Читать книгу Mansfield Park - Джейн Остин, Сет Грэм-Смит, Jane Austen - Страница 9
7. Kapitel
Оглавление«Nun, Fanny, wie gefällt dir Miss Crawford jetzt?» fragte Edmund am nächsten Tag, nachdem er selbst längere Zeit darüber nachgedacht hatte. «Wie hat sie dir gestern gefallen?»
«Sehr, sehr gut. Ich höre sie gern plaudern, sie ist so unterhaltsam. Und dabei ist sie so wunderhübsch, daß ich sie immerzu anschauen möchte.»
«Es ist ihr Mienenspiel, das ihr soviel Reiz verleiht. Sie hat ein unglaublich ausdrucksvolles Gesicht. Aber war in ihrem Reden nichts, was dir nicht ganz passend vorkam?»
«O doch! Sie hätte nicht in diesem Ton von ihrem Onkel sprechen dürfen. Ich war ganz erstaunt. Ein Onkel, bei dem sie jahrelang gelebt hat und der, was er auch für Fehler haben mag, zu ihrem Bruder so gut ist und ihn, so heißt es, wie einen
eigenen Sohn behandelt! Ich hätte es nicht geglaubt.» «Ich habe mir gedacht, daß es dich schockieren würde. Es war sehr unrecht von ihr – sehr unschicklich.»
«Und sehr undankbar, finde ich.»
«Undankbar ist ein starkes Wort. Ich weiß nicht, ob ihr Onkel gerade auf ihre Dankbarkeit Anspruch hat … Seine Frau zweifellos – und im Grunde ist es die Verehrung, mit der sie ihrer Tante gedenkt, die sie zu dieser Entgleisung verführt hat. Sie ist in einer schwierigen Lage. Bei ihrem warmen Empfinden und ihrem lebhaften Temperament muß es ihr schwerfallen, ihrer Liebe zu Mrs. Crawford gerecht zu werden, ohne den Admiral anzuklagen. Ich kann nicht beurteilen, wen mehr Schuld an dem Zerwürfnis trifft – obwohl die gegenwärtige Aufführung des Admirals einen dazu verleiten könnte, für seine Frau Partei zu nehmen. Aber es ist ein natürliches und liebenswürdiges Gefühl, das Miss Crawford bewegt, so rückhaltlos für ihre Tante einzutreten. Ich kritisiere nicht ihre Einstellung; aber sie öffentlich zu verkündigen – darin liegt die Unschicklichkeit.»
«Meinst du nicht», fragte Fanny nach einiger Überlegung, «daß diese Unschicklichkeit irgendwie auf Mrs. Crawford selbst zurückfällt? Sie hat ihre Nichte erzogen. Und wenn Miss Crawford es in diesem Punkt an Diskretion mangeln läßt …»
«Das ist eine sehr richtige Bemerkung. Ja, wir müssen annehmen, daß es die Fehler der Tante sind, die wir an der Nichte tadeln. Das läßt einen noch deutlicher empfinden, unter welch ungünstigen Umständen sie aufgewachsen ist. Aber ich glaube, ihre jetzige Umgebung wird Miss Crawford guttun, denn Mrs. Grant hat ganz die richtige Art. Es ist schön, mit welch inniger Liebe sie von ihrem Bruder spricht.»
«Bis auf den Vorwurf, daß er zu kurze Briefe schreibt. Sie hat mich fast zum Lachen gebracht. Aber gar so lieb und gut kann ich einen Bruder nicht finden, der sich nicht einmal die Mühe nimmt, seiner Schwester einen ordentlichen Brief zu schreiben, wenn sie nicht beisammen sind. William würde mich unter keinen Umständen so schlecht behandeln, das weiß ich bestimmt. Und mit welchem Recht nimmt sie an, daß du, Edmund, keine ausführlichen Briefe schreibst?»
