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Оглавление17 | Beweglichkeit | |
Nutze große Bewegungsamplituden im Training |
Bei der Ausführung von Übungen im Krafttraining gilt das Prinzip, dass man grundsätzlich über den gesamten Bewegungsbereich eines Gelenks trainiert und Teilbewegungen vermeidet. Den Bewegungsbereich einer Übung nennt man auch R.O.M. (engl. range of motion). Die Forderung nach einem Training über den full R.O.M. ergibt sich aus der Erkenntnis, dass ein Muskel sich in seiner Funktion und Struktur spezifisch an die jeweiligen Anforderungen im jeweiligen Bewegungsbereich (also bei unterschiedlichen Gelenkwinkelstellungen) anpasst. Das bedeutet z. B., dass eine isometrische Halteübung im 90°-Kniewinkel vor allem die Oberschenkelkraft in diesem Winkelbereich trainiert, die Übertragungseffekte auf andere Winkelbereiche (z. B. 120° bzw. 60°) jedoch relativ gering sind. Zudem ist ein Muskel bestrebt, sich in seiner strukturellen Länge an die geforderten Belastungen anzupassen. Dies kann z. B. durch eine Verlängerung (Sarkomeranbau) oder eine Verkürzung (Sarkomerabbau) geschehen. Legt man dem Arm aufgrund einer Verletzung einen Gipsverband an, in dem der Ellbogenwinkel auf 90° fixiert ist, verkürzt sich der Bizepsmuskel strukturell, weil er ständig angenähert ist. Lässt man umgekehrt Mäuse auf einem Laufband ständig bergauf laufen, verlängert sich ihre Wadenmuskulatur, um für die neuen Belastungsbedingungen eine optimale Kraftentwicklung zu ermöglichen.
Trainiert man also nur einen kleinen Bereich einer möglichen Bewegungsamplitude, können Verkürzungen und einseitige Anpassungen eine vielseitige und variable Leistungsfähigkeit des Muskels behindern. Zwar ist es für den Leistungssportler wichtig, bestimmte Winkelbereiche speziell zu trainieren, wenn er gerade diese für seine Wettkampfleistung benötigt. Dennoch ist es mindestens aus gesundheitlicher und verletzungsprophylaktischer Sicht wichtig, im Krafttraining möglichst große Winkelbereiche zu trainieren. Die Muskulatur kann dadurch in jeder Gelenkstellung eine optimale Stabilität und Schutzspannung zur Verfügung stellen. In der Regel ist es aber auch leistungsphysiologisch von Vorteil. Insbesondere Spielsportler, viele Kampfsportler oder Leichtathletik-Mehrkämpfer benötigen aufgrund der vielfältigen Bewegungsmuster im Wettkampf eine optimale Muskelfunktion im gesamten Winkel bereich von Knie-, Schulter-, Hüftgelenk und Wirbelsäule, um sich im Wettkampf effektiv, schnell und variabel bewegen zu können. Im Bodybuilding gilt das Training über den vollen Bewegungsumfang als notwendig für eine harmonische, vollständige Ausbildung der Muskulatur.
Die Anpassung des Nerv-Muskel-Systems an unterschiedliche Bewegungsbereiche im Training hat neben dem Kraftaspekt auch eine deutliche Wirkung auf die Beweglichkeit. Ein Krafttraining über den full range of motion macht also beweglicher. Ein Training an einer Butterfly-Maschine (Brustmuskeltraining) kann z. B. die Beweglichkeit des Schultergelenks verbessern. Tiefe oder Ausfallschritt-Kniebeugen verbessern die Beweglichkeit der Hüftgelenke, Rumpfrotationen die der Wirbelsäule. Ein Krafttraining setzt nur dort die Beweglichkeit herab, wo die Weichteilhemmung durch eine extrem hypertrophierte Muskulatur die Gelenkbewegung behindert. Moderne Leistungsturner und viele Gewichtheber sind allerdings ein Beispiel für die Verbindung einer großen Muskelmasse mit einer hervorragenden Beweglichkeit. Das Vorurteil vom unbeweglichen Kraftsportler passt nur dort, wo einseitig und falsch trainiert wird.
Eine Einschränkung der Forderung nach einem vollen Bewegungsumfang ergibt sich dort, wo die endgradige Gelenkwinkelstellung eine vollständige Entspannung der trainierten Muskulatur bewirkt (z. B. Durchdrücken der Knie an der Beinpresse) oder wo die Sicherheit und Gesundheitsverträglichkeit nicht mehr gewährleistet ist. Dies ist häufig bei Vorschädigungen oder im rehabilitativen Training der Fall bzw. bei dem Problem einer biomechanischen Zwangslage. In diesen Fällen ist von dem Prinzip eines möglichst großen R.O.M. abzusehen.
VERWEISE:
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