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Eine große Enttäuschung

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Der letzte Kobold

Es gibt Geschichten, die so unglaublich sind, dass niemand sie glaubt, es sei denn man hat sie selbst erlebt. Auch ich war zu jener Zeit ein Typ, der an nichts Ungewöhnliches mehr glaubte. Mein Name ist Peter und weder schrieb ich an dem Weihnachtsmann einen langen Wunschzettel, noch wienerte ich meine Stiefel auf hoch Glanz damit Sangt Nikolaus sie über Nacht füllen konnte. Als kleines Kind war das ja auch Okay. Aber hallo, ich war damals schon 11 Jahre alt und für so ein Kinderkram einfach nicht mehr zu haben. Die ersten Jahre lebte ich mit meinen Eltern im wunderschönen Harzburger Land. Doch dann, ich war gerade 7, ließen sie sich scheiden. Während mein Vater in eine andere große Stadt zog, blieb ich bei meiner Mutter dort wohnen. Aber auf die großen Ferien freute ich mich immer, denn die verbrachte ich bei meinem Vater. Bis auf ein Jahr, das ich sicher niemals vergessen werde. Es war der letzte Schultag vor den großen Ferien und ich konnte kaum das erlösende Klingeln der Schulglocke abwarten. Wie ein Wirbelwind jagte ich dann, mit all den anderen Schülern, nach draußen aus der Schule auf die Straße. Wir schreiten und lachten, endlich Ferien. Bei so einem schönen Wetter, waren fast alle mit ihren Fahrrädern gekommen. Nach dem ich mich von meinen Freunden verabschiedet hatte, fuhr ich wie der geölte Blitz nach Hause. Schon einen Tag zuvor hatte ich meinen Koffer gepackt, und konnte es nun kaum erwarten, bis mein Vater mich abholte. „Hallo Mama!“, rief ich, als ich zur Tür herein schoss, und rannte weiter die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Schnell ging ich noch mal alles durch, ob ich auch nichts vergessen hatte. Mein Handy war da, meine Sonnbrille und mein Cap auch. „Stadt ich komme.“ So schön wie der Harz auch war, ich liebte dass Stadt leben und wünschte mir nichts sehnlichstes, als endlich 18 zu werden um dann für immer dort hin zu ziehen. Ich warf noch einen letzten Blick in den Spiegel. „Perfekt – Mädels ich komme.“ Dann schnappte ich mir den Koffer und verließ das Zimmer. Noch auf der Treppe, hörte ich unten im Flur das Telefon. Meine Mutter ging ran, meldete sich und verstummte. „Warum?“, hörte ich sie fragen. „Aber er hat sich doch schon solange darauf gefreut.“ Kurze Stille. „Ja, natürlich verstehe ich das aber…“ Unten an der Treppe, setzte ich leise den Koffer ab und lauschte. „O nein“, hörte ich sie weiter wütend sagen, „das sagst Du ihm am besten selbst. Einen Moment ich rufe ihn.“ Sie rief nach mir, bevor sie sich noch zu mir umgedreht hatte. Ihr Blick genügte. „Dein Vater möchte mit Dir sprechen.“ Sie reichte mir den Hörer. Nur eine Minute später war alles gesagt. Langsam ließ ich den Hörer sinken auch wenn mein Vater weiter redete warum ich dieses Jahr nicht zu ihm kommen konnte. Ausdruckslos starrte ich auf meine Mutter, während einer meiner Finger die Taste drückte, die mich von meinem Vater trennte. Wie versteinert stand ich da und wusste nicht ob ich Weinen oder Schreien sollte. Es vergingen nur Sekunden, dann konnte jeder, der gerade an unserem Haus vorbei ging einen schrecklich lauten Schrei hören, der gefühlte 5 Minuten andauerte. Aber im nach hinein denke ich, waren es nur 5 Sekunden die ich geschrien hatte. Meine Mutter kannte mich und hatte sich vorsichtshalber die Ohren zu gehalten. „Es tut mir leid“, sagte sie, als es an der Haustür klingelte. Meine Mutter öffnete. „Ist alles in Ordnung?“, hörte ich eine ältere Stimme sagen, die mir sehr bekannt vorkam. „Ja“, versicherte meine Mutter, „mein Sohn hat nur laut geschrien.“ Schnell verzog ich mich in die Küche, von wo ich einen ausgezeichneten Blick auf die Straße und unserer Haustür hatte. Wie ich es mir gedacht hatte, es war Frau Neugier in Person. Ihren richtigen Namen Habe ich vergessen. Sie war alt, hatte weises Haar und tat so, als würde sie alles wissen. In den nächsten Tagen, das wusste ich, würde unser Haus ganz bestimmt unter Beobachtung stehen. Als meine Mutter wieder die Tür geschlossen hatte, schlich die Alte noch eine Weile um unser Haus herum. Ich schrie, wann immer ich sie dabei erwischte, wie sie in eines unserer Fenster hinein sah. Aber zurück zu meinem Problem. Mein Vater hatte kurzfristig eine sehr wichtige Aufgabe bekommen und musste daher den gesamten Urlaub absagen. Als Erwachsener wäre man sicher sauer und wütend darüber. Doch wie fühlte sich ein Kind, das sich schon solange darauf gefreut hatte? Ehrlich gesagt, einfach zum Kotzen. Jetzt stand ich da und sah schon eine Welle von Langeweile auf mich zu rollen. Alle meine Freunde waren in den Urlaub gefahren und ich hing nun zu Hause rum. Klar, irgendetwas hätte ich immer tun können, wie Schwimmen oder Stundenlange Spaziergänge durch den Harz gehen. Aber dazu hatte ich einfach keine Lust, ich wollte in die Stadt zu meinem Vater. Frustriert sah ich bis spät in die Nacht Fernsehen oder spielte Tele-Spiele. Auch meine Mutter konnte mich zu gar nichts überreden, außerdem hatte sie keinen Urlaub. Zuerst versuchte sie mich für unseren Garten zu begeistern. Meine Mutter, sie war wirklich eine super Mutter die es nicht immer leicht mit mir hatte. Aber ich tat ihr den Gefallen und versuchte mich als Gärtner. Doch schon nach 10 Minuten hatte ich einen Dorn im Finger und eine Biene hatte mich gestochen. „Tut mir leid Mama, aber ich habe einfach keinen grünen Daumen so wie Du.“ Sie lächelte mich an. „Schon gut, ich dachte nur es wäre ein Versuch wert.“ Doch sie gab nicht auf. Schon am nächsten Tag erzählte sie mir, dass der Gartenzaun wieder mal einen neuen Anstrich vertragen könnte. Ich zog die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf. „Vielleicht hast Du es ja schon vergessen“, sagte ich, „aber den haben wir erst letztes Jahr gemeinsam gestrichen.“ „Ach wirklich?“ Sie überlegte kurz. „Ja Du hast Recht, jetzt fällt es mir wieder ein.“ Nur eine Minute später hatte sie eine neue Idee. „Wie wär´s, wenn wir Zwei shoppen gehen?“ „O Mama, ich bin doch kein Mädchen.“ „Was soll das denn schon wieder heißen, gehen Jungs etwa nicht einkaufen?“ Ich erinnerte mich noch gut als wir shoppen gingen und meine Mutter sich unbedingt neue Schuhe kaufen wollte. Weiß zufällig jemand was ich meine? Aber am Samstag hatte sie den besten Einfall, der mich kurz aus meinem Tief holte. Ich saß Trübsal blasend am Frühstückstisch und spielte, wie ein Kleinkind, mit meinen Brötchen im Kakao herum. Ist das nicht erschreckend? Dann ertönte ein Freudenschrei. Nein, er kam nicht von mir. Ich sah überrascht meine Mutter an, die mir gegenüber saß. „Ist alles in Ordnung Mama?“ „Aber ja, natürlich“, bestätigte sie mit einem breiten Grinsen. Ich seufzte erleichtert und beobachtete sie weiter wie sie ihre Zeitung las. „Also gut“, sagte ich nach einer Weile, „was steht so lustiges in der Zeitung das Du so ausflippen musst? Hast Du etwa im Lotto gewonnen?“ Jetzt zog sie zur Abwechslung mal die Augenbrauen hoch. „Glaubst Du im ernst, wir würden dann noch hier sitzen?“ Sie faltete ganz in Ruhe die Zeitung und hielt sie mir vor mein Gesicht. Ganze 5 Sekunden sagte niemand ein Wort. „Cool“, sagte ich, „und sogar in 3D.“ Es war die Kinowerbung, die mir meine Mutter vors Gesicht gehalten hatte. „Endlich lächelt mein Kleiner wieder“, sagte meine Mutter. „Mama“, sagte ich empört und setzte mich aufrecht auf meinen Stuhl, „Du hast mir doch versprochen nicht mehr Kleiner zu mir zu sagen.“ Sie tat die Zeitung beiseite und beugte sich zu mir rüber. „Aber“, flüsterte sie, „wir sind doch unter uns.“ Und dann gab mir auch noch ein Kuss auf die Stirn. Ja so sind Mütter nun mal. Es war wirklich ein toller Kino besuch. Nur drängte sich hinter her die Frage auf, was machte ich die restlichen 5 Wochen der Ferien? Am nächsten Tag hing ich wieder frustriert vor der Glotze. „Ich hab´s!“, rief meine Mutter und kam in die Stube gelaufen, „wir gehen jetzt in den Garten und pflücken Äpfel.“ „Also gut von mir aus“, sagte ich, erhob mich aus dem Sessel und schaltete den Fernseher aus. Noch bevor ich mich zu ihr umdrehte, hörte ich sie schallend lachen. Entsetzt sah ich meine Mutter an. „Entschuldige“, lachte sie, ,,aber Du bist mir eben voll auf den Leim gegangen.“ „Wie jetzt?“, fragte ich und erntete wieder Gelächter. „Na unsere Äpfel sind doch erst im Herbst reif zum Pflücken.“ „HA-HA, wirklich witzig“, sagte ich und rang mir ein Lächeln ab. „Ach komm schon Peter, was soll ich denn sonst noch mit Dir machen?“ „Gar nichts, lass mich einfach weiter Fernsehen gucken.“ Meine Mutter schüttelte den Kopf und verließ die Stube. Ich weiß nicht mehr wie lange ich an diesem Tag, stur wie ein Zombie, in die Klotze starrte. Stundenlang zappte ich durch die Kanäle, bis ich plötzlich das schrille Klingeln unseres Telefons hörte. Meine Mutter ging ran, doch ich hörte nicht was sie sagte. Nach einer Weile, kam sie zu mir in die Stube. „Hast Du ein paar Minuten Zeit für mich?“ Ich hatte schlechte Laune und zu nichts Lust, egal was es war. Und genau das wollte ich ihr jetzt sagen. „Mama, ich habe…“, begann ich und brach ab als ich ihr Gesicht sah. „Natürlich habe ich Zeit für Dich“, sagte ich und sah sie fragend an. „Ich weiß nicht wie ich anfangen soll“, sagte sie und überlegte kurz. „Du kennst doch Deinen Großvater.“ Ich blickte sie einen Moment schweigend an. „Meinst Du den alten Mann, der dort Oben irgendwo im Harz wohnt?“ Sie nickte. „Na ja, ich habe ihn vielleicht ein paar Mal gesehen und… Was ist denn mit ihm?“ „Du hast Recht, er hat sich nicht viel um uns gekümmert.“ „Warum eigentlich nicht?“, fragte ich neugierig. Meine Mutter atmete tief ein und es schien, als wäre ihr das Thema unangenehm. „Er hat eben gerade hier angerufen“, wich sie meiner Frage aus. „Es geht ihm nicht gut und er möchte gerne, dass Du ihn besuchen kommst.“ „Was hat er denn?“, wollte ich wissen. „Das hat er nicht gesagt“, klang ihre Stimme bedrückt. Längst hatte ich das Fernsehen ausgeschaltet und war aufgestanden. „Wann wollen wir ihn denn besuchen?“, fragte ich. Meine Mutter wandte sich von mir und sah aus dem Fenster. „Nicht wir“, flüsterte sie kaum hörbar, „nur Du.“ Ich brauchte einen Moment um das in meinen Kopf zukriegen. „Soll das heißen, er will Dich nicht sehen?“ Sie nickte kaum merklich. Ich kannte noch nicht alles von meiner Familie. Oft wurde heimlich über dieses und jenes geredet. Und kam ich mal zu Fällig dazu, wurde sofort das Thema gewechselt. Doch spätestens seit dem meine Eltern sich getrennt hatten, welche Gründe es auch immer waren, wusste ich das mit unserer Familie irgendetwas nicht stimmte. Ich war schon in einem Alter wo man wusste was man sagte oder lieber blieben ließ. „Darf ich fragen, warum er Dich nicht sehen will?“ Meine Mutter antwortete nicht. „Der alte Mann – ich meine Großvater“, fuhr ich fort, „er ist doch der Vater von Papa hab ich Recht?“ „Ja das Stimmt“, sagte sie. Ich wartete und hoffte, dass sie sich jetzt umdrehte und mir mehr von ihm erzählte. Doch sie tat es nicht. „Meinst Du, ich sollte zu ihm gehen?“, fragte ich zögernd. Langsam wandte sie sich zu mir. „Das musst Du allein entscheiden.“ Ich nickte. „Aber bitte vergiss nicht“, sagte sie ruhig und ging auf mich zu, „egal was zwischen Deinem Großvater und mir ist, es hat nichts mit Dir zu tun.“ An diesem Abend dachte ich nicht mehr ans Fernsehen, denn das Gespräch mit meiner Mutter hatte mich doch sehr aufgewühlt. Ich weiß nicht mehr wie lange ich oben in meinem Zimmer auf meinem Bett lag und nach Dachte. Aber schließlich hatte ich eine Entscheidung getroffen. Ich verließ mein Zimmer und ging zu meiner Mutter, die ich in der Stube antraf, wo sie in einem Fotoalbum herum blätterte. „Sind das Bilder von mir – uns allen?“, fragte ich. Meine Mutter hatte mich nicht herein kommen hören und schlug das Album hastig zu. „Es ist besser, du schaust Dir die Bilder irgendwann anders an.“ „Kein Problem, wenn Du es so willst?“ Einen Moment sahen wir uns nur schweigend an. „Ich habe mich entschieden“, sagte ich schließlich und beobachtete sie ganz genau. Aber ich las weder das eine noch das andere in ihren Augen. „Wann sollte ich Großvater denn besuchen kommen?“ „Egal, wann immer Du willst“, sagte sie. „Dann würde ich gern morgen schon zu ihm.“

Der letzte Kobold

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