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Der Sportmoderator »Aufgeben kenne ich nicht« GERHARD DELLING Moderator, ARD

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Bei der Fernsehübertragung eines Spiels der deutschen Fußballnationalmannschaft ist Gerhard Delling mit seinem Mikrofon neben dem Platz für die Zuschauer fast so wichtig wie Schweini, Poldi und Co. auf dem Platz. Delling ist das Gesicht des deutschen Sportjournalismus. Er kommentiert nicht nur die Fußball-Länderspiele in der ARD, sondern auch die Bundesliga in der Sportschau oder die Olympischen Spiele. Wir treffen Gerhard Delling in Hamburg in seinem Büro, wo er sich gerade auf seinen Auftritt am Abend im NDR-Sportclub vorbereitet. Vor sich hat er zehn Zeitungsartikel und zahlreiche Karteikarten ausgebreitet. An der Wand hängt ein Fernseher, auf dem live ein Bundesligaspiel zwischen Schalke und Borussia Mönchengladbach läuft. Immer wieder jagt sein Blick dem Ball hinterher.

Herr Delling, Sie moderieren nicht nur Fußballsendungen, sondern spielen auch leidenschaftlich gerne selbst. Was ist Ihre Position auf dem Platz?

Früher war ich Linksaußen, als es den noch richtig gab. Das war dann auch meist Linksdraußen – so ungefähr zwischen Genie und Reservebank. Dann im Laufe der Zeit bin ich mehr ins offensive Mittelfeld gegangen. Mittlerweile bin ich auf der linken Seite.

Welche Ihrer Spieleigenschaften lassen sich auf Ihre Qualitäten als Journalist übertragen?

Aufgeben kenne ich nicht. Wenn ich auf dem Feld bin, will ich natürlich auch immer gewinnen. Früher habe ich begeistert Schach mit meinem Vater gespielt und immer verloren. Aber ich habe nie aufgegeben, bis zum letzten Zug. Irgendwann habe ich dann tatsächlich gewonnen. Das waren für mich nach all den Jahren Triumph und Bestätigung zugleich, dass es sich lohnt, es immer weiter zu versuchen.

Was können Journalisten grundsätzlich von Fußballern lernen?

Ich weiß nicht, ob es so rum sein muss oder ob auch Fußballer etwas von Journalisten lernen können. Das hat nichts mit Journalisten an sich zu tun, es gilt für jeden so intensiven Beruf. Es ist ja eigentlich eine Gnade, dass wir nicht jeden Tag um acht Uhr am selben Ort sein und immer dieselbe Tätigkeit verrichten müssen. Wir haben schon das Glück, dass wir kreativ sein dürfen und sogar sein sollen. Das würde ich mir auch von jedem Fußballer wünschen. Oder ich würde mir wünschen, dass ein Fußballer öfter mal ein bisschen mutiger ist – in seinen Äußerungen. Denn ich glaube, wenn sie durchdacht sind, kann er sich das leisten. Das gilt genauso für den Journalisten. Man sollte seinen Spielraum ausreizen und immer versuchen, die Grenzen ein bisschen auszuloten. Selbst wenn man aus Versehen ein bisschen zu weit geht, hat man dabei auch wieder etwas gelernt.

Wie mutig und kreativ sind Sie denn beim Torjubel. Schaffen Sie mit Ihrer Größe einen Salto?

Ein Salto wäre so schön! (lacht) Den würde ich gerne können, ganz ehrlich. Aber so etwas Spezielles habe ich nicht. Keine Sperenzchen wie diese isländische Mannschaft, die mal so gejubelt hat, als hätte sie einen dicken Fisch geangelt. Das sieht zwar schön aus, wirkt aber irgendwie als schieße man nicht so oft ein Tor. Ich hatte übrigens noch nie diesen Killerinstinkt fürs Toreschießen. Mich hat immer mehr interessiert, wie das Ganze entsteht.

Wie entsteht denn Ihre Moderation bei einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft, wie bereiten Sie sich darauf vor?

Das ist ein latenter Vorgang, eigentlich ist man immer im Thema drin. Man liest alles. Und man spricht natürlich auch mit vielen Insidern. Ich treffe ja viele Leute in den Stadien und bin immer auf dem Laufenden, was in der Bundesliga vorher passiert. In größeren Abständen gibt es auch immer wieder direkte Gespräche, mit dem Bundestrainer zum Beispiel. Es gibt viele Anlässe, wo ich auch den DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach treffe, den Manager Oliver Bierhoff oder den einen oder anderen aus der Bundesliga! Das ist ein Prozess, der immer in Bewegung ist.

Klingt so, als seien Sie ziemlich nah dran an der Nationalmannschaft. Gehen Sie nach dem Spiel auch mal ein Bier mit denen trinken?

Natürlich kommt es mal vor, dass wir im Ausland sind, gemeinsam auf den Rückflug warten und dann auch mal ein Bier trinken. Das macht auch Spaß, vor allem, wenn man sich mit den Spielern so auch mal über andere Dinge unterhalten kann. Aber es gibt keine regelmäßigen privaten Treffen. Das ist auch gut so. Schließlich sollte man als Journalist noch eine gewisse Distanz wahren, um objektiv berichten zu können.

Das Verhältnis zwischen Sportjournalisten und Fußballern ist offensichtlich lockerer als das zwischen Nachrichtenjournalisten und Politikern …

Das würde ich so nicht sagen. Es stimmt vielleicht ein bisschen, weil von vielen Medien und wahrscheinlich auch vom Publikum Sport stärker als Unterhaltung empfunden wird, als es früher der Fall gewesen ist. Aber ich bin da noch ein echter alter Sack. Für mich ist das schon eine sehr journalistische Aufgabe. Ich freue mich zwar, wenn ein Fußballspiel einen hohen Unterhaltungswert hat und damit auch ein Gespräch darüber. Aber das ist in der Politik genauso: Mal kann sie sehr unterhaltend sein, aber sobald es berechtigte Fragen zu stellen gilt, müssen die genauso klar formuliert sein. Das gilt für die Politik und auch für den Sport.

In letzter Zeit haben immer wieder Bundesligatrainer die Medien kritisiert. Sie meinen, Journalisten würden selbst kleinere Querelen in den Vereinen groß »aufbauschen« und damit die Spieler auf dem Platz nervös machen. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Dass die Medien eine inhaltliche Diskussion in den Fokus heben, ist wichtig. Manchmal ist es übertrieben und manchmal ist es genauso, wie es ist. Korrekt und konkret. Unterm Strich kann ich nicht ganz verstehen, dass sich die Trainer darüber beschweren.

In diesem ganzen Fußballgeschäft haben alle Beteiligten, sowohl die Trainer als auch die Funktionäre, die Spieler selbst und auch das Fernsehen – ich will uns da selber nicht ausnehmen – schon viel dazu beigetragen, dass es so eine Wichtigkeit für viele Menschen erhält. Und dann kann man jetzt nicht auf einmal so tun, als wäre es nicht wichtig. Wenn etwa Mario Götze auf einmal zum »Messias« ernannt wird, ist das zwar nicht meine Diktion. Aber dass er schon in jungen Jahren ein außergewöhnlicher, superguter Fußballer ist, das kann man nicht negieren. Und über das große Interesse an ihm sollte sich auch niemand beschweren, denn damit verdient er im Übrigen eine Menge Geld. Wenn das Interesse nicht so groß wäre, dann würde er nämlich fast nichts verdienen. So wie es einem Basketballer oder einem Handballer ergeht.

Sie sagten vorhin, dass Sie als Vorbereitung für Ihre Moderationen alles lesen – was denn genau?

Es fängt an mit dem berühmten Hamburger Abendblatt, denn ich wohne ja in Hamburg. Logischerweise muss man auch die BILD-Zeitung jeden Morgen überfliegen, die Süddeutsche Zeitung … Man muss eigentlich alles lesen, was man in die Finger bekommt. Wenn ich in den Flieger steige, dann meistens mit einem ganzen Packen voller Zeitungen – bis hin zum Handelsblatt. Denn vielleicht kann man auch da eine neue Information bekommen, selbst wenn es manchmal auch nur ein Nebensatz ist. Dann lese ich natürlich den Kicker und die Sport-BILD, keine Frage. Es geht ja auch nicht einfach nur darum, sich zu informieren, der Beruf ist Berufung. Das muss man leben. Da muss man drinstecken, da darf man sich keine Blöße erlauben.

Haben Sie vor einer Sendung noch Lampenfieber?

Eine gewisse Angespanntheit ist schon immer da. Die braucht man auch. Ohne dieses Adrenalin wäre man auch gar nicht so wach. Und das ist ganz wichtig. Aber ich habe keine nassen Hände oder so.

Haben Sie vor der Sendung irgendein Ritual?

Ich habe festgestellt, dass ich natürlich ganz klar Tagesformschwankungen habe – manchmal bin ich ein bisschen hektischer, manchmal spreche ich vielleicht zu schnell oder manchmal wieder zu langsam, weil ich mit den Gedanken gerade noch zusätzlich woanders bin oder vorher noch irgendetwas passiert ist. Deshalb nehme ich mir vor der Sendung 30 Sekunden Zeit für konzentrierte Ruhe. Dann sage ich mir: Pass’ auf, gleich geht’s los, es ist zwar Arbeit, aber du willst auch Spaß haben. Diese Sendung habe ich ja im Vorhinein quasi schon einmal gedanklich durchgemacht.

Wie meinen Sie das, »schon einmal durchgemacht«?

Ich gehe jede Sendung im Vorfeld einmal gedanklich von vorne bis hinten durch. Ich kenne sie dann sozusagen schon. Hitchcock zum Beispiel hat einmal gesagt, das fand ich sehr imponierend, dass er immer völlig gelangweilt ist, wenn er am Schneidetisch sitzt. Eigentlich war alles gedreht, er hatte alles durchdacht, er wusste, wie die Story aussieht und wie er sie erzählen will. Jetzt musste er es nur noch irgendwie einigermaßen schön zusammenschneiden. Das war für ihn immer die langweiligste Arbeit. So ist es bei mir im Grundsatz eigentlich auch. Denn die Sendung ist schon vorher geschehen – im Kopf. Deshalb kommt es für mich dann live eher darauf an, dass man sie trotzdem so erlebt, als wäre sie ganz neu. Das ist ein Punkt, an den ich mich vorher immer erinnere. Ich sage mir vorher: Gleich geht’s los, super, du bist konzentriert, hab Spaß. Aber: Sei so offen, dass alles neu passieren kann.

Diese Dramaturgie, die Sie sich vorher überlegt haben – galt die auch für die Dialoge mit Günter Netzer?

Dieses, wie manch einer gemutmaßt hat, »Spiel« mit Günter Netzer, das war nie durchdacht in dem Sinne. Aber was natürlich schon durchdacht ist, das sind die konkreten fußballerischen Fragen. Das ist ja auch noch das Schöne bei uns, wir leisten uns im Ersten ja zum Glück immer noch journalistische Beiträge, was in der Event-Berichterstattung heutzutage leider immer seltener wird. Aber das bedeutet natürlich auch automatisch, dass es so etwas wie einen gedanklichen Fahrplan geben muss. Für die Redaktion und natürlich auch für den Moderator. Da kann man nicht auf einmal über das Wetter reden, denn dann bekommt man in diesem Zeitkorsett das, was man an Informationen dringend transportieren will, gar nicht mehr hin. Was das spezielle Zusammenspiel mit Günter Netzer oder auch anderen Studiogästen anbelangt, das sollte schon immer auch sehr spontan sein. Zumal ich ja nie weiß, was derjenige gleich antworten wird. Da gibt es keine Absprachen.

Mit der Fußballlegende Günter Netzer (Weltmeister 1974) moderierte Delling 13 Jahre lang die Länderspiele im Duett. Selbst Frauen fanden an ihren Analysen Gefallen, weil sie sich auch mal herzlich anzickten. »Einen Durchbruch als beliebter Sportmoderator vollzog Delling mit seiner einzigartigen Begleitung und Kommentierung der Fußball Europa- und Weltmeisterschaften, die er im ironisch bis sarkastisch gestalteten Zusammenspiel mit Günter Netzer zu einem Höhepunkt bundesdeutscher Fernsehunterhaltung führte«, das schreibt die Personenenzyklopädie »Who’s who«. Neben weiteren Auszeichnungen erhielt Delling zusammen mit Günter Netzer den »Goldenen Löwen« für die beste Sportmoderation und den Adolf-Grimme-Preis.

Sie haben mit Netzer als Duo Fernsehgeschichte geschrieben und Sie beide verbindet ja auch eine private Freundschaft. Netzer war sogar Ihr Trauzeuge. Trotzdem haben Sie sich nie geduzt. Hat sich das geändert, seitdem Sie nicht mehr zusammen vor der Kamera stehen?

Nee.

Immer noch nicht?

Nö. Das haben wir irgendwie verpasst und dann müssten wir uns jetzt ganz schön umstellen.

Man liest häufig, die Doppelmoderation mit Günter Netzer bei der Fußball-WM 1998 sei Ihr großer Durchbruch gewesen. Haben Sie das auch so wahrgenommen?

(Lacht) Da war ich so selbstbewusst zu glauben, dass ich den Durchbruch schon geschafft hatte. Irgendwie hatte jede Entwicklung für mich immer das Gefühl, dass ich wieder an einem entscheidenden Punkt angekommen bin. Als ich beispielsweise beim Radio anfing vor über 30 Jahren und nach eineinhalb Jahren einen festen Job in der Redaktion hatte und sicher sein konnte, dass es weitergeht. Das war für mich so ein Sprung. Da wusste ich: Jetzt bist du definitiv angekommen. »Auf diesem Niveau wirst du immer arbeiten können«, sagte mein damaliger Chef und Ziehvater Armin Hauffe, »aber da willst du doch sicher nicht stehen bleiben!« Und das wollte ich natürlich nicht. Eine der höchsten Weihen, finde ich, ist die Radioreportage. Das war das nächste Etappenziel. Wir haben ja damals noch ganze Spiele übertragen, durchgehend, was heute sehr selten ist. Als ich irgendwann ganz sicher war, machte ich so eine Reportage beim Handball. Als ich damit fertig war, hatte ich wirklich ein tolles Gefühl, so wie die Handballer, die gerade ihr Spiel absolviert hatten – schweißgebadet nach getaner Arbeit. Da habe ich gedacht: Jetzt hast du das geschafft, jetzt hast du wirklich mal die Reportage verstanden. Handball ist so schnell – das im Wort so rüberzubringen, war ein weiterer Meilenstein für mich. Dann kam die »Sportschau«. Das war auch wieder ein Meilenstein, logischerweise. Auch an meine erste Fernsehreportage erinnere ich mich noch bestens. Später kam Rudi Michel, sozusagen der »Erfinder« der Sportberichterstattung im deutschen Fernsehen, und sagte: »Mensch, da und da und da musst du dich noch verbessern, aber sonst, herzlichen Glückwunsch, Sie sind angekommen.« Das ist für mich natürlich ein Höhepunkt gewesen.

War Rudi Michel eine Art Mentor für Sie?

Ja. Er hat mir auch geraten, den Weg Richtung Fernsehen zu verstärken. Und er hat dafür gesorgt, dass ich beim Südwestfunk in Baden-Baden eine wirklich sehr gute Ausbildung bekomme. Außerdem hat er mich nicht nur an die Hand genommen, sondern hat mich auch sehr positiv kritisch wieder zurückgeholt und mir gesagt, wo ich mich noch verbessern muss. In der Sache war er unnachgiebig, als Person fast so etwas wie ein väterlicher Freund.

Gehen wir noch mal ein paar Schritte zurück. Sie haben schon als Schüler für die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung geschrieben. Wie haben Sie das geschafft?

Ich habe schon immer sehr gerne geschrieben, als Kind und als Jugendlicher. Mein damaliger Fußballtrainer wusste das, und mit dem habe ich darüber ein bisschen gesprochen. Der schrieb damals für die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung regionale Fußballberichte. Irgendwann bauten sie die Berichterstattung aus und er erinnerte sich an mich, weil ihm das zu viel wurde. Er sagte zu mir: »Komm, teilen wir uns das. Du machst die eine Staffel, ich die andere.« Da war ich 16 und fand das natürlich toll. Ich hatte die Möglichkeit zu schreiben, Sport lag mir ohnehin und es hatte noch den schönen Nebeneffekt, dass ich damals ein wenig Geld verdient habe. So fing das an und das war natürlich ein einschneidendes Erlebnis.

Erinnern Sie sich noch, über was Sie Ihren allerersten Artikel geschrieben haben?

Das weiß ich noch genau. Das war eine Vorschau am Donnerstag, die am Freitag erschien, über die Bezirksliga im Kreis Rendsburg-Eckernförde.

Sie haben also schon während der Schulzeit als Sportreporter gearbeitet. Blieb da die Schule manchmal auf der Strecke? Welche Abinote hatten Sie?

Ich glaube 2,5, wenn ich es richtig im Kopf habe.

Sie lagen im guten Mittelfeld ...

Ich war immer ein sehr guter Schüler gewesen. Als aber nach der Mittelstufe der Klassenverbund aufgelöst und die Studienstufe eingeführt wurde, war ich nicht mehr sehr viel in der Schule. Da habe ich dann lieber das Leben kennengelernt.

Sie haben also viele Partys gefeiert?

Auch, aber gar nicht mal so viele Partys, aber ich habe unglaublich viel Sport gemacht. Mein Leben bestand auch zu dem Zeitpunkt schon aus dem Spagat zwischen Arbeit, weil ich ja für die Zeitung geschrieben habe, Schule, sehr viel Fußball, Leichtathletik und Leute kennenlernen. Ich habe auch immer gerne gelesen, aber meist nur wenige Seiten pro Tag. Denn wenn ich abends gelesen habe – tagsüber kam ich selten dazu – bin ich sofort eingeschlafen, weil meine Tage fast durchweg sehr lang und intensiv waren.

Wie ging es nach dem Abi weiter?

Als Nächstes ging ich nach Kiel und studierte dort Volkswirtschaft. Bewusst etwas anderes, weil ich doch über Sport schon sehr gut Bescheid wusste und etwas anderes kennenlernen wollte.

Hatte diese Entscheidung auch mit Ihrem Elternhaus zu tun?

Ein bisschen schon. Meine Großmutter hatte nach dem Krieg ein Unternehmen gegründet, das mein Vater dann später als Geschäftsführer übernahm. Da habe ich natürlich auch während der Schul- und Studienzeit immer in den Ferien ein bisschen ausgeholfen. Es ging um die Themen Schrott, Abbruch, Güternahverkehr, Containerdienst. Das wuchs immer mehr. Es fing klein an und über die Jahrzehnte wurde es ein funktionierender mittelständischer Betrieb. Es hat mir schon Spaß gemacht da und die Idee war, dass ich eventuell einmal einsteigen würde. Da wäre es logisch gewesen, Betriebswirtschaft zu studieren. Das war mir zu eng. Deswegen wollte ich die Tür noch offen halten und ein bisschen breiteres Spektrum studieren.

Ein Journalismusstudium war keine Option?

Ich halte nicht so viel davon, speziell und ausschließlich Journalismus zu studieren. Wenn man journalistisch tätig sein will, muss es immer eine Sache geben, von der man wirklich was versteht. Mindestens eine. Vielleicht auch zwei oder drei, aber mindestens eine wirklich gut. Ich glaube behaupten zu können, dass es bei mir zwei sind. Ich bin auch heute noch volkswirtschaftlich sehr interessiert und wirklich drin im Thema. Und sportlich ohnehin, nachdem ich auch während des Studiums die ganze Zeit immer damit zu tun hatte. Sowohl von der praktischen als auch von der theoretischen Seite. Das ist ein Faible von mir. Ich würde immer empfehlen: Man kann Journalismus vielleicht zusätzlich studieren, zu etwas dazu. Aber ich glaube, es kann nicht schaden, wenn man ein Steckenpferd hat.

Offenbar waren Sie ja schon als junger Mann sehr zielstrebig und haben strategisch gedacht. Was hat Sie angetrieben?

Eigentlich dasselbe, wie im Sport. Wenn ich auf dem Fußballfeld stehe, will ich gut spielen und Erfolg haben. Falls es nicht so geklappt hat, ärgere ich mich kurz. Und nach fünf Minuten ist alles wieder in Ordnung und ich habe kein Problem mehr damit. Aber ich finde, wenn man irgendwo drinsteckt, dann muss man sich schon das höchste Ziel stecken. Als Journalist kapiert man schnell, dass man erst gut wird, wenn man wirklich weiß, worüber man spricht. Das gelingt ja auch oft genug nicht. Ich will nicht sagen, dass ich tatsächlich immer über alles informiert bin. Aber das Ziel, das habe ich schon.

Heute haben Sie den Job, um den Sie vermutlich Tausende Sportjournalisten in Deutschland beneiden. Was haben Sie denn besser gemacht als die große Konkurrenz?

Das kann ich so nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass ich a) schon sehr zielstrebig daran gearbeitet habe aber b) wirklich echt immer Glück gehabt habe. Ich habe, zum Teil rein zufällig, die besten Ausbilder gehabt, die man sich vorstellen kann.

Was gefällt Ihnen denn am besten an dem Erfolg? Dass Sie super Einschaltquoten haben und auf der Straße erkannt werden, oder dass Sie viel Geld verdienen?

Ich verdiene natürlich viel zu wenig Geld für das, was ich leiste. Wenn ich mir dagegen so einen Fußballspieler ansehe … (lacht). Nein, Quatsch. Für mich ist es eine tiefe Befriedigung, wenn wir eine Sendung hinter uns gebracht haben, danach eine Besprechung machen und zu dem Ergebnis kommen, dass es im Großen und Ganzen eine gute Sendung war, die Hand und Fuß hatte und Sinn gemacht hat. Ich bin einerseits ein Einzelkämpfer, aber gleichzeitig schon immer auch Mannschaftssportler gewesen. Ich finde es großartig, wenn man seinen Part wirklich extrem spielen kann und seine Freiheiten versucht auszureizen. Aber auf der anderen Seite, wenn die ganze Mannschaft froh ist, dass zum Beispiel eine »Sportschau« super war, dann lohnt es sich, dafür zu arbeiten. Das ist ein gutes Gefühl und …

»Tor für Schalke! Raúl!« ruft Gerhard Delling plötzlich. Obwohl er uns während seiner Antworten direkt ansieht, verfolgt er das Spiel aus dem Augenwinkel ganz genau. »Haben Sie das gesehen?«, fragt Delling. Der spanische Weltstar Raúl hat eine Art Billard-Tor geschossen. Nach einer Flanke von Huntelaar köpft Papadopoulos in den Fünf-Meter-Raum, wo Raúl zunächst am Gladbacher Torwart scheitert, den Keeper ein zweites Mal anschießt und im dritten Anlauf das Leder aus drei Metern im Tor versenkt.

Wir wissen ja, dass Sie objektiv sein müssen, aber welcher Bundesligamannschaft drücken Sie heimlich ein bisschen die Daumen?

Heimlich muss es ja gar nicht sein. Mein erstes Bundesliga-Spiel habe ich als kleiner Junge beim HSV gesehen. Ich wohne in Hamburg. Klar, dass ich da eine Affinität zu den Nord-Klubs habe. Aber im Laufe der Jahre habe ich natürlich viele Vereine gut kennengelernt. Ich war ja auch ein paar Jahre mal im Südwesten beim Südwestfunk. Da waren wir sehr viel in Freiburg, in Kaiserslautern. Ich bin immer begeistert, wenn bei einem Verein etwas entsteht und wenn man auch einen positiven persönlichen Eindruck mitnehmen kann. Insgesamt kann ich also nicht sagen, dass ich eine Toplieblingsmannschaft hätte. Früher als kleiner Junge war ich auch eine Zeit lang ganz verschärfter Gladbach-Fan. Und jetzt begeistern die wieder, finde ich. Da gucke ich gerne hin.

SPITZNAME: Delle.

ABI-NOTE: 2,5.

WOMIT HABEN SIE IHR ERSTES GELD VERDIENT? Als freier Mitarbeiter bei der Lokalzeitung.

WAS IST IHRE GRÖSSTE STÄRKE UND GRÖSSTE SCHWÄCHE? Schwer zu sagen. Ich habe einen gewissen Kampfgeist, bin begeisterungsfähig und verstelle mich nicht. Schwächen habe ich sehr viele. Ich bin manchmal ein bisschen unvernünftig. Ich kann zum Beispiel nicht akzeptieren, dass mein Knie gerade verletzt ist, und mache dann trotzdem Sport.

ÜBER WAS HABEN SIE IHREN ERSTEN ARTIKEL GESCHRIEBEN? Das war ein Vorbericht über die Fußball-Bezirksliga im Kreis Rendsburg-Eckernförde.

WAS IST IHR WICHTIGSTER TIPP FÜR DEN EINSTIEG IN DEN JOURNALISMUS?

Fragt euch: Was interessiert mich wirklich richtig? Wo geht mein Herz auf, wo bin ich dabei? Wenn ihr darauf eine Antwort gefunden habt, geht konsequent in diese Richtung.

Würden Sie manchmal selber gerne für einen Bundesligaverein auflaufen?

Nein, ich konnte mich immer richtig einschätzen und wusste, dass es dafür wohl nie reichen würde.

Mit Ihrer Expertise wäre doch vielleicht auch eine Trainerlaufbahn denkbar gewesen …

Ich habe tatsächlich schon einmal daran gedacht. Mein Verein war mal ein bisschen in Schwierigkeiten und ich habe überlegt, ob ich mich da mal mit auf die Bank setze und eine Zeit lang als Trainer aktiv werde. Aber das wäre auch eine halbe Sache. Wenn man das macht, muss man besessen genug sein, um sich mehrere Trainerscheine anzueignen. Nur dann kann man es richtig machen. Aber das hätte ja automatisch nach sich gezogen, dass ich die andere Seite, die journalistische, nicht so hätte verfolgen können. Und der Journalismus hat mich am Ende doch immer am meisten interessiert.

Wie viele Spiele haben Sie ungefähr live im Stadion verfolgt?

Ich habe das nie genau hochgerechnet, aber das müssen schon ein paar Tausend sein.

Wird Ihnen Fußball da nicht irgendwann langweilig?

Ich bin manchmal selber überrascht, dass der Sport mich immer noch fasziniert. Aber es ist jedes Mal irgendwie wieder neu und anders. Außerdem hat man sehr viel mit Menschen zu tun. Es gibt sehr viele schöne Momente und kritische Momente für einen Journalisten. Es gibt viele Situationen, wo man nachhaken kann und nachhaken muss. Wo man sich auch immer wieder hinterfragen muss. Ich liebe die Abwechslung, und die habe ich im Sport ganz besonders. Trotzdem pflege ich ja noch ein anderes Standbein. Ich moderiere ja zum Beispiel auch in der ARD den »Wochenspiegel«.

Der »Wochenspiegel« wird von der Tagesschau produziert und blickt auf die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Woche zurück, ergänzt durch aktuelle Meldungen des Tages. Wollen Sie Ihr Engagement im Nachrichtenbereich weiter ausbauen?

Man wird ja nicht jünger. Das merke ich zum Beispiel bei einer Leichtathletik-WM. Da muss man sich bis tief in die Nacht vorbereiten. Und morgens um sieben Uhr steht man schon wieder frisch gepudert und geschminkt in der Mixed Zone, also dort, wo Journalisten auf Sportler treffen, und abends gibt es dann normalerweise noch eine Zusammenfassungssendung, kurz vor Mitternacht. Ich halte das zwar immer noch aus. Aber im Grunde hat das alles seine Zeit. Da gehören jüngere Leute rein. Da kommt dann irgendwann so eine andere Verwendung, der man sich dann mehr widmet. Mittlerweile habe ich natürlich einige Erfahrung und ich glaube, dass ich ein Politikerinterview schon standfester führen kann, als ich es vielleicht zu Anfang der Karriere geführt hätte. Und es ist ein journalistischer Bereich, der mich immer interessiert.

Sie arbeiten anscheinend sehr viel, speziell auch am Wochenende. Lässt sich das mit dem Familienleben vereinbaren?

Schwer. Aber ich kenne es ja nicht anders. Schon mit 16 habe ich samstags meistens Vereinsfußball gespielt und sonntags geschrieben. Das Wochenende ist also schon seit fast 40 Jahren immer hin. Ich habe das alles ja auch so extrem betrieben, weil es mich interessierte – ich habe dann sieben Tage die Woche gearbeitet, was ich heute noch öfter mache. Aber heute schaffe ich mir auch ganz bewusst Freiräume wegen der Familie. Ich möchte natürlich mit meinen Kindern zusammen sein und sehen, wie sie aufwachsen und was sie bewegt.

Haben Sie manchmal auch etwas Privates geopfert für Ihre Karriere? Ist zum Beispiel mal eine Beziehung in die Brüche gegangen, weil Sie so viel gearbeitet haben?

Nee, die Frage hat sich nie gestellt. Wenn jemand damit nicht klargekommen ist, dann hat diejenige sicherlich schon so den Abflug gemacht. Ich glaube, ich bin schon sehr intensiv mit meiner Arbeit, aber auch im Privatleben. Wenn ich zu Hause bin, bin ich nicht derjenige, der die Füße hochlegt und sich Pantoffeln bringen lässt und ein bisschen fernsieht. Ich will dann auch etwas mit meinen Liebsten erleben. Nein, ich musste für die Karriere noch nie etwas aufgeben, weil für mich immer ungefähr klar war, wie die Balance aussieht.

Welche Sportarten, außer Fußball, treiben Sie privat?

Eine Zeit lang habe ich früher noch intensiv Leichtathletik gemacht. Dann habe ich mal ein bisschen im Verein Handball gespielt, um den Sport näher zu verstehen und besser darüber berichten zu können. Heute spiele ich ganz gerne mal Golf, wenn es die Zeit erlaubt. Ich habe eine Zeit lang auch Tennis gespielt, das aber sehr schlecht. Ich habe auch gerne und schlecht gesurft. Das ist ein richtiges Lebensgefühl. Heute jogge ich noch regelmäßig, obwohl ich mir früher nie vorstellen konnte, ohne Ball zu laufen.

Der Schiedsrichter pfeift das Spiel auf Schalke ab. Die Hausherren gewinnen durch das Billard-Tor von Raúl mit 1:0. Gerhard Delling zieht sich eine Karteikarte herüber und macht sich darauf eine Notiz. Er blickt auf die Uhr. Auch unsere Interviewzeit ist eigentlich abgelaufen, Delling muss sich weiter auf die Sendung vorbereiten. Doch er gibt uns noch ein paar Minuten Nachspielzeit.

Stellen Sie sich vor, Sie seien der Trainer einer Mannschaft von Nachwuchsjournalisten. Wie sollte man die Zeit neben dem Studium optimal nutzen?

Ich würde auf jeden Fall ins Ausland gehen. Für mich war das damals aus finanziellen Gründen undenkbar. Das würde ich auf jeden Fall machen. Außerdem gibt es viele Weiterbildungsmöglichkeiten außerhalb der Uni, gerade im journalistischen Bereich. Und es gibt überall Menschen, die auch bereit sind, ihr Know-how weiterzugeben. Und man sollte Praktika absolvieren, auch um herauszufinden, was man nicht machen möchte. Das ist ganz wichtig. Und man sollte versuchen, parallel zum Studium praktisch zu arbeiten. Das kann der Bericht in der Lokalzeitung über den letzten Leuchtturmwärter sein – völlig egal. Hauptsache: machen!

Würden Sie auch empfehlen, zum Beispiel einen eigenen Blog zu schreiben?

Klar, das Internet ist eine Riesenchance. Wer zum Beispiel einen Blog über unterklassige Fußballligen schreibt, kann sich da ganz schnell einen Namen machen, wenn er gut gemacht ist. Entweder außergewöhnlich provokativ, außergewöhnlich klug oder außergewöhnlich formuliert. Man kann dort eine eigene Marke entwickeln.

Ist es heute leichter oder schwerer als früher, als Sportjournalist den Sprung vor die Kamera zu schaffen?

Früher gab es nur einen Weg: Lernen, lernen, lernen! Und dann musste zum Fleiß auch irgendwann ein bisschen Glück kommen. Heute gibt es eigentlich noch einen zweiten Weg, den ich persönlich nicht so gut finde: Man tut einfach so, als wenn man was kann. Gerade das Medium Fernsehen bedient schon mehr denn je narzisstische Züge. Mit einer gewissen Chuzpe, ein bisschen frechem Auftreten, einer Extrovertiertheit, kann man heute schon ein paar Mängel auf der Wissensseite kaschieren. Aber das hat mittelfristig sehr kurze Beine.

Um noch mal die Motivation zu steigern für den ehrlichen, aber steinigen Weg: Was waren Ihre unvergesslichsten Momente als Sportreporter und Moderator?

Es gab wirklich viele. Super beeindruckend war die Fußball-Europameisterschaft 1992, weil das eine der letzten war, wo wir tatsächlich noch unten auf dem Feld stehen konnten. Während des Spiels hatten wir von da aus kurze Einblendungen. Als das Spiel zu Ende war, sind wir direkt aufs Feld gegangen. Das war alles möglich damals. Da war man so nah dran, das war elektrisierend. Eines der größten Erlebnisse waren auch die Olympischen Spiele in Sydney. Großartiger Sport, tolle Geschichten und gleichzeitig ein wunderbares Land. Da passte irgendwie alles. Und die Fußball-WM 2006 in Deutschland war natürlich auch sehr aufregend, weil im ganzen Land eine wahnsinnige Begeisterung spürbar war.

Was war denn Ihr größter Reporter-Albtraum?

Ich war dabei, als in Bremen beim Auftaktspiel zur Bundesliga der Strom ausfiel. Das war schon ziemlich katastrophal. Ich habe dann versucht, mit dem Handy zu kommentieren. Das ging eine kurze Zeit gut und dann war die Leitung auch weg.

Als Fußballer ist es ja das Größte, Weltmeister zu werden. Was ist denn für Sie das Größte, was man als Journalist erreichen kann?

Ich glaube als Journalist ist es ganz wichtig, dass man ernst genommen wird. Das zu erreichen ist schon schwer genug. Das über Jahre auf Dauer weiter zu erhalten, das ist ein Prozess. Das geht immer weiter. Das ist eigentlich die größte Herausforderung.

Wege in den Traumberuf Journalismus

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