Читать книгу Pony Jamie - Einfach heldenhaft! (1). Tagebuch von der Pferdekoppel - Jana Hoch - Страница 8
ОглавлениеKapitel 2
In dieser Nacht kann ich nicht schlafen. Ich kullere mich immer wieder von einer auf die andere Seite und irgendwann tritt Sheela mit dem Huf gegen die Boxenwand. »Ruhe«, zischt sie. »Ich will schlafen.«
Ich rapple mich auf und knabbere ein bisschen am Heu, aber auch das kann mich nicht ablenken.
»Hey, Jamie, sei nicht traurig.« Ari hebt seinen Kopf über die Trennwand zwischen unseren Boxen und stupst mich an. »Das wird bestimmt super in deinem neuen Zuhause. Stell dir doch mal vor, du bekommst deinen eigenen Menschen. Nur für dich.«
»Will ich aber nicht«, gebe ich patzig zurück und wende ihm den Schweif zu.
Ari zwickt mich in den Po. »Hey, kein Grund, so unfreundlich zu werden.«
Ich schnaube frustriert und drehe mich einfach um. »Tut mir leid«, brumme ich und stelle mich zu ihm. »Aber ich möchte unbedingt hierbleiben.«
Ari legt den Kopf schief und schüttelt sich, damit sein dicker Schopf zur Seite fällt und er mich ansehen kann. »Vielleicht hast du ja Glück und es will dich niemand haben. Viele Zweibeiner suchen ja etwas ganz Bestimmtes und da kann es sein, dass es nicht gleich funkt. Denk mal an Ole. Das hat mehrere Monate gedauert, bis er verkauft wurde und …«
»Ari, du bist genial«, unterbreche ich ihn, weil ich auf einmal ganz aufgeregt werde. Er wackelt mit den Ohren.
»Echt?«
»Ja!« Mehr schaffe ich nicht mehr zu sagen, weil meine Gedanken wild durcheinanderkreisen.
Vielleicht hast du ja Glück und es will dich niemand haben. Das ist es! Auf mein Glück will ich mich natürlich nicht verlassen. Aber ich könnte ein bisschen nachhelfen. Immerhin bin ich ein Menschenflüsterer. Da sollte es doch leicht sein, die Bewerber zu durchschauen und sie davon zu überzeugen, dass wir ganz und gar nicht zusammenpassen. Genial, genial, genial!
Ich lege mich wieder hin und dieses Mal fällt es mir viel leichter, in den Schlaf zu finden. Der Plan steht: Ich werde das frechste und ungezogenste Pony sein, das dieser Hof jemals gesehen hat.
Das, was ich in der nächsten Woche erlebe, ist schräg. Und wenn ich schräg sage, dann meine ich wirklich zum Davongaloppieren. Hannes hat meine Verkaufsanzeige ins Internet gestellt und jetzt melden sich die ersten Interessenten. Um ganz ehrlich zu sein, weiß ich immer noch nicht, was dieses Internet ist, aber die Menschen reden andauernd davon und ich stelle es mir vor wie eine große Pinnwand, so wie die in der Sattelkammer. Gesehen habe ich die Internetpinnwand aber noch nie. Sonst hätte ich meine Anzeige längst abgerissen und gefressen. Oder noch besser: Ich hätte das gesamte Internet gefressen! Na, Internet, was sagst du jetzt? Von mir aus kannst du mir so viele Bewerber schicken, wie du willst. Ich werde sie alle vergraulen. Mich wird garantiert niemand kaufen!
Montag – Das Einhornmädchen
Ich stehe angebunden am Stall und döse in der Sonne. Da erklingt plötzlich eine schrille Frauenstimme. »Clara-Seraphinaaaa!«
Hä? Ich schrecke hoch. Spirulina? Wo? Ungeduldig warte ich darauf, dass Hannes mit meinem Futtereimer um die Ecke kommt, aber nichts passiert. Spirulina gibt es nämlich manchmal zu fressen. Das ist ein Pulver aus Algen und wenn man die Nüstern da reindrückt, werden sie ganz lustig grün. Außerdem ist es lecker. Ich schmatze unsicher vor mich hin und dann kommt wirklich jemand auf mich zu. Allerdings nicht Hannes, sondern der Chef, zusammen mit einer Frau mit riesiger Sonnenbrille und einem Mädchen, dessen Kleidung von oben bis unten glitzert. Die hat ganz eindeutig zu viel Mähnenspray abbekommen. Einen Eimer oder eine Futterschale hat allerdings keiner von denen dabei.
