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Erstes Kapitel Die Auswanderer

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Inhaltsverzeichnis

Es war im Herbst des Jahres 1804. Der Wind rauschte durch die Kronen der wenigen, vereinzelt stehenden Bäume und wirbelte die welken Blätter weit hinaus über die unabsehbare, hügelige Ebene.

Im Jahre zuvor hatte die Regierung der Vereinigten Staaten den südlichen Teil von Nordamerika, das Land Louisiana, den Spaniern abgekauft, und seitdem ergoß sich ein unaufhörlicher Strom von Auswanderern von Norden her in dieses neu erschlossene Gebiet, um davon Besitz zu ergreifen.

Eine Karawane solcher Auswanderer war es, die an dem Herbstnachmittag, an welchem unsere Erzählung beginnt, langsam aus dem hohlwegartigen Bette eines ausgetrockneten Flusses hervorzog und sich über die Prärie bewegte, die sich endlos vor ihr ausdehnte. Die Karawane bestand aus einer Anzahl schwer mit Haushaltungsgegenständen, Ackergeräten und Proviant beladener Wagen und einer kleinen Herde von Schafen, Rindern und Schweinen, die hinter den Fuhrwerken hergetrieben wurde. Unter dem Leinwandplan eines der Wagen schauten einige flachsköpfige junge Mädchen und Kinder hervor; neben dem Zuge schritt eine Anzahl junger Männer dahin, lauter auffallend große und kräftige Gestalten, auch eine Frau und eine Jungfrau konnte man bemerken. Und obgleich die Karawane ersichtlich schon manche lange Meile zurückgelegt und noch nicht die mindeste Aussicht hatte, bald das Ende dieser öden, trockenen Prärie zu erreichen, so war auf den Gesichtern dieser Auswanderer, die zusammen, klein und groß, etwa zwanzig Seelen zählten, doch weder eine Spur von Ermüdung noch von Ungeduld oder Besorgnis wahrzunehmen.

Im Gegensatz zu den sonstigen Gepflogenheiten solcher Emigranten hatten diese Leute die fruchtbaren Ebenen der nördlichen Staaten verlassen, um auf mühseligen Pfaden, über Schluchten und Ströme, durch tiefe Moräste und steinige Wüsten einer Gegend zuzuwandern, die weit außerhalb der Grenzen der Zivilisation lag. Vor ihnen erstreckte sich die Prärie bis an den Fuß der Felsengebirge, und hinter ihnen, in weiter Ferne, schäumten die trüben, wirbelnden Fluten des La-Platte-Flusses.

In kurzer Entfernung vor der Karawane schritt der Führer derselben, ein hochgewachsener, sonnenverbrannter Mann von schwerem, mächtigem Körperbau, der die Mittagshöhe des Lebens bereits hinter sich hatte. Sein Gang war lässig, fast schleppend, aber wuchtig und energisch; sein breites Gesicht verriet weder große Intelligenz noch edlere Seeleneigenschaften, sein ganzes Wesen erinnerte an die träge, aber wenn es gilt gewaltige und unwiderstehliche Kraft und Entschlossenheit des Elefanten.

Die teils aus groben Wollenstoffen, teils aus gegerbtem Leder bestehende Kleidung des Mannes entsprach dem Berufe desselben und verriet zugleich einen Gefallen an buntem Tand und rohem Luxus. An Stelle des Ledergurtes umschloß eine Schärpe von bunter Seide seinen Leib, der Horngriff seines Messers war mit Silberplättchen geziert; um das feine Pelzwerk seiner Mütze hätte ihn eine Königin beneiden dürfen, die Knöpfe des besudelten und schäbigen Rockes bestanden aus mexikanischen Silbermünzen, mit dem gleichen edeln Metall war der Mahagonikolben und Schaft seiner Büchse reich beschlagen, und die Ketten von nicht weniger als drei wertlosen Uhren baumelten ihm am Leibe. Außer dem Gewehr trug er einen großen Packen auf dem Rücken, an der Seite hingen ihm Jagdtasche und Pulverhorn, dazu hatte er eine mächtige Holzaxt über die Schulter geworfen, und trotz dieser Belastung ging er einher, als hätte er nicht das mindeste zu schleppen.

Ähnlich wie er waren auch die jungen Leute gekleidet und ausgerüstet; man sah denselben auf den ersten Blick an, daß sie des Führers Söhne waren. Der Jüngste, kaum dem Knabenalter entwachsen, war gleichwohl schon so entwickelt, daß er den anderen an Leib und Gliedmaßen nichts mehr nachgab. In der Frau, auf deren Antlitz die Jahre, die Arbeit und die Sorgen tiefe Spuren zurückgelassen hatten, erkannte man die Mutter der Schar; die Jungfrau jedoch schien, nach Gestalt, Wesen und Kleidung zu urteilen, nur wenig mit den Übrigen gemein zu haben.

Langsam, mit knarrenden und quietschenden Rädern, zog die Karawane über das dürre, harte Gras dahin, das die Rinder ab und zu zu fressen versuchten, aber immer wieder als ungenießbar wegwarfen. Als der Abend herniederzusinken begann, richtete der Führer, dessen einziger Wegweiser die Sonne war, seine Gedanken auf die bevorstehende Nachtrast. Auf einer Bodenerhebung angelangt, hielt er die Schritte an und blickte um sich, forschend ausschauend nach einem Orte, der die drei für eine Rast so wichtigen Erfordernisse: Wasser, Feuerholz und Viehfutter, darbieten würde. Da sich noch nichts dergleichen erspähen ließ, setzte er gleichmütig seinen Weg hügelabwärts fort, aber nur eine kurze Strecke; dann brachte ein unerwarteter und seltsamer Anblick den ganzen Zug zu einem plötzlichen Stillstand.

Die Sonne war hinter der nächsten Wellenerhebung der Prärie niedergegangen, rot und glühend lag ihr Schein noch über dem dunkeln, scharf von dem feurigen Himmel abstechenden Lande. Im Mittelpunkt dieses brennenden Scheines aber zeigte sich schwarz, schattenhaft und übernatürlich groß eine menschliche Gestalt, regungslos, in sinnender, melancholischer Stellung. Wie angefesselt blieb der Führer stehen und starrte nicht ohne ein Gefühl abergläubischer Furcht die Erscheinung an; hinter ihm sammelten sich die Söhne. Keiner sprach ein Wort, doch ließ sich hier und da das Knacken eines Büchsenhahnes vernehmen.

Die Stimme der Mutter unterbrach das Schweigen zuerst.

„Laß die Jungen vorgehen, Ismael,“ rief sie laut und scharf. „Asa oder Abner werden bald dahinter kommen, was es mit jener Kreatur für eine Bewandtnis hat!“

„Wollen doch dem Ding eine Kugel zuschicken,“ murmelte ein finster und zugleich hämisch und boshaft dreinschauender Mann, der mitten unter den jungen Leuten stand und dessen Gesicht eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem der Frau zeigte; „die Pawnee Loups jagen zu Hunderten auf der Prärie, sie werden's nicht merken, wenn einer von ihnen fehlt.“

Damit erhob er seine Büchse, die der mit dem Namen Ismael angeredete Führer jedoch sogleich mit einer Gebärde, die keinen Widerspruch zuließ, niederdrückte.

„Schieß nicht!“ ertönte zugleich in ängstlichem Rufe die Stimme des jungen Mädchens, „wir sind nicht alle beisammen, es kann auch einer von uns sein!“

Die Schar stand in erwartungsvollem Schweigen. Inzwischen veränderte sich das Licht des Abendhimmels; der blendend leuchtende Schein wurde matter, er wich einem grauweißen Schimmer, und als die untergehende Sonne hinter dem Horizont versunken war, da verlor die Erscheinung ihre übernatürliche Größe und schrumpfte zu einer zwar noch immer langen, aber doch nicht mehr außergewöhnlichen Menschengestalt zusammen.

Die Männer traten jetzt näher herzu und sahen nun vor sich einen Greis, der, seinem verwitterten Äußeren nach zu urteilen, mindestens achtzig Winter erlebt haben mußte. Trotzdem war seine Haltung noch aufrecht und fest, seine Gliedmaßen, wenn auch hager und dürr, zeigten noch kräftige Muskeln und Sehnen, so daß es schien, als werde die Altersschwäche noch auf lange hinaus keine Gewalt über ihn erlangen. Seine Kleidung bestand hauptsächlich aus Tierfellen, die Haarseite nach außen gekehrt; Jagdtasche und Pulverhorn hingen ihm zur Seite; er stand auf eine Büchse von ungewöhnlicher Länge gestützt, die, wie ihr Eigentümer, deutliche Spuren langen und harten Dienstes aufwies.

Beim Herannahen der Emigranten erhob sich ein großer, alter, zahnloser Hund, der zu des Greises Füßen gelegen hatte, und ließ ein dumpfes Knurren hören.

„Still, Hektor, leg' dich!“ gebot sein Herr mit einer Stimme, die hohl und bebend klang. „Was gehen dich die Leute an, die hier ihre rechtmäßige Straße ziehen?“

„Fremder,“ begann der Führer der Emigranten, „seid Ihr hier in dieser Gegend bekannt, so daß wir von Euch erfahren können, wo ein Platz zur Nachtrast zu finden ist? Gebt uns immerhin Euern Rat,“ fuhr er fort, als der Greis die Schar forschend und schweigend musterte, „das kostet Euch nichts und ist nur eine Gabe in Worten.“

„Keine Gabe, sondern eine Schuld der Alten gegen die Jüngeren,“ entgegnete der Angeredete, die klaren, hellblauen Augen forschend auf den Auswanderer heftend. „Folgt mir, Wasser und Weide für Euer Vieh kann ich Euch zeigen.“

Damit warf er die Büchse über die Schulter und schritt ohne weiteres in die jenseits der Bodenerhebung liegende Senkung hinab. Auf einen Wink des Führers folgte ihm die Karawane.

Nach kurzem Marsche gelangte man zu einer Quelle, die, am Fuße eines Abhanges sprudelnd, ihr Wasser bald mit dem anderer in der Nähe hervorsickernder Quellen vereinte, so daß ein Flüßchen entstand, dessen Lauf durch die an seinen Ufern wachsenden Sträucher und Bäume weithin zu verfolgen war. Es währte nicht lange, da erreichte man einen Ort, den der Emigrantenführer für zweckentsprechend erklärte. Er warf seine Bürde zur Erde und machte sich unter dem Beistande des Mannes, der vorhin so schnell mit der Büchse bei der Hand gewesen, daran, die Zugtiere auszuspannen, während seine Söhne die Baumwollenbäume niederzuschlagen begannen, bis die Stätte aussah, als sei ein Wirbelwind darüber hingegangen.


Auf seine Büchse gelehnt, schaute der Fremde still diesen Verwüstungen zu, ab und zu trübsinnig den Kopf schüttelnd. Er beobachtete, wie die Kinder ein Feuer anzündeten, und richtete dann seine Aufmerksamkeit auf den Führer der Karawane, der, nachdem das Vieh zu grasen begonnen, sich in eigentümlicher Weise mit einem der Planwagen zu schaffen machte. Mit Hilfe einiger der jungen Männer trieb derselbe rings um den Wagen Pfähle in den Boden und erweiterte dann den Leinwandplan bis zu diesen, so daß auf diese Weise ein umfangreiches, dicht verschlossenes Zelt entstand, unter welchem man schließlich den Wagen hervorzog, der nun nichts mehr enthielt als einiges Hausgerät; was er sonst noch beherbergt hatte, war unter dem geheimnisvollen Zelte geblieben, welchem, wie bald ersichtlich wurde, außer dem Führer niemand sich nahen durfte.

Mit der unbefangenen Neugierde des Alters trat der Fremde herzu, in der augenscheinlichen Absicht, zu erspähen, was das Zelt in sich barg. Sogleich aber packte der Führer ihn rauh am Arm und hielt ihn fest.

„Kümmert Euch nicht um Dinge, die Euch nichts angehen, Freund,“ sagte er grob.

Bescheiden und verlegen ging der alte Mann zurück. „Ich meinte es nicht böse,“ antwortete er begütigend; „ich wußte nicht, daß Ihr etwas zu verbergen habt.“

Während er seine Schritte nun langsam der Wagenburg zulenkte, denn zu einer solchen hatte sich das Lager der Emigranten inzwischen gestaltet, hörte er den Führer gebieterisch das junge Mädchen herbeirufen, das, wie er nun vernahm, den Namen Ellen Wade führte. Schnell und leicht wie ein Reh huschte die Jungfrau an ihm vorüber und verschwand hinter den Falten des Zeltvorhanges.

Inzwischen hatte die Mutter einen Kessel voll Haferbrei zur Abendmahlzeit gekocht, zu der sie jetzt mit schallender Stimme die Ihrigen herbeirief. Der Vater aber schaute sich nach dem alten Fremdling um und lud denselben, nach der Sitte der Wildnis, kurz und gleichgültig ein, sich mit ihnen an das gastliche Feuer zu setzen.

„Ich danke Euch von Herzen,“ antwortete dieser, „ja, von Herzen; aber ich bin für heute bereits gesättigt, und ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich ihr Grab mit den Zähnen graben. Zum Feuer will ich mich jedoch mit Euch setzen, denn es ist lange her, seit ich Menschen von meiner Farbe ihr täglich Brot essen sah.“

Man ließ sich nieder, und die Auswanderer griffen tüchtig zu.

„Ihr seid wohl ein Ansiedler in dieser Gegend,“ wendete sich der Vater, mit vollem Munde kauend, an den Alten. „Dick scheinen die Weißen hier nicht zu sitzen, denn außer Euch bin ich auf fünfhundert Meilen keinem begegnet.“

„Einen Ansiedler kann man mich nicht nennen,“ antwortete der Gefragte, „da ich keinen festen Wohnsitz habe und selten länger als einen Monat in einer Gegend verweile.“

„Also ein Jäger,“ sagte der andere, mit einem Blick die Ausrüstung seines neuen Bekannten streifend. „Euer Geschirr scheint mir aber nicht mehr das beste für solch einen Beruf zu sein.“

„Meine Büchse ist alt und hat nahezu ausgedient, ganz so wie ihr Herr,“ versetzte der alte Mann, die Waffe liebevoll und zugleich traurig betrachtend, „aber ich bedarf ihrer auch kaum noch. Ihr irrt, Freund, wenn Ihr mich einen Jäger nennt; ich bin jetzt nichts besseres mehr als ein Trapper, ein Fallensteller. Ein Jäger bin ich gewesen; fünfzig Jahre lang und darüber durchzog ich mit dieser Büchse die Wälder. Damals hätte ich es für Sünde gehalten, einer Kreatur mit Fallen nachzustellen.“

„Einträglich scheint Euer Handwerk nicht gewesen zu sein,“ bemerkte der Emigrant, das Äußere des Alten musternd. „Na, hoffentlich habt Ihr irgendwo tüchtig Felle aufgespeichert.“

Der Trapper schüttelte den Kopf.

„In meinem Alter braucht man nur wenig an Kleidung und Nahrung,“ erwiderte er ruhig, „und wenn ich mir ab und zu ein Horn voll Pulver und eine Stange Blei eintauschen kann, dann sind alle meine Bedürfnisse befriedigt.“

„Ihr seid also in dieser Gegend nicht zu Hause?“ fragte der andere, nachdem er eine Weile schweigend gegessen hatte.

„Nein, ich bin am Strande der See geboren, den größten Teil meines Lebens aber brachte ich in den Wäldern zu.“

Bei der Erwähnung des Seestrandes schauten die jungen Männer und auch die Mutter den alten Trapper aufmerksam an; ein Mann, der so weit in der Welt herumgekommen war, erregte ihr Interesse.

„Wie man mir gesagt hat, ist es eine lange Strecke von den Gewässern des Westens bis an das Meer,“ nahm Vater Ismael nach einer Pause wieder das Wort.

„Ja, Freund, eine lange Strecke, und viel habe ich gesehen und erlebt, und viel habe ich zu erleiden gehabt während der fünfundsiebzig Jahre, die ich zu dem Wege brauchte. Aber nur gering ist die Zahl der Meilen auf dieser ganzen Strecke, wo ich nicht Wildbret gegessen, das unter meiner Kugel fiel. Doch das ist eitle Ruhmredigkeit; warum soll ein alter Mann, dessen Ende so nahe ist, noch von den Taten reden, die er einstmals vollbrachte.“

Träumenden Blickes starrte der Trapper ins Feuer; endlich wendete er sich wieder an seinen Gastfreund.

„Gedenkt Ihr noch weit gen Westen zu ziehen?“ fragte er.

„So weit es mir gefällt,“ antwortete der Emigrant kurz, „vielleicht kehre ich auch wieder um.“

Damit brach er die Unterhaltung ab und stand auf; die übrigen folgten seinem Beispiel.

Die jungen Männer errichteten aus Baumzweigen und Decken einige Hütten zum Unterschlupf für die Nacht, dann brachten sie das Vieh in den Mittelpunkt der Wagenburg, die durch passend angebrachtes Pfahlwerk noch mehr befestigt wurde, und schließlich begaben sich zwei von ihnen mit ihrem Schießgewehr an entgegengesetzte Enden des Lagers, um hier Wacht zu halten.

Der alte Trapper war während dieser Zeit von einer Stelle zur anderen geschlendert; das ihm angebotene Nachtlager lehnte er ab, und als alles ruhig geworden war, entfernte er sich ohne ein Wort des Abschieds.

Langsam schritt er in die Nacht hinaus, die von der Sichel des neuen Mondes nur schwach erhellt wurde. Fern vom Lager, auf einer der wellenähnlichen Bodenerhebungen, blieb er stehen, stützte den Kolben der Büchse auf die Erde und versank in tiefes Grübeln. Der Hund legte sich zu seinen Füßen nieder und schien sogleich einzuschlafen. Nach einer kleinen Weile aber ließ er ein dumpfes Geknurr hören, das seinen Herrn veranlaßte, spähend umherzublicken.

In einiger Entfernung gewahrte er eine Frauengestalt, die nicht recht zu wissen schien, ob sie näherkommen sollte oder nicht.

„Nur heran!“ rief der Trapper. „Wir sind Freunde, von uns habt Ihr nichts zu fürchten.“

Die Gerufene eilte herzu; es war Ellen Wade.

„Oh, Ihr seid es,“ sagte sie, dem Alten ohne Zögern die Hand reichend, dabei aber suchend in die Ferne blickend. „Euch glaubte ich hier nicht zu treffen; die anderen meinten, daß wir Euch wohl nicht mehr zu sehen kriegen würden.“

Ehe der Trapper antworten kannte, begann der Hund wieder laut und drohend zu knurren.

„Was gibt's, Hektor?“ forschte der Alte. „Was wittert mein Hundchen? Einen schwarzen Bären aus dem Gebirge? Denn die kommen zuweilen bis hierher. Ich bin nicht mehr so sicher mit meiner Büchse wie in früheren Jahren,“ wendete er sich zu dem jungen Mädchen, „aber zur Not treffe ich schon noch; Ihr braucht daher keine Furcht zu haben.“

Jetzt bellte der Hund kurz und scharf auf, und zugleich sahen der Trapper und das Mädchen eine menschliche Gestalt herankommen, und zwar aus der dem Lager der Emigranten entgegengesetzten Richtung.

„Das ist ein Mann,“ sagte der Trapper, „und, seinem schweren Schritte nach, ein Weißer. Wir müssen vorsichtig sein, denn die Weißen, die sich hier herumtreiben, sind in der Regel gefährlicher als die Wilden.“

Damit erhob er seine lange Büchse und untersuchte sorgfältig Stein und Zündkraut. Das Mädchen aber legte hastig die Hand auf seinen Arm.

„Um Gotteswillen, seid nicht vorschnell!“ flüsterte sie. „Es kann ein Bekannter, ein Freund sein!“

„Freunde sind hier selten,“ antwortete der Trapper, seinen Arm frei machend. „Aber sie hat recht,“ fügte er im Selbstgespräch hinzu, „warum soll ich, bereits mit einem Fuß im Grabe, noch Menschenblut vergießen? Mag er kommen und mir meine Felle, meine Fallen und meinetwegen auch die Büchse nehmen — ich will kein Blut mehr vergießen.“

Der Hund aber hatte sich erhoben und schritt nun knurrend dem Herankommenden entgegen.

„Ruft Euren Hund zurück!“ gebot dieser mit tiefer, männlicher und keineswegs unfreundlicher Stimme. „Es sollte mir leid tun, wenn ich ihn verletzen müßte.“

„Hörst du, was er sagt, Hektor?“ antwortete der Trapper. „Komm her, du Narr! Der Hund hat keinen Zahn mehr im Maule, Freund, knurren und bellen ist alles, was er noch kann.“

Lang ausschreitend eilte der Fremde herzu und stand gleich darauf an Ellens Seite, die er freundlich und vertraulich begrüßte, worüber der Trapper nicht wenig in Erstaunen geriet.

„Von welcher Wolke seid Ihr denn herabgefallen, mein guter Alter?“ wendete sich der Ankömmling, ein stattlicher, kräftiger, junger Mann in der Kleidung der Präriejäger, jetzt an den Trapper. „Wolltet Ihr mit dem jungen Mädchen hier auf der nächtlichen Prärie lustwandeln?“

„Ich bin mit der jungen Person ebenso zufällig zusammengetroffen wie mit Euch,“ antwortete der Alte. „Ich kam aus dem Lager der Emigranten dort unten und konnte nicht wissen, daß ein Paar junger, weißer Leute sich hier in der wilden Einsamkeit ein Stelldichein geben wollte.“

Der junge Mann schickte sich zu einer eifrigen Entgegnung an, das Mädchen aber legte ihm die Hand auf den Mund.

„Still, Paul,“ sagte sie, „dieser gute Mann wird unser Geheimnis nicht verraten, dafür bürgt mir sein freundliches Gesicht und sein treues Auge. Von ihm haben wir nichts zu fürchten, er ist ein ehrlicher Fallensteller.“

„Also ein Fallensteller seid Ihr?“ rief der als Paul Angeredete. „Gebt mir Eure Hand, Vater, mein Gewerbe ist dem Euren ähnlich.“

„Und was ist Euer Gewerbe?“ fragte der Trapper. „Ihr scheint mir ein Jäger zu sein.“

„Der bin ich auch, aber mein Wild trägt weder Fell noch Federn. Da, seht her.“

Er hob ein kleines Zinngefäß empor, das ihm auf der Brust hing, ließ den Deckel springen und den Alten hineinschauen. Es enthielt köstlich duftenden Honig.

„Ich sehe,“ nickte der Alte, „Ihr seid ein Bienenjäger. Das mag wohl ein einträglicher Beruf sein.“

„So ist es, alter Freund. Aber tut mir auch den Gefallen und geht ein wenig auf die Seite, damit ich dem jungen Frauenzimmer mitteilen kann, wie und warum ich hierhergekommen bin.“

Ellen wollte gegen dieses Verlangen Einspruch tun, aber der Fallensteller entfernte sich ohne ein Wort zu sagen und blieb erst wieder stehen, als er außer Hörweite war. Der Hund folgte ihm langsam, mit erhobener Nase witternd und forschend, als verkünde sein Instinkt ihm das Herannahen noch weiterer Überraschungen. Dumpf grollend setzte sich das Tier zu seines Herren Füßen nieder.

„Was, Hektor, schon wieder?“ fragte dieser. „Was ist's denn, Hundchen? Sag' mir's doch, Junge.“

Hektor antwortete mit einem noch lauteren Knurren, dann legte er den Kopf auf die Vorderpfoten, als habe er nunmehr seine Pflicht getan.

„Die Warnung eines solchen Freundes ist in der Prärie wertvoller als der Rat eines Menschen,“ murmelte der Trapper, langsam wieder auf das junge Paar zuschreitend. „Hört, Kinder!“ rief er, „wir sind hier in dieser Einöde nicht allein; außer uns treiben sich noch andere hier herum, wir müssen daher auf der Hut sein!“

„Sollte vielleicht einer von Ismaels Söhnen sich unterstehen, mir nahezukommen, so könnte seine Präriefahrt leicht ein vorzeitiges Ende nehmen,“ entgegnete der junge Bienenjäger, nach seiner Büchse greifend.

„Ismael Busch und seine ganze Familie schlafen fest in der Wagenburg,“ sagte Ellen schnell, „die beiden Wächter ausgenommen; die aber dürfen das Lager nicht verlassen.“

„Ich höre ein dumpfes Galoppieren in der Ferne!“ rief der Bienenjäger jetzt mit unterdrückter Stimme. „Aha, jetzt weiß ich's; es wird eine Büffelherde sein, hinter der ein Panther her ist!“

„Eure Ohren trügen Euch,“ nahm der Trapper das Wort, nachdem er mit gespanntester Aufmerksamkeit gelauscht hatte, „das sind keine Büffel, wohl aber Indianer. Sie kommen gerade auf uns zu und werden hier sein, ehe wir Deckung gefunden haben.“

„Komm Ellen,“ rief der junge Mann, hastig des Mädchens Hand ergreifend, „vielleicht erreichen wir noch das Lager Ismaels, deines Onkels!“

„Zu spät!“ sagte der Trapper, „zu spät! Ich sehe die Indianer schon; es ist eine Bande von Sioux, ich erkenne die Spitzbuben an der Art ihres Reitens!“

„Mögen's Sioux oder Teufel sein, sie sollen finden, daß wir Männer sind!“ rief der Bienenjäger, Ellen loslassend. „Ihr führt eine Büchse mit Euch, alter Freund, Ihr werdet sie auch in der Verteidigung eines wehrlosen Mädchens zu brauchen wissen.“

„Nieder, nieder ins Gras!“ flüsterte der Trapper, auf einen Fleck deutend, wo Gras und Kraut besonders hoch emporgewachsen waren. „Fliehen könnt Ihr nicht mehr, und zur Gegenwehr sind wir zu wenig. Nieder ins Gras, wenn des Mädchens und Euer Leben Euch lieb ist!“

Die jungen Leute folgten instinktiv seinem Wort und Beispiel, und kaum lagen die drei und auch der Hund im Grase versteckt, da sprengten auch schon die Indianer in aufgelöstem Schwarme heran und vorüber. Vorsichtig hob der Trapper nach einer Weile den Kopf und spähte ihnen nach, schnell aber duckte er sich wieder, denn die nächtlichen Reiter kehrten, nachdem sie augenscheinlich bis in die Nähe der Wagenburg gekommen waren, auf die Bodenerhebung, wo unsere Freunde versteckt lagen, zurück.

Schwarz hoben sich die Gestalten der Wilden von dem helleren Nachthimmel ab. Einige stiegen von den Pferden, andere ritten wie suchend hin und her. Noch war keiner von ihnen in die Nähe der im Grase Verborgenen gekommen.

„Ich fürchte, daß sie Böses gegen die Auswanderer im Schilde führen,“ flüsterte der Trapper seinen Gefährten zu. „Sie wittern Beute und werden nicht eher ruhen, bis sie solche erlangt haben.“

„Können wir denn den Ahnungslosen keine Warnung zukommen lassen?“ fragte Ellen in Herzensangst.

„Das könnten wir schon,“ meinte Paul. „Wenn ich aus voller Kraft rufe, dann hört man's in der offenen Prärie eine englische Meile weit; Ismaels Lager aber ist kaum eine Viertelmeile entfernt.“

Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als sich eine schwere Hand auf seine Schulter legte; erschrocken fuhr er auf und blickte in das wilde Antlitz und die funkelnden Augen eines indianischen Kriegers. Trotz aller Nachteile seiner Lage griff der Jüngling den Sioux bei der Kehle und würde denselben auch erdrosselt haben, wenn der alte Trapper ihn nicht gewaltsam zurückgerissen hätte. Ehe der Bienenjäger noch seinem zornigen Erstaunen über diese anscheinende Verräterei Ausdruck geben konnte, waren die drei umringt und zu Gefangenen gemacht.

Ruhig, ja bereitwillig, lieferte der Trapper den Sioux seine Waffen aus; der innerlich vor Wut kochende Paul Hover aber konnte sich erst dazu entschließen, als Ellen ihm unter flehenden Bitten vorstellte, daß der alte, erfahrene Trapper sicherlich das Richtige getan habe und daß er ihr Leben in Gefahr brächte, wenn er diesem Beispiel nicht folgte.

Nachdem die Wilden ihren Gefangenen auch noch sonst allerlei Sachen, die ihnen gefielen, abgenommen hatten, ließen sie dieselben, wenn auch streng bewacht, vorläufig unbehelligt.

„Soll ich dem Ismael zurufen?“ fragte Paul Hover leise.

„Wenn Ihr den Kopf gespalten haben wollt, dann ruft,“ antwortete der Trapper. „Nein, wir müssen versuchen, die Teufel zu überlisten, sonst ermorden sie alles, was dort unten im Lager lebt; denn mit der Wachsamkeit der Emigranten scheint es nicht weit her zu sein. Es sind aber tüchtige Leute, wie ich gesehen habe; meint Ihr, daß sie sich zu schlagen verstehen?“

„Ich will Euch was sagen, alter Trapper,“ antwortete der Bienenjäger, „ich, Paul Hover, habe nicht die mindeste Veranlassung, dem Ismael Busch und seinen sieben hammerfäustigen Schlagetots von Söhnen zugetan zu sein. Aber was wahr ist, bleibt wahr: eine solche Bärenfamilie wie die gibt es in ganz Kentucky nicht zum zweitenmal, und wer einen von den Buschs im Ringen wirft, der muß ein ganzer Kerl sein!“

„Still!“ sagte jetzt der Alte, der inzwischen keinen Blick von den Wilden verwendet hatte. „Die Rothäute haben ihre Beratung geendet und werden nun an die Ausführung ihrer Teufeleien gehen. Wir müssen Geduld haben, vielleicht finden wir noch eine Gelegenheit, Euren Freunden nützlich zu sein.“

„Meine Freunde sind das nicht,“ entgegnete Paul unwirsch. „Wenn ich etwas zu ihren Gunsten sagte, so geschah das, weil ich ein ehrlicher Kerl bin.“

„Ich dachte, das junge Frauenzimmer hier gehöre auch zu der Verwandtschaft,“ meinte der Alte trocken. „Na, nichts für ungut.“

Die Wilden waren jetzt sämtlich abgestiegen und hatten ihre Pferde dreien ihrer Genossen übergeben, denen auch die Bewachung der Gefangenen oblag. Nunmehr scharten sie sich um den, der ihr Häuptling war, um sich gleich darauf geräuschlos und schnell nach allen Richtungen über die Prärie zu zerstreuen. Nach kaum einer Minute war der letzte von ihnen in der Dunkelheit verschwunden.

Einer der Wächter, ein großer, halb nackter Krieger, trat an die Gefangenen heran.

„Haben die Bleichgesichter ihre eigenen Büffel alle aufgezehrt und auch allen ihren Bibern die Felle genommen, daß sie nun herkommen müssen, um zu sehen, wieviel Büffel und Biber bei den Pawnees noch übrig sind?“ fragte er in den rauhen Kehltönen seiner Rasse.

„Die Weißen kommen hierher, um zu kaufen oder zu verkaufen,“ antwortete der Trapper, „sie werden aber zurückbleiben, wenn sie hören, daß die Sioux ihnen feindlich sind.“

„Die Sioux sind Diebe und wohnen im Schnee; warum von einem Volke reden, das so fern ist, wenn wir hier im Lande der Pawnees sind?“

„Gehört dies Land den Pawnees, dann haben Weiße und Rothäute das gleiche Recht daran.“

„Haben die Bleichgesichter den roten Männern nicht schon genug gestohlen? Müssen sie mit ihren Lügen noch bis in die Jagdgründe meines Stammes kommen?“

„Mein Recht ist hier so gut wie das deine,“ entgegnete der Trapper mit unerschütterlicher Ruhe. „Die Pawnees und die Weißen sind Brüder, ein Sioux aber darf sein Gesicht in einem Dorfe der Loups nicht sehen lassen.“

„Die Dakotahs sind Männer!“ rief der Wilde, die angenommene Maske vergessend und sich den Namen zulegend, auf den seine Nation besonders stolz war. „Die Dakotahs kennen keine Furcht. Sprich, was führte dich so weit her aus den Dörfern der Bleichgesichter?“

„Ich habe die Sonne über vielen Ratsversammlungen auf- und niedergehen sehen und stets nur den Worten der Weisen gelauscht. Wenn deine Häuptlinge kommen, wird mein Mund nicht verschlossen sein.“

„Weucha ist ein großer Häuptling!“ rief der Wilde im Tone beleidigter Würde.

„Bin ich ein Narr, daß ich einen Teton nicht kennen sollte?“ versetzte der Trapper kalt und fest. „Geh', es ist finster, sonst würdest du sehen, daß mein Haar weiß ist. Aus dem Munde der Siouxkrieger vernahm ich den Namen Mahtoree; nur vor den Ohren eines Häuptlings werde ich reden.“

Der Wilde warf einen giftigen Blick auf den Alten und zog sich zurück. Kaum war er unsichtbar geworden, da trat aus der Dunkelheit ein Krieger von mächtiger Gestalt hervor und stellte sich mit jener vornehmen und stolzen Haltung, die den großen indianischen Häuptlingen von jeher eigen gewesen ist, vor die Gefangenen. Eine Schar Sioux, die mit ihm gekommen war, gruppierte sich in achtungsvollem Schweigen hinter ihm.

„Die Erde ist sehr groß,“ begann der Häuptling nach längerem Schweigen. „Warum finden die Kinder meines großen weißen Vaters keinen Raum darauf?“

„Einige von ihnen haben gehört, daß ihre Freunde in der Prärie mancherlei Dinge bedürfen,“ antwortete der Trapper, „sie wollen nun sehen, ob das wahr ist. Andere wieder brauchen Dinge, die von den Rothäuten verkauft werden, und so kamen sie, ihre Freunde mit Pulver und Wolldecken reich zu machen.“

„Seit wann kommen die Händler mit leeren Händen über den großen Fluß?“

„Unsere Hände sind leer, weil deine jungen Männer meinten, wir seien müde; da nahmen sie uns ab, was wir trugen. Sie irrten sich jedoch, ich bin zwar alt, aber es fehlt mir noch nicht an Kräften.“

„Das kann nicht sein. Ihr habt Eure Bürden in der Prärie verloren. Meine jungen Männer sollen danach suchen, ehe die Pawnees sie finden und mitnehmen. Sage mir, weißer Jäger, wer sind jene Männer deiner Farbe, die dort drüben bei den gefällten Bäumen schlafen?“

Der Trapper erkannte aus dieser Frage, daß der Häuptling das Lager der Emigranten entdeckt hatte. Trotzdem bewahrte er seine ganze Ruhe.

„Es ist möglich,“ erwiderte er, „daß weiße Männer in der Prärie schlafen. Mein Bruder sagt es, darum wird es wahr sein. Ich aber weiß nicht, was das für Männer sind. Mag mein Bruder seine jungen Krieger hinsenden und fragen lassen; die Bleichgesichter haben Zungen.“

Der Häuptling schüttelte finster lächelnd den Kopf.

„Die Dakotahs sind weise,“ sagte er, „und Mahtoree ist ihr Häuptling. Er wird die Fremdlinge nicht rufen, sie könnten ihm sonst mit ihren Büchsen antworten. Aber er wird ihnen leise in die Ohren flüstern.“

Damit wendete er sich und ging, gefolgt von seiner Schar, die bei seinen letzten Worten ein unterdrücktes, beifälliges Lachen hatte hören lassen.

Der Trapper zweifelte keinen Augenblick daran, daß der Häuptling einen Handstreich gegen das Lager der Emigranten beabsichtigte. Er lauschte angestrengt, vernahm jedoch keinen Laut. Wußte er doch nicht, daß der kühne Mahtoree seine Krieger zurückgelassen und ganz allein, geräuschlos wie eine Schlange und unbemerkt von den in Schlaf gesunkenen Wächtern, in Ismael Buschs Wagenburg geschlichen war. Sorgenvoll ließ er sein greises Haupt sinken, auch Ellen und Paul redeten kein Wort.

Die Gefangenen befanden sich wieder unter der Aufsicht Weuchas und seiner Gefährten. Nachdem der erstere lange mit gespitztem Ohr in die Nacht hinaus gehorcht hatte, neigte er sich mit wildem Grinsen zu dem alten Trapper.

„Wenn die Tetons ihren großen Häuptling durch die Hand der Langmesser verlieren,“ raunte er ihm zu, „dann muß der Weißkopf mitsamt den Jungen sterben.“

„Das Leben ist ein Geschenk Wakondahs,“ war die ruhige Antwort. „Die Menschen verlieren es, wenn er dies beschließt, kein Dakotah kann daran etwas ändern.“

„Schau her!“ knirschte der Wilde, sein Messer vor des Alten Gesicht haltend. „Weucha ist der Wakondah für solche Hunde, wie ihr seid!“

Der Trapper zuckte die Achseln und blickte zur Seite. Plötzlich unterbrach ein lauter, gellender Triumphruf die nächtliche Stille, dann schien die ganze Prärie lebendig zu werden; denn von allen Seiten erhob sich als Antwort ein wildes Geheul, als seien sämtliche Dämonen der Hölle losgelassen. Auch Weucha und seine Kameraden stimmten ein, trotzdem sie Mühe hatten, die erschreckten Pferde zu bändigen.

Inmitten dieses Geheuls aber wurde noch ein anderes Geräusch hörbar, ein Getöse von vielen stampfenden Hufen, und gleich darauf jagte Ismaels ganzer Viehbestand in wirrem Durcheinander vorüber. Mahtoree hatte die Tiere losgeschnitten und aus dem Lager gejagt, die nun von den beutegierigen Tetons verfolgt wurden. Die indianischen Pferde, durch den Anblick der dahinrasenden Gäule Ismaels auf das höchste erregt, stampften und rissen wütend an ihren Fesseln, so daß ihre Wächter sie kaum noch halten konnten.

Diesen Augenblick benutzte der Trapper. Mit einer Gewandtheit und Kraft, die niemand ihm zugetraut hätte, entriß er Weucha das Messer und durchschnitt den langen Riemen, welcher die Pferde aneinander fesselte. Die Tiere schnaubten vor Freude und Schreck, dann aber stoben sie nach allen Richtungen davon.

Im ersten Moment wendete Weucha sich wie ein Tiger gegen den Alten; er tastete nach der leeren Messerscheide, dann nach dem Griff des Tomahawks; im nächsten Augenblick aber siegte die Habgier über das Gefühl der Rache, und wie ein Blitz stürzte er mit seinen Gefährten den Tieren nach.

Der Alte, der in dem kritischen Moment seinem Feinde fest ins Auge geblickt hatte, lachte jetzt unhörbar vor sich hin.


„Die rote Natur bleibt immer dieselbe, im Walde wie auf der Prärie,“ sagte er. „Ein christlicher Wächter hätte mir den Schädel eingeschlagen, dieser Teton aber rennt seinen Pferden nach, als wenn zwei Beine so schnell laufen könnten wie vier.“

Der Bienenjäger schlug jetzt vor, schleunigst Ismaels Lager aufzusuchen. Ellen widersprach heftig. Inzwischen wurde es unten in der Wagenburg lebendig.

„Entferne dich, Paul,“ bat das Mädchen, „du weißt, daß sie dich nicht sehen dürfen, und sie kommen gewiß hierher!“

„Ich gehe nicht eher, bis ich dich sicher im Schutze des Lagers weiß,“ entgegnete der junge Mann, „denn die roten Teufel können jeden Augenblick zurückkommen, und was soll dann aus dir werden?“

„Die Rothäute braucht Ihr vorläufig nicht zu fürchten,“ sagte der Trapper. „Ich gebe Euch die Versicherung, daß die Tetons mindestens noch sechs Stunden hinter ihren Tieren herjagen. Horcht doch; jetzt sind sie unten im Weidengrund. Aber still! Nieder ins Gras! Ich hörte ein Gewehrschloß knacken, so wahr ich ein Sünder bin!“

Damit hatte er auch schon die beiden mit sich zu Boden gerissen. Es war kein Augenblick zu verlieren gewesen, denn kaum lagen sie im hohen Grase, als auch schon einige Schüsse krachten und die Kugeln über ihnen dahinpfiffen. Weitere Schüsse folgten, und zwar schon aus geringerer Entfernung. Die Situation wurde gefahrdrohend, um so mehr, als der trotzige Bienenjäger sich anschickte, das Feuer zu erwidern.

„Das Ding muß ein Ende nehmen,“ sagte der Trapper endlich, sich mit ruhiger Entschlossenheit wieder vom Boden erhebend. „Es ist mir unbekannt, Kinder, weswegen ihr jene Leute fürchtet, denen ihr doch, wie mir scheint, in Liebe verbunden sein solltet; immerhin aber muß ich für eure Rettung sorgen. Ob ich, der ich so alt geworden bin, ein paar Stunden früher oder später sterbe, darauf kommt es nicht an; ich will daher vorgehen.“

Ohne auf eine Antwort zu warten, schritt er gemessenen Ganges den leichten Abhang hinab und dem Lager zu. Hell beschien das Mondlicht jetzt seine lange, hagere Gestalt.

Von unten her ließ sich eine drohende Stimme vernehmen.

„Wer kommt da — Freund oder Feind?“

„Freund,“ antwortete der Alte; „einer, der zu lange gelebt hat, um den Rest seiner Tage in Unfrieden zu beschließen.“

„Aber nicht lange genug, um die Kniffe seiner jungen Jahre vergessen zu haben,“ entgegnete Ismael, seinen mächtigen Körper hinter einem Gebüsch aufrichtend. „Ihr habt uns die Rothäute auf den Hals geschickt, alter Mann, um morgen die Beute mit ihnen zu teilen.“

„Was habt Ihr verloren?“ fragte der Trapper ruhig.

„Acht Pferde und ein Füllen. Meine Frau hat nicht eine Kuh behalten, und auch die Schweine und die Schafe sind fort. Wieviel davon kommt auf Euren Anteil?“

„Nach Pferden hat mich nie verlangt, habe auch niemals auf einem gesessen, obgleich nur wenige das Land Amerika so weit durchstreiften, wie ich getan, so alt und schwach ich heute auch aussehe. Wolle und Milch mag für die Weiber sein, ich frage nichts danach. Das Fell des Wildes kleidet mich, und sein Fleisch genügt mir zur Nahrung.“

Der aufrichtige, ehrliche Ton dieser Rede verfehlte seine Wirkung auf den Squatter nicht. Nach weiterem Hin- und Herreden fragte derselbe endlich:

„Aber Ihr habt doch die Indianer gesehen?“

„Gewiß,“ lautete die Antwort, „sie hielten mich gefangen, während sie sich in Euer Lager schlichen.“

„Hättet Ihr uns da kein Warnungszeichen geben können?“ entgegnete der andere finster und noch immer mißtrauisch. „Doch was geschehen ist, ist geschehen ... Kommt hervor, Jungen, aus Eurem Versteck! Hier ist nur ein alter Mann, der von meinem Brot gegessen hat und daher unser Freund sein müßte.“

Auf des Vaters Ruf kamen einige seiner Söhne herbei, die in der Nähe im Hinterhalte gelegen und die drei Gestalten in der nächtlichen Prärie für einen Haufen Sioux gehalten hatten. Sie betrachteten den Alten mit finsterem Argwohn und feindseligen Blicken. Endlich nahm der älteste von ihnen, gerade derjenige, dessen nachlässige Wacht dem Häuptling Mahtoree das Beschleichen des Lagers ermöglicht hatte, das Wort.

„Wenn das der einzige ist, der von der Gesellschaft, die wir dort oben sahen, übrigblieb, dann haben wir unsere Munition nicht umsonst verschossen,“ sagte er in roher Genugtuung zu seinem Vater.

„Asa, du hast recht,“ erwiderte der Squatter, und sich schnell an den Trapper wendend fuhr er fort: „Wie ist das, Fremder? Ihr wart Euer drei, wenn der Mondschein nicht log; wo sind die anderen?“

„Wenn Ihr die Tetons hinter Eurem Vieh hättet herjagen sehen wie lauter schwarze Teufel, so wäret Ihr bei dem wechselnden Licht und Schatten auch wohl der Meinung gewesen, es seien ihrer Tausend. Die nächtliche Prärie täuscht den Blick, Freund.“

Statt aller Antwort rannten Ismaels Söhne nach der Gegend, aus der der Trapper gekommen war. Sie fanden jedoch nichts und kehrten langsam zurück, worauf sich alle ins Lager begaben. Der Alte folgte auf des Squatters Wink; ehe er aber auf dem Strohlager, das man ihm gastfreundlich anwies, entschlummerte, hatte er noch die Beruhigung, Ellen Wade im Geplauder mit Ismaels Töchtern zu erblicken.

Der alte Trapper

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