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Die Delphin-Therapie

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Es ist fast schon, auf den Tag genau, 18 Monate her, dass ich die Gesellschaftssatire „Treffpunkt Brunnen“ beendet habe, die dann durch Ralf, den trinkfreudigen Nordbayer, ins Internet gestellt wurde... und einige, leider viel zu wenige, sie lasen, weil diese Wenigen, auch aufgrund von schwerer Legasthenie, zu aufgeregt waren. - Mancher steht halt nicht so auf Satire, oder auf Literatur ganz generell.

Und im Moment, wo ich diese Zeilen verfasse, haben wir Dezember 2009. - Allerdings, und das möchte ich an dieser Stelle mit einfügen, diejenigen, die sie lasen, die Satire „Treffpunkt Brunnen“, waren zum Teil über alle Maßen verstört, überrascht, und ich möchte sagen, wütend auf sich selber, dass sie „so“ durch mich dargestellt worden waren. Diese allgemeine Erregung führte nachweislich und in erster Linie, bei den Drogen- sowie Alkoholkranken am Brunnen in Harburg, zu Unstimmigkeiten, zu Spekulationen, zu politischer Neubewertung und zu Verwirrungszuständen. - Verhaltenstechnisch somit auffällig, was ja im Grunde genommen auch völlig normal ist bei einer derartigen sensiblen Thematik. Die Literatur hatte bei einigen also tatsächlich gewirkt, und zwar direkt ins Rest-Hirn. Aber, es ging noch weiter, denn, unser heimlicher Wortführer und Chef: Bahama-Thomas, kam auf die geniale Idee: Die bereits von mir erwähnte Erregung, die Aufgeheiztheit, den Hass auf die Politik, auf Angela Merkel, auf den Wahnsinn und die ersten Anzeichen von seelischem- sowie körperlichen Zerfall mit Hilfe von Delphinen zu stoppen bzw. einzudämmen. „Das ist meine heilige Pflicht,“ hörte man ihn laut nuschelnd sowie undeutlich vor den: Drogen- sowie Alkoholkranken sagen. Ich fragte ihn daraufhin: „Was meinst du damit? Was hast du konkret vor?“ - Bahama-Thomas, der die Bahamas und den U.S. Bundesstaat: Florida so gut kannte wie seine Westentasche, (jedenfalls behauptete er das immer wieder), sagte leicht angesoffen mit einer kleinen Flasche Korn sowie einem Halben in der Hand zu mir: „Lasst uns, und „du“ auch, Geld sammeln, oder klauen, oder irgend so etwas in der Art... dann werden wir alle hier vom Brunnen bzw. die Typen aus dem Container in der Knoopstraße, eine Reise nach „meinem“ sonnigen Florida unternehmen. - Delphin-Therapie heißt das magische Zauberwort, die Therapie wird uns allen gut tun, vielleicht sogar langfristig heilen, ich habe mich nämlich erkundigt, die Erfolgschancen sind grandios - auch das habe ich erfahren, ich rechne mit einer fast hundertprozentigen positiven Veränderung aller Durchgeknallten, wenn sie die Therapie erfolgreich, mit genügend Eigenenergie, absolvieren.“ „Florida bedeutet dir sehr viel?“ Fragte ich Bahama-Thomas. „Ja,“ sagte er, „Florida hat 15,98 Mio. Einwohner, die Hauptstadt heißt Tallahassee, sie liegt im Norden des Bundesstaates. Florida umfasst hauptsächlich die flache bis wellige, verkarstete, sumpf- und seenreiche Halbinsel Florida; ferner besitzt sie im Norden einen nicht zur Halbinsel zählenden Streifen entlang der Golfküste bis zur Mobile Bay. Die Atlantikküste hat viele Nehrungen, auf denen Badeorte liegen. 62% der Staatsfläche tragen Wälder. Florida hat feuchtwarmes Klima, im Süden kann man ohne jeden Zweifel von einem tropischen Klima sprechen, es gibt dort häufig Hurrikane, ausgelöst durch winterliche Kaltlufteinbrüche. Das Klima begünstigt den ganzjährigen Tourismus als Haupterwerbsquelle; Florida ist ein bevorzugter Wohnsitz von Rentnern geworden, ferner von ehemaligen Alkoholikern und Drogenabhängigen aus Harburg. Die Landwirtschaft erzeugt 75% der Zitrusfrüchte der USA, das musst du dir einmal bildlich vorstellen, ist doch unglaublich, nicht wahr? Die Industrie entwickelte sich besonders seit dem 2. Weltkrieg, sie boomt förmlich. Florida ist wichtigster Phosphaterzeuger der USA. - Florida wurde, und das weiß ich ganz genau, 1513 von J. P. de León entdeckt und für die spanische Krone kurzer Hand in Besitz genommen. 1763 fiel Florida leider an Großbritannien, deshalb fraßen die Bewohner auch jahrelang nur: Fisch & Chips! Infolge des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges gelangte Florida 1783 wieder an Spanien, das es im Jahre 1821 an die USA verkaufte. 1845 wurde Florida als 27. Staat in die Union aufgenommen. Ja, ja so war das damals. Geil! Oder was meinst du, Alter?“ „Du bist wirklich, wenn man es auf Floridas Geschichte beschränkt, mit einem unglaublichen, beeindruckenden Fachwissen ausgestattet,“ sagte ich zu Bahama-Thomas. „Genauso sehe ich das auch, ich weiß alles,“ sagte er, - Bahama-Thomas, voller Stolz zu mir und zu anderen Befürwortern seiner Idee. Und er fuhr fort mit geschwollener Brust, unter dem Beifall, einiger Getreuer, indem er sagte: „Vielleicht werde ich eines Tages Vorträge über Florida und demzufolge über die Delphin-Therapie halten, damit ein bisschen Kohle in die Kasse wandert und ich berühmt werde, berühmt und anerkannt. Ich glaube ich hätte sogar das Zeug: Gouverneur von Florida zu werden, vielleicht sogar Präsident der U.S.A., was meinst du dazu, Jürgen?“ „Ja,“ sagte ich, „wer sonst, außer dir, käme für so eine wichtige Aufgabe infrage?“ „In der Tat,“ sagte Bahama-Thomas, „das ist auch mal wieder „meine“ Meinung. In mir ist etwas, etwas Geniales, etwas Besonderes, etwas Außergewöhnliches, das ich, ohne überheblich zu werden, nur mit den Worten: Politischer Weitblick bezeichnen kann. Sieg äh... ich meine, ich meine, also ich meine lediglich, die „Macht“ ist mit mir - keiner kann sie mir mehr nehmen, weil ich nun mal der: Super-Thomas bin.“ „Super-Thomas?“ Ich war sprachlos und ergriffen...

Nach diesem großen, bewegenden und emotionalen Bekenntnis zu Amerika und zu den Delphinen, schwebte Bahama-Thomas in die Knoopstraße zum Container, und verkündete dort, mittlerweile stark angesoffen, erneut vor ein paar Junkies, die sich gerade ne` Handvoll Ersatzdrogen reingepfiffen hatten, seine vielschichtigen Pläne für die Zukunft, die er für wichtig- und notwendig hielt, und natürlich machte er sich, auch wenn das kein Mensch mehr hören konnte, für die belegbaren wissenschaftlichen Erfolge der Delphin-Therapie in Florida stark, die er als „unvermeidlich“ einstufte, um den Wahnsinn seiner Leidensgenossen Herr zu werden. Bahama-Thomas sagte, mit einer vom Korn- und vom Bier geölten Stimme: „Wenn, wenn, wenn wir alle zusammenhalten, in Sachen Kohle und so, dann kann es durchaus sein, dass alles besser wird. Ich war nämlich bei einer Wahrsagerin auf dem Kiez, es war irgend so eine abgefuckte Fotze, die da irgendwo herumlungerte, und die hat mir grünes Licht gegeben, dass meine Idee gut ist, gut und brillant. Sie meinte: „Wenn du mit den Drogenabhängigen, den Wahnsinnigen, den Verwirrten und den Alkoholikern wirklich nach Florida fliegst, dann ist es unbedingt notwendig, dass „du“ und „deinesgleichen“ das Lied aus der Serie Flipper kennst, oder noch besser gesagt: Singst!“ „Ach, ja,“ sagte Bahama-Thomas, „daran habe ich im Moment gar nicht gedacht. Wie ging das noch mal? - Scheiße ey, ich kann mich nicht mehr so richtig erinnern.“ Endlose Sekunden verstrichen daraufhin. Und plötzlich, nach einem kräftigen Schluck aus seinem Flachmann, dämmerte es ihm- sowie der Wahrsagerin, beide sangen begeistert: „Man ruft nur Flipper, Flipper – jeder kennt ihn, den klugen Delphin... la, la, la, la, laaa... usw. usw. usw.“ Beide waren wie in Ekstase gewesen als sie sangen, und sie gingen, sozusagen zur Feier des Tages, nach dem Lied, mit Tränen in den Augen, anschließend im Elbschlosskeller einen Saufen, beide ließen es so richtig krachen...

Soviel also dazu!

Aber wie lief es mit der Finanzierung? Die Finanzierung des Fluges nach Florida, dann die Unterbringung der: Alkohol- und Drogenabhängigen, sowie die Therapie mit den Delphinen als solches musste schließlich bezahlt werden. Ja, und da hatte Bahama-Thomas eine grandiose, eine unglaubliche Idee. Zusammen mit Gichtkrallen-Bernd und Martin Wagenknilch überfiel er eine Sparkasse mitten in Harburg am helllichten Tag – und der Coup klappte, dank Bahama-Thomas seiner einzigartigen logistischen Fähigkeiten. Man befand sich, nach dem sensationellen Bruch (den die hiesigen Bullen nicht aufklären konnten), plötzlich im Besitz von einer halben Million Euro in kleinen Scheinen. Und somit war die Finanzierung der Delphin-Therapie für quasi: 10 Alkoholiker, 10 Drogenabhängige und jede Menge Wahnsinnige sowie Psychopathen vom Brunnen in Harburg und im Container gesichert. Die ganze Unternehmung, welche unter dem klangvollen Codenamen: Florida, wie ein Staatsgeheimnis gehütet wurde, bekam sichtlich, oder auch nicht-sichtlich: Konturen. Und Bahama-Thomas ließ sich in diesem Zusammenhang als Gesandter Gottes von Hamburg-Harburg bei einem faszinierenden Groß-Kampf-Besäufnis unter freiem Himmel überschwänglich feiern. Bei seiner, für meine Begriffe, etwas gewöhnungsbedürftigen und „überlangen Dankesrede“ vor dem Harburger Rathaus, war er allerdings so dermaßen besoffen und zugekifft, dass mehrere Leute ihn abwechselnd stützen mussten, da er immer wieder von einer Seite auf die andere Seite schwankte, dann jedoch sackte er, wie von der Tarantel gestochen, unhaltbar, nach vorne, hierbei blieb er, der Länge nach, in seinem erbrochenem Essen von der Harburger Tafel liegen, und röchelte wie ein altes Walross keuchend vor sich hin. Bahama-Thomas musste umgehend in ein Krankenhaus geschafft werden, was auch unter großer Anteilnahme geschah. Notärzte bemühten sich um ihn, jede Sekunde zählte, und sie bekamen ihn tatsächlich wieder einigermaßen hin – man pumpte ihm nämlich den, vom ständigen Saufen übersäuerten, Magen aus, ja, und, was hierbei, während des Pumpens, an Schleim, an diversen Essensresten und an verschiedenen Flüssigkeiten zum Vorschein kam, meine Lieben Leser, möchte ich Ihnen aus Rücksichtnahme, im Einzelnen, ersparen. Aber ich glaube, man, also Sie, können sich das so ohne weiteres vorstellen, nicht wahr? Wer hat nicht schon mal so richtig abgekotzt?

Bahama-Thomas war bereits des Öfteren in der Vergangenheit durch seinen exzessiven Alkoholkonsum unangenehm aufgefallen, aber er hatte an jenem Tag, mit Sicherheit einen kritischen Höhepunkt erreicht – so wurde jedenfalls, von seinen engsten Vertrauten, hinter seinem Rücken getuschelt. Doch schon am übernächsten Tag erschien er mit zwei Dosen Bier und einer Flasche Korn, sowie einigen Ersatzdrogen am Brunnen und soff sich hemmungslos den Schädel dicht, bis er glaubte, dass er seine Rede vom Vor-Vortag beenden könnte, doch dazu kam es nicht mehr, denn der Regen prasselte plötzlich vom Himmel, der gesamte Rathausplatz schien zu ertrinken, die Alkoholiker, die Drogenabhängigen und noch einige andere suchten überhastet Unterschlupf im Container in der Knoopstraße, wo jemand bereits die Heizung volle Pulle aufgedreht hatte. Zu essen gab es ebenfalls etwas, nämlich: Grünkohl mit Rotkohl und dazu knorpeliges, ungenießbares Schweinefleisch vom Aldi-Markt, als Soße wurde Billig-Ketchup verwendet, welches man mit Pfeffer sowie mit abgelaufener Dosenmilch ein wenig aufgepeppt hatte. Dass zum Essen kräftig gesoffen- und gehascht wurde, versteht sich von selbst. Man ließ es sich halt schmecken. Ja, und nachdem alle fertig gegessen hatten, ihr Bäuerchen lautstark von sich gaben, Bahama-Thomas wieder etwas nüchterner wirkte, da erhob er sich und sagte: „Nun hört mir mal zu, ihr triebgestörten Berg-Ziegen-Ficker. Wir alle, alle wie wir da sind, haben unsere Probleme, das will ich auch gar nicht leugnen. Einige aber, haben so dermaßen einen an der Klatsche, dass selbst ein angesehener Psychiater wie Dr. Gnom machtlos ist, wenn es sich um die Heilung der Durchgeknallten handelt. Wie ihr alle bereits wisst, strebe ich nach alternativen Heilungsmethoden, nämlich nach der faszinierenden Delphin-Therapie, welche unter anderem in Florida durchgeführt wird. Und, wie ich bereits festgestellt habe, haben sich die meisten von euch, hier, auf der Liste eingetragen, dass sie Bock darauf haben mitzukommen, das finde ich gut und geil. - Damit euch aber die Arge während der zweiwöchigen Therapie nicht fickt, also das Hartz IV Geld kürzt, wird euch Dr. Gnom für mindestens drei Wochen krankschreiben und das Maul halten, ich habe mit ihm vor ein paar Tagen Klartext gesprochen, und er hat sein „OK“ gegeben, somit erspart ihr euch- sowie anderen jeglichen Ärger, alles klar, oder was?“ „Ja,“ sagte ich, „aber ich möchte in diesem Zusammenhang einmal betonen, dass „ich“ nur als Beobachter nach Florida mitkomme, und nicht etwa als Patient, denn noch fühle ich mich durchaus normal – fast normal.“ „Kein Thema,“ sagte Bahama-Thomas zu mir, „für uns ist nur wichtig, dass du darüber schreibst, wenn uns die Delphine aus der Welt des Wahnsinns hinausführen, und du die ganze Scheiße im Internet veröffentlichst, denn wir müssen doch auf unsere abgefuckte Situation aufmerksam machen, Hartz IV ist und bleibt zum Kotzen, es ist das größte Verbrechen seit dem zweiten Weltkrieg. Doch nun mal, was anderes, hört mir mal bitte alle zu: Wir fliegen am 10. Dezember 2009 so gegen 11:00 Uhr Vormittags vom Hamburger Flughafen ab. Seht zu, dass ihr eure Saufereien, euern Stoff und eure Pillen dabei habt, die Amis sind so ein bisschen empfindlich, wenn es sich um illegale Drogen handelt – und vor allem, gebt diese Sachen „extra“ bei der Flugsicherung als „normale Medikamente“ für den Eigenbedarf an bzw. ab, natürlich unter anderen-, unter nachvollziehbaren Voraussetzungen, es muss ja niemand wissen, wie ihr wirklich drauf seid, bevor ihr eincheckt, habt ihr das begriffen, ihr versoffenen Holzköpfe?“ Alle nickten mit ihren versoffenen Holzköpfen. „Gut,“ sagte Bahama-Thomas, „dann kann es also bald losgehen, in diesem Sinne: Prost!“

Ich muss an dieser Stelle folgendes erwähnen, nämlich die Tatsache, dass unsere Kinder, also die von Bianca und mir, Jennifer sowie David, mittlerweile auf eine Privat-Schule gingen, wo der Ausländeranteil von ganz bestimmten Emigranten, die hier in Deutschland mit staatlicher Unterstützung nur Stress machen, sehr gering war. Heide Lüders, die das Hotel Lüders, in welchem wir alle immer noch wohnten, mit eiserner Faust regierte, hatte uns zu diesem Schritt geraten. Sie sagte diesbezüglich zu uns: „Denkt immer daran, dass bestimmte Kanacken, die man um jeden Preis hier in Deutschland integrieren will, dass dieses von Geburt an kriminelle Pack, also, wenn die älter sind, sich nachweislich auf den deutschen Nachwuchs stürzen. Klartext heißt das: Eure Tochter Jennifer wird, mit spätestens 16 Jahren drogenabhängig sein, - falls ihr sie auf einer „staatlichen Schule“ unterbringt, und auf den Strich gehen wird sie dann außerdem, damit ihr ausländischer Zuhälter seine Nobelkutsche durch die Gegend spazieren fahren kann. Und David wird ebenfalls an der Nadel hängen, man wird ihm entweder den Arsch kaputt ficken, oder man wird ihn auf „lange Sicht“ umbringen, oder aber, man wird David das christliche Gehirn waschen. - Bestraft werden die Täter, unsere ausländischen-, politisch verfolgten Gäste, in diesem Zusammenhang nicht, weil das gesamte Deutschland zu einem rechtsfreien Raum geworden ist, die Politik, aller Parteien, hat noch immer nichts dazu gelernt, da sie selber voll mit drinnen hängen. Wie werdet ihr euch entscheiden, meine Süßen?“ Ohne lange zu überlegen stimmten wir Heide Lüders in jenem Moment zu, denn sie hatte grundsätzlich recht, und wir als Eltern fühlten uns, unseren Kindern gegenüber, mehr als nur verantwortlich; sie sollten in der Tat, mit deutschen, mit vor allem: Vernünftigen deutschen Werten aufwachsen, wir, als Eltern, standen nämlich nicht so auf: Multi-Kulti, man muss ja auch nicht alles gut finden, was die Kanacken in unser Land geschleppt haben, nicht wahr? Wir wollten unseren Kindern einen westlich-europäischen Sinn des Lebens nahe bringen. Freiheit, gesunder Nationalismus, Stolz, Ehre und sich nicht ausnutzen lassen, ja, das waren unsere Ziele, mit denen wir Jennifer und David aufwachsen sehen wollten, ich „glühte“ förmlich vor Ergriffenheit. – Doch nun zurück zum Eigentlichen, zur Delphin-Therapie. Bianca durfte nämlich - auch, wenn mir das jetzt kein Mensch glaubt, mitfliegen nach Florida. Heide Lüders, die Teilzeit-Oma, kümmerte sich während unserer Abwesenheit rührend um unsere wohlerzogenen Kinder, Bahama-Thomas war damit einverstanden gewesen, dass Bianca mich, als stillen Beobachter, begleitete auf „seine“ Kosten. Überhaupt kam es im Vorwege des Fluges zu einigen interessanten Begebenheiten und Wünschen...

Martin Wagenknilch z. B. bestand energisch darauf, dass sein Busenfreund, Gichtkrallen-Bernd, während des Fluges ins sonnige Florida, die ganze Zeit neben ihm sitzen durfte. Bahama-Thomas war das, inhaltlich betrachtet, ziemlich egal, wer neben wem saß, aber er gab natürlich grünes Licht, denn die enge Freundschaft, zwischen Martin Wagenknilch und dem deutsch-national gesinnten Gichtkrallen-Bernd, war ihm keinesfalls entgangen im Laufe der Jahre. Bahama-Thomas selber, um das einmal zu erwähnen, hatte, neben vielen anderen kleineren Wunscherfüllungen, die gesamte „erste Klasse“ des mittelgroßen Fliegers „für sich“ und „eine Prostituierte“ gebucht, wir anderen durften lediglich mit der zweiten Klasse vorlieb nehmen. Es kam hierdurch zu einem allgemeinen Erstaunen, man könnte auch sagen: Fast schon zu einer Verstimmung, insbesondere bei Martin Wagenknilch und Gichtkrallen-Bernd, so dass plötzlich mehrere Herrschaften ihren Unmut äußerten. Bahama-Thomas erklärte uns, aufgrund dieses Erklärungsbedarfes, welcher von ihm erwartet wurde, die Situation mit den Worten: „Nehmt mir das nicht übel, Kinderchen, dass ich gewisse „Sonderprivilegien“ genieße, aber schließlich bin ich der Organisator und der Hauptgeldgeber der ganzen Aktion.“ – Mehr hatte er, Bahama-Thomas, uns nicht zu sagen. Aber, und das muss ich jetzt mal richtig stellen, dass das, was er gesagt hatte, „so“ nicht grundsätzlich stimmte. Seine dubiose Erklärung war, von ihm vorab, gründlich durchdacht worden, und das wusste jeder, jeder der noch nicht völlig gaga in der Birne war. Dennoch ließ man Bahama-Thomas ohne großartige Diskussion gewähren, - vielleicht, weil er bei der sorgfältigen Auswahl der Betroffenen, also der Alkoholkranken und Drogenabhängigen, eine, für alle, akzeptable Wahl getroffen hatte, und das kam ihm, so mutmaßten ich und Bianca, zu Gute. Aber was hieß das nun genau im Einzelnen? – Im Einzelnen hieß das, dass Bahama-Thomas auf Leute wie: Roland Pillkuhn, Horst (Hottel) Winter, sowie den völlig durchgeknallten Weinbrand-Ossi verzichtet hatte. Pillkuhn sowie Horst Winter wollten „mich“ im Übrigen: umbringen, ermorden, abmurksen, killen, wie auch immer man so etwas nennt, aber ich hatte die Polizei rechtzeitig informiert, so dass ich noch unter den Lebenden weilte. - Die ganze Angelegenheit, welche sich um Erpressung gegen mich drehte, war an die Staatsanwaltschaft Hamburg weitergeleitet worden, um Pillkuhn wie auch Horst Winter ein für alle Mal dingfest zu machen. Bahama-Thomas, der weder Pillkuhn noch Winter mochte, hatte beide erst gar nicht eingeladen mit zu fliegen, und diese Entscheidung war im Sinne aller Beteiligten; sie war somit richtig und weitsichtig. Mit Weinbrand-Ossi, der damals, im Dezember 2009 versucht hatte eine ausländische Psychiaterin auf St. Pauli zu vergewaltigen, war die Sachlage ähnlich gelagert. Weinbrand-Ossi, der 62 Jährige Rentner, der eigentlich in einer WG lebte, sich aber immer öfters bei den eigenen Eltern aufhielt, ferner im Doppelbett derselbigen schlief, wenn es sich anbot, und sich ebenso gerne vom gebrechlichen Vater den Arsch nach dem Scheißen morgens abwischen ließ, er, Weinbrand-Ossi, hatte sich nämlich nicht nur komplett verändert aufgrund von Dauersuff und von übermäßigen Onanierens, nein, er hatte sich auch mit Roland Pillkuhn und Horst Winter arrangiert. Aus der Wohngemeinschaft mit: Irmgard, Veronika (Toiletten-Vera), sowie deren psychisch labilen Sohn: Holger, war er plötzlich ausgezogen und lebte „ruck zuck“ wieder dauerhaft bei den Eltern. Warum das so war? - Das weiß ich nicht!

Doch komme ich nun zu dem Flug, der uns alle nach Florida bringen sollte.

Kaum war die Maschine gestartet, verschwand Bahama-Thomas mit seiner vollbusigen „Flamme“ (Ilse mit Namen) in der ersten Klasse, kurz darauf hörten wir lustvolles Gestöhne, sowie wilden, hemmungslosen Sex – und das, obwohl die Tür zur ersten Klasse verschlossen war; viele, ich und Bianca auch, rümpften ihre Nasen, aber wir schwiegen, wir schwiegen um des Friedens Willen. Und um nicht taub zu werden von dem lauten Gestöhne, einigten wir anderen uns, um uns abzulenken, auf einen Kinofilm, der von Gichtkrallen-Bernd ausgesucht wurde, Gichtkrallen-Bernd entschied sich für den Dokumentar-Film: Hitler - eine Karriere. Schlagartig wurde es daraufhin in der zweiten Klasse dunkel, man hörte das Surren einer Filmleinwand die von der Decke automatisch herabgelassen wurde, dann begann der Film: Es wurde ganz, ganz still. Gebannt sahen wir den Vorspann, und schon erschien der ehemalige deutsche Reichskanzler Adolf Hitler! Gichtkrallen-Bernd schrie wie von Sinnen: „Das ist er, das ist Adolf Hitler, oh mein Gott, was für ein Anblick auf dieser Großleinwand, oh Gott, wie ist das geil – Sieg Heil! Ich könnte sterben vor Freude,“ ließ Gichtkrallen-Bernd uns hingerissen wissen. - Es war bekannt, um das an dieser Stelle noch einmal zu verdeutlichen, dass Gichtkrallen-Bernd sich speziell für „diesen Film“ über das Dritte Reich begeisterte. Aber so euphorisch, so dynamisch und so leidenschaftlich hatten ihn weder die Drogenabhängigen noch die Alkoholiker jemals erlebt, es schien fast so, als hätte Gichtkrallen-Bernd die Gegenwart mit der Vergangenheit vertauscht, weil sie ihm: Erträglicher, deutscher und problemfreier vorkam. Bianca flüsterte mir leise zu: „Gichtkrallen-Bernd ist so euphorisch, so dynamisch und so leidenschaftlich, hast „du ihn“ jemals so erlebt?“ „Nein,“ sagte ich, „er ist eben ein fanatischer Nationalist, der seine Freude, ohne, wenn und aber, zum Ausdruck bringt, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bietet.“ „So ist das also?“ Hauchte mir Bianca ins Ohr. Plötzlich verstummte das Gestöhne in der ersten Klasse, Bahama-Thomas erschien wenige Momente später bei uns in der zweiten Klasse; etwas verschwitzt, etwas abgekämpft und etwas außer Atem. Er ging wortlos zum Kühlschrank, öffnete im Halbdunkel des laufenden Films eine Dose Bier und trank sie hastig aus. Dann sagte er zu uns allen: „Ach, ihr habt euch eine DVD eingelegt, Hitler – eine Karriere, na, dann will ich mal einen Augenblick zugucken.“ Bahama-Thomas setzte sich, aus welchen Gründen auch immer, zu mir und zu Bianca. – Ich muss an dieser Stelle, und demzufolge in diesem Zusammenhang, zurück auf den Film zu sprechen kommen, denn, wann immer jemand wie: Göring, Goebbels, Albert Speer, oder Himmler, oder auch andere ehemalige Nazigrößen auf der Leinwand zu sehen waren, rief Gichtkrallen-Bernd völlig losgelöst: „Da ist er, das ist Göring, oder, das ist Goebbels, oder, das ist Albert Speer, oder, das ist Himmler, oder das könnte „ich selber“ sein.“ Bahama-Thomas war das natürlich sofort aufgefallen, er sagte zu mir und zu Bianca: „Meine Güte, es ist unglaublich, aber so euphorisch, so dynamisch und so leidenschaftlich habe ich Gichtkrallen-Bernd noch nie erlebt, er ist wahrlich ein fanatischer Nationalist, der seine unbändige Freude, ohne, wenn und aber, zum Ausdruck bringt, wenn sich ihm die Gelegenheit dazu bietet.“ „Ja,“ sagte ich leise zu Bahama-Thomas, „genauso empfinden wir das auch.“

Während der Film lief, in Dolby Surround, - das nur mal so ganz nebenbei, flüsterte Bahama-Thomas in meine Richtung, an Bianca vorbei: „Meine Ilse, also, das ist schon ein ganz wildes Luder – die kann den Hals, ich meine, die Möse nicht voll genug bekommen, ich vermute, ich muss gleich noch mal ran? Gut, dass ich genug Viagra dabei habe!“ Sekunden später erhob sich Bahama-Thomas, griff erneut in den Kühlschrank, schnappte sich ne` Pulle Schampus und ging nach oben in die erste Klasse, ich hörte noch wie er die Tür verschloss. Ja, und wieder, ein paar Sekunden später, begann das wilde Gestöhne, lauter denn je zuvor. Und da dieses Gestöhne den Film irgendwie störte, erhob sich Gichtkrallen-Bernd wutentbrannt von seinem Platz und verschloss auch noch die Zwischentür zur ersten Klasse, welche die erste- und die zweite Klasse trennte, weil ihn und uns anderen der Bums in der ersten Klasse erheblich nervte, Bahama-Thomas und seine Ilse waren einfach nicht zu bremsen, sie waren zu laut. Nachdem Gichtkrallen-Bernd sich wieder hingesetzt hatte, fragte mich Bianca: „Wer ist das eigentlich, diese Ilse? Ist die auch am Brunnen in Harburg anzutreffen, oder etwa im Container in der weltberühmten Knoopstraße?“ „Nein,“ sagte ich, „mir ist die auch unbekannt, aber im Bett scheint sie eine Granate zu sein, wenn du mich so direkt fragst? Ich meine sie ist, also, so als Frau aus der Sicht des Mannes, ich meine damit lediglich, dass sie...“ Bianca wandte ihren Blick nach diesen Worten von mir wütend ab, und wir beide genossen den Film. Dennoch schlief ich so nach und nach ein. - Stunden waren vergangen, bis mir jemand, es war Bianca, heftig in die Wange kniff – ich erschrak, ich war urplötzlich wach. „Wir sind da, wir landen in wenigen Minuten in Miami, du Schlafmütze, es wird Zeit, dass du wach wirst,“ sagte meine treue Maus zu mir. Nachdem wir alle ausgecheckt hatten, und unser Gepäck in einem, von Bahama-Thomas organisiertem Bus verstaut worden war, fuhr man uns in eine abgelegene Gegend an die Küste. Schon aus der Ferne konnten wir sehen, dass es sich um Delphine, also um die Delphin-Therapie drehte, denn die Hinweisschilder waren eindeutig. Unter den Alkohol- und Drogenabhängigen kam es zu beispiellosen Beifallsstürmen, die nicht enden wollten, es wurde das Lied von Flipper, aus der bekannten Fernsehserie angestimmt, alle sangen begeistert, wenn nicht sogar ergriffen und völlig stoned mit. Dann hielt der Bus an. Die Alkoholkranken- sowie die Drogenabhängigen wurden, samt ihrem Gepäck, in Gemeinschaftszelten, welche sich in Strandnähe befanden untergebracht, in den Gemeinschaftszelten befanden sich frisch entwanzte Feldbetten. Bahama-Thomas hingegen bezog, in einem völligen Gegensatz zu den Alkohol- und Drogenabhängigen, zusammen mit der vollbusigen, dunkelhaarigen sowie sexgierigen Ilse, eine luxuriöse Villa: Inklusive Garten, inklusive Swimmingpool, inklusive Palmen, und inklusive eines täglich- variierenden Drei-Gänge-Menüs und inklusive geschultem Dienstpersonal. Ich und Bianca nahmen uns ein Doppel-Appartement in einem kleinen Hotel – dieses lag, mehr, oder weniger dicht am Strand, aber natürlich etwas abseits von den Alkohol- und Drogenabhängigen, denn die furzten, schnarchten und grunzten die ganze Nacht, wenn sie mal schliefen, ansonsten trieben sie es mit drittklassigen Prostituierten aus der Gegend, oder sie befriedigten ihre animalischen Bedürfnisse in der Brandung des Meeres.

„Zwei volle Tage sollen sich die Alkoholkranken und die Drogenabhängigen in der neuen Umgebung akklimatisieren, dann geht es mit ihnen aber ab ins Naturbassin, denn die Delphine, alle wie sie da sind, kommen schließlich nicht umsonst in das 150cm Meter tiefe Wasser bei der kleinen Bucht,“ so drückte sich Bahama-Thomas mir und Bianca gegenüber aus. „Glaubst du denn, dass die Delphin-Therapie den Alkoholkranken und Drogenabhängigen wirklich hilft?“ Fragte ich Bahama-Thomas. Und er antwortete: „Ja, logisch, Alter. Das siehst du doch an mir! Ich habe mich selten so geil, so cool drauf- und so relaxed gefühlt. Denn, als ich vor einigen Monaten alleine hier war, ohne dass irgendwer etwas davon mitbekommen hatte, Mann ey, das kannst du dir gar nicht vorstellen wie: Balla, balla ich da war, aufgrund von zu viel Alkohol, Drogen und Ersatzdrogen, ja und jetzt? - Ich will mich nicht wiederholen, doch jetzt bin ich das blühende Leben. Saufen, bumsen, fressen und andere herumkommandieren macht wieder Spaß, ich könnte die Welt erobern, Bäume ausreißen, Helden zeugen, ach, es ist ein herrliches Gefühl, ich liebe die Delphine dafür und ich liebe das Leben.“ - Anmerkend sei zu sagen, dass es zwei deutschsprachige Ärzte, sowie zwei Therapeuten gab, welche die Alkohol- und Drogenabhängigen an die Materie: Delphin, und die damit verbundene Therapie heranführten. Viele Alkohol- oder auch Drogenabhängige fürchteten sich nämlich vor den Meeressäugern, dass sie von ihnen gebissen, oder gar aufgefressen werden könnten, was natürlich völliger Unsinn war, aber die Gerüchte diesbezüglich wollten nicht abebben. Besonders Martin Wagenknilch und Gichtkrallen-Bernd hatten immer wieder neue Argumente, um nicht ins Wasser zu den Delphinen gehen zu müssen, doch dann, ganz plötzlich, überwanden sie ihre Angst und es kam zu einer ersten, durchaus positiven Begegnung mit den Delphinen, die die Menschen, besonders psychisch gestörte Menschen, gewöhnt waren, um diese dann mit ihren, fast schon magischen Fähigkeiten zu heilen.

Dass ich und Bianca zwischenzeitlich aus Florida, immer mal wieder im Hotel Lüders, in Altona-Ottensen anriefen, versteht sich von selbst! Es muss so am Ende der ersten Woche gewesen sein, als Bianca in den frühen Morgenstunden zum Handy griff, weil sie das Bedürfnis hatte mit Heide Lüders zu quatschen, ja, und als die Verbindung in die ferne Heimat stand, da führte sie ein halbstündiges Gespräch mit Heide, der anrüchigen, sexverrückten, teilweise übertrieben-obszönen Chefin des Hotel Lüders. Da ich keinen Bock hatte mir das Gespräch die ganze Zeit anzuhören, ging ich mit einem gut gekühlten Glas Lambrusco in der Hand auf den Balkon und beobachtete die mir wohlbekannten Patienten bei der Delphin-Therapie. Es war interessant zu sehen, wie sich die Alkoholkranken und die Drogenabhängigen ins Zeug legten; ganz offensichtlich waren die ersten Kontaktschwierigkeiten mit den „Flippers“ gänzlich überwunden worden, so dass die Ärzte und die Betreuer Erfolge verbuchen konnten. Witzigerweise konnte ich von unserem Balkon aus, unter Beihilfe eines Fernglases, die angemietete Villa von Bahama-Thomas einsehen. Und an jenem Morgen hatte auch Bahama-Thomas ein Fernglas in den Pfoten, er beobachtete die Drogen- und Alkoholkranken bei deren Therapie, anscheinend erfreute er sich an dem Anblick? - Jedenfalls lies sein breit grinsendes Gesicht darauf schließen. Immer wieder tauschte er mit der vollbusigen Ilse das Fernglas, und beide, so schien es, geilten sich an dem Anblick der Patienten auf. Ich glaubte sogar, durch den Wind begünstigt- und herangetragen an meine Ohren, so eine Art von abfälligem Lachen gehört zu haben, aber ich war mich nicht sicher, trotzdem, war es offensichtlich, dass Bahama-Thomas und Ilse sich tierisch über die Alkohol- und Drogenabhängigen amüsierten, weil die sich zum Teil so behämmert anstellten im Umgang mit den Delphinen... Und wenn ich ganz ehrlich bin, das Ganze, was da unten in der kleinen Bucht ablief, - ja, es hatte etwas Komisches, etwas Irreales an sich, und es ließ keinen Zweifel offen, dass hier und heute Medizingeschichte geschrieben wurde, die es bis dato bei unseren Drogen- sowie Alkoholkranken in dieser Form „so“ noch nicht gegeben hatte. Ich wollte mir, aus medizinischen Gründen, gerade noch ein zweites Glas Lambrusco eingießen, da sagte Bianca zu mir, die das Gespräch mit der Heimat beendet hatte: „Hast du Lust auf ein paar Nachrichten aus dem Hotel Lüders?“ „Ja,“ sagte ich, „immer her damit.“ „Also gut,“ sagte Bianca, „dann will ich mal anfangen. Ralf, unser Computerexperte, ist seit Tagen total besoffen, er weint, er winselt und er wollte in Ottensen eine eigene Kneipe kaufen, nur so für sich, – nämlich Möller, die Eckkneipe am Spritzenplatz, das ist der Grund für seinen Aussetzer. Doris, die Besitzerin, lehnte energisch ab als Ralf ihr von seinen Plänen berichtete, sie packte ihn nach seinem Angebot am Schwanz und setzte ihn vor die Tür, deshalb ist Ralf, alkoholtechnisch betrachtet, schon wieder dermaßen an seine psychischen- und physischen Grenzen geraten, so dass ein Arzt ins Hotel kommen musste, um ihn zu behandeln. Magda, seine hingebungsvolle, eigentlich immer verständnisvolle Gattin, soll, gegenüber Heide Lüders, von Scheidung gesprochen haben, bedingt durch diesen schlimmen Vorfall, welcher im Gesamtbereich Ottensen für Gesprächsstoff gesorgt hatte. Sie denkt deshalb über Scheidung nach, weil sie es mit Ralf einfach nicht mehr aushält, „er ist mein Untergang“, waren ihre Worte. Magda ist nämlich nervlich am Ende, sie nimmt starke Beruhigungstabletten; raucht Hasch, trinkt gelegentlich selber das ein- oder andere Gläschen über den Durst, damit sie nicht durchdreht, sie ist, um es dann dabei zu belassen, in einer bemitleidenswerten Situation. Doch komme ich nun auf die anderen zu sprechen. Patricia, Arthur und Bert Teufel wollen ein Theaterstück schreiben, - das heißt konkret, sie haben schon damit angefangen. Es ist ein Theaterstück mit politischen, wirklichkeitsnahen, aktuellen Elementen. Die drei wollen versuchen, den von Hartz IV betroffenen Bürger aufzurütteln, und die Studentin, Chantal sowie Kirstin nehmen, obwohl sie ackern wie die Blöden, so ganz nebenbei Schauspielunterricht, um in dem Stück eine Rolle zu übernehmen, damit das Stück, als solches betrachtet, eine gewisse Glaubwürdigkeit erhält, die der unwissende und angepasste Bürger, der dumm gemachte Bürger wohlgemerkt, zu spüren bekommt, - und damit der Bürger merkt, dass wir „alle“ endlich auf die Straße gehen müssen, um unsere Ziele durchzusetzen. Was sagst „du“ dazu, ist das nicht geil? Ist das nicht genial- und „echt“ wahnsinnig? Was hältst du von der Idee, die bereits im Anfangsstadium ist, mein Schatz?“ „Was ich davon halte willst du wissen? Ich sage nur: Gut, dass wir noch eine Woche Urlaub haben! - Das sage ich dazu! Denn, wenn wir heimkehren, gerade, weil wir alle mal wieder Geldprobleme haben, wird auf uns so manches zu kommen, darum lass uns die letzte Woche genießen, Probleme will ich im Moment nicht hören. Überlege doch einmal, Mäuschen, erst sollte, oder schon ein paar Mal, eine Partei gegründet werden, und jetzt muss ein Theaterstück herhalten für die Revolution der verarmten Leute, die trotzdem immer wieder die traditionellen Parteien wählen. Ich finde, man könnte sich mal auf „etwas“ einigen, das dann auch funktioniert.“ „Sei nicht immer nur pessimistisch!“ Ermahnte mich Bianca. Ich sagte daraufhin: „Vielleicht bin ich bisweilen pessimistisch, aber ich bin auch realistisch. Es ist mir nicht entgangen, dass die SPD unter 20% abgesackt ist und noch weiter absacken wird, weil sie die Leute zu oft belogen haben, und dass die CDU ohne die FDP nichts wäre, ja, auch das ist mir durchaus klar. Die Grünen und die Linkspartei gewinnen an Zulauf, weil sie die Hartz IV Reformen in ihren eigenen Wahlkreisen, also bei den Betroffenen, hautnah zu sehen bekommen – und das nicht erst seit gestern. Aber, der Bürger muss endlich kämpfen gegen die Hartz IV Scheiße, der Bürger muss sich wehren, er muss den Stein nehmen und ihn werfen, das ist meine Meinung!“ „Ich liebe dich,“ sagte Bianca, „so will ich dich haben. Stets kampfesbereit, national, korruptions-resistent und natürlich glaubwürdig. Was bist du doch nur für ein Mannsbild? - Das Theaterstück, zu dem du übrigens die Musik schreiben könntest, könnte wirklich etwas bewirken, glaube mir!“ Und Bianca hatte mal wieder recht. Ich durfte mich dem neuen Zeitgeist, der mit den vergangenen Bundestagswahlen zusammenhing, nicht widersetzen, ich musste meinen Beitrag leisten, ich fühlte mich geradezu verpflichtet und freute mich schon darauf, dass ich bald meine Gitarre im Hotel Lüders in die Hand nehmen würde, um dann ein Lied zu schreiben, dass uns alle anging, und ich machte mir schon mal Gedanken, wie ich den Titel gestalten würde, inhaltlich meine ich damit.

Die Zeit raste nämlich mit einmal unglaublich schnell dahin. Einen Tag, bevor die Delphin-Therapie abgeschlossen war, packten ich und Bianca unsere Koffer. Wir schauten uns auch noch mal die die Delphine an; wir promenierten entlang des Meeres und genossen die Sonne; wir gingen Essen, und spät am Abend bumsten wir ein bisschen. Ja, und am Tag des Abfluges waren wir froh, dass es nun endlich wieder ins Hotel Lüders ging, Florida war zwar schön gewesen, die faszinierende Delphin-Therapie zu beobachten war ebenso schön gewesen, und dennoch wollten wir den 24. Dezember mit unseren Kindern sowie unseren Freunden im Hotel in Ottensen verbringen. Ja, und als wir dann am frühen Morgen des 24. Dezembers alle im Flieger in die Heimat saßen, kribbelte es in mir und in Bianca, - das ist, so glaube ich, auch ganz natürlich, wenn man sich auf die Heimat freut, nicht wahr? Kurz nach dem Start der Maschine verzog sich Bahama-Thomas mit Ilse, wie schon auf dem Hinflug, in die erste Klasse und beide begannen sofort heftigst zu vögeln, und zwar wieder so hemmungslos, dass wir in der zweiten Klasse alles mitbekamen, die zwei trieben es irrsinnig laut: Unnatürlich laut für unsere Begriffe. Gichtkrallen-Bernd schlug daraufhin vor, dass wir einen Film gucken sollten, damit wir durch das Gestöhne von Bahama-Thomas und Ilse nicht gestört werden. Alle stimmten Gichtkrallen-Bernd seinem Vorschlag zu. - Schlagartig wurde es in der zweiten Klasse dunkel, man hörte das Surren der Filmleinwand, die von der Decke automatisch herabgelassen wurde, und dann begann eine Dokumentations-DVD über das Dritte Reich: Es wurde ganz, ganz still in der zweiten Klasse, denn plötzlich ging die Dokumentation los. Gebannt sahen wir den Vorspann, und schon erschienen bekannte Damen wie: Emmy Göring, Magda Goebbels, Leni Riefenstahl, Eva Braun und viele andere Repräsentantinnen des Drittes Reiches mehr. Gichtkrallen-Bernd schrie daraufhin wie von Sinnen: „Das ist sie, das ist Eva Braun, dass ist die Herrscherin vom Berghof, die langjährige Freundin- und spätere Ehefrau von unserem Führer Adolf Hitler! Mein Gott, was für ein bezaubernder Anblick, sie ist so wunderschön, so unvergleichlich reinrassig, so unverbraucht, so... ich möchte am liebsten mit ihr schlafen. - Oh, ja, ich muss schon sagen, auf dieser Großleinwand wirkt das alles viel echter, viel näher und viel intimer als zuhause vor dem Fernseher. Ach, Leute, wie ist das geil – ein Dreifaches: Sieg Heil, wenn ich bitten darf, meine Damen und Herren! Ich könnte sterben vor Freude,“ ließ Gichtkrallen-Bernd uns, völlig außer Rand und Band, wissen. So euphorisch, so dynamisch und so leidenschaftlich hatten ihn die Drogenabhängigen- und auch die Alkoholiker bereits auf dem Hinflug erlebt, und es war in der Tat beeindruckend mit welcher Inbrunst Gichtkrallen-Bernd, die zum Teil farbigen Bilder, in sich aufsog und begeistert mitfieberte, wenn ihm irgendwelche bekannten Persönlichkeiten der Vergangenheit auf der Großbildleinwand gegenübertraten.

Noch während der Dokumentation war ich eingeschlafen, Bianca weckte mich, als wir bereits in Hamburg gelandet waren.

Wir, so wie auch alle anderen, checkten aus und dann begaben wir uns in unsere vertrauten Gefilde. Wir fuhren mit dem Taxi nach Ottensen, ins Hotel Lüders. - Kaum dass ich unseren Taxifahrer bezahlt hatte, hielt vor dem Hotel Lüders ein Krankenwagen mit quietschenden Reifen an. Sekunden später sahen wir, wie offensichtlich ein Notarzt im weißen Kittel mit: Magda, Heide und Rudolf Lüders, den völlig besoffenen Ralf durch die Eingangstür des Hotels nach draußen zum Krankenwagen führten. Die Türen des Krankenwagens öffneten sich, zwei Pfleger legten Ralf umgehend auf eine Bahre und schnallten ihn fest, anschließend schoben sie ihn in den Krankenwagen hinein, verschlossen die Hintertür und brausten mit Blaulicht auf- und davon. Als Heide Lüders uns sah, sagte sie: „Kommt nur herein, es ist zwar Heiligabend, aber diesen Heiligabend, nein, den werden wir wohl alle im Gedächtnis behalten.“ Ein wenig besorgt lotste uns Heide in den Frühstücksraum, welcher von einem leuchtenden Tannenbaum feierlich geschmückt war, - ja, und dort, jenseits des Baumes saßen: Bert Teufel, Chantal, Kirstin Lüders, die Grishams und die Studentin Sybille von Burg. – Keine/keiner sagte etwas, die Stimmung war, ich würde nachträglich sagen: Im Arsch. Nur unsere Kinder fielen uns freudig um den Hals. Sie wollten endlich ihre Geschenke haben, um damit zu spielen, ich erlaubte es ihnen diese, welche sich in einem Schrank im Frühstücksraum befanden, auszupacken, sie bedankten sich bei uns allen artig, und dann verschwanden sie, wie die Wilden, in ihren eigenen Zimmern, die sie mittlerweile ganz für sich alleine besaßen – Heide Lüders hatte das so veranlasst und wir fanden das pädagogisch in Ordnung. Heide stellte mir und Bianca etwas Alkoholisches, etwas stark Alkoholisches (einen Mix) auf den Tisch, bevor sie sich selber hinsetzte, Rudolf Lüders saß bereits. Magda sagte zum Thema Ralf zu uns: „Ralf war schon vorhin, vor ungefähr einer knappen halben Stunde, hier im Hotel an der Rezeption, in einem dramatischen Zustand gewesen; er hatte sich fürchterlich in eine „Aldi-Markt-Tüte“ erbrochen, ferner hatte er immer wieder bittere Tränen der Verzweiflung geweint. Er hat, wenn ich das einmal so sagen darf: Kontrollverluste! Die Sache mit der Eckkneipe hat ihm ungeheuerlich zugesetzt, er kommt mit dem Rauswurf, welchen Doris zu verantworten hat, einfach nicht klar, er ist verrückt geworden, ich trage mich mit dem Gedanken, dass ich mich von ihm scheiden lasse. Ich kann nicht mehr, ich bin am Ende mit meinen Nerven- und mit meinem Latein. Irgendwann ist auch mal Schluss! Das einzig Gute ist, dass Ralf „freiwillig“ ins Krankenhaus wollte.“ „Wann kommt Ralf denn wieder?“ Fragte ich. „In vier Tagen soll er, wenn alles „normal“ verläuft, entlassen werden, sagte der Arzt zu mir. Er, der Arzt, will Ralf nämlich nicht für längere Zeit dabehalten, er will ihn lediglich nüchtern bekommen, damit er, Ralf, von selber, der Trunksucht entsagt und seine Fehler einsieht.“ Ich nickte nachdenklich mit dem Kopf.

Hamburg-Harburg, am Brunnen, Dienstag, den 29. Dezember 2009, 10:33 Uhr – es war Tauwetter, dennoch kalt und ungemütlich.

Ich hatte mir gerade ein Bier aufgemacht, den ersten kräftigen Schluck zu mir genommen, da erschien Bahama-Thomas, mit zwei Dosen Bier, sowie einem Flachmann in den Händen setzte er sich zu mir auf die Bank. „Guten Morgen,“ sagte er. Dann leerte er den Flachmann auf EX, entsorgte die leere Flasche im Mülleimer und öffnete die erste Dose Bier und trank, nein, er trank nicht im herkömmlichen Sinne – er soff. Er soff schnell, gierig und maßlos. Nachdem das alles geschehen war, stellte er seine Dose Bier ab, und sagte zu mir: „Ich muss dir etwas anvertrauen, das von dringendster Wichtigkeit ist, es dreht sich nämlich um die Delphin-Therapie. Es sind Probleme aufgetreten, die selbst „ich“ nicht vorhersehen konnte.“ „Das klingt aber wirklich besorgniserregend, was ist denn bloß los mit dir, Bahama-Thomas? Und vor allem fällt mir auf, dass du so hastig säufst? Warum säufst du so hastig?“ „Hastig? Ich bin seit gestern durchgehend stramm, ich glaube, wenn ich nicht aufhöre, dann könnte es sein, dass ich „freiwillig“ ins Krankenhaus gehe.“ „Freiwillig? Du etwa auch?“ Sagte ich überrascht. „Wie meinst du das: Du auch?“ Fragte mich Bahama-Thomas mit aufblitzenden, versoffenen Augen. „Ach,“ sagte ich, „es ist unwichtig, es hängt mit Ralf zusammen, - nicht der Rede wert, kommen wir zurück auf dich. Was ist denn nun der Grund für die ungewohnte Aufregung deinerseits?“ „Das will ich dir sagen: Die Delphin-Therapie hat nicht bei allen so angeschlagen wie es zu erwarten gewesen wäre. Es gibt da gewisse Komplikationen bei einzelnen Leuten aus dem Container und auch hier vom Brunnen.“ „Was denn für Komplikationen?“

Bahama-Thomas atmete schwer, er konnte nicht sofort auf meine Frage antworten, er wischte sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn, bevor er zu mir sagte: „Fast alle, die die Delphin-Therapie mitgemacht haben, sind, quasi von heut` auf morgen, noch „beknackter“ als vorher, also bevor sie nach Florida geflogen sind.“ „Was?“ Sagte ich. Und ich sah Bahama-Thomas, nach diesen Worten, entsetzt ins Gesicht. Ich fühlte mich wie vom Donner gerührt, aber, ich war auch froh, dass ich die Delphin-Therapie „für mich selber“ nicht in Anspruch genommen hatte. Man muss auch mal Glück haben im Leben! - In diesem Sinne sagte ich zu ihm: „Das Ganze war aber, vom Ursprung her, „deine Idee“, nicht wahr?“ „Das stimmt durchaus! Aber ich habe es doch nur gut gemeint mit den Alkohol- und Drogenabhängigen, ich konnte doch nicht ahnen, dass es sich zu einem paradoxen medizinischen Fehlschlag entwickeln würde.“ - Für Sie, meine Lieben Leser, muss ich folgendes erklären: Das Paradoxon ist eine Erscheinung, die der „normalen“ Erwartung widerspricht. Ich bin übrigens nicht der erste Schriftsteller der sich dem Paradoxon widmet, und ich will hier, an dieser Stelle innerhalb der Satire, auch keinen „auf wichtig“ machen, damit es den Anschein hat, dass ich über einen größeren Bildungs-Horizont verfüge als irgendwer sonst, dennoch wollen wir einige Punkte festhalten: Bahama-Thomas hatte es mit der Delphin-Therapie also nur gut gemeint, - aus sozialen Gründen; außerdem gestand er mir gegenüber den Misserfolg der ganzen Aktion ein; dass er selber die Therapie im sonnigen Florida zuvor „nicht“ mitgemacht hatte, hatte Gründe, die er, weshalb auch immer, nicht unbedingt preisgeben wollte – so weit, so gut, oder auch nicht. Bahama-Thomas sagte plötzlich zu mir, während ich noch nach individuellen Erklärungen für den Misserfolg der Aktion suchte: „Weißt du überhaupt wie sich einige Betroffene aufführen seitdem sie wieder hier in Hamburg-Harburg sind? Kannst du dir das vorstellen? Kannst du das? Sag mal?“ „Nein,“ antwortete ich, „aber ich brenne förmlich vor Neugier, dass du mir darüber ein wenig erzählst, damit ich nicht doof sterbe. Also, leg schon los!“ „Das kannst du haben,“ sagte Bahama-Thomas, angesoffen und vom Alkohol sichtlich angeschlagen, zu mir; er steckte sich vorher jedoch eine Zigarette an, klemmte sich diese dann in den Mundwinkel, und sagte anschließend: „Da wäre z. B. Gichtkrallen-Bernd, der ist, und das musst du dir mal reinziehen, gestern morgen, in einer Wehrmachts-Uniform nach Paris geflogen, er wollte mit dem dortigen Präsidenten vertrauliche Gespräche führen, um ihn dann zu überreden, dass Frankreich sich an einem dritten Weltkrieg, auf deutscher Seite beteiligt.“ „Das glaube ich nicht,“ sagte ich erstaunt zu Bahama-Thomas. „Es ist aber die Wahrheit,“ entgegnete mir Bahama-Thomas. Und er fügte an: „Sein Busenfreund sowie Saufkumpan, Martin Wagenknilch, hat in einem Anfall, von völliger, geistiger Umnachtung, dem „Landesbischof“ erklärt, dass die letzten Worte von Jesus am Kreuz nicht: Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun lauteten, sondern: Mehr Nägel, ich rutsche! – Tu dir das mal rein, Alter. Das ist doch ungeheuerlich! Ja, und für den ganzen Schlamassel, also für das Paradoxon mit der verdammten Delphin-Therapie werde „ich jetzt“ verantwortlich gemacht. Ich müsste mich rechtfertigen, hieß es, weil es noch viel schlimmere Verhaltensweisen sowie Aussetzer bei den Alkohol- und Drogenabhängigen gegeben hätte.“ Ich muss gestehen, nachdem Bahama-Thomas geendet hatte, da wurde mir so ein wenig schummerig. Denn, dass es einige gab, die es noch viel schlimmer als Gichtkrallen-Bernd und Martin Wagenknilch getroffen hatte, diese Vorstellung beunruhigte mich in der Tat. - Bevor Bahama-Thomas sich erhob und zum Container in die Knoopstraße latschte, sagte er noch zu mir: „Ich soll mich da jetzt gleich verantworten, die wollen mir auf den Zahn fühlen, eine: Beinah-Gerichtsverhandlung! Die wollen mich verurteilen. Allerdings, alles unter dem Ausschluss der Öffentlichkeit; nur ständige, oder un-regelmäßige Besucher des Containers sind zugelassen. Du musst somit, obwohl du nur stiller Beobachter wärest, draußen bleiben. Das ist nun mal so. Es ist so eine Art von Vereinspolitik. Da kann man halt nichts machen. Und tschüss!“ Kaum hatte er diese erschütternden, etwas wehleidig klingenden Sätze lallend ausgesprochen, da wankte er auch schon davon. Ich wünschte ihm noch viel Erfolg, aber er reagierte nicht mehr, denn der Alkohol hatte ihn bereits in seiner Gewalt, - Bahama-Thomas war randvoll.

Wie aber war es: Gichtkrallen-Bernd und Martin Wagenknilch ergangen, werden Sie sich jetzt bestimmt fragen, meine Lieben Leser, nicht wahr? Nun, Gichtkrallen-Bernd wurde auf dem Flughafen in Paris, von dem dortigen Sicherheitsdienst, verhaftet, man ließ ihn von einem deutschsprachigen Psychologen vor Ort untersuchen; es wurde ein kompliziertes Gutachten über seine Psyche erstellt, und dann setzte man ihn, in polizeilicher Begleitung, in den Flieger Richtung Hamburg, wo er vorübergehend in Gewahrsam genommen wurde, obwohl er heftigst dagegen protestierte. Martin Wagenknilch hingegen bekam lediglich eine Anzeige wegen: Gotteslästerung, ferner musste er, sozusagen aus strafbedingten Gründen, als „Vorkoster“ bei Macdonalds- und in einem besonders verdreckten Döner-Imbiss, eine Woche lang arbeiten, das tat er auch, bis er sich so dermaßen erbrach, dass ihm im Krankenhaus der Magen ausgepumpt werden musste, weil die Ärzte von einer schweren Lebensmittelvergiftung ausgingen. Als ich das alles im Hotel Lüders berichtete, sagte Arthur Grisham, mit schüttelndem Kopf, zu mir: „Das ist „Realität“ pur, was du da erzählst, aber es ist wohl auch ein Teil der politischen Entwicklung in Deutschland? Hartz IV treibt die Leute systematisch in die soziale Katastrophe.“ Patricia, seine Gattin, ergänzte ihn insofern, dass sie sagte: „Ja, wenn diese Regierung nicht bald gestürzt wird, dann sehe ich ganz schwarz, und das meine ich keineswegs bezogen auf die von mir eben genannte Farbe: Schwarz. Oh, nein! So meine ich das bestimmt nicht! Schwarz steht in diesem speziellen Fall für die Beerdigung der Demokratie und des freien Denkens, sie steht weiterhin für Sozialabbau, weil die senile Merkel und der schwule Außenminister Westerwelle die „pure Realität“ nicht sehen wollen, dafür sind sie einfach zu korrupt. Sie arbeiten mit der Industrie, welche die Niedriglöhne vorgibt, vermutlich enger zusammen, als das bisher bekannt war. Merkel und Westerwelle sind karrieregeile Wichser, denen fehlt die Verantwortung und der Anstand dem eigenen Volk gegenüber! Eine Ossifotze und ne` Tunte regieren Deutschland... Ich glaube ich muss mich gleich fürchterlich übergeben!“ „Sehr gut,“ sagte Arthur, „besser kann man es nicht formulieren,“ und küsste seine Frau dabei stürmisch, links und rechts, auf die leicht geröteten Wangen. Magda und all die anderen applaudierten sogar, ich und Bianca schlossen uns dem Jubel spontan an.

„Ja,“ sagte Magda, unsere ehemalige Straßenkämpferin und politische Vordenkerin, „die Zeit ist in der Tat überreif, um das alles noch zu ertragen, denn, was täglich mit Hartz IV Empfängern gemacht wird ist nicht nur schikanös, nein, es ist entwürdigend dem Arbeitssuchenden gegenüber. Werden wir also aktiv! Brennen wir die Arbeitsagenturen nieder! Das Feuer wird das Signal sein, dass wir Bürger: Uns nicht mehr alles gefallen lassen von den Schweinen, die sich Politiker schimpfen, das Maß ist voll. Sieg... äh, ach scheiße, jetzt sage ich das auch schon, dieses: Sieg..., das wollte ich doch gar nicht, aber manchmal gehen eben „auch mit mir“ die Pferde durch. Doch zurück zum Thema! Ich meine vielmehr, wir müssen den Kampf beginnen, bevor der Hass der Betroffenen sich wieder schlafen legt, und es sich dann keiner mehr traut, das Maul aufzumachen, denn, Augen zu und schlafen, das hat noch niemanden geholfen. Das ist meine Meinung!“ Wir alle stimmten diesen kraftvollen Worten zu – Magda hatte uns mal wieder rhetorische Höchstleistung dargeboten. Magda, ja, das war die Energie in der Sache, die scheinbar nicht versickern konnte, weil sie radikal und unbequem war. Sie hatte wirklich ein Gespür, sogar ein beachtliches Gespür für Ungerechtigkeit, ferner für die Betroffenen, für die, die sich nicht wehren konnten, und Magda war hierbei impulsiv, leidenschaftlich sowie voller Verachtung für die Politik, welche von Gerhard Schröder einst, gegen das eigene Volk, ins Leben gerufen worden war, und die von der CDU sowie der FDP genauso unfähig weitergeführt wurde, weil man sich abgesprochen hatte. In Harburg am Brunnen, und im Container in der Knoopstraße, gab es kaum- bis gar keine politischen Themen, die den Alltag ein wenig bereicherten, oder positiv durcheinander brachten, sodass etwas Schwung in die Bude kam. Man, also alle, hatten sich mit den bestehenden Verhältnissen irgendwie, mehr schlecht als recht, arrangiert – leider war das so. Aber wie sah das im Einzelnen aus? Ich will das mal so einfach wie möglich, für Sie meine Lieben Leser, erklären: Viele sammelten schon in der Frühe: Pfandflaschen. Oder sie arbeiteten bei zweifelhaften 1 Euro Job Anbietern, die vorwiegend von ebenso zweifelhaften Sekten und korrupten, ausrangierten Parteivorständen unterstützt wurden, „Passage“ in Harburg sei hier vordergründig genannt. Und es waren diese Sekten, oder von mir aus Glaubensgemeinschaften, die sich mit den Arbeitsagenturen und Politikern der traditionellen Parteien zusammengetan hatten, damit die Arbeitslosenstatistik, Monat für Monat, stimmte. Klartext heißt das: Hier wurden, mit dem Einverständnis der Regierung, welche aus CDU und FDP bestand die offiziellen Arbeitslosenzahlen gründlich frisiert, demzufolge auch abgesegnet. – So etwas, also die Wahrheit über die wirkliche Lage auf dem Arbeitsmarkt, las man z. B. „nicht“ in der überparteilichen Bildzeitung, die hetzte lieber nach altbewährter Methode „gegen“ die Arbeitssuchenden, gegen die Unterschicht, gegen Kinderarmut (die Bildzeitung zweifelte, ebenso wie der schwule Hamburger Bürgermeister Ole von Beust, die Armut von Kindern und deren Familien sogar an) und gegen Leute, die auf Suppenküchen sowie Kleiderkammern angewiesen waren, weil das Hartz IV Geld nur bis zum zwanzigsten eines Monats reichte, daran geilte sich die Bildzeitung auf. Die Bildzeitung gab, genauso wie die/der Leser der Bildzeitung, sehr, sehr regelmäßig, zusammen mit dem beschissensten TV Sender der Welt, RTL, den Arbeitssuchenden selber, und das nach wie vor, an deren Misere die Schuld. Gott sei Dank glaubte das nicht jeder, vor allem die Betroffenen nicht, die waren schlauer geworden.

Aber ich will nicht zu sehr abschweifen, denn Bahama-Thomas stand, nach wie vor, im Kreuzfeuer der Kritik. Die Alkohol- und Drogenabhängigen, also jedenfalls diejenigen, welche die zweifelhaften Nebenwirkungen der Delphin-Therapie zur Hälfte verkraftet hatten, und somit wieder lern- und denkfähig waren, sie wollten von Bahama-Thomas eine Wiedergutmachung haben, wie ich allerdings erst später erfuhr. Bahama-Thomas fragte sie, seine enttäuschten Saufkumpanen, direkt: „Kinderchen, Geld habe ich noch, zwar nicht viel, aber immerhin. Also, was wollt ihr denn nun Dringendes haben für den Container, oder für die Clubkasse, sagt es mir?“ Ich muss an dieser Stelle einfügen: Ich hätte, wenn „ich“ im Container seinerzeit etwas zu melden gehabt hätte, an etwas Praktisches, oder an etwas Sinnvolles oder Stilvolles gedacht, aber die Alkohol- und Drogenabhängigen, allen voran: Seine Exzellenz Martin Wagenknilch forderten, nach einer geheimen Wahl, mit Stimmzetteln, Wahlurnen, Wahltrend, erster Hochrechnung und so, von dem angeklagten Bahama-Thomas, dass er ihnen einen „UFO-Landeplatz“ hinter dem Container bauen sollte. Also, nicht er persönlich, dazu war er viel zu faul, nein, es sollte eine Baufirma beauftragt werden, um den UFO-Landeplatz, nach neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen, zu errichten. Die Alkohol- und Drogenabhängigen wollten aber nicht irgendeinen zweitklassigen UFO-Landeplatz, oh nein, ihrer sollte etwas Besonderes sein, - mit Startbahn, mit Positionslichtern an den Seiten, mit einem kleinen Kontroll-Tower und mit einer Kantine, wo man auch mal einen drauf machen konnte. Ferner sollte der UFO-Landeplatz nach bestimmten Sternen ausgerichtet werden, hierzu wollte man einen erfahrenen Astronomen hinzuziehen, - alles sollte perfekt werden, bis ins kleinste Detail. Ohne lange nachzudenken, willigte Bahama-Thomas, mit einer Dose Bier in der Hand, auf den Wunsch seiner Kumpels ein. Er sagte damals zu mir: „Was soll`s? Ich hatte noch Geld, ich habe dann aus den Gelben Seiten `ne Baufirma sowie `nen Elektroladen ausgesucht und denen die Situation, von Grund auf, verklickert, um „wen“ es sich bei den Leuten konkret handelt, die sich so sehr einen UFO-Landeplatz wünschen. Tage später begann schon der Bau, und nach einer Woche sah alles fast so aus wie im Kino, - einfach phantastisch. Der UFO-Landeplatz war nicht übertrieben groß, das wäre mir auch zu teuer geworden, er war mehr so symbolisch gedacht und so. Der gesamte Komplex hinter dem Container hatte die Größe von 20 mal 20 Metern, der Parkplatz, der da sonst immer war, der wurde auf Dauer gesperrt. - Und wenn es Abend wurde, wenn die Positionslichter rechts und links der Landebahn eingeschaltet wurden, wenn wir alle so da saßen und in den nächtlichen Himmel starrten, um auf ein Ufo zu warten, ja, das hatte schon so etwas für sich – es war gut für die angeknackste Seele, es war Seelenbalsam. Dr. Gnom, der uns allen bekannte, etwas seltsame Psychiater, fand die Idee sogar „tendenziell“ gut, dass die Alkohol- und Drogenabhängigen sich mit: Ufo´s, mit Außerirdischen sowie mit intergalaktischer Raumfahrt beschäftigen. Er sagte: „Bahama-Thomas, du alter Suffkopf, das war `ne geile Idee von dir, denn für die Alkohol- und Drogenabhängigen ist das, das Warten auf andere Lebensformen, auf Ufo´s, wie in diesem Fall, die beste Therapie, scheiß somit auf deine missglückte Delphin-Therapie in Florida, jeder macht mal Fehler, du auch. Der UFO-Landeplatz, die magischen Lichter und das allabendliche Starren in den Himmel, das ist für die Alkohol- und Drogenabhängigen: Seelenbalsam!“ Ich sagte daraufhin zu Bahama-Thomas: „Seelenbalsam hin, oder her? Ich finde die Idee auch gut, gut und wichtig zugleich, es war eine vernünftige, eine durchaus kluge Entscheidung von dir.“ Und in der Tat, als ich mir die Szenerie an einem Abend, versteckt aus dichter Ferne einmal reinzog, da hatte auch ich das unbeschreibliche Gefühl, dass die Alkohol- und Drogenabhängigen wieder herzlich versöhnt waren mit dem ehemaligen Schildkrötenjäger: Bahama-Thomas. Denn sie hatten ihm die Delphin-Therapie ziemlich übel genommen aufgrund der Nebenwirkungen, die nicht unerheblich waren. Sie hatten ihn angeklagt, ihn versucht zu diffamieren, ihn verachtet, ihn gemieden. - Nun, jedoch, schien eine Zeit des Friedens und der Glückseligkeit angebrochen zu sein. So war mein Eindruck! Bahama-Thomas sagte tags darauf, mit einem Flachmann in den Händen, welchen er zur Hälfte ausgesoffen hatte, zu mir: „Mir erscheint es fast so, als sei jetzt eine Zeit des Friedens und der Glückseligkeit angebrochen, denn man hatte mir die Delphin-Therapie, vor allem die Nebenwirkungen, die nicht unerheblich waren, ziemlich übel genommen. Man hatte mich angeklagt, man hatte versucht mich zu diffamieren, man hatte mich verachtet und man hatte mich gemieden. Ich fühlte mich scheiße. Jetzt ist alles wieder gut.“ Daraufhin sagte ich zu ihm: „Bahama-Thomas, genauso sehe ich das auch!“

Zwischenzeitlich, ohne dass ich sie anfangs wahrnahm, waren Gichtkrallen-Bernd und Martin Wagenknilch aufgetaucht. Die zwei setzten sich zu uns auf die Bank, im Partnerlook. Sie trugen beide eine mir unbekannte Militäruniform – vermutlich aus Restbeständen; dazu nagelneue Springerstiefel. Wortlos, fast schon mürrisch grummelten sie Unverständliches vor sich hin. Bahama-Thomas nahm das als Anlass zu fragen: „Ist irgendwas?“ Martin Wagenknilch fühlte sich direkt durch die Frage angesprochen, er sagte: „Ich will hier keinen Ärger machen, und Gichtkrallen-Bernd auch nicht, aber eines muss ich dir mal sagen, Bahama-Thomas: Wir vermissen alle das übrige Geld! Wo steckt die Kohle? Hast du vom Überfall etwas für dich abgezweigt, oder was?“ „Kinderchen,“ sagte Bahama-Thomas, „die Frage als solches ist doch schon ungerecht mir gegenüber. Wie könnte ich euch nur „so etwas“ antun?“ „Genau! Das ist es ja! Wir zweifeln ein wenig!“ Sagte Martin Wagenknilch. Und Gichtkrallen-Bernd sagte: „Wir hätten gerne so etwas wie eine Kostenabrechnung. Einmal für die völlig unnötige und unsinnige Delphin-Therapie, dann für den Flug hin und zurück, ich meine damit Florida, und schließlich wäre da noch die Sache mit dem Landeplatz für Ufo´s.“ Bevor Bahama-Thomas antwortete, soff er seinen halbleeren Flachmann aus, dann öffnete er eine von seinen nie fehlenden Bierdosen und goss kräftig nach, das ganze Prozedere beendete er mit einem kräftigen Rülpser, so dass es jeder am Brunnen hören konnte, und zu guter Letzt drehte er sich eine Zigarette, die er anschließend entzündete. Dann wuchs die Spannung, alle Augen waren auf ihn gerichtet, doch Bahama-Thomas bohrte erst einmal gelangweilt in der Nase; drehte hierbei einen Popel und schnippste diesen dann gekonnt von sich fort in Richtung Rathaus-Eingang, - und als er auch damit „endlich“ fertig war, sagte er: „Das restliche Geld, das habe ich auf einem Sparbuch angelegt, für schlechte Zeiten. Aber, eine Kostenabrechnung, nein, meine Kinderchen, die habe ich im Sinne von uns allen „nicht“ gemacht.“ „Und warum nicht?“ Fragte Martin Wagenknilch. „Na, das ist doch ganz einfach, weil es keine Notwendigkeit gab, die einen derartigen Schritt erforderte. Ihr solltet mir vertrauen. Misstrauen ist nämlich das Gegenteil von Seelenbalsam.“ „Was soll das denn jetzt bitteschön bedeuten: Seelenbalsam?“ Erkundigte sich Gichtkrallen-Bernd. Da sagte Bahama-Thomas: „Also, der Balsam, den ich meine, der besteht aus einer Mischung pflanzlicher Sekrete, besonders von Bäumen; Balsam besteht aus viskosen Auflösungen von Harzalkoholen, Harzestern, Harzsäuren und hochmolekularen Kohlenwasserstoffen in ätherischen Ölen, die durch Einschnitte, durch Auskochen, durch Extraktion oder Auspressen bestimmter Pflanzenteile gewonnen werden. Der besonders in einigen Kiefernarten enthaltene Harzbalsam besteht aus 75% Kolophonium und zu 25% aus Terpentinöl, die in Destillationsanlagen getrennt werden. Balsame verschiedener Art werden als Riechstoffe, Heilmittel und als technische Rohstoffe z. B. für die Firnis- und Lackbereitung verwendet. Das ist wichtig, besonders, wenn ihr mal bei irgend so einer Quizsendung im Fernsehen auf dem Sessel sitzt, alles klar, oder was?“ „Und woher weißt „du“ das mit dem Balsam?“ Fragte Martin Wagenknilch. „Von Dr. Gnom! Ihr kennt ihn ja, er ist eine Kapazität im Bereich der Tiefenpsychologie und anderer Dinge. Balsam ist seine große Leidenschaft,“ antwortete Bahama-Thomas locker vom Hocker, ohne sich dabei, was anmerken zu lassen. Gichtkrallen-Bernd und Martin Wagenknilch gingen nach diesem Kurz-Unterricht zum Thema: Balsam, Richtung Kiosk, um sich mit Alkohol einzudecken, dann verschwanden sie.

Die Delphin Therapie

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