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Eine Woche später wurde Aurelie dann doch langsam nervös. Sie saß mit Anna zusammen im dezent gelb gestrichenen Wartezimmer der Praxis und hoffte, bald hereingerufen zu werden. „Da, der vor uns ist gerade raus. Jetzt müsstest du gleich dran sein“, sagte Anna zur Aurelie, um sie etwas zu beruhigen. Und dann war es so weit. „Frau Schäfer?“

„Ja, ich.“ Aurelie stand auf und reichte der netten Frau die Hand. Sie war, wie Aurelie auch, um die 1,65 m groß und hatte dunkles kurzes Haar und trug eine schwarze Brille vor ihren grünen Augen. „Hallo, ich bin Ilona. Wenn es okay ist, würde ich gerne Du sagen? Das stärkt die Vertrauensbasis und Vertrauen ist das, was hier und heute am wichtigsten ist.“

„Ja natürlich.“

„Sehr schön. Dann hier entlang, Aurelie.“ Aurelie winkte ihrer Schwester noch mal zu und ging dann mit Ilona ins Behandlungszimmer. Es war ein schönes Zimmer. Ruhig, und vom Fenster aus konnte man einen kleinen Park sehen. Die Wände waren in Erdfarben gestrichen. Orange, Gelb und ein wenig Terrakotta. Man fühlte sich gleich warm und wohl in diesem Raum.

An der einen Wand ohne Fenster stand ein kleines Sofa mit einigen kuscheligen Kissen, aber man konnte es bestimmt auch als Gästebett nutzen. Es sah auf jeden Fall gemütlich aus. In der Mitte des Raums standen 2 weiße Sessel. „Komm, Aurelie, setzen wir uns erst mal. Möchtest du etwas trinken? Vielleicht ein Wasser?“ Aurelie nahm dankend an. Sie war froh, etwas in den Händen zu haben. Sie war so nervös und aufgeregt. Das Glas in den Händen zu halten, beruhigte sie etwas. „Tut gut oder?“, fragte Ilona.

„Was?“ Aurelie wurde durch Ilonas Frage aus ihrer Nervosität und ihren Gedanken gerissen „Das Glas Wasser. Es tut gut, etwas in den Händen zu halten. Beruhigt und man fühlt sich nicht mehr so nervös, aufgeregt und hilflos.“

„Ja“, Aurelie lächelte „Ich bin wirklich ziemlich nervös. Es hat mich auch viel Überwindung gekostet, herzukommen. Und ohne die Unterstützung meiner Schwester würde ich heute bestimmt auch nicht hier sitzen.“

„Es ist immer gut, wenn man sich jemandem anvertraut. Dann hat man oft nicht so eine große Blockade bei der Hypnose, da man bereit ist, sich zu öffnen. Am Telefon haben wir schon mal kurz geredet.

Aber ich bitte dich, mir noch einmal von deinem Traum zu erzählen und welche Antworten du suchst.“ Aurelie nahm einen Schluck und begann zu erzählen. „Ich habe seit 10 Jahren immer wieder diesen Traum, in dem ich erst glücklich bin und dann qualvoll sterbe. Und dann ist da noch dieses Geschäft. Ich will wissen, ob es dieses Café, oder was es auch darstellen mag, gab oder gibt und wenn ja, wo es ist. Warum mich diese Männer mitnehmen und mir so etwas Schreckliches antun. Und ich möchte herausfinden, wer dieser Mann ist, der mir scheinbar so viel bedeutet.“

Dann machte sie eine kurze Pause und nahm einen Schluck aus dem Glas. „Na ja oder vielleicht erfahren wir gleich auch nur, dass ich nicht zur Hypnose gehöre, sondern in die Psychiatrie.“

„Also ich verspreche dir, egal, was wir gleich herausfinden, dass du nicht in die Psychiatrie gehörst. Ich habe hier schon viele Leute unter Hypnose erlebt und keiner davon gehörte in die Psychiatrie. Die meisten Leute konnten danach endlich verstehen, warum ihnen Gerüche, Personen oder Gegenden so bekannt vorkamen.

Einige von ihnen fühlten sich an Orten, an denen sie nie zuvor waren, so zu Hause und angekommen wie sonst nirgendwo. Auch wenn es nicht leicht zu glauben oder zu verstehen ist, es gibt die Wiedergeburt. Und wer du warst oder was dir passiert ist, das finden wir zwei jetzt heraus.“

Aurelie machte es sich auf der Liege bequem und schloss die Augen. Sie war fest entschlossen, das jetzt durchzuziehen und am Ende des Tages wäre alles wieder gut. Sie wüsste, was der Traum bedeutet und könnte so endlich wieder in Ruhe schlafen. Die Hypnose begann und Aurelie ließ sich ganz darauf ein. Sie hörte auf die Worte der Therapeutin und spürte, wie sie langsam immer ruhiger wurde. Wie alles um sie herum plötzlich verschwand und an dessen Stelle plötzlich dieses Bistro trat … „Aurelie, wo bist?“, fragte Ilona ruhig.

„Ich bin in meinem Café oder Bistro. Ich kann es noch nicht genau sagen.“

„In deinem Café, welches du mit deiner Schwester führst?“ „Nein. Ich bin in einer kleinen Stadt oder in einem Dorf. Ich weiß es nicht. Ich stehe in diesem kleinen Bistro und warte auf jemanden.“

„Was siehst du um dich herum? Kannst du etwas sehen, woran du erkennst, wo du bist?“

„Ich gehe auf die Straße. Es ist ein wunderschöner kleiner Ort. Es ist alles so still. Man hört die Vögel zwitschern und die Kirchglocke läutet. An der Fassade des Hauses steht etwas in einer anderen Sprache. Könnte Französisch oder Niederländisch sein. Ich weiß es nicht.“

„Das ist nicht schlimm, gehe wieder in das Gebäude. Was siehst du da?“

„Ich sehe 3 Tische mit jeweils 3 bis 4 Stühlen. Es hat große Fenster, die viel Tageslicht hereinlassen. Auf den Tischen stehen Blumen. Lavendel und Schlafmohn. Auf der anderen Seite des Raumes steht ein Tresen. In der Auslage stehen Torten und Kuchen. Es gibt aber auch Brot, Baguette, Brötchen und Croissants.“

„Hast du es gebacken?“

„Nein nicht alles. Ich habe die Torten gemacht. Das kann ich gut und sie schmecken auch immer allen Leuten. Die anderen Sachen hat mein Mann gebacken.“

„Wo ist dein Mann?“ „Er ist in der Backstube, sie befindet sich im Nebenraum. Er probiert bestimmt schon wieder neue Sachen aus. Damit überrascht er mich gerne. Ich höre ihn aber mit Geschirr klappern, er wird also bald nach vorne kommen und mir stolz zeigen, was er Neues gezaubert hat.“

„Wie fühlst du dich im Moment?“

„Gut und wohl. Ich fühle mich zu Hause. Angekommen. Ich gehöre hier her und ich vermisse das alles so schrecklich. Ich will hier nicht wieder weg. Ich will bei ihm bleiben.“ Aurelie beginnt zu weinen und wird unruhig. „Du musst ruhig atmen, Aurelie. Versuch, ganz ruhig zu bleiben.“ Ilona streicht ihr behutsam über den Handrücken. Aurelie wird ruhiger und atmet wieder gleichmäßig. Die Tränen fließen ihr nicht mehr die Wangen hinunter. „Ist es der Ort aus deinem Traum?“

„Ja. Ich war hier schon so oft und weiß, dass das hier uns gehört. Dass es unser großer Traum war. Doch dann kamen sie und haben alles kaputtgemacht.“ Aurelie liegt ganz ruhig da. Sie redete nicht weiter, sekundenlang herrschte Schweigen. „Ich höre Schritte. Sie kommen aus der Backstube immer näher. Ich will mich umdrehen, aber da werde ich schon vor hinten umarmt. Meine braunen leicht gewellten Haare werden vorsichtig zur Seite geschoben und ich werde in den Nacken geküsst. Es ist mein Mann. Er dreht mich um und nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich zärtlich auf den Mund. Dann legt er seine Hand auf meine Hüfte und zieht mich an sich heran. Dabei streicht er mir eine Strähne aus dem Gesicht und sagt mir, dass er mich vermisst hat. Er sagt, ich war so schrecklich lange weg und er habe mich schon überall gesucht. Es wurde Zeit, dass ich endlich wieder nach Hause gekommen bin.“

„Kannst du sein Gesicht sehen?“

„Ja. Es ist ein bildschönes Gesicht. Er hat dunkelbraune Augen, in denen man sich verlieren kann. Seine Haare sind dunkelbraun, fast schwarz und kurz. Vielleicht etwas strubbelig, aber das kann auch davon kommen, dass er bis eben in der Backstube war. Ich würde ihn auf Mitte 20 schätzen, älter aber auf keinen Fall. Er ist größer als ich. Vielleicht so 1,80 m. Ich fühle mich in seiner Nähe so geborgen. Es ist so ein warmes, schönes Gefühl, bei ihm zu sein. Ich liebe ihn so sehr. Er bedeutet mir einfach alles.“ Aurelie macht eine Pause und erzählt dann weiter, was sie sieht. „Er geht zum Tresen hinüber und holt eine Quiche in Herzform.

Er gibt sie mir und sagt, dass er die für mich gemacht hat. Ich soll sie gleich probieren und ihm sagen, wie sie mir schmeckt. Ich kann sie aber nicht probieren. Draußen auf der Straße wird es laut. Sehr laut. Es fahren schwere Lastwagen vorbei. Es könnten militärische sein. Einer der Wagen hält vor unserer Tür an. Ich bekomme Angst. Er nimmt mich in den Arm und sagt: Julie alles wird gut. Ich werde dich beschützen. Es springen mehrere Männer aus den Wagen heraus und kommen zu uns hereingestürmt.

Sie schreien laut herum und rufen immer wieder, wo sind sie? Wir wissen aber nicht, was sie meinen. Dann versuchen sie, uns mit Gewalt voneinander zu trennen. Sie reißen uns auseinander und schlagen auf meinen Mann ein. Ich rufe immer wieder seinen Namen, aber sie lassen nicht von ihm ab.“ Die Therapeutin hält Aurelies Hand fest und streicht ihr sanft über diese. „Kannst du mir den Namen deines Mannes sagen?“

„Mathis. Er heißt Mathis.“

„Wo bringen sie Mathis hin?“

„Sie ziehen ihn nach hinten in die Backstube und schreien ihn immer wieder an und wollen wissen, wo wir sie versteckt haben.“

„Kannst du die Männer beschreiben?“

„Sie tragen grüne Uniformen und haben die französische Flagge aufgenäht. Jetzt widmen sich einige der Männer wieder mir. Sie zerren mich auf den Laster, mit dem sie gekommen sind. Es ist dunkel. Ich sehe nichts. Alles wird schwarz um mich herum. Ich werde bewusstlos.“

„Kannst du mir sagen, wo die Männer dich hinbringen?“

„Als ich wieder zu mir komme, werde ich in einen kleinen Raum gezerrt. Es ist dunkel, kalt und nass. Vor dem Raum stehen zwei Wachmänner. Sie unterhalten sich und reden davon, dass ich die bin, die die Deutschen verstecken soll. Aber das stimmt nicht. Der Krieg ist vorbei und wir haben uns eine Existenz aufgebaut. Wir haben nichts mit den Deutschen zu tun.“ Aurelie wird unruhig. So unruhig, dass Ilona beschließt, die Hypnose an dieser Stelle erst einmal zu beenden und sie holt sie aus der Trance zurück. „Willkommen zurück, meine Liebe“, sagt sie und reicht Aurelie ein Glas Wasser. „Wie geht es dir?“ Aurelie trinkt das ganze Glas leer und antwortet dann: „Gut, denke ich. Aber etwas müde und erschöpft. Können wir weitermachen? Ich habe noch einige Fragen.“ Ilona lächelt sie an und meint dann „Beim nächsten Mal. Wir müssen das stückchenweise machen. Wir haben heute schon sehr viel über dein früheres Leben erfahren. Schöne und nicht so schöne Sachen. Die musst du jetzt erst mal verarbeiten. Ich werde dich nun zu deiner Schwester bringen. Und nächste Woche sehen wir uns wieder. Dann finden wir heraus, was aus dir geworden ist und vielleicht auch, wo du herstammst.“

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