über die Hälfte der Krim und die jenseits der Meerenge von Kertsch beginnenden Abhänge des Kaukasus umfasste und also den Eingang des Asowschen Meeres, vielleicht auch beträchtliche Stücke von dessen Ufern beherrschte. Münzen und Inschriften gewähren eine Königsreihe ohne Unterbrechung bis auf Alexander Severus Mehrere Fürsten dieser Reihe führen merkwürdigerweise die nämlichen Namen, welche unter den längst erloschenen Königen von Thracien vorkommen: Cotys, Rhoemetalces, Rhescuporis., dann folgen zwischen Lücken die Namen Ininthimeuos, Teiranes, Thothorses, Phareanzes und unter Constantin 317 bis 320 nachweisbar ein König Rhadamsadis. Als Rom von den kleinen Königreichen seiner Ostgrenze eines nach dem andern zur Provinz machte, blieben nur Armenien und Bosporus verschont, welches sich dann mehr und mehr von Rom losgemacht und barbarisiert haben muss. Unter Diocletian erhoben die Bosporaner, mit Sarmaten verbunden, einen unglücklichen Krieg Constantin. Porphyrog., De administr. imp. cap. 53 gibt eine Erzählung davon, deren Wert hier gänzlich dahingestellt bleibt. gegen ihre Nachbarn an der ganzen östlichen Seite des Pontus; Constantius Chlorus, der im nördlichen Kleinasien gegen sie im Felde stand, rief die Chersonnesiten auf, von Westen her in das bosporanische Land einzufallen, was denn auch mit vielem Erfolge geschah. Die Bosporaner mussten einen Vertrag eingehen, wobei sie fast die ganze Krim, bis auf die Gegend von Kertsch (Panticapaeum, die alte Hauptstadt des grossen Mithridat) an die Chersonnesiten verloren. Die griechische Kolonie hatte zu ihrem Glück ihre Lehnspflicht gegen das römische Imperium erkannt, während der Bosporusfürst bei der allgemeinen Not des letztern sich jeder Pflicht ledig glaubte. – Im Verhältnis zu den griechischen Küstenstädten hiessen diese Könige übrigens immer nur Archonten, welches in Hellas der Name der obersten Stadtbeamten zu sein pflegte; gegen die Nichtgriechen blieb es ihnen dafür übernommen, sich sogar »König der Könige« betiteln zu lassen, wie einst die Herrscher Persiens.

Doch wenden wir uns nochmals aus diesem kleinen Reiche nach Westen zurück. In dem reichen Kranze altgriechischer Kolonien, deren Fundstücke die Museen von Südrussland zu füllen beginnen, erwecken vor allem zwei unsere Teilnahme durch ihr eifriges Bemühen, das griechische Leben trotz der Umgebung rein und vollständig bei sich zu erhalten. Das siegreiche Chersonnesus, jetzt Sebastopol, war eine Kolonie von Heraklea am Pontus und dadurch mittelbar von Megara. Das nahe Vorgebirge Parthenium war die Stätte einer geweihten Erinnerung; hier stand noch der Tempel der strengen taurischen Artemis, welche bis zu Iphigeniens Priestertum durch Menschenopfer gesühnt werden musste; auf den Münzen der Stadt sieht man das Bild der Göttin. Unter der Römerherrschaft kam Chersonnesus noch einmal kräftig empor und erweiterte, wie gesagt, unter Diocletian sogar sein städtisches Gebiet, während es im Innern alle seine griechischen Einrichtungen und zu dem Siege die völlige Steuerfreiheit behielt Unter Constantin d. Gr., dem Chersonnesus einmal einen beträchtlichen Zuzug leistete, erhielt es noch weitere Ehrenrechte, eine goldene Kaiserstatue, besondere Siegel, Immunität für die Schiffe usw.. Die Bürger bilden noch einen Demos; unter den Archonten, welche an der Spitze des Rates stehen, ist einer, nach dessen Namen man die Jahre zählt wie in Athen; es folgen städtische Beamtungen aller Art, Strategen, Agoranomen, Gymnasiarchen, vorzüglich Ehreninhaber städtischer Leistungen, welche den einzelnen oft teuer zu stehen kommen mussten. Eine Inschrift Bei Boeckh, l. c. nr. 2099. Vgl. auch nr. 2097. aus der letzten heidnischen Zeit zum Beispiel verherrlicht den Demokrates, Sohn des Aristogenes, nicht nur wegen trefflicher Vorschläge, Volksreden und zweimaliger Bekleidung der Archontenwürde, sondern auch weil er aus eigenen Mitteln mehrmals um des gemeinen Besten willen als Gesandter zu den Kaisern (Diocletian und Constantius?) gereist, weil er Feste und öffentliche Dienste aller Art aus dem Seinigen bestritten und in allen Dingen gewissenhaft gewaltet, »dem Erhalter, dem Unvergleichlichen, dem Freunde der Heimat, der edle Rat und das hehre Volk, zu Bezeigung des Wohlwollens«. Sein Lohn war dieser Stein und die alljährliche, feierliche Verlesung eines besondern Ehrendekretes. – Wie die freien Reichsstädte im spätern Mittelalter, besass die Stadt die trefflichste Artillerie; im Kriege mit den Bosporanern rückte sie sogleich mit ihren Kriegswagen aus, welche Wurfmaschinen trugen; auch ihre Ballisten waren berühmt.

Nicht minder griechisch hielt sich das einst mächtige alte Olbia S. bes. die 36. Rede des Dio Chrysostomus., eine Gründung der Milesier (unweit des jetzigen Oczakow). Von ihrer ionischen Herkunft gaben die Olbiopoliten noch in Sprache und Sitte deutliche Kunde; sie wussten die Ilias auswendig und vernachlässigten dafür die nichtionischen Dichter; mehrere angesehene spätgriechische Schriftsteller waren von hier gebürtig. Die innere Einrichtung und die Beamtungen gaben denen von Chersonnesus nichts nach. Von den umwohnenden Barbaren wusste sich die Stadt meist ganz frei zu halten, bisweilen jedoch war sie denselben zinspflichtig. Noch Antoninus Pius sandte ihr Hilfe gegen die Tauroscythen; wie sie sich aber in der Folge mit der ringsum in Bewegung geratenen grossen Gotenmacht abfand, bleibt noch zu entdecken.

Wie zum Trotz gegen die dauernd bedrohte Lage hatten die Griechen, soweit ihre Ansiedlungen an der Nordseite des Pontus reichten, eine ganz besondere Verehrung gegen das höchste alte Heldenideal ihres Volkes, Achilleus. Er ist der wahre Herrscher des Pontus (Ποντάρχης), wie er in vielen Inschriften heisst; in Olbia wie in allen Städten der Küste prangten seine Tempel; ihm ward geopfert »wegen des Friedens, der Fruchtbarkeit und der Tapferkeit der Stadt« Boeckh, l. c. nr. 2076 seq. – Die Schilderung der Pontusgegenden bei Ammian. Marcell. XXII, 8.; festliche Wettkämpfe wurden ihm zu Ehren abgehalten im Spiel auf der Doppelflöte und im Diskuswerfen, vorzüglich berühmt aber war der Wettlauf der Knaben auf einer nahen Düne, welche den Namen »Laufbahn des Achill« führte, weil einst der Heros selbst hier einen Wettlauf angestellt haben sollte. Wohnten aber sonst auf der Düne Barbaren asiatischer Herkunft (das Völkchen der Sinder), so gehörte doch eine Insel des Pontus, Leuce, nicht weit von den Donaumündungen, ganz dem Schatten Achills Wenn die Beschreibungen der Alten wörtlich zu nehmen sind, so weiss man dieses Leuce gegenwärtig so wenig zu finden als die Inseln der Seligen und die der Hesperiden. Handelt es sich aber um eine Örtlichkeit überhaupt, an welche der Mythus und die Phantasie ihre Bilder knüpfen konnten, so genügt hiezu irgendeines der Inselchen an den Donaumündungen, vielleicht auch ein Punkt der jetzigen Düne. Ein Autor wie Ammian, welcher auf Leuce besteht, musste doch wohl einigen Bescheid wissen. – Die Stellen gesammelt u. a. bei Wernsdorf, Poetae Lat. minores, zum Avienus, vol. V. – Ein ähnlicher Glaube in betreff der Inseln um Britannien, vgl. Plutarch, De defectu orac. 18.. Ein weisses Felsengebirge (so lauten die Schilderungen) steigt aus dem Meer, zum Teil mit überhängenden Wänden; keine Wohnung, kein menschlicher Laut weder am Gestade noch in den einsamen Talschluchten; nur Scharen von weissen Vögeln umschweben die Klippen. Heiliger Schauer beseelt die Vorübersegelnden; wer die Insel betritt, wagt doch nie, die Nacht daselbst zuzubringen; wenn man den Tempel und das Grab Achills besucht und die seit alten Zeiten von frühern Besuchern niedergelegten Weihgeschenke betrachtet hat, so besteigt man abends wieder das Schiff. Das ist der Ort, welchen einst Poseidon der göttlichen Thetis für ihren Sohn verheissen hat, aber nicht bloss zu seinem Begräbnis, sondern damit er selig fortlebe. Und Achill wandelt hier nicht allein; allmählich gibt ihm die Sage zu Begleitern andere Helden und glückselige Geister, die auf Erden ein schuldloses Dasein geführt, und die Zeus nicht in dem dunkeln Orkus lassen will. Mit Andacht schaute man auf jene weissen Vögel, welche dem Anblick nach den Halcyonen ähnlich schienen; vielleicht war dies die sichtbare Gestalt jener glücklichen Seelen, nach deren Los gerade das späteste Heidentum sich am meisten sehnte.

Die Zeit Constantins des Großen

Подняться наверх