«Mit dem Recht eines lebhaften Geistes, Fanny, der alles aufgreift, was zu seiner eigenen Unterhaltung oder zur Belustigung anderer beitragen kann. Dagegen ist nichts einzuwenden, wenn nicht Böswilligkeit oder Taktlosigkeit im Spiel ist, und davon ist bei Miss Crawford keine Spur zu entdecken. Sie hat nichts Scharfes, nichts Lautes, nichts Vulgäres an sich. Sie ist durch und durch von echt weiblichem Feingefühl, bis auf den einen Punkt, von dem wir gesprochen haben. Da ist sie allerdings nicht zu rechtfertigen. Ich freue mich, daß du es ebenso empfunden hast wie ich.»
Da Edmund ihre Anschauungen gebildet und ihre ganze Zuneigung gewonnen hatte, durfte er fast immer auf Fannys volle Zustimmung rechnen. Allerdings begann sich jetzt und hier die Gefahr der ersten Meinungsverschiedenheit abzuzeichnen, denn der Weg, den Edmund mit seiner Verehrung für Miss Crawford betrat, konnte ihn leicht zu einem Punkt führen, wohin Fanny ihm nicht mehr zu folgen vermochte. Miss Crawfords Anziehungskraft wurde nicht geringer. Die Harfe kam an und schien ihre Schönheit, ihren Geist und ihre Gutherzigkeit in ein noch helleres Licht zu setzen. Die Gefälligkeit, der Geschmack, das feine Empfinden, das sie beim Spiel bewies, kleideten sie vorzüglich, und zu jedem Musikstück gab es etwas Geistreiches zu sagen. Edmund verbrachte jetzt jeden Vormittag im Pfarrhaus, um sich an den Klängen seines Lieblingsinstruments zu ergötzen, und wenn er Abschied nahm, war er bereits für den nächsten Tag eingeladen. Seine Dame hatte nichts gegen einen andächtigen Zuhörer einzuwenden, und alles ging, wie es gehen mußte.
Ein hübsches, junges, temperamentvolles Frauenzimmer an der Harfe, deren anmutige Form ihre eigene Anmut voll zur Geltung brachte – dahinter die offene Glastür, die Ausblick auf einen kleinen Rasenplatz in seiner Umkränzung von sommerlich üppigem Gebüsch bot – das war genug, um jeden Mann gefangenzunehmen. Die Jahreszeit, die Szenerie, die milde Sommerluft, alles atmete Zärtlichkeit und Empfindung. Mrs. Grant und ihr Stickrahmen spielten keine überflüssige Rolle dabei. Alles stimmte harmonisch zusammen, und da jedes Ding seine besondere Bedeutung gewinnt, wenn die Liebe ihren Faden zu spinnen beginnt, waren auch die Platte mit den belegten Brötchen und Dr. Grant, der ihnen Ehre antat, aller Beachtung wert. Ohne sich in die Theorie der Sache zu vertiefen oder auch nur zu wissen, wie ihm geschah, war Edmund nach einer Woche dieses musikalischen Verkehrs beträchtlich verliebt. Zur Ehre der Dame sei gesagt, daß auch sie – obwohl er kein Weltmann und kein ältester Sohn war und die Kunst der Schmeichelei ebensowenig beherrschte wie die Finessen der leichten Konversation – ihn täglich sympathischer fand. Sie war sich darüber klar, obwohl sie es nicht vorausgesehen hatte und es kaum begreifen konnte; denn er war nicht, was man gemeinhin liebenswürdig nennt, er redete keinen galanten Unsinn, er machte keine Komplimente, seine Anschauungen waren nicht zu erschüttern, die Aufmerksamkeiten, die er ihr erwies, blieben still und einfach. Vielleicht lag in seiner Aufrichtigkeit, seiner Festigkeit, seiner Unbestechlichkeit ein Charme, den Miss Crawford wohl zu empfinden vermochte, über den sie sich aber keine Rechenschaft ablegen konnte oder wollte. Sie dachte nicht viel darüber nach. Für den Augenblick gefiel er ihr, seine Gesellschaft war ihr angenehm, und das war vorläufig genug.
Fanny wunderte sich nicht, daß es Edmund jeden Morgen ins Pfarrhaus zog. Sie wäre gar zu gern auch dabei gewesen, hätte sie sich nur ungebeten und unbemerkt hinstehlen können, um der Harfe zu lauschen. Es wunderte sie auch nicht, daß Edmund, wenn die beiden Familien sich nach dem gemeinsamen Abendspaziergang trennten, es für richtig hielt, Mrs. Grant und ihre Schwester nach Hause zu geleiten, während Mr. Crawford sich den Damen von Mansfield Park widmete; doch in ihren Augen war es ein schlechter Tausch, und wenn Edmund nicht da war, um ihr Glas Wein und Wasser zu mischen, verzichtete sie lieber darauf. Es überraschte sie nur ein wenig, daß er so viele Stunden mit Miss Crawford verbringen konnte, ohne mehr von dem Makel zu sehen, den er im Anfang bemerkt hatte, und an den sie, Fanny, sooft sie mit Miss Crawford zusammen war, durch etwas von der gleichen Art erinnert wurde. Doch so war es. Edmund unterhielt sich gern mit ihr über Miss Crawford, aber er fand nichts mehr an ihr auszusetzen; es schien ihm zu genügen, daß sie sich kein weiteres Mal über den Admiral ausgelassen hatte, und Fanny scheute sich, ihm ihre eigenen Beobachtungen mitzuteilen, um nicht boshaft zu erscheinen. Der erste wirkliche Kummer, den Miss Crawford Fanny zufügte, hing damit zusammen, daß Miss Crawford, angespornt durch das Beispiel der jungen Damen vom Herrenhaus, Lust zum Reitenlernen bekundete. Edmund begrüßte diesen Wunsch und bot ihr für ihre ersten Reitversuche seine eigene ruhige Stute an, die für eine Anfängerin besser geeignet wäre als alle anderen Pferde in den beiderseitigen Stallungen. Seine Cousine sollte dadurch nicht die geringste Unbill erfahren und keinen einzigen schönen Tag versäumen; das Pferd brauchte nur täglich, eine halbe Stunde bevor Fanny auszureiten pflegte, zu einer kurzen Lektion in den Pfarrhof gebracht zu werden. Fanny selbst war beim ersten Auftauchen dieser Idee weit davon entfernt, sich als Opfer zu fühlen; im Gegenteil, sie vermochte sich vor Dankbarkeit kaum zu fassen, daß Edmund es für notwendig gehalten hatte, sie, Fanny, um ihre Erlaubnis zu bitten!
Miss Crawfords erster Reitversuch trug ihr selber große Ehre und Fanny keinerlei Unannehmlichkeit ein. Edmund, der das Pferd zum Pfarrhof gebracht und die Lektion geleitet hatte, kehrte pünktlich mit dem Tier zurück, bevor noch Fanny und der gesetzte alte Kutscher, der ihr als Begleiter zugeteilt war, zu ihrem Ausritt bereit waren. Am nächsten Tag ging es schon weniger harmlos zu. Miss Crawford fand so großes Vergnügen am Reiten, daß sie gar nicht damit aufhören wollte. Gewandt und furchtlos und bei aller Zierlichkeit kräftig gebaut, schien sie zur Reiterin geboren; zu der reinen, wahren Freude an der körperlichen Übung gesellte sich noch das Vergnügen an Edmunds Begleitung und Unterweisung sowie das stolze Bewußtsein, sich durch ihre raschen Fortschritte vor ihrem ganzen Geschlecht hervorzutun – kurz, sie zeigte keine Lust, abzusteigen. Fanny war bereit und wartete. Mrs. Norris begann schon zu schelten, warum sie nicht längst fort sei, und noch immer zeigte sich kein Edmund, kein Pferdegetrappel war zu hören. Um ihrer Tante aus den Augen zu kommen und nach ihm Ausschau zu halten, ging sie ihm entgegen.
Obwohl die Entfernung kaum eine halbe Meile betrug, war das Pfarrhaus vom Herrenhaus aus nicht zu sehen, doch Fanny brauchte nur fünfzig Schritt weit zu gehen, um durch die große Allee den Ausblick auf den Pfarrhof und das dazugehörige Gelände zu gewinnen, das jenseits der Dorfstraße sanft anstieg. Auf Doktor Grants Wiese erblickte sie auch sogleich die ganze Gesellschaft: Edmund und Miss Crawford, Seite an Seite zu Pferde, während Dr. Grant, seine Frau und Henry Crawford mitsamt zwei oder drei Reitknechten dastanden und zuschauten. Es war offenbar eine sehr fröhliche Gesellschaft, ihr munteres Lachen und Rufen drang bis zu Fanny hinüber. Ihr klangen diese Töne nicht heiter. Sie wunderte sich, daß Edmund sie so ganz vergessen konnte, und fühlte einen schmerzhaften Stich. Sie war nicht imstande, die Augen von der Wiese abzuwenden, sie mußte alles mit ansehen, was dort vorging. Zuerst umritten Miss Crawford und ihr Begleiter das Feld, das gar nicht klein war, im Schritt; dann verfielen sie, offenbar über ihre Aufforderung, in Galopp, und Fanny mit ihrem ängstlichen Gemüt schien es ganz wunderbar, wie gut Miss Crawford schon im Sattel saß. Nach ein paar Minuten hielten sie an; Edmund war ihr ganz nahe, er sprach mit ihr, er zeigte ihr wohl, wie sie die Zügel halten müsse, er ergriff ihre Hand – Fanny sah es, oder ihre Phantasie ergänzte, was das Auge nicht mehr wahrnahm. Sie sagte sich, es sei nichts Merkwürdiges daran – was war natürlicher, als daß Edmund in seiner Gutherzigkeit sich jedermann nützlich zu machen suchte? Doch sie konnte den Gedanken nicht unterdrücken, daß Mr. Crawford ihm die Mühe hätte abnehmen können, daß es recht eigentlich Sache des Bruders wäre, seiner Schwester behilflich zu sein. Aber bei all seiner zur Schau getragenen Gefälligkeit und den Reitkünsten, deren er sich rühmte, verstand Mr. Crawford sich wohl nicht darauf, und im Vergleich zu Edmund besaß er keine wahre Güte. Und Fanny begann es unbillig zu finden, daß man der armen Stute diesen zweifachen Dienst zumutete; wenn man schon auf sie selber keine Rücksicht nahm, sollte man wenigstens an das Pferd denken …
Ihr Mitleid mit der Stute – und mit sich selber – linderte sich etwas, als sie bald darauf sah, daß die Gruppe auf der Wiese sich zerstreute und Miss Crawford, immer noch hoch zu Roß, aber von Edmund zu Fuß begleitet, durch das Gittertor in den Park ritt, just auf die Stelle zu, wo sie stand. Fanny erschrak bei dem Gedanken, unhöflich und ungeduldig zu erscheinen, und ging ihnen rasch entgegen, um jeden solchen Verdacht auszuschließen.
«Meine liebe Miss Price», rief Miss Crawford, sobald sie nur in Hörweite war , « ich bin selbst gekommen , um meine Entschuldigungen vorzubringen, daß ich Sie habe warten lassen. Ich habe gar nichts zu meiner Verteidigung zu sagen – ich wußte, daß es sehr spät ist und daß ich mich ganz abscheulich benehme – und darum müssen Sie mir bitte, bitte verzeihen! Sie wissen ja, der Selbstsucht muß man immer verzeihen, weil keine Hoffnung besteht, sie zu bessern.»
Fanny antwortete mit der größten Höflichkeit, und Edmund bestätigte die Worte seiner Cousine, daß sie keine Eile habe. «Sie hätte noch reichlich Zeit, doppelt so weit zu reiten, als sie gewöhnt ist», sagte er, «und Sie haben ihr sogar eine Wohltat erwiesen, daß sie nicht eine halbe Stunde früher aufgebrochen ist. Jetzt umwölkt es sich, und sie wird nicht mehr unter der Hitze leiden. Ich hoffe nur, daß Sie sich nicht zu sehr ermüdet haben. Ich wollte, Sie hätten sich den Rückweg zu Fuß erspart.»
«Das einzige, was mich beim Reiten ermüdet, ist, daß ich doch einmal vom Pferd herunter muß», sagte Miss Crawford, während sie mit Edmunds Hilfe abstieg. «Ich bin sehr kräftig, und nichts ermüdet mich als das, was ich nicht gern tue. Miss Price, ich überlasse Ihnen sehr ungern meinen Platz, aber ich wünsche Ihnen aufrichtig einen angenehmen Ritt und hoffe, daß ich von diesem lieben, schönen, entzückenden Tier nur Gutes hören werde.»
Der alte Kutscher, der mit seinem eigenen Pferd im Hintergrund gewartet hatte, kam jetzt heran. Fanny wurde in den Sattel gehoben, und sie ritten in die andere Richtung davon. Fannys Unbehagen verminderte sich nicht, als sie einen Blick nach hinten warf und sah, wie die beiden nebeneinander ins Dorf zurückgingen; auch die Bemerkungen ihres Begleiters über Miss Crawfords erstaunliche Gewandtheit, die er mit nicht minder lebhaftem Interesse als Fanny beobachtet hatte, waren nicht dazu angetan, ihr Herz zu erleichtern.
«Ja, es ist ein Vergnügen, eine Dame zu sehen, die so viel Courage zum Reiten hat», sagte er.
«Ich habe noch keine gesehen, die besser zu Pferd sitzt. Sie scheint überhaupt keine Angst zu haben. Das ist etwas anderes als mit Ihnen, Fräulein, wie Sie zuerst begonnen haben – nächste Ostern werden es sechs Jahre. Du lieber Himmel, was haben Sie gezittert, wie Sir Thomas Sie zum erstenmal in den Sattel gesetzt hat!»
Im Salon wurde Miss Crawford gleichfalls gerühmt. Ihr Verdienst bestand darin, daß die Natur sie mit Kraft und Mut ausgestattet hatte, und die Fräulein Bertram wußten es gebührend zu würdigen. Miss Crawford ritt ebensogern wie sie selber und zeigte sich ebenso begabt wie sie selber, und es machte ihnen großes Vergnügen, die eigenen Talente in einer anderen zu preisen.
«Ich war sicher, daß sie ausgezeichnet reiten würde», sagte Julia. «Sie ist wie dazu geschaffen und auch ebensogut gebaut wie ihr Bruder.»
«Ja, und ebenso kühn und energisch», fügte Maria hinzu. «Ich finde immer, es hängt vom Charakter ab, wie man reitet.»
Als sie sich abends trennten, fragte Edmund Fanny, ob sie die Absicht hätte, morgen auszureiten.
«Nein – ich weiß nicht –, nicht wenn du das Pferd brauchst …», war ihre Antwort.
«Für mich persönlich brauche ich es überhaupt nicht, aber falls du nächstens einmal zu Hause zu bleiben gedenkst, würde Miss Crawford sich, glaube ich, sehr freuen, wenn sie das Pferd etwas länger, vielleicht den ganzen Vormittag benützen dürfte. Sie wünscht sich so sehr, bis zur großen Gemeindewiese zu reiten. Mrs. Grant hat ihr erzählt, welch schöne Aussicht man von dort genießt, und ich zweifle auch nicht, daß sie dem Ausflug gewachsen ist. Aber es kann natürlich an jedem beliebigen Morgen sein. Sie möchte um keinen Preis deine Gewohnheiten stören, und das wäre auch sehr unrecht. Sie reitet nur zum Vergnügen, du tust es um deiner Gesundheit willen.»
«Morgen reite ich nicht – bestimmt nicht», sagte Fanny. «Ich war in der letzten Zeit sehr oft aus und möchte lieber zu Hause bleiben. Du weißt ja, ich bin jetzt kräftig genug, um auch zu Fuß zu gehen.»
Edmund sah sehr erfreut aus, und damit mußte Fanny sich trösten. Der Ausflug zur großen Gemeindewiese fand am nächsten Tag statt. Außer ihr beteiligten sich alle jungen Leute daran und genossen ihn doppelt: einmal in Wirklichkeit und dann fast noch mehr, als sie ihn beim abendlichen Zusammensein noch einmal Revue passieren ließen. Eine gelungene Unternehmung dieser Art regt zu weiteren an, und nachdem sie zusammen auf der Gemeindewiese gewesen waren, verspürten sie Lust, am nächsten Tag etwas Ähnliches zu versuchen. Es gab manchen schönen Aussichtspunkt, den man den Fremden zeigen mußte, und wenn das Wetter auch sehr heiß war, fanden sich doch überall, wohin es sie lockte, schattige Wege; eine Schar von fröhlichen, jungen Menschen ist nie um einen schattigen Weg verlegen. So verbrachte man vier herrliche Sommertage damit, die Crawfords zu den schönsten Punkten zu führen und ihnen die Honneurs der Umgebung zu machen. Alles ging aufs beste, alle waren lustig und guter Dinge, die Hitze gerade nur lästig genug, um einen angenehmen Gesprächsstoff zu liefern – bis am vierten Tag die Freude einer der Beteiligten empfindlich getrübt wurde. Diese eine war Maria Bertram. Edmund und Julia waren zum Essen ins Pfarrhaus eingeladen, und sie war ausgeschlossen. Mrs. Grant hatte es in der besten Absicht, mit Rücksicht auf Mr. Rushworth, getan, der an diesem Abend halb und halb in Mansfield Park erwartet wurde; doch Maria empfand es als arge Beleidigung, und es war eine schwere Belastungsprobe für ihre guten Manieren, sich ihren Zorn und ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, ehe sie wieder daheim war. Und da obendrein Mr. Rushworth gar nicht kam und sie ihre schlechte Laune nicht einmal an ihm auslassen konnte, fühlte sie sich noch tiefer gekränkt; es blieb ihr kein anderes Mittel, ihre Wut zu erleichtern, als gegen ihre Mutter, ihre Tante und Fanny recht unfreundlich zu sein und ihnen den Abend möglichst gründlich zu verderben.
Gegen elf Uhr erschienen Edmund und Julia mit strahlenden Gesichtern, von der Nachtluft erfrischt und in bester Stimmung, im Salon, wo sie die drei Damen in der übelsten Laune antrafen; Maria geruhte kaum, die Augen von ihrem Buch aufzuheben,
Lady Bertram schlief schon halb, und sogar Mrs. Norris, die von der Verdrießlichkeit ihrer Nichte angesteckt war, zog sich in ein beleidigtes Stillschweigen zurück, als ihre ersten Fragen nach dem Dinner im Pfarrhaus nicht rasch genug beantwortet wurden. Die Geschwister mußten zuerst einmal ihrer Begeisterung über die herrliche Nacht und den wunderbaren Sternenhimmel Luft machen, sie waren zu erfüllt davon, um an etwas anderes zu denken; doch nach ein paar Minuten sah Edmund sich im Zimmer um und fragte: «Aber wo ist Fanny? Schon schlafen gegangen?»
«Nicht daß ich wüßte», entgegnete Mrs. Norris. «Sie war gerade noch hier.»
Fannys eigene sanfte Stimme erwiderte ihm vom anderen Ende des langen Zimmers – sie sei hier, auf dem Sofa. Mrs. Norris begann sofort zu zanken:
«Fanny, es ist ganz ungehörig, sich den ganzen Abend auf dem Sofa zu räkeln! Warum kannst du dich nicht hersetzen und eine nützliche Beschäftigung zur Hand nehmen wie wir alle? Wenn du keine eigene Arbeit hast, kann ich dich aus dem Armen-Korb versorgen. Der Kattun, den wir vorige Woche gekauft haben, ist überhaupt noch nicht angerührt, obwohl ich mir beim Zuschneiden schier den Rücken gebrochen habe. Du mußt endlich einmal lernen, an andere Menschen zu denken. Ein Unfug ist es, ein unerhörter Unfug, wenn eine junge Person ewig auf dem Sofa herumlungert …»
Bevor sie noch zur Hälfte ihrer Rede gekommen war, war Fanny an ihren Platz am Tisch zurückgekehrt und hatte ihre Arbeit wieder zur Hand genommen. Julia war nach dem angenehm verbrachten Abend so außergewöhnlich gut aufgelegt, daß sie Fanny großmütig in Schutz nahm. «Ich muß sagen, Tante, wenn alle Leute im Haus so selten auf dem Sofa zu finden wären wie Fanny!» rief sie aus.
«Fanny», sagte Edmund, der sie aufmerksam betrachtete, «ich bin sicher, daß du Kopfweh hast.»
Fanny konnte es nicht leugnen, versicherte aber, es sei nicht sehr schlimm.
«Das kann ich dir kaum, glauben, dazu kenne ich dein Gesicