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21Rekrutierung
Die Rekrutierung motorischer Einheiten folgt dem Größenordnungsprinzip

Das Nervensystem kann nicht jede einzelne Muskelfaser getrennt aktivieren. Vielmehr versorgt ein motorischer Nerv eine große Anzahl von Muskelfasern. Wenn dieser Nerv den Befehl zur Anspannung übermittelt, kontrahieren alle angeschlossenen Muskelfasern. Dieses funktionelle System eines motorischen Nervs und »seiner« Muskelfasern nennt man eine motorische Einheit (im folgenden ME genannt). Die Einbeziehung einer ME in den Kontraktionsvorgang heißt Rekrutierung. ME bestehen immer aus dem gleichen Fasertyp, d. h. entweder aus roten, langsamen Typ-I-Fasern oder aus weißen, schnell zuckenden Typ-IIFasern. Die Einheiten vom Typ-I sind kleiner als die vom Typ-II, d. h. sie besitzen weniger Muskelfasern. Kleine ME werden insbesondere für die Feinsteuerung von Bewegungen eingesetzt, während bei großräumigen, kraftvollen Muskeleinsätzen die großen ME zugeschaltet werden müssen. Wenn ein Muskel sich langsam mit immer stärkerer Kraft anspannt, werden zunächst die kleinen Typ-I-Einheiten aktiviert. Mit zunehmender Kontraktionsstärke folgen die größeren Typ-I-Einheiten, dann die kleineren Typ-II-Einheiten, und schließlich die größten ME (ebenfalls Typ-II) mit ihrem sehr hohen Faser- und Kraftpotential. Da diese Reihenfolge der Faseraktivierung von dem amerikanischen Neurophysiologen Elwood Henneman 1965 ausführlich beschrieben wurde, nennt man dieses Phänomen auch das Henneman’sche Rekrutierungsprinzip.

Spannt sich der Muskel mit einer geringen Kraft an, werden also nur Typ-I-Fasern aktiviert. Erst bei sehr hohen Krafteinsätzen werden auch die größten Typ-II-Einheiten zugeschaltet. Das bedeutet für die Trainingspraxis, dass man nur mit hohen Gewichten das gesamte Faserprofil in das Training einbeziehen kann. Da die Typ-I-Fasern allerdings ausdauernder sind als die Typ-II-Fasern, müssen sie auch länger angespannt werden, um eine trainingswirksame Erschöpfung herbeizuführen. Das bedeutet, dass mit kurzzeitigen, hohen Krafteinsätzen vorwiegend die Typ-II-Fasern trainiert werden, mit länger andauernden, niedrigeren Krafteinsätzen vorwiegend die Typ-I-Fasern.

Da die Kontraktionszeiten für die Kraftentwicklung bei den einzelnen Fasertypen allerdings unterschiedlich lange dauern, ist die verzögerte Rekrutierung der großen ME nicht gleichzusetzen mit dem Moment ihres Kraftbeitrags im Anspannungsprozess. Die Typ-IFasern benötigen nämlich mehr als doppelt soviel Zeit zur Kontraktion wie die Typ-IIx-Fasern und deutlich mehr als die IIa-Fasern. Inwieweit nun bei sehr schnellkräftigen Bewegungen im Sport die schnell zuckenden Muskelfasern früher bzw. selektiv aktiviert werden können, ist noch nicht ausreichend geklärt. Es wäre ja für sehr schnelle Muskelanspannungen wünschenswert, dass die schnell zuckenden Fasern sofort aktiviert werden und nicht erst der umständliche Weg über das Größenordnungsprinzip der Rekrutierung genommen werden müsste. Bei Katzen und Fischen wurde bei Jagd- bzw. Fluchtbewegungen eine selektive Aktivierung schnell zuckender ME bereits bewiesen. Eventuell wird hierfür die Aktivierung langsamer ME vom Zentralnervensystem gehemmt und dadurch das Henneman-Prinzip außer Kraft gesetzt. Zumindest wird die Steilheit des Kraftanstiegs einer Kraft-ZeitKurve, die als Maß für die Schnellkraftfähigkeit gilt, im Wesentlichen durch die Kontraktion der schnell zuckenden Fasern bestimmt. Eine schnellstmögliche Einbindung dieser ME in den Anspannungsprozess ist für eine schnellkräftige Bewegung also leistungsbestimmend.

VERWEISE:

Muskelfasertypen (20)

Bewegungstempo (58)

Schnellkraft (27)

Maximalkrafttraining (25)

Trainingssteuerung (11)

Krafttraining - Die 100 Prinzipien

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