Читать книгу Die Delphin Therapie - Jacques Varicourt - Страница 5
Still und heimlich
ОглавлениеAuch Bahama-Thomas erhob sich und ging schweigend seines Weges, dabei bohrte er erneut tief in seiner Nase. Ich hingegen fuhr zurück ins Hotel, denn Bianca hatte mir eine SMS geschickt, aus der hervorging, dass man mich bezüglich des Theaterstückes von Bert Teufel und den Grishams sehnlich erwartete, irgendwie kam mir das komisch vor, denn ich dachte: Mehr, oder weniger daran, dass Ralf schon wieder Scheiße gebaut hätte, und dieser Gedanke war ja auch nahe liegend, nicht wahr? Während ich in der S-Bahn Richtung Altona saß, machte ich mir, auch, wenn mir das jetzt keiner glaubt, dann jedoch „weniger Gedanken“ über Ralf seine alkoholischen Dauer-Probleme, als man sie von mir erwarten würde, nein, mich beschäftigte dieses Theaterstück, welches die Grishams, Patricia und Arthur, zusammen mit Bert Teufel schrieben, und für das ich: Musik, Noten, Harmonien, kurz um: Melodien für die Ewigkeit aus dem Ärmel schütteln sollte, - was für eine Aufgabe? Ich will damit sagen, dass ich überhaupt nicht sonderlich interessiert war, zum damaligen Zeitpunkt, Musik zu komponieren. Ich war damals in einer höchst un-kreativen Phase, mir fehlte die Eingebung, die göttliche Fügung, die notwendige innerliche Stimmung, um mich künstlerisch in einen, nur den Künstlern gestatteten, Zustand zu versetzen, - ja, so war das im Januar 2010. Und das, was ich da eben gerade geschrieben habe, für Sie, meine Lieben Leser, und, was Sie eben gerade vermutlich mit einem angespannten Gesicht gelesen haben, ist nicht nur das Ergebnis von Arroganz, Größenwahn und literarischem Schwachsinn im Endstadium, oh nein, es ist, oder es „war“ vielmehr, eine psychische Analyse sowie ein Ausnahme-Zustand von kreativer Leere, der mich durchaus bedrückte, aber der letzten Endes meine verbrauchten Batterien wieder auflud. Mit diesen Gedanken betrat ich, nachdem ich in Altona angekommen war, das Hotel Lüders. - Rudolf Lüders „lag“ mit dem gesamten Oberkörper, zusammen mit dem Papageien (Kapitän Vallo), gelangweilt, und mit „fast“ geschlossenen Augen, dabei den Kopf auf die Hände gestützt, an der Rezeption, also auf dem Empfangstresen, – und beide, Rudolf wie auch der Papagei, würdigten mich keinen Blickes, Rudolf sagte lediglich: „Magda, Ralf und die anderen sind im Frühstücksraum, Bianca übrigens auch, und dann ist da noch so`n Typ, aber den kenne ich nicht, könnte ein Freund von Ralf sein, oder so.“ Dann, nach diesen einleuchtenden Worten, schien Rudolf, bedingt durch zuviel Alkohol, von einer immensen Müdigkeit überwältigt, beinah einzuschlafen; der Papagei hingegen knapperte währenddessen, während Rudolf „fast“ schlief, an Rudolf seinem hanseatisch-, blauen Stoffsakko, welches Rudolf immer öfters trug, neugierig herum. Doch das alles erschien mir als völlig normal, - unnormal erschien mir hingegen, dass die Tür vom Frühstücksraum verschlossen war, und so war ich gezwungen anzuklopfen, was ich auch tat. Heide Lüders, des Hauses guter Geist, öffnete mir, und das mit einer: Nichts sagenden Miene! Sie reichte mir, eher angestrengt als höflich, die Hand und zog mich ins Zimmer, dann wurde die Tür wieder, von ihr höchstpersönlich, verschlossen. Ich erblickte Ralf und vor allem Magda, seine tolerante Ehefrau, beide waren wieder glücklich vereint. Dann sah ich die Grishams, Bianca, Korn-Horst (aus Hamburg-Hamm) und Doris – die Besitzerin von der Eckkneipe am Spritzenplatz. Gegen alle meine Erwartungen war die Atmosphäre: Locker! Das Radio lief im Hintergrund, und der Nachrichtensprecher erzählte vom Schneechaos, welches weite Teile der ganzen Welt im Griff hatte – Hamburg besonders. Heide goss mir, ohne dass ich sie darum gebeten hatte, einen doppelten Scotch ein und reichte mir, mit einem zarten Lächeln auf den rot geschminkten Lippen, das Glas. Ich nahm, mit dem Glas in der Hand, Platz; alle Augen waren eigenartigerweise auf mich gerichtet, ich fühlte mich ein wenig unwohl. Ich glaube jeder kennt das Gefühl, wenn man von mehreren Menschen gleichzeitig angestarrt wird, nicht wahr? - Ich nippte trotzdem ruhig- und gelassen an meinem Scotch, jenem wunderbaren schottischen Gesöff, das so schön entspannend wirkt und in meinem Leben einen, ich möchte sagen: Gewissen, positiven und unentbehrlichen Stellenwert eingenommen hatte und immer noch hat, bevor ich fragte: „Was ist denn eigentlich los, so dass meine Anwesenheit von Nöten ist?“ Daraufhin sagte Doris zu mir: „Es dreht sich unter anderem um unseren Ralf, mit dem ich wieder Frieden geschlossen habe, es dreht sich aber auch um Korn-Horst, um Entwicklungen und Geschehnisse rund um die marode Gesellschaft in der wir leben müssen. Eigentlich dreht es sich um uns alle, und natürlich um das: Inhaltliche des Theaterstückes, das die Grishams und Bert Teufel schreiben, es darf von vornherein den politischen Aspekt, aus proletarischer Sicht nicht verlieren, denn dann, wenn man die Unterschicht und die Armut in diesem Land ausklammert, dann wirkt es unbrauchbar sowie unrealistisch, dafür muss man übrigens nicht hellsehen können. Ich möchte, und deshalb bin ich heute hier bei euch, dass das Theaterstück sich auch um „meine Eckkneipe“ dreht, ich muss miteinbezogen werden, deswegen wollen wir „deine“ Meinung hören! Bist du damit einverstanden, dass jemand, also ein professioneller Schauspieler, „dich“ wie auch einige andere aus deiner näheren Umgebung auf der Theater-Bühne, sozusagen: Darstellt? Oder stört dich das?“ „Nein,“ sagte ich, „ganz im Gegenteil, ich fühle mich sogar geehrt. Ohne Scheiß, echt ey!“
Wenige Sekunden nach meinem Einverständnis begann eine rege, verhältnismäßig laute, aber begeisterte Diskussion, welche sich mit dem Theater, mit dem „Boulevard-Theater“ beschäftigte, ich hielt mich allerdings vornehm zurück, denn „Theater“ war nicht so meine Welt. Dass Doris sich auf einen politischen Aspekt und auf die Unterschicht in diesem Land, bezüglich des Theaterstücks berief, ließ vermuten, dass Magda ihr „das“ vorab eingetrichtert hatte – und das war auch so, wie ich allerdings erst später erfuhr. Magda schrieb nämlich auch mit an dem Theaterstück, still und heimlich, aber das sollte niemand wissen, denn die politischen Aspekte in dem Stück waren ohne jeden Zweifel auf ihrem Mist gewachsen. Ja, und während alle durcheinander schnatterten wie die aufgescheuchten Gänse, hierbei jeder seine eigenen Ideen sowie Vorstellungen herausposaunte, da beobachtete ich Korn-Horst, denn ich hatte ihn längere Zeit nicht gesehen. Um so erstaunter war ich, dass er sich weder in seinem Trinkverhalten, noch in seinem Sozialverhalten, kaum- bis gar nicht verändert hatte, er war bester Laune, er goss sich ständig Korn aus der Flasche nach und rauchte eine Zigarette nach der anderen, gelegentlich hustete er, ohne den Wichsgriffel vor den Mund zu halten - er, der mittlerweile 63 Jahre alt war, hatte alle guten Tischmanieren abgelegt. - Oder aber, um seine Gestik und Mimik zu beschreiben, strich er sich zwischendurch immer mal wieder lächelnd, mit der flachen Hand über die, auffallend rötlich, glänzende Stirn-Glatze, die bei ihm besonders intensiv ausgeprägt war. Korn-Horst beteiligte sich an der Diskussion um das Theaterstück nur insoweit, dass er gelegentlich besoffen irgendetwas Sinnloses dazwischen grölte, nur um auf sich- und um auf seine, ganz private, beschissene Situation aufmerksam zu machen. Ich wurde nachdenklich, künstlerisch nachdenklich, meine ich. Was war das nur für ein Mensch dieser Korn-Horst aus Hamburg-Hamm? Wie war er der geworden, der da jetzt am Tisch saß und der glaubte, dass man seine Vorschläge und Ansichten als intelligenten Beitrag einordnete? – Sie, meine Lieben Leser, haben ein Recht darauf, die Antwort auf jene Frage zu erfahren, - zu erfahren mit wem Ralf seit Jahrzehnten befreundet war.
Doch um Korn-Horst näher zu beschreiben, muss ich seinen Lebenslauf erläutern, denn dieser war alles andere als herkömmlich, darum beginne ich mit seiner Ausbildung zum Versicherungskaufmann im Jahre 1963. Eigentlich hatte Horst, wie er früher genannt wurde, nach dem Ende der Volksschule, „gar keine Lust“ zum Arbeiten gehabt, er galt bei seinen Lehrern und Kumpels als: launisch, rechthaberisch, faul, jähzornig und eine Spur zu ordinär. Dennoch wählte Horst den Beruf des Versicherungskaufmannes. - Wie das mit seinem aufbrausenden Wesen zusammenpasste, blieb sogar seinem besten Freund und Saufkumpan: Ralf, zeitlebens ein Rätsel. Nachdem Horst ausgelernt hatte ließ er sich gehen, er lebte von kleinen Einbrüchen in Gartenhäusern, darüber hinaus nahm er Kredite bei Sparkassen sowie Banken auf, welche er aber nicht zurückbezahlte, und, man höre und staune: Er schlug oftmals Straßenprostituierte in abgelegenen Stadtteilen zusammen, um sie von ihrem Bargeld zu erleichtern. Ende der sechziger Jahre machte er dann in Hamburg-Hamm eine Kneipe auf, er schien solide geworden zu sein mag man nun vermuten, oder? Aber, der Suff, die Weiber, Betrügereien aller Art, sowie chronische Unlust, ließen ihn immer wieder absacken, so dass er mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Beim Einbruch in ein Haus, eines wohlhabenden Geschäftsmannes im vornehmen Eppendorf, wurde er 1968 auf frischer Tat ertappt. Ein Jahr Knast brummte ihn das Oberlandes-Gericht auf, Korn-Horst, wie auch sein Anwalt protestierten zwar vehement gegen das Urteil, aber erfolglos. Korn-Horst kam in den Bau. Wegen guter Führung musste er allerdings nur 10 Monate absitzen, dann gelobte er, bei Gott, Besserung. Die Anstaltsleitung entließ ihn, weil man tatsächlich überzeugt war er hätte seine Schuld bereut. Leider hielten Korn-Horst seine guten Vorsätze nicht allzu lange an. Denn, nachdem er auf St. Pauli, direkt auf der Reeperbahn, ein Zimmer angemietet hatte, verfiel er, quasi über Nacht, den Reizen des Milieus. Das Milieu hatte ihn an den Eiern gepackt; für sich geradezu in Anspruch genommen will ich damit sagen, und es ließ ihn auch nicht wieder los. Eduard Liedloff, ein alkoholkranker Psychopath und Klein-Bordell-Besitzer, der bereits einen Konkurrenten auf dem Gewissen hatte - wie man das auf dem Kiez so nannte, sah, in dem: Korn-Horst des Jahres 1969, einen gleichwertigen Menschen, denn, der Lebenslauf der beiden hatte seltsame Parallelen, die nicht unheimlicher hätten sein können für die damalige Zeit. Aber, um Korn-Horst als Gesamtperson zu begreifen, muss man sich auch mit „Ede“ Liedloff beschäftigen. Darum sage ich:
Über Korn-Horst wissen Sie, die Leser, nun einiges, einiges mehr als es von mir in den vorherigen Gesellschaftssatiren beschrieben wurde, und das ist- und war, nicht nur gut. Dennoch wissen Sie im Moment noch nichts Ausführlicheres über diesen Ede. Darum will ich einmal festhalten, was ihn, Ede Liedloff, auf den ersten Blick mit Korn-Horst verband.
Also: Eduard Xaver Liedloff war ähnlich wie Korn-Horst jahrelang ein Kleinkrimineller gewesen, der die tägliche, normale Arbeit lediglich als erdrückende Last empfand und sich ihrer entzog, wo es nur ging. Ede war 10 Jahre älter als Korn-Horst, - ich schreibe das deshalb, damit man die zwei Herren dementsprechend bewerten kann, ich möchte mit dieser Feststellung die unterschiedliche Generation der beiden unterstreichen.
Ede wuchs, ohne Schulabschluss, gegen Ende der vierziger Jahre bei einer Prostituierten auf. Sie, Regine, war für ihn Mutter und Vater, Onkel und Tante, vielleicht sogar die erste Geliebte? Als ich Ede im Januar 2010 speziell hierzu befragte – schwieg er beharrlich, er hatte keinen Bock über seine trostlose Kindheit und Jugend zu erzählen, also überließ er „mir“ das Improvisieren seiner frühen Jahre als Mensch auf dieser Welt. Mit Diebstahl, Einbrüchen und Schlägereien in der Hamburger Hafengegend bestritt er seinen kargen Lebensunterhalt. Anfang der fünfziger Jahre heuerte er widerwillig, auf drängen der Polizei, nachdem er wieder mal Scheiße fabriziert hatte, auf einem Schiff an und fuhr um die ganze Welt; dass „er“ an Bord täglich besoffen war und Kokain konsumierte versteht sich von selbst bei seiner Lebenseinstellung, er machte daraus auch nie einen Hehl. Ein Jahr später, nachdem man ihn gefeuert hatte wegen Diebstahls, wurde Regine von ihm Schwanger, sie gebar ihm, noch im selben Jahr, eine Tochter mit blondem Haar, doch Ede wollte kein Kind von ihr, ihm schwebten höhere Ziele vor Augen, deshalb zwang er Regine eines Tages, angesoffen- und mit gezücktem Messer in der Hand, das Baby, für 2000 Mark, an einen Kanacken und dessen unfruchtbarer Ehefrau zu verkaufen. Regine weigerte sich erst, doch als Ede wie ein Irrer auf sie einprügelte und mehrmals zu stach, ließ sie sich auf den Kuhhandel blutüberströmt ein. Ungefähr einen Monat später beging sie Selbstmord. Auf ihrer Beerdigung kamen nur ein paar Nutten vom Kiez; ein paar ehemalige Freier ließen sich ebenfalls blicken; und ganz zum Schluss erschien Ede: betrunken, unrasiert, ungewaschen, schlecht gelaunt, eine Flasche Korn in der Latzhose, aus der er immer wieder große Schlucke zu sich nahm, und ferner war er über alle Maßen verärgert, dass Regine, die ihm „angeblich“ noch Geld geschuldet hatte, nicht mehr da war, darüber regte er sich vor der: kleinen, überschaubaren Trauergemeinde am meisten auf. Er sagte diesbezüglich: „Ich... äh, äh, äh, ich habe der alten Sau mal „über hundert Mark“ geliehen, weil sie keine Kohle mehr hatte, für: Klamotten, Schminke, Schuhe sowie Tabak und so`n Scheiß. So! Und „so“ dankt sie es mir, indem sie wegen einer harmlosen „Nichtigkeit“ Selbstmord begeht, Scheißdreck ist das. Hoffentlich landet sie in der Hölle, diese verfluchte Schlampe – ich hasse sie!“ Dann spuckte Ede auf ihr Grab, welches zwar einfach, jedoch schön hergerichtet worden war; anschließend zertrat er das hölzerne Kreuz, wo ihr Geburtsdatum und ihr Todestag drauf standen; wutentbrannt, mittlerweile total besoffen- sowie außer Kontrolle, schlug er mit der halbleeren Kornflasche auf ihre ehemaligen Freier ein, bis plötzlich die Polizei auftauchte und ihn in Gewahrsam nahm, doch er kam schon wenige Tage später gegen Kaution wieder auf freien Fuß.
Bis in das Jahr 1969 hinein, landete Ede mehrmals im Kittchen, wegen seiner Wutausbrüche, wegen seiner Alkohol- und Drogenprobleme sowie Einbrüche in Wohnungen; er galt dem Gesetz gegenüber als asozial und extrem minderbemittelt, erst im Sommer des, für ihn historischen, Jahres 1969, wendete sich das Blatt für ihn zum Guten. Aber was war geschehen, so dass er plötzlich auf dem Kiez an Bedeutung und auch an einer gewissen Sympathie gewann? Die Antwort ist verhältnismäßig einfach. Er hatte sich „still und heimlich“ Geld auf die Seite geschafft, und war somit in der Lage gewesen, das kleine Bordell: Zum Bumser, zu kaufen, welches direkt an der Reeperbahn lag und durchaus einen gewissen Reiz hatte. Er möbelte den „Laden“, wie er zu sagen pflegte, auf, mietete einige Zimmer über dem Bordell an, und kurze Zeit später ackerten 8 Profi-Nutten für ihn. Die Bar im Erdgeschoss war natürlich der zentrale Punkt für Treffen und Feierlichkeiten aller Art, schließlich wollte nicht nur die Kundschaft unterhalten werden, sondern auch die Konkurrenz, darum gab es eine Bühne, auf der entweder irgendwelche Leute sangen, oder auf der sie etwas vorführten, oder es wurde so dermaßen heftig gevögelt, dass den Gästen die Spucke wegblieb. Ede „pflegte“ seine vielschichtigen Kontakte zu den Bossen auf dem Kiez, - nicht selten lud er „alle“ zu sich ein, um mal so richtig abzufeiern. Die Partys wurden zu einem großen Ereignis, wenn sie „einmal im Monat“ stattfanden, die gesamte Hamburger Promi-Szene: Boxer, Politiker, Schauspieler, Sänger/innen, Künstler, ja, eigentlich alles, was Rang und Namen hatte, ließ sich ficken, oder man fickte (aktiv) selber, wen auch immer, oder man fickte sich sogar gegenseitig – alles war erlaubt, Ede seine Toleranz war beispielgebend. Jede bekannte Droge wurde gereicht, Unmengen von Alkohol wurden erbarmungslos weggesoffen; junge hübsche Frauen- sowie attraktive junge Männer mussten, gegen Bargeld, die abartigsten Wünsche und Gelüste der Party-Besucher erfüllen. Und, um es kurz zu machen, der Laden: Zum Bumser, wurde für „Ede“ zu einer Goldquelle. Er fuhr mehrere gut polierte Autos, - Nobelkutschen wohlgemerkt, er trug: Teure Uhren, Schmuck aus aller Welt, er kokste bis zum Abwinken, soff den teuersten Fusel und er hatte seine eigene „zwei Mann starke“ Bodyguard, - es war das übelstes Gesocks, welches ihn rund um die Uhr bewachte, sogar beim: Scheißen, Pissen, oder Ficken, sorgten sie dafür, dass er sich keine Gedanken machen musste, ob ihn jemand hinterrücks umlegen will. Die beiden (der wirkliche Name ist unwichtig) waren selbstverständlich vorbestraft, muskel-bepackt, und wenn sie zuschlugen dann splitterten Knochen. Auf dem Kiez kannte man die Bodyguard von Ede nur unter dem klangvollen Phantasienamen: Max und Moritz.
Ja, und nun, um, zum Eigentlichen zu kommen, im Sommer 1969, tauchte, im Laufe des Tages, Horst auf, - später dann nur noch als: Korn-Horst bekannt. Horst kam gerade aus dem Knast, wegen: Unzucht mit einer 70ig jährigen Rentnerin. Sein kleines gammeliges Zimmer roch nach: Scheiße, Pisse und Sperma, er wollte da raus, und das um jeden Preis. Es war Zufall, dass er eines Abends seinen Schnaps bei Ede Liedloff im „Bumser“ trank, denn eigentlich waren ihm die Preise im „Bumser“ zu hoch, - aber, speziell „das“ ist ein anderes Thema. Es war wenig Betrieb an jenem bestimmten Abend. Ede, der uneingeschränkte Chef saß mit seiner Bodyguard im Laden, dort, wo sich der Tresen befand, er starrte auf den eingeschalteten Fernseher und guckte sich, mit offenem Mund, die dritte Wiederholung der ersten Mondlandung der Menschheitsgeschichte an, er konnte es einfach nicht fassen, dass die Amerikaner auf dem Mond gelandet waren, - dann erschien wie gesagt: Horst, normal gekleidet, wenn nicht sogar „armselig“ gekleidet, etwas ängstlich, etwas unsicher und etwas unbeholfen wirkte er. Ede sah ihn lange an, bevor er ihn fragte: „Na, du, - wie sieht es aus? Pimpern, oder saufen? Auf was hast du Bock, sag` an?“ Horst sagte daraufhin: „Saufen, nur saufen, denn saufen ist billiger! Im Moment kann ich mir nämlich nur „wichsen“ leisten! So sieht das aus, mein Herr.“ Ede lächelte nach diesem Geständnis, das ihm runter ging wie Öl. Ja, und irgendwie mochten sich die beiden auf Anhieb. Horst erzählte „alles“ von sich, das gefiel Ede. - Und wie das Schicksal es so wollte, stellte er, Ede, Horst, nach einigen Schnäpsen noch am selben Abend als „Türsteher“ ein, weil die Stelle gerade frei war; ein besseres Zimmer als das alte erhielt er auch. So begann eine dicke, aufrichtige Freundschaft, wie sie unter Männern auf dem Kiez nicht unbedingt üblich war- und ist.
Wie aber verliefen die folgenden Jahre für die beiden?
Gut bis sehr gut, lautet die Antwort. Der Kiez, insgesamt betrachtet, boomte, Touristen strömten in Scharen herbei, um sich im Rotlicht verzaubern zu lassen, die Gier nach sinnlicher Befriedigung, nach Sex, nach Leuchtreklame, nach mehr Schein als sein, die war so groß, dass die Kassen laut klingelten, und zwar bis ins europäische Ausland. Ede, der Eigentumswohnungen sammelte wie Postkarten, lebte vorwiegend in dem Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, protzig, großkotzig ließ er „den“ Edel-Luden raushängen, während Korn-Horst eine Luxuswohnung in Kieznähe bevorzugte, weil er lieber dichter dran war am Milieu. Korn-Horst, um ihn im Visier zu behalten, war im Laufe der Jahre zum Geschäftsführer aufgestiegen, das war allerdings nur eine: Einnahmequelle, die andere hieß Steuerbetrug. Er schleuste für sich und Ede, sowie für viele andere auf dem Kiez, Millionen am Fiskus vorbei, ohne dass es jemanden auffiel, und das, bis Anfang der achtziger Jahre, bis der Kiez zu einem Kampfplatz für unterschiedliche Interessen und Rassen wurde, bis dahin schienen Ede und Korn-Horst unschlagbar zu sein, dann jedoch beanspruchten durchgeknallte Kanacken, die sofort, aus geringsten Anlässen schossen den Löwenanteil der Einnahmen für sich – der Kiez begann unattraktiv zu werden, die Entwicklung als solches, kotzte Besucher, wie auch ehemalige Kiez-Größen, nur noch an. Die Stammkundschaft blieb aus, das Geld wurde weniger, die Wirtschaftslage, von Grund auf betrachtet, war von unfähigen, bestechlichen Politikern kaputt gemacht worden, und es schien immer weiter bergab zu gehen. Nun kamen für den Kiez die neunziger Jahre. Dass Deutschland sich in einer Krise befand, das merkten die Betroffenen gegen Ende, der eben erwähnten, neunziger Jahre hautnah. Viele Leute waren plötzlich insolvent, der Staat hatte, vertreten durch Politiker aller Parteien, das Geld zum Fenster hinausgeschmissen, allerdings nicht zum Wohl für das eigene Land. Und auch Ede sowie Korn-Horst mussten den Gürtel enger schnallen, bis sie nicht mehr konnten, denn sie hatten damals nicht rechtzeitig vorgesorgt. Die Schulden drückten gewaltig, sogar die Sparguthaben hatten sich in Luft aufgelöst; der Fall, der menschliche Fall, von ganz oben nach ganz unten, war ziemlich kurz- aber heftig gewesen. Ede zog, nachdem er finanziell total am Arsch war, in eine Genossenschaftswohnung nach Harburg-Eißendorf, und lebte dort von einer kleinen, mickrigen Rente, die kaum zum Überleben reichte, während Korn-Horst als Untermieter, ohne „echten“ Mietvertrag, bei einem Kumpel in Hamburg-Hamm lebte...
Wir schreiben, von jetzt an, das Jahr 2010, und wollen versuchen, die: Vergangenheit, den Reichtum und die Privilegien der beiden Herren als Teil „deren Lebens“ anzusehen, denn beide sahen es selber auch so. Sie hatten die Armut, welche nicht nur sie betraf, akzeptiert. – Ede schrieb in Ingo Wilff seiner Bahnhofskneipe regelmäßig an, wenn ihn der Durst überkam, er war permanent pleite, er bettelte viel zu viel nach Geld und nach Anerkennung, er war mittlerweile 74 Jahre alt, er konnte sein Bier fast gar nicht mehr bezahlen, er schmückte sich jedoch gerne mit fremden Federn, er hatte den Überblick verloren, er war nur noch eine tragische Figur aus einer Zeit, die gegenstandslos geworden war... Korn-Horst war, um beim Wort „war“ zu bleiben, wie bereits gesagt, nur noch besoffen, selten hatte er nüchterne Phasen, und wenn er mal eine hatte, dann stritt er mit Ralf über: Gott, das Frankenreich, Angela Merkel - die unfähige Bundeskanzlerin aus der Uckermark, und sie stritten über die Welt, sowie deren Entwicklung. Korn-Horst war ein rechthaberischer Drecksack, Ralf war ihm natürlich nicht böse oder nachtragend, wenn er schrie wie ein Irrer, wenn er mit den Fäusten drohte, wenn er kurz davor war abzuheben, denn dafür waren sie sich in ihrem Grund-Denk-Verhalten zu ähnlich. Beide hatten in ihrem Leben schwere alkoholbedingte Stürme überstanden, und sie hatten dennoch immer wieder zueinander gefunden, weil der regelmäßige Suff hierfür eine solide Basis geschaffen hatte, auf der sie sich regelmäßig bewegten, um es einmal verständlich auszudrücken.
Rudolf Lüders sagte im Januar 2010, an der Rezeption im Hotel, mit einem Glas Cognac in der Hand, zu mir: „Meine beiden Söhne sind zwar aus dem Knast, Söllinger auch, aber blicken lassen tun die sich nicht.“ „Und warum ist das so?“ Fragte ich. „Weil die auf der Flucht sind, irgendwo in der Ferne sind die zu Gange, Südamerika, oder so. Ich fühle es förmlich, dass das so ist. Die haben einen großen Teil ihrer letzten Beute, welche in Deutschland gut versteckt war, ins Ausland geschafft, irgendwie genial, aber auch sehr bedauerlich, ich wünschte sie würden sich mal wieder blicken lassen.“ Dann ging Rudolf, für mich völlig unerwartet, mit Tränen in den Augen, und mit dem Cognac-Glas in der Hand, auf Toilette, er weinte und kotzte in die Toilettenmuschel. Kurze Zeit später, Rudolf kam nämlich überhaupt nicht mehr zurück, aber ich konnte ihn hören, da erschien seine Gattin: Heide Lüders; wie aus dem „Nichts“ stand sie plötzlich vor mir. „Darf ich dir mal etwas anvertrauen?“ Fragte sie mich. „Ich bin ein geduldiger Zuhörer, wie du weißt!“ „Ich glaube meine beiden Söhne sind auf der Flucht, Rudolf, du hörst ihn im Hintergrund kotzen, hatte eine Art von Eingebung vor ein paar Tagen im Traum gehabt, er glaubt unsere Söhne, vermutlich auch Söllinger, sind in Südamerika. Was sagst du dazu? Und, einen großen Teil der Beute, welche in Deutschland versteckt war, haben sie wahrscheinlich außer Landes geschafft, es ist fast schon genial, aber auch irgendwie nicht. Denn ich, Heide Lüders, ich finde eine innerliche Eingebung, also ich finde das in hohem Maße unheimlich. Es berührt mich, was hältst du davon, sprich mit mir, Jürgen?“ Ich wollte gerade antworten, schon fing Heide, ähnlich wie ihr Gatte, von einer Sekunde auf die andere, an zu schluchzen und verschwand raschen Schrittes in den privaten Räumlichkeiten. Rudolf rotzte und kotzte weiterhin auf der Toilette, ich zog mich hingegen auf unsere (Bianca und meine) Zimmer zurück, ich wollte schreiben, denn mein Kopf war voller Ideen. Doch bevor ich das tat, schaltete ich den Fernseher ein, ich zappte durch die Programme, aber ich fand nichts, was mich sonderlich interessierte, - doch aus irgendeinem Grund ließ ich den Guckkasten an, ich goss mir einen Scotch ein, setzte mich an den Computer, fuhr ihn hoch, klickte auf das „Word-Icon“ und begann, locker aus dem Handgelenk, zu schreiben. Es waren Eindrücke, welche ich niederschrieb, die sehr gemischt waren, Vielfältigkeit entströmte meinem Hirn. Natürlich war Hartz IV, wie auch die alltägliche Politik, immer noch ein Thema für mich, aber was so rund herum um mich im Hotel geschah, das hatte natürlich auch seine Berechtigung, die ich nicht zur Seite legen wollte. Vorrangig waren wir alle durch das Erdbeben auf Haiti erschüttert, weil es dort so entsetzlich viele Tote gegeben hatte, aber genauso erschüttert waren wir, dass die liberale: FDP, Spendengelder in einer Höhe von 1,1 Millionen Euro angenommen hatte. Und Guido Westerwelle, der schwule Außenminister, das Ganze in einer Art und Weise, wie auswendig gelernt, herunterspielte. Magda und Ralf ärgerten sich besonders über die Spendenaffäre bei der FDP, Magda sagte beim gemeinsamen Abendbrot, und nach einigen Gläsern Lambrusco zu uns allen im Frühstücksraum: „Spenden an Parteien, wenn ich das schon höre, dann könnte ich wie wild um mich schlagen. Es war schon immer meine Meinung, dass mit Ausnahme der Linkspartei, alle anderen Parteien und Mitglieder des deutschen Bundestages, korrupte, geldgierige Sausäcke sind. Und... von denen kommt nichts Gutes.“ Während sie das sagte, streckte sie die rechte Faust, geballt und dabei wütend drohend in die Luft. Ralf, ihr problematischer Ehemann, sagte zu diesem kleinen Wutausbruch seiner angetrunkenen Gattin: „Ja, das hat sie immer zu uns gesagt, dass sie manchmal wild um sich schlagen könnte, und dass die Parteien sowie deren Mitglieder nur geldgierige Sausäcke sind.“ „Nun aber mal langsam, meine Süßen,“ sagte Chantal, „Ursula von der Leyen, von der CDU, also unsere Arbeitsministerin, hat Roland Koch, diesen hässlichen Ober-Arsch, für seine kranken Hasstiraden gegen Hartz IV Empfänger bereits zurecht gewiesen, ebenso Jürgen Rüttgers, und ich glaube dieses Jahr wird sich für die Arbeitslosen endlich etwas zum Guten wenden.“ „Das sehe ich übrigens auch so!“ Sagte die Studentin Sybille von Burg – kurz und knapp. Alle anderen, damaligen, sich im Frühstücksraum befindlichen Personen, aßen Nudelsalat, welchen Heide Lüders selbst, unter Anleitung von Magda, gemacht hatte, und wir tranken dazu, wie bereits von Ihnen vermutet, meine Lieben Leser, kühlen Lambrusco, - ja, daran erinnere ich mich noch sehr genau.
Doch die Harmonie trog, da Rudolf den Nudelsalat von seiner Frau (bzw. nach Magda ihrem Geheim-Rezept) kritisierte, er fand ihn nicht „würzig“ genug, Bert Teufel stimmte dieser Aussage sogar kopfnickend (abwertend) zu, wie ich mich zu erinnern glaube; er sprach seine Kritik aber nicht offen aus. Während ich und andere damals ein Donnerwetter von Magda, oder von Heide Lüders erwarteten, erschien plötzlich Kirstin Lüders (des Hauses aufreizende und frivole Tochter), sie hatte sich als: Lady Gaga zurecht gemacht; mit einem sehr knappen Minirock und Stöckelschuhen erregte sie unser aller Aufmerksamkeit. Sie legte eine CD in den Player, drehte das Volumen der Anlage weit nach oben und begann erotisch zu tanzen, Sybille von Burg und Chantal schlossen sich spontan an, wir klatschten alle im Takt mit, denn was die drei Ladies uns damals boten war absolut geil, ich bekam einen Steifen. Die einzige Person im Raum, die diese Show-Einlage scheiße fand, war Bianca, meine treue Maus, sie stieß mir in die Rippen und sagte: „Nun sage mir bloß nicht du findest das geil, oder?“ „Maus,“ sagte ich, „lass uns heute Abend locker bleiben. Eine spontane Orgie hat doch auch so etwas Besonderes für sich, und Spaß gehört nun mal zum täglichen Leben,“ dann küsste ich Bianca und sie verstand.
Wichtig ist für Sie, meine Lieben Leser, dass diese spontanen Orgien nicht mehr ganz so intensiv abliefen wie in der Vergangenheit. Schuld dafür war ein Fernsehbericht, in dem gezeigt wurde, wie gefährlich Cannabis-Konsum sein konnte. Krebs hieß das schlimme Wort, Cannabis-Produkte förderten das Risiko an Krebs zu erkranken. Bert Teufel rauchte seine Joints trotzdem demonstrativ weiter, er sagte zum Thema Cannabis: „Den einen trifft es, den anderen nicht!“ So einfach lautete seine Definition, - welche ich und Bianca „nicht“ teilten, auch Magda sah man, in diesem Zusammenhang, immer seltener Hasch rauchen, bis sie es quasi über Nacht plötzlich aufgab. Alkohol war wieder angesagt, und das war ganz im Sinne von Ralf und Rudolf, die, wie wir alle wissen, einen ausgeprägten Hang zur: Größten Erfindung aller Zeiten hatten. Anfügend sei vielleicht noch zu vermerken, dass Ralf und Rudolf gerne in Möllers Eck, bei Doris, ihren Frühschoppen einnahmen, später schloss sich sogar Magda an, ich und Bianca ließen uns natürlich auch des Öfteren bei Doris blicken, wegen der Atmosphäre, die irgendwie so urig, so authentisch und so gleich bleibend „gut“ war. Magda erzählte mit einmal bei Möller, als ich mit ihr ganz alleine in der Ecke saß: „Das Theaterstück welches wir schreiben, wird: Brillant, denn die ersten zwei Kapitel sind im Kasten. Du musst das Theaterstück als eine Abrechnung mit der Demokratie in diesem Land verstehen, wir, die das Stück in Worte fassen, wir wollen die Demokratie nicht abschaffen, wir wollen sie reformieren. Und wir werden innerhalb des Stückes klar und deutlich Namen preisgeben, Namen die jeden Tag in den Medien für Unverständnis sorgen bei dem normalen Bürger auf der Straße. Auch so ein hinterhältiges Schwein wie Roland Koch von der CDU wird sein Fett abbekommen. Übrigens, die CSU hat ebenfalls, genauso wie die FDP, Spendengelder von einem- und demselben Unternehmen erhalten – unglaublich, wenn du mich fragst... ist doch scheiße, oder?“ „Ja!“ Sagte ich. „Den Roland Koch, den kann ich auch nicht ab!“ Fauchte Doris mit hasserfülltem „Gesicht“ in Magda ihr „Gesicht“, während sie uns das Bier und den Apfelkorn servierte, dann setzte sie sich wieder zu Mona, die bereits seit den frühen Morgenstunden in der Kneipe am Tresen saß und vor sich hinwinselte. Während Magda mir noch einige politische Details aus dem Theaterstück, das noch keinen Namen hatte, erzählte, sah ich in Richtung Mona, die ihrer besten Freundin, Doris, relativ laut, also für alle Gäste verständlich, aus ihrem Leben erzählte, ich konnte beinah „alles“ verstehen, denn Magda sprach doch eher leise zu mir – im Gegensatz zu Mona: Das Elend in Persona. Mona war mittel- bis ziemlich stark alkoholisiert an jenem Tag, pleite war sie außerdem, dennoch gewährte ihr Doris noch einen Korn, sowie ein großes Bier vom Fass. Zwischenzeitlich war Magda zum Scheißen auf die Toilette im Keller verschwunden, sie wurde von Hämorriden, gepaart mit blutigen Durchfällen, gemartert, darum konnte ich Mona nun aufmerksam zuhören, sie sagte zu Doris: „Mit 16 habe ich zum ersten Mal Heroin gespritzt, mit 17 ackerte ich auf dem Straßenstrich in St. Georg, mit 20 kam ich in die Klapse und seitdem hänge ich eigentlich nur noch hier bei dir ab. Aber ich bin nicht undankbar, oh nein, ich habe meine eigene Wohnung mitten in Altona, die von der Sozi bezahlt wird, ich ackere nur noch einmal die Woche, um keine zusätzlichen Leistungen beim Amt beantragen zu müssen, kurz um, es geht mir verhältnismäßig gut, nur „heute“ eben nicht.“ „Außerdem hast du „schon wieder“ Schulden hier in der Kneipe, Moni-Mausi,“ sagte Doris ungewöhnlich ernst. Daraufhin sagte Mona: „Das könnte ich doch, wenn man es ganz genau nimmt, bei dir „untenherum zwischen den Schenkeln“ ablecken, nicht wahr?“ Nun veränderte sich Doris ihr Gesicht, sie grölte: „Sag mal, hast du sie noch alle? Dir hau ich gleich so dermaßen was in die Fresse, dass du dir in Zukunft überlegen kannst, wo du dich schon früh am Morgen vollaufen lässt.“ Nun bekam Mona es mit der Angst, denn sie wusste, dass sie den Bogen überspannt hatte, hastig schnappte sie sich ihre Giro-Konto-Karte und rannte angetrunken über die Straße, um Geld abzuholen, von einem Geldautomaten. Als sie zurückkehrte, gab sie Doris einen Fünfzig-Euro-Schein, dabei küsste sie Doris, für meine Begriffe, wieder einmal „etwas zu lange“ auf den rot geschminkten Mund. Mona sagte zu Doris: „Die restlichen 10 Euro sind selbstverständlich Trinkgeld. Ich möchte mich hiermit bei dir entschuldigen, denn, das ist heute nicht mein Tag, ich saufe zu viel, ich rede Scheiße, ich könnte mich von oben bis unten bekotzen, außerdem denke ich immer an Roland Koch von der CDU, der die Hartz IV Empfänger am liebsten alle aufhängen würde. Ist der noch normal, oder ist der schon genauso verwirrt wie ich?“ „Ist schon in Ordnung,“ sagte Doris, „aber „dich“ muss man ab und zu einfach mal in den Arsch treten, sonst verlotterst du. Und Roland Koch sollte man aus dem Land jagen, der hat hier nichts zu suchen, diese Drecksau.“ Ich schmunzelte, denn erneut küssten sich beide, für meine Begriffe, wieder einmal, etwas zu lange auf den Mund. Kurz darauf erschien Magda. Verschwitzt, zittrig und ein wenig beunruhigt. „Meine Hämorriden werden mich noch mal ins Grab bringen,“ sagte sie, „das viele, viele Blut, die vielen, vielen Schmerzen, dann dieses fürchterliche Jucken... was für eine Scheiße? Ich lass den Kram noch mal veröden, dann muss es „das“ aber auch gewesen sein.“ Nach diesen Sätzen bestellte sie erneut Bier sowie Apfelkorn für uns. Wir hatten gerade den Apfelkorn mit Schwung zu uns genommen, da ging die Kneipentür auf, es war, man lese und staune: Ede Liedloff. Sie, meine Damen und Herren, haben ihn bereits vor ein paar Seiten kennen gelernt. Er trug an jenem Tag eine grüne Bomberjacke, eine dunkle Stoffmütze, eine Sonnenbrille und er begrüßte uns alle mit einem kräftigen: „Halleluja!“ Niemand bei Möller reagierte darauf, man nahm ihn, Ede, lediglich zur Kenntnis – mehr nicht. Er setzte sich, nachdem er mich erkannt hatte, zu mir und zu Magda an den Tisch; ich machte die beiden bekannt; Ede war mal wieder in finanziellen Schwierigkeiten... ließ er uns wissen, ich gab daraufhin für ihn ein Bier aus, - ja und während er sich eine: Selbst gedrehte Zigarette in die Indische Haschpfeife steckte, die Zigarette anschließend entzündete und daran sog, servierte Doris ihm sein Bier, er bedankte sich lächelnd, er bedankte sich sogar „zwei Mal“ bei Doris, doch das ließ „sie“ kalt. - Die ersten Schlucke vom Gerstensaft taten ihm, Ede, gut, wir sahen es ihm förmlich an, er machte nämlich: Ahhh, nachdem er das Bierglas wieder abgesetzt hatte. Dann jedoch begann er, mit tiefer, versoffener Stimme zu erzählen; anfänglich nur Alltäglichkeiten, ohne einen nennenswerten Inhalt; Augenblicke später jedoch ging er in Detail. „Hört mal genau zu, ich habe da einen Plan,“ sagte er, und schob dabei seinen Kopf über den Tisch, so dass er uns mit seiner Nasenspitze fast berührte. „Was denn für einen Plan, du klingst so geheimnisvoll?“ Fragte ich. „Er ist noch nicht vollkommen ausgereift der Plan, aber er wächst und gedeiht mit jedem Augenblick, ich schwöre es euch, es ist ein guter, ein raffinierter Plan.“ „Hört, hört, aber: War es das schon, oder kommt da noch was?“ Fragte Magda schnippisch. - Nun wurde Ede säuerlich, beinah schon ärgerlich, er schob seine Sonnenbrille hin und her; dann setzte er sie ab; dann wieder auf, und dann sagte er: „Es ist etwas Geschäftliches, Gnädigste! Etwas, das man nicht so einfach von sich gibt!“ „Ede,“ sagte ich, „was ist: Sache, spuck es aus, sonst sterben wir vor Neugier?“ „OK, es dreht sich um Barbara, die ferngesteuerte Spielzeugratte, die in Ingo Wilff seiner Bahnhofskneipe in Hamburg-Harburg, ab und zu, hinter dem Tresen steht und die Gäste nervt. Ich habe mir die Alte mal unter die Lupe genommen, und äh... dass die nicht mehr ganz normal ist, das ist auch „mir“ klar, aber ich würde sie gerne für einen „Coup“ der ersten Güteklasse einsetzen.“ „Etwa etwas Kriminelles?“ Fragte Magda. „Gnädigste,“ sagte Ede, „etwas Geschäftliches, eventuell etwas Kriminelles, oder was auch immer, - letzten Endes bleibt doch alles gleich. Wer will denn schon so „mir nichts dir nichts“ mit zweierlei Maß messen, nicht wahr?“ Ich sagte daraufhin zu Ede: „Du machst es verdammt spannend, nun aber raus mit der Sprache: Was hast du vor?“ Da sagte Ede: „Ich habe 50 Euro Blüten. Und nicht zu knapp! Gute- bis sehr gute Qualität! Ich und Barbara wollen, immer dann, wenn Ingo dienstfrei hat, die Blüten gegen „richtige Scheine“ austauschen. Barbara hat bereits zugesagt. Sie hat mir darüber hinaus erzählt, dass sie- und Diane, Ingo, schon seit Jahren im Bereich des Alkoholausschankes bescheißen und „er“ merkt es nicht. Jenny, die übrigens enorm viel an Pfunden verloren hat, ist auch mit eingeweiht. Klartext heißt das: Ich, Jenny, Diane und Barbara haben eine sichere Einnahmequelle, denn die Zukunft sieht, bei dieser Politik, in diesem Land, für uns alle, alles andere als positiv aus.“ „Klingt nicht schlecht,“ sagte ich, „aber was können „wir“ für dich tun, was stellst du dir vor?“ „Ich stelle mir folgendes vor: Du, Magda und eventuell einige andere aus dem Hotel, ihr kauft bei mir Blüten, um sie dann unters Volk zu mischen, mehr ist nicht zu sagen. So mache ich gute Geschäfte und ihr auch, alles klar?“ „Dürften wir vielleicht mal „eine“ von diesen Blüten sehen?“ Fragte Magda. „Ja,“ sagte Ede, „aber nicht heute- und nicht hier. Wir treffen uns im „Hotel Lüders“, in den nächsten Tagen, ich melde mich vorher bei dir, Jürgen, und dann bringe ich die Ware mit, wenn euch das recht ist?“ „OK,“ sagte ich zu Ede, und auch Magda nickte mit dem Kopf. Ede erhob sich daraufhin und ging fort, er verabschiedete sich von Doris mit einem extrem lauten: „Tschüssily!“ Keiner nahm von diesem seltsamen Verabschiedungs-Ritual, welches Ede im Laufe von Jahrzehnten entwickelt hatte, Notiz, ich eigentlich auch nicht, denn ich kannte das schon aus Ingo seiner Bahnhofskneipe, wenn Ede sich bei den Gästen verabschiedete.
„Komischer Kauz,“ sagte Magda zu mir. Und sie fügte an: „Wenn die Blüten nun „gut“ sind, - was sollen wir machen?“ „Wir sollten vor allem nicht zu lange warten, dass er das Geschäft mit jemand anderen macht.“ „Du vertraust ihm? Willst du mir das damit sagen?“ „Nun... wenn die Blüten wirklich gut sind, dann ja!“ – Tage vergingen, doch mit einmal klingelte mein Handy, es war Ede Liedloff. Ich saß gerade alleine vor der Glotze und guckte die Ludollf`s – 4 Brüder auf einem Schrottplatz in Dernbach im Westerwald. „Hallo,“ sagte ich, „wie stehen die Aktien, wann kommst du, Ede?“ „Morgen um 11:15 Uhr bin ich im Hotel, sorge dafür, dass „wir“ mit Magda „alleine“ bei dir im Zimmer sind, alles klar?“ „Alles klar, Chef!“ Sagte ich. Und Ede erschien pünktlich. Ich hatte Rudolf Lüders instruiert, Ede ohne Probleme, oder Fragen zu stellen, zu mir durch zu lassen – es lief alles glatt. Auf die Minute genau saßen ich, Magda und Ede bei mir im Zimmer am Tisch und tranken einen Scotch. „Ich habe noch nie erlebt, dass du so dermaßen pünktlich bist, seitdem ich dich kenne?“ Sagte ich zu Ede. Doch Ede reagierte gar nicht auf meine Feststellung, stattdessen holte er eine Brieftasche hervor, welche von 50 Euro-Blüten nur so überquoll – ich wurde stumm, Magda auch. Dann drückte uns Ede einige Blüten in die Hand, um diese zu prüfen, was wir auch taten. Die Qualität, vor allem die des Papiers, war sagenhaft, kein Unterschied zu richtigem Geld war vorhanden, sogar die Hologramme waren so täuschend echt, dass Magda zu Ede sagte: „Das ist fast unglaublich, das ist der absolute Wahnsinn. Woher bekommt man so eine derartig hochwertige Ware, mein Herr?“ „Gnädigste,“ sagte Ede, „die Welt steckt voller Geheimnisse, wollen wir, die Menschen, sie wirklich alle lüften, nur um unsere Neugier zu befriedigen?“ „Himmel, Herr Gott noch mal,“ sagte Magda zu Ede, „werden Sie mir bloß nicht zu literarisch, unser Jürgen nämlich, der verfasst all das, was wir begehren und in uns tragen, nicht wahr, Jürgen?“ Fragte mich Magda. „In der Tat,“ sagte ich. Und ich fügte hinzu: „Ich werde jetzt, nachdem ich gesehen- und gefühlt habe, was auf mich zukommt, kaufen.“ „Das werde ich auch,“ sagte Magda voller Tatendrang. „Auf ein gutes Gelingen,“ sagte Ede, und er erhob dabei seinen Scotch, wir stießen feierlich mit ihm an. Magda und ich kauften erst einmal für 1000 Euro Blüten, Magda hatte das hierfür notwendige Geld aus ihrer Privatschatulle entnommen, ließ sie uns wissen, – warum sie über soviel Bargeld verfügte blieb mir schleierhaft... Später mehr zum Thema Blüten!
Denn:
Am 22. Januar 2010, kam es in Deutschland zu einem Ereignis, womit niemand gerechnet hatte. Was war geschehen? - Dem korrupten hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch hatte eine Gruppierung, unter mithilfe einer Bomben-Attrappe, das Fürchten gelehrt. Koch, der aufgrund von zweifelhaften Kommentaren über Hartz IV Empfänger sowieso schon im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand, genoss nun endlich die Aufmerksamkeit, die er sich immer gewünscht hatte.
Doch zurück zu den Blüten. Niemand erfuhr von mir oder von Magda etwas über diese „ganz neue Art“ von Geschäft, auch meiner treuen Maus gegenüber vermied ich jede, auch nur, leiseste Andeutung. Dass mit Blüten nicht zu spaßen ist, das war auch mir klar, aber die damalige Situation machte diesen Schritt nun mal erforderlich. Und desto geschockter waren ich und Magda, dass Ede, von heut` auf morgen, nicht mehr liefern konnte – der Blüten-Deal war hinfällig geworden.
Was war geschehen?
Ede hatte, angetrunken und im Siegestaumel, in anderen Hamburger Kneipen erzählt: „Ich muss bald gar nichts mehr machen, ich mache „in Blüten“, ich habe es nicht mehr nötig auf dem Wochenmarkt in Hamburg-Harburg Gemüse einzukaufen, damit ich mir was zu fressen machen kann. Ab jetzt werde ich wieder das Feinste vom Feinsten in mich hineinschaufeln und hineingießen. - Ab dafür! Ich bin unschlagbar! Wer kann mir schon das Wasser reichen? Mich werden die Bullen nicht dran kriegen, weil ich nämlich Grips in der Birne habe!“ Genau einen Tag nach diesem spektakulären Höhenflug an Selbstüberschätzung, wurde Ede von der Polizei in seiner Wohnung verhaftet. Ede lag gerade mit einer Prostituierten auf dem Sofa und lies sich einen blasen, als die Beamten seine Räumlichkeiten betraten, denn Ede seine Wohnungstür war offen gewesen, man brauchte nur die Türklinke runterzudrücken, und schon stand man im Wohnzimmer des Tatverdächtigen. Ede hatte Kokain konsumiert, die Prostituierte ebenfalls, die Beamten forderten Ede auf, sich anzuziehen, was er auch umgehend tat, die Prostituierte zog sich ebenfalls an, nahm das Geld vom Tisch und verschwand. – Noch am selben Tag, in den späten Abendstunden, wurde Ede allerdings entlassen, er informierte Magda und die informierte mich. Es war ein absolutes Scheißgefühl, dass dieses Geschäft geplatzt war, denn einst hatte ja unser Ralf die Kassen wieder gefüllt, indem er per Computer (als Hacker) Buchungen vornahm, dann kam Ede mit seinen Blüten, ja, und mit einmal waren alle Wetten ungültig, ich habe mich zu jener Zeit hundeelend gefühlt. Ich glaube ich habe sogar bei uns im Hotelzimmer ins Waschbecken gekotzt. Wir, wir alle, standen wieder vor dem Ruin, Hartz IV war erneut angesagt, aber, darauf hatte ich keinen Bock, ich konnte Hartz IV nicht ertragen, es machte mich krank und aggressiv. Also ließ ich mir von der Hamburger Jobvermittlung einen: Befristeten und relativ hoch bezahlten 4 Wochen Job geben.
Zwischenzeitlich hatten mir Arthur Grisham und Bert Teufel, bei einem Scotch in der Kellerbar des Hotels (des ehemaligen Club: „Tahiti“) erklärt, dass das Theaterstück fürs Erste gestrichen ist. Arthur sagte damals zu mir: „Ein Film, vielmehr eine dreistündige Dokumentation über die Stadt Hamburg werden wir drehen – der Aktualität wegen. Wir haben das Theaterstück bereits soweit umgeändert, dass es überhaupt keinen Mehr-Aufwand erfordert, um aus dem bisher geschrieben Kram ein Drehbuch zu entwickeln.“ Bert Teufel unterstrich Arthur seine Darlegungen, indem er zu mir sagte: „Ein Film ist greifbarer, er ist zeitloser und somit ein Dokument, welches einen bestimmten Lebensabschnitt festhält. Die Eckkneipe von Möller, Ingo Wilff seine Bahnhofskneipe, aber auch das Homosexuellen-Milieu, das Metro-sexuellen-Milieu, die Filmbranche, die Politik und vieles andere mehr liegen uns am Herzen. Und du, falls du nicht immer nur mit Magda zusammen bist, oder in Hamburg-Harburg dein Unwesen treibst, musst für volle 3 Stunden deine Musik zur Verfügung stellen, ist das wohl so ohne weiteres möglich?“ „Ja,“ sagte ich, „so aus dem Stegreif heraus sollte das kein Problem sein.“ Und ich gestehe, dass mir diese Filmproduktion doch sehr gelegen kam, sie war seiner Zeit eine Abwechslung für mich. Ich möchte das folgendermaßen erklären: Wir waren alle mal wieder irgendwie erledigt, nichts Richtiges lief wunschgemäß. Ralf saß meistens angetrunken mit Rudolf Lüders, und dem eigensinnigen Papageien „Kapitän Vallo“, an der Rezeption des Hotels. Die Grishams, Bert Teufel und Magda geigten mit einer Filmkamera durch die Gegend und quatschten Leute auf der Straße an, um sie zu: Hartz IV, Angela Merkel, Roland Koch, dem schwulen Außenminister Guido Westerwelle und um sie natürlich auch zu völlig anderen Themen zu befragen. Chantal malte den ganzen Tag, oder sie lamentierte in Möllers Eckkneipe mit Doris sowie Mona über: Alkohol, Drogen, Extremsex sowie Tabletten. Kirstin Lüders und die Studentin ackerten nach wie vor im Hotel, aber sie gingen auch gerne bummeln, sie hatten sich von uns anderen ein wenig abgenabelt, - sie machten ihr eigenes Ding. Heide Lüders und Bianca hatten sich auch erneut gefunden, stundenlang beschäftigten sie sich mit Modejournalen, beide planten sogar eine eigene Kollektion. Jeder war also irgendwie beschäftigt, aber die Beschäftigung als solches brachte kein Geld, darum hatte ich mich ja auch an die Jobvermittlung in Hamburg-Mitte gewandt.
Doch bevor ich darüber schreibe, oder auch nicht, möchte ich „Sie“, meine Lieben Leser, bitten, dass Sie Ihr Augenmerk auf die schmuddelige, mit Bakterien verseuchte Bahnhofskneipe von Ingo Wilff richten, wo ich gelegentlich mein Hefeweizen trank, wenn ich mich in Harburg befand. Ingo, der streitsüchtige Besitzer, hatte im Januar 2010, in einem militärischen Ton, zu mir gesagt: „Ich weiß, dass Diane, diese asoziale Schlampe, und auch Barbara mich bescheißen. Aber, und das ist wichtig, ich habe vorgesorgt, ganz still und heimlich, ohne dass es jemand mitbekommen hat. Denn, ich lass mich doch nicht von meinen eigenen Angestellten von hinten ins Knie ficken. Wo sind wir denn?“ „Könntest du etwas genauer werden?“ Fragte ich Ingo. Daraufhin sagte er zu mir mit einer „Tasse Wodka“ in der Hand: „Ich habe sehr oft das „echte Geld“ in der Kasse, wenn absolut „niemand“ darauf achtete, gegen „unechtes Geld“ ausgetauscht- bzw. austauschen lassen. Somit konnten weder Diane noch Barbara mich bescheißen!“ „Du hast den beiden Blüten untergejubelt, willst du mir das damit sagen?“ Fragte ich entgeistert. „Jawohl, das habe ich getan, und das will ich auch damit sagen. Ich habe die Blüten letztes Jahr organisiert, nachdem mich ein Spion aufmerksam gemacht hatte, dass Diane und Barbara falsches Spiel spielen.“ „Ist der Spion vielleicht, der uns allen bekannte: Michael Jürf?“ „Ja! Er ist es! Deine Kombinationsgabe ist wirklich beachtlich,“ sagte Ingo, dabei strich er sich mit der flachen Hand über sein fettes, versoffenes und zudem verschwitztes Gesicht. Dann stießen wir miteinander an. – Wir hatten gerade abgesetzt da ging die Tür auf, zum Vorschein kam Ede Liedloff, mit HSV-Mütze, mit Hornbrille und mit einem Korb voller Gemüse, welches er auf dem Harburger Wochenmarkt gekauft hatte. Ede setzte sich zu uns. „Ein Astra bitte,“ sagte Ede. Lässig latschte Ingo zum Zapfhahn, nahm ein Glas, ließ den Gerstensaft einlaufen und stellte das Glas erst mal zur Seite, damit der Bierschaum sich ein wenig absenken konnte. Unterdessen hatte sich Ede eine selbst gedrehte Zigarette auf seine Indische Haschpfeife gesteckt, er entzündete diese; anschließend griff er in den Korb der voller Gemüse war, er fingerte hierbei einen schrumpeligen, unappetitlich anmutenden „genmanipulierten, überdimensionalen Apfel“ hervor und fraß ihn samt Stängel und Körner auf. Ich, sowie Ingo, beobachteten Ede, aber er, Ede, sagte nichts. Nach 3-4 Minuten, servierte Ingo ihm sein Bier, Ede setzte sofort an, und ließ die goldbraune Brühe durch seinen Schlund laufen, wir konnten jeden einzelnen Schluck und Gluckser hören... ja, und als er damit fertig war, ging erneut die Kneipentür auf – es kam der: Psychisch kranke, von seinen Eltern verhätschelte, unselbständige, sowie unbeholfene Michael Jürf (wenn man vom Teufel spricht) herein. Er sagte zu uns: „Da bin ich wieder! Da... äh, bin ich wieder, ich bin wieder da. Bekomme ich auch ein Bier, Ingo?“ „Ja, du Fettwanst,“ sagte Ingo, und stellte ihm eine bereits geöffnete Flasche vor die Nase. Michael trank ganz in Ruhe, dennoch war er von einer inneren „Unruhe“ getrieben, irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Und als es offensichtlich war, dass ihn der Wahnsinn in seinen Bann zog, da fragte Ingo: „Michi, du durchgeknalltes Mastschwein, was ist mit dir?“ Da sagte Michi: „Ich, ich, ich würde gerne Musik machen! Ich habe auch Kleingeld dabei, darf ich Musik machen, darf ich ein paar Titel drücken, da, da, da, darf ich das, Ingo?“ „Ja, logisch,“ sagte Ingo, „aber nicht so`n wilden Kram.“ Also erhob sich Michi, und bewegte seinen aufgedunsenen sowie aufgeblähten Körper zur Musikbox; dort angekommen nahm er eine 2 Euromünze aus seiner völlig verdreckten Hose, steckte diese grinsend in den Kasten und drückte seine Lieblingsmucke; deutschen, gähnend langweiligen Schlager aus den siebziger Jahren. – Ich war total genervt! Ingo und Ede klatschten jedoch, hingerissen, im Takt mit, und Michi sang sogar unerträglich laut dazu, ich hingegen hielt mich zurück, denn ich ertrage die meisten deutschen Schlagertitel nicht, meine Nerven fangen dann an zu rebellieren. Ich bestellte mir einen Scotch sowie ein weiteres Hefeweizen, um mich im Geiste mit anderen Dingen zu beschäftigen. Nach 20 endlosen Minuten hörte das Gedudel dann endlich auf. Nun begann Michi unaufgefordert von seiner Mutter zu erzählen, er sagte, mit hochgezogener Oberlippe, so dass sein fettes Gesicht noch mehr zur Geltung kam: „Auch, wenn mir das hier keiner glaubt, aber am liebsten liege ich mit meiner Mutter, Christa, den ganzen Tag nackend auf der Couch, und wir beide gucken uns Wahlwerbespots von der CDU an – auf DVD. Und wenn meine Mutter währenddessen meinen Pimmel massiert, vor allem die Eichel, also, dann kriege ich immer einen Steifen, das kribbelt so schön, es macht mir ungeheuren Spaß, echt ey.“ Wir sahen uns, alle wie wir da waren, nach diesem Geständnis, fassungslos an. Ingo murmelte das Schlimme Wort: „Inzucht.“ Ede fing unnormal heftig an zu keuchen, es war so eine Art von schwerem Hustenanfall, welcher an einen Zustand von Bronchitis mit Auswurf erinnerte. Und ich, ich dachte mir meinen Teil. Dennoch, als wir den ersten Schock überwunden hatten, da sagte Ingo: „Also, Michi! Hast du sie noch alle? Geht es dir, da oben im Kopf, noch gut, oder was?“ Michi schüttelte daraufhin sein massiges Gesicht, von einer Seite auf die andere, so dass sich seine fetten Wangen in Bewegung setzten, bevor er sagte: „Ist das etwa verboten, mit der Mutter CDU Wahlwerbespots anzugucken?“ Nun brachte sich Ede ins Gespräch, er sagte zu Michi: „Michi, darum dreht es sich doch gar nicht. Es dreht sich viel mehr darum, dass du mit „deiner eigenen Mutter“ so etwas nicht machen darfst! Es gibt gesetzliche Regelungen für Inzucht, so etwas ist strafbar, es ist kein Kavaliersdelikt! Verstehst du das?“ Michi wurde zunehmend aufgeregter; immer wieder rieb er, abwechselnd, seine Hände, (leicht gedreht, mit den Außenseiten) gegeneinander, unnormal heftig, es war fast schon ein Krampf. Doch plötzlich sagte er: „Dann wäre es also besser, ich würde mit meiner Mutter Wahlwerbespots von der: SPD, der FDP, oder von den Grünen gucken, oder was?“ „Mensch Michi,“ sagte Ingo, „bist du denn total verblödet, oder tust du nur so? Will das nicht in deinen krank gesoffenen Schädel rein, dass das, was du da mit deiner Mutter treibst strafrechtlich belangt werden kann?“ Michi blieb nach dieser Frage stumm und uneinsichtig, denn er schüttelte nur noch heftiger mit dem Kopf. Er leerte seine Bierflasche, er bezahlte seine Zeche und ging dann durch die Tür nach draußen ohne „tschüss“ zu sagen...
Nachdem er weg war, sagte Ede: „Es ist dumm, fett, wehleidig und von den eigenen Eltern total verhätschelt, er ist im Grunde genommen der letzte Dreck.“ „Ja,“ sagte Ingo, „aber er tut mir auch irgendwie leid, denn er hatte noch nie eine Freundin, er kann sich selber nicht mal eine Scheibe Brot schmieren, er wird von jedem nur ausgenutzt und verarscht, er ist im Grunde genommen eine Made im Speck der Demokratie.“ „Fängst du jetzt mit Politik an, um ihn- sowie sein merkwürdiges Verhalten zu rechtfertigen?“ Fragte Ede. „Nein,“ sagte Ingo, „für mich ist nur wichtig, dass er aus einer Familie kommt, welche der CDU kontinuierlich die Treue hält, gerade jetzt in Zeiten einer ständig steigenden Politikverdrossenheit. Michi ist vom Kern her nicht schlecht, nicht schlechter als andere, er ist zwar bisexuell, er scheißt seine Kumpels an, er redet auch über mich- und über meine Angestellten schlecht, besonders über Gesine, er schreibt dauernd Getränke an, weil er permanent pleite ist, er hat, um es ganz genau zu sagen: Häufig kein Geld! Er ist arbeitsscheu, er ist hinterhältig, er bestiehlt seine Eltern, er ist ein gnadenloser Schwachkopf, - ja, all das ist er, und trotzdem, wünschte ich: Er wäre mein Sohn. Er berührt mich. Ich liebe ihn, ich könnte es nicht ertragen, wenn er eines Tages nicht mehr käme.“ „Sonst geht es dir: Danke, oder was?“ Fragte Ede. Ingo lächelte jedoch nur verschmitzt, er sagte ein bisschen melancholisch: „Ach, Ede... Michi und ich, das sind Bande, Bande die es nicht so einfach gibt, - in der von Gott geschaffenen Natur. Natürlich hat Michi es nicht immer „nur leicht“ gehabt im Leben, aber er ist doch auch ein Mensch, und das ist das, was wirklich zählt, nicht wahr?“ Ede steckte sich erneut eine Zigarette an – er sagte zu Ingo seiner Weltanschauung nichts. Dass an dem Tag noch andere Gäste in der Bahnhofskneipe waren, muss ich, glaube ich, nicht erwähnen? Aber ich schreibe es trotzdem nieder, damit nicht der Eindruck entsteht, wir dümpelten da so alleine vor uns hin. Es war Helmut, der Vater von Gesine, der plötzlich das Wort aufgriff, er sagte: „Michi ist, aus meiner Sicht der Dinge, nichts weiter als ein Trampeltier. Ja, und wenn ich schon seine dumme Fresse sehe, dann könnte ich da sofort hineintreten.“ – Mit Ausnahme von Ingo, stimmten ihm alle Gäste zu. Zwischenzeitlich war Barbara aufgetaucht. Sie, die ferngesteuerte Spielzeugratte, gab sich ungewohnt freundlich. Sie fasste Ingo ohne Vorwarnung an die Wurzel und steckte ihm die Zunge tief in den Hals, es war die übliche Begrüßung, welche Ingo bei seinen Bediensteten eingeführt hatte, um Vertrauen und Zuversicht zu vermitteln. Dass Ingo mit all seinen „Damen“ geschlafen hatte, war zumindest in Harburg, allseits bekannt, wenn auch nur als: Gerücht. Barbara, die bereits die 60 überschritten hatte, war, um bei ihrer Person zu bleiben, nach wie vor, eine hinterhältige, in die Jahre gekommene: Gift-Tarantel, die alles tat, nur um nicht „richtig“ arbeiten zu müssen. Die Bahnhofskneipe war ihr Zuhause geworden, sie fühlte sich dort so, als, wenn ihr der Laden persönlich überschrieben worden wäre. Aber wie war sie als „Mensch“ zu bewerten? Nun, sie kam aus einer verkommenen, politisch jedoch radikalen Familie, der Vater war nach dem zweiten Weltkrieg im Alkoholwahn, mit einer Hakenkreuzfahne um den Kopf gewickelt, vom Harburger Rathaus in einen Misthaufen gesprungen; die Mutter, die selber schwere Alkoholprobleme hatte, gab ihre Tochter, Barbara, in ein staatliches Erziehungsheim, damit sie der totalen Verwahrlosung entfliehen konnte. - Und, die Idee, die Tochter von fremden Händen aufziehen zu lassen, war ja auch nicht verkehrt gewesen, dennoch hatte Barbara es nicht geschafft den geraden, den ehrlichen Weg zu gehen. Oft und regelmäßig stand sie vor dem Jugendrichter, wegen: Prostitution, Diebstahldelikten und versuchten Totschlags. Barbara verbrachte viel Zeit im „asozialen Brennpunkt“ der Stadt Hamburg, regelmäßige Arbeit war nicht ihr Elixier; nur selten ließ sie sich vom Arbeitsamt eine Stelle als Bedienung, oder als Packerin in der Fabrik zuweisen. Später, mit Anfang vierzig, war sie sehr häufig im Frauengefängnis anzutreffen, dort verliebte sie ich auch in eine Wärterin, mit der sie nach Beendigung ihrer Haftstrafe zusammenzog. Doch als Barbara erneut- und immer öfter zu: Alkohol, Tabletten sowie Drogen griff, brach ihr gesamtes Leben plötzlich ein. Irgendwann in den achtziger Jahren tauchte sie bei Ingo Wilff auf... Ingo, der durch seine „besonderen sexuellen Wünsche“ bei ihr eine gewisse Aufmerksamkeit erregte, oh ja, er wurde ihr bester Freund, gerne ließ sie sich gegen Bargeld von ihm brutal durchbumsen, denn Ingo zahlte nicht schlecht, wenn er schärfer war als Puma-Pisse und daraus auch keinen Hehl machte. Aber, und das ist unbedingt wichtig, Barbara hatte immense Anpassungsschwierigkeiten, sie war kein pflegeleichter Mensch, sie war der Typus Frau den man lieber nicht den ganzen Tag um sich herum haben wollte. Ede sagte damals zu ihr: „Na, was schnackst du denn so, meine Süße?“ Daraufhin sagte Barbara zu ihm: „Wenn du wieder Rente bekommst, falls du Rente bekommst, dann darfst du dir etwas Besonderes wünschen, mein Dickerchen.“ Ede „griente“ nach diesem verlockenden Angebot vor sich hin, er war selig, er war hocherfreut, er strahlte wie ein Honigkuchenpferd und er massierte dabei, in kaum zu fassender Vorfreude, seinen versteiften Dödel. Ingo sagte dazu: „Also, dass ihr beide miteinander „auch“ verkehrt, das hätte ich nun aber wirklich nicht gedacht.“ „Wieso?“ Fragte Ede. „Denkst du etwa ich kann nicht mehr so richtig, oder was?“ „Ich denke gar nichts,“ sagte Ingo, „ich wundere mich nur, denn, ich lass mir, aus Altersgründen, Bezug nehmend auf Barbara, von ihr nur noch gelegentlich einen blasen. Ich bevorzuge Frischfleisch, junges Gemüse zum: Nageln!“ Barbara wurde nach dieser Erklärung von Ingo ein wenig aggressiv, sie goss sich einen dreifachen Korn ins Wasserglas und leerte dasselbige in einem Zug, anschließend ging sie zum Pissen auf Toilette. – „Ich muss mal,“ sagte sie zu Ingo, so dass alle Gäste es hören konnten.