»So, das ist unser Jamie«, verkündet der Chef und zeigt auf mich. Ich lege erst einmal die Ohren an. Aus Prinzip. Und auch das Mädchen sieht aus, als ob sie es mir gerne gleichtun würde. Kann sie aber nicht, weil das mit ihren Ohren nicht geht. Blöd gelaufen! Dafür verschränkt sie die Arme vor der Brust und plärrt. »Ich wollte einen Schimmel. Weiß! Wie das Einhorn neulich in dem Film. Mit langer Mähne, bis zum Boden!«
»Clara-Seraphina, jetzt mach mal keinen Aufstand. Ein Pferd ist ein Pferd«, sagt die Frau, tritt näher heran und klopft mir auf den Rücken. »Siehst du, das Pony ist ganz brav. Jetzt komm her und streichle es erst mal, bevor du Nein sagst.«
Spirulina presst ihre Lippen aufeinander und verzieht das Gesicht.
»Wenn ich das blöde Pferd streichle, wird es davon auch nicht weiß«, motzt sie. Trotzdem schiebt sie sich vor und patscht mit ihrer Hand lieblos an meinen Hals. Na warte. Ich recke ihr meine Nüstern entgegen und ziehe eine lange Sabberspur quer über ihr T-Shirt. »Igitt!«, kreischt Spirulina und springt zurück. Die Frau mit der Sonnenbrille eilt zu Hilfe und jetzt steigt mir ihr Geruch in die Nase. Blumig und so stark, als ob sie sich im Vorgarten vom Chef gewälzt hätte. Das ist übrigens strengstens verboten. Ich weiß es aus eigener Erfahrung.
Die Frau redet auf Spirulina ein und stellt sich dabei ganz nah an mein Gesicht. Schlagartig wird der Duft so intensiv, dass ich die Oberlippe hochziehen muss.
»Lacht der mich jetzt aus?« Spirulinas Gesicht färbt sich rot.
»Nein, nein«, versucht der Chef, die Situation zu retten, aber es ist schon zu spät. Das Einhornmädchen rauscht ab, die Frau hinterher. Und ich schaue bloß ganz unschuldig den Chef an. Hab nichts gemacht!
Mittwoch – Der halbstarke Jährling
»Howdy, Pony!«, begrüßt mich der Junge im Cowboylook. Ich mustere ihn. Wenn er ein Pferd wäre, wäre er noch nicht ausgewachsen, aber zu alt für die Fohlengruppe. Und er ist eindeutig ein Wichtigtuer. Solche wie den kenne ich von der Wiese, wo die einjährigen Ponys stehen. Jährlinge muss man einfach mal kräftig in die Mähne beißen, dann geben die ganz schnell nach. Da der Junge keine Mähne hat, nehme ich seinen Arm und zwicke vorsichtig rein. Er jault sofort. Weichei. Das war doch nur ganz sanft. Zum Testen quasi.
»Was bist du denn für einer?«, fragt er und stemmt die Hände in die Hüften. »Ein wilder Mustang?«
Nein, ein Haflinger. Das ist ja wohl ziemlich offensichtlich.
»Hmmm, na mit dir komme ich schon klar.« Der Junge löst meinen Führstrick aus dem Haken und will mich über den Hof führen. »Ich habe nämlich Lucky Luke gelesen. Und Winnetou.«
Aha. Keine Ahnung, was er mir damit sagen möchte. Ist mir auch egal, ich beiße lieber in seinen Hut, ziehe ihn von seinem Kopf und lasse ihn auf den Boden fallen.
»Hey!«, schnaubt der Cowboy. »Lass das!«
Aber weil er sich so schön darüber ärgert, mache ich es noch mal. Und dann ziehe ich das gesamte Programm ab, das ich in der Jungpferdegruppe gelernt habe. Ich remple ihn an, stupse ihn zur Seite und zwicke ihn in die Beine. Als ich schließlich – ganz aus Versehen – meinen Huf auf seinen Fuß stelle, heult er auf.
»Den will ich nicht kaufen!«, ruft er, lässt mich stehen und flieht.
Freitag – Zum Baumarkt geht’s woanders lang
»Wir suchen einen Rasenmäher.« Die Frau mit den grau-weißen Haaren lächelt den Chef an und zeigt dann auf mich. »Und dieser hier ist perfekt. So ein Süßer.« Ihr Mann nickt.
Moment mal, hat die Frau gerade Rasenmäher gesagt? Auch der Chef ist für einen Moment irritiert. »Nun, dafür ist unser Jamie fast zu schade. Der hat nämlich tolle Gänge.«
Jawohl. Ich bin ein Dressurpferd!
»Aber der gefällt uns so gut.« Die Frau kommt zu mir und streichelt mich an der Schulter. Erst überlege ich, sie zu beißen. Aber irgendwie bringe ich es nicht übers Herz. Sie scheint ganz nett zu sein. Und als sie dann auch noch eine Mohrrübe hervorzaubert und sie mir zwischen die Zähne drückt, schaffe ich es endgültig nicht mehr. Die Frau strahlt. »Der ist wirklich goldig. Oder, Hermann?«
Der Mann nickt wieder.
Und das führt dazu, dass ich mit den beiden spazieren gehen muss und mir den Kopf darüber zerbreche, wie ich ihnen zeige, dass sie nicht zu mir passen. Na klar, ich könnte ihnen auch auf die Füße treten. Aber dafür sind sie zu freundlich. Außerdem hat die Frau noch mehr Mohrrüben dabei und es wäre ja dämlich von mir, die nicht abzustauben.
Gerade als wir den Hof verlassen wollen, kommt mir eine Idee. Ich muss ihnen zeigen, dass der Chef recht hat und dass ich kein Rasenmäher bin. Wenn sie erst sehen, wie großartig ich mich bewegen kann, werden sie einsehen, dass mein Talent in ihrem Garten vergeudet ist. Also beginne ich damit, den Hals zu runden und meine Hufe höher zu heben.
»Hermann, was macht das Pony?«, fragt die Frau verwundert und weiß ganz offenbar nicht, was sie davon halten soll. Aber meine Show ist noch nicht vorbei. Ich trabe um sie herum, werfe meine Beine nach vorne und springe in die Luft. Immer schneller und schneller. »Hermann, mach doch etwas!«, ruft die Frau verzweifelt. Aber ich bin noch nicht bereit aufzuhören. Die beiden haben noch nicht gesehen, wie beeindruckend mein Galopp ist.
Als ich zum ersten Sprung ansetze, wird der Mann ganz blass. »Irene«, sagt er und schluckt. »Vielleicht fahren wir doch besser in den Baumarkt.«
Sonntag – Dieses Mädchen ist nicht normal
Ich stehe am Zaun der Weide und beobachte die Stallkatzen dabei, wie sie auf den Strohballen herumtollen. Das Brummen eines Motors erklingt und gleich darauf fährt ein blaues Auto auf den Hof und parkt direkt vor dem Haus des Chefs. Die Türen werden geöffnet und zwei Mädchen und eine Frau springen heraus. Alle drei reden durcheinander und ab und an höre ich ein Kichern.
»Hey, schaut mal«, sagt eines der Mädchen. Sie trägt einen geflochtenen Zopf, Reithosen und eine Jeansjacke. Aufgeregt hüpft sie auf der Stelle und deutet in meine Richtung. »Könnte er das vielleicht sein?«
»Ja, sieht so aus«, sagt das kleinere Mädchen neben ihr. Ihre Haare haben die Farbe von Mohrrüben und ich frage mich, ob ich sie wohl mal abschlecken kann.
»Er ist so hübsch«, sagt die Erste wieder. »Genau wie in der Anzeige.« Sie kommt zu mir herüber und hält mir die Hand entgegen. Ich schnuppere daran. Sehr höflich von ihr. Die meisten fassen einen sofort an, ohne sich vorher vorzustellen. Ich fange gerade an, sie nett zu finden, als mir plötzlich klar wird, was sie gesagt hat. Anzeige?
Ist die auch hier, um mich zu kaufen? Nichts da! Sofort ziehe ich die Nase weg und schnappe nach ihrem Jackenärmel. Aber sie ist schnell. Verdammt schnell. Zack, wedelt sie mit ihrer Hand in der Luft und ich schrecke zurück. So etwas machen Menschen für gewöhnlich nicht. Irritiert starre ich sie an und das Mädchen lacht und krault mich unterm Schopf. »Du bist aber ganz schön frech«, flüstert sie mir zu. »Ich mag dich jetzt schon.«
Hä? Sie mag mich? Warum das denn? Das ergibt keinen Sinn.
»Komm, Jana, der Gestütsleiter wartet schon auf uns!«, ruft die Frau und das Mädchen dreht sich um und läuft zurück. Ich bin immer noch fassungslos und beobachte ganz genau, wie alle zusammen zum Haus des Chefs gehen und auf die Klingel drücken. Kurz bevor die Tür geöffnet wird, dreht sich Jana zu mir um und lächelt mich an. Sie lächelt. Ich schaue schnell weg. Verfluchter Hafersack! Irgendetwas stimmt mit der nicht!