Читать книгу De Temps en Temps - Jacqueline Hoffmann - Страница 6
Epilog
ОглавлениеSchweißgebadet wachte Aurelie auf. Draußen war es noch dunkel. Der Vollmond schien auf ihr Bett und ließ auch den Rest ihres Zimmers in einem sanften Weiß erstrahlen. Seit fast 10 Jahren hatte sie nun diesen immer wiederkehrenden Traum. Nacht für Nacht. Doch was er bedeuten sollte, wusste sie nicht. Nur über eines war sie sich bewusst, dass er für sie nie gut endete. Sie starb unter Qualen und schrecklichen Schmerzen. Und dann war da dieser junge Mann. Sie spürte eine Verbindung zu ihm, obwohl sie ihn nicht erkannte. Denn egal, wie oft sie diesen Traum noch durchlebte, sein Gesicht war nie zu sehen. Aurelie stand auf und warf ihre Bettdecke mit dem Florenblumenmuster zur Seite.
Sie ging in die Küche, um sich dort ein Glas Wasser zu holen. Zurück im Zimmer schaute sie aus dem Fenster, hinauf in den Himmel, wo die Sterne funkelten und der Mond so viel Schönheit ausstrahlte. „Was bedeutest du nur? Was willst du mir sagen?“ Diese Frage stellt sie sich immer nach diesem Traum. Doch auch heute bekam sie keine Antwort. Sie legte sich wieder in ihr Bett und griff nach ihrem Handy. Sie steckte die weißen Kopfhörer ein und drückte auf Play. Es gab jetzt nur eine Sache, die sie beruhigen konnte. Nur seine Musik und seine Stimme gaben ihr wie so oft die Ruhe, die sie brauchte. Finn Martinez. Ein französischer Sänger. Seine Stimme gab ihr immer Kraft, weiterzumachen und zu kämpfen, wenn sie nicht mehr konnte.
Die Stimme drang in ihr Ohr und sofort spürte sie diese Vertrautheit und dieses warme, beruhigende Gefühl, welches sie jedes Mal spürte, wenn sie Finns Stimme hörte. Kurz darauf schlief sie ruhig. So als wäre nichts gewesen. Die nächtlichen Qualen begannen vor gut 10 Jahren, damals war Aurelie 20 Jahre und mit ihrer ehemaligen Chefin auf einem Weinseminar im Elsass. Da hörte sie durch Zufall das erste Mal einen seiner Songs im Radio. Der Titel des Songs war „Jusqu‘à tout temps“ Was so viel wie „Bis in alle Zeit“ hieß. Sofort war sie von seiner Stimme gefesselt. Vom ersten Moment an gab ihr seine Stimme Kraft und eine Wärme, die sie seitdem immer bei sich trug. Als Kind war Aurelie ein ruhiges, ja schüchternes Mädchen.
Sie wurde gehänselt und gemobbt. Nach solchen Vorkommnissen zog sie sich immer zurück und fühlte sich einsam und allein. Nur ihre Schwester Anna ließ sie hin und wieder an sich ran. Wie gerne hätte sie Finn damals schon gekannt. Seine Stimme hätte diese Zeit bestimmt etwas leichter gemacht. Doch zu dieser Zeit hatte er bestimmt noch keine Musik gemacht. Und heute konnte sie ihn auch nicht mehr treffen oder einen Brief schreiben, um ihm zu sagen, wie viel Kraft ihr seine Musik gibt.
Denn als Aurelie seine Stimme das erste Mal hörte, war er bereits 3 Monate tot. Gestorben bei einem tragischen Verkehrsunfall. Doch seine Stimme war für sie immer so vertraut gewesen all die Jahre. Sein Gesicht war ihr so bekannt, und wenn sie ihn sah, auf Bildern oder auf Videos, dann fühlte sich das wie nach Hause kommen an.
Von Jahr zu Jahr wuchs dieser schreckliche Schmerz der Sehnsucht nach ihm in ihr mehr und mehr. Aurelie kam sich blöd und kindisch vor und vertraute sich niemandem an. Man kann doch niemanden vermissen, den man nicht kennt oder doch? Und dann war da noch diese Frage in ihrem Kopf, warum sie sich schon immer so zu Frankreich hingezogen fühlte. Schon als kleines Kind verspürte sie Heimweh nach Frankreich, dabei war sie noch nie dort gewesen. Bis sie mit Anfang 20 das erste Mal arbeitsbedingt dort war. Sofort fühlte sie sich angekommen und zuhause. Ihr kam alles so vertraut und bekannt vor. Sie wollte am liebsten nie wieder zurück nach Deutschland. Doch das konnte sie nicht tun. Zum einen sprach sie kein Wort Französisch und zum anderen würde sie ihre Eltern und am meisten Anna schrecklich vermissen. Das Gefühl des Heimwehs nach Frankreich und dieser Sehnsuchtsschmerz nach Finn Martinez, veranlasste sie, sich dann mit dem Unmöglichen auseinanderzusetzen: Reinkarnation, Wiedergeburt, Seelenwanderung. Es gab so viele Bezeichnung, für das, an was Aurelie nicht glauben wollte. Und was auch weit über ihrer Vorstellungskraft lag.
Doch wie waren all die Gefühle und Gedanken sonst zu erklären? Dazu kam immer dieser Traum. Der Traum, in dem sie Nacht für Nacht starb. Die Träume begannen, kurz nachdem sie Finn das erste Mal im Radio gehört hatte. Seitdem kamen sie fast jede Nacht und ließen ihr keine Ruhe mehr. Wie also sollte all dies, was in ihrem Leben in den letzten Jahren passierte, sonst zu erklären sein? Auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, aber sie musste sich mit dem Unmöglichen auseinandersetzen. Und es sollte ihr Leben für immer verändern …