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Vorwort von Monika Griefahn

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In Momenten großer Katastrophen – sagen wir: bei einem Terroranschlag, einem Störfall in einem Atomkraftwerk oder auf persönlicher Ebene beim Unfall eines Kindes – zeigt sich immer wieder das gleiche Bild: Menschen lassen all das stehen und liegen, womit sie gerade beschäftigt sind, sie eilen nach Hause zu den Menschen, die sie lieben. Nur diese sind wichtig. All das, was vorher wichtig schien und in der Regel den größten Teil des Tages eingenommen hat, ist nichtig. Berechtigterweise stellt sich da die Frage, ob wir Menschen uns wirklich die Welt geschaffen haben, in der wir auch leben wollen?

Jakob von Uexküll beantwortet diese Frage mit Nein, weil zu viele Menschen nicht vom heutigen System der globalisierten Märkte profitieren. Weil nur wenige überhaupt davon profitieren und das auf Kosten der Mehrheit. Er geht noch einen Schritt weiter. Das System, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint – zumindest machen Machthaber da keine ernsthaften Versuche – ist selbstzerstörerisch. Es ist ein Wirtschaftssystem, das die Natur zu integrieren versucht, ohne anzuerkennen, dass dieses Verhältnis umgekehrt sein muss, soll es nicht das Ende lebenswerten menschlichen Lebens auf dieser Erde bedeuten. Das Klimachaos, das nicht mehr zukünftig, sondern gegenwärtig ist, stürzt die Welt in eine Krise nie gekannten Ausmaßes – und derzeitige Machthaber aus Wirtschaft und Politik haben darauf keine hinreichende Antwort. Zumindest keine, die schnell genug greift.

Doch Uexküll steckt nicht den Kopf in den Sand. Weil es einen Ausweg gibt. So unterschiedlich die Staaten dieser Erde auch organisiert sein mögen, es gibt in den Bevölkerungen einen Wertekanon, der in allen Ländern nahezu gleich ist. Mitgefühl, Freundschaft, Gerechtigkeit, Teilnahme, eine saubere Umwelt, stabile Gemeinschaften, Kultur, Großzügigkeit und gute Arbeit werden auf der ganzen Welt als wichtige Tugenden und Voraussetzungen eingeschätzt. Menschen können der dominanten wirtschaftlichen Globalisierung somit globale Werte entgegensetzen. Katastrophen und der eingangs beschriebene Reflex darauf sind der Beweis für die Kluft zwischen der von Menschen gemachten Realität und den Werten, die die allermeisten von uns gottlob immer noch haben.

Um der wirtschaftlichen Dominanz und einer instrumentalisierten Politiker-Klasse eine ethisch-moralische Lösung aus der Krise entgegenzusetzen, hat Jakob von Uexküll den Weltzukunftsrat gegründet. Er soll die globale Stimme für die Menschen sein, die eine andere Weltordnung wünschen. Er soll wichtige Entscheidung ethisch überprüfen und gemeinsame Bürgerwerte vertreten. Er will Kindern sowie unserer Zukunft eine Stimme geben. Jakob von Uexküll geht den richtigen Weg. Ich war lange Jahre selbst Politikerin, fühlte mich als Person aber nicht angegriffen von seinen Analysen des herrschenden Systems. Ich erlebte in meiner Arbeit als Bundestagsabgeordnete an konkreten Beispielen oft genug, dass Uexküll Recht hat. Wenn beispielsweise Regenwald abgeholzt wird, um Palmölplantagen zu errichten und die Ernte ins Ausland zu verkaufen, während Teile der Bevölkerung des eigenen Landes in Hunger leben, läuft etwas sehr falsch. Hätte ich deshalb meinen Beruf aufgeben sollen, um nicht zur »Politik« zu gehören, zu denen, die das nicht zu verhindern wissen? Nein. Als Umweltaktivistin bei Greenpeace habe ich für eine saubere Umwelt, Artenvielfalt und ethische Werte draußen auf der Nordsee gekämpft, als Parlamentarierin versuchte ich, die Weichen so zu stellen, dass Ethik und Moral, aber manchmal auch die Zukunft, das Leben, den Einfluss bekommen, der ihnen gebührt. Heute arbeite ich daran, auch Unternehmen zu gewinnen, richtig zu handeln.

Mit Jakob von Uexküll verbindet mich eine langjährige Freundschaft (2010 feierten wir Silberjubiläum) genauso wie unsere gemeinsame Arbeit im Vorstand und in der Jury der von ihm ins Leben gerufenen Right Livelihood Award Stiftung, des Alternativen Nobelpreises. Fast 150 Menschen haben wir bereits ausgezeichnet, die mutig und engagiert Werte der Moral und Ethik hochhalten, konkrete Lösungen anbieten und teils unter Gefahr für Leib und Leben verteidigen. Mehr als tausend wurden nominiert. Jakob von Uexküll ist also nicht allein mit seiner Systemkritik, seinen Vorschlägen für eine bessere Welt und konkretes Handeln und seinen persönlichen Konsequenzen wie der Gründung des Weltzukunftsrates. Es gibt viele von uns.

Gesellschaftlich gesehen, haben Aktivisten und Globalisierungskritiker, Wissenschaftler und Bürger, einige Politiker und einige Medien rund vierzig Jahre nach den Anfängen der Umweltbewegung endlich so viel Druck aufbauen können, dass Diskussionen um Klimawandel und Gefährdung menschlichen Lebens sowie biologischer und kultureller Vielfalt auf der Welt nun endlich in Kreisen derjenigen, die Macht haben, diskutiert werden: Wirtschaftsunternehmen, Politiker, Institutionen. Unternehmen, die sich bislang nicht um Umweltschutz geschert haben, geraten ins Hintertreffen.

Zertifikate für fairen Handel, biologischen Anbau und schadstofffreie Kleidung sowie Produkte, die in biologische oder technische Kreisläufe zurückgehen (Cradle to Cradle), treffen den Nerv und den Wertekanon der Verbraucher, sodass weiterer Druck auf jene ausgeübt werden kann, die nach dem Motto leben: Nach mir die Sintflut. Auch wenn Jakob von Uexkülls Analyse der Weltmechanismen in diesem Buch düster ist, findet er doch immer wieder Ansätze, die Hoffnung machen und zu eigenem Engagement ermutigen. Nicht zuletzt sind das seine eigenen Ideen und Handlungen. Die vielen Preisträger des Alternativen Nobelpreises, die auch im Weltzukunftsrat sind, zeigen Lösungen, die funktionieren. So kann der Weltzukunftsrat eine glaubwürdige Lobby für das Leben und die Zukunft sein.

Das sind wir unsern Kindern schuldig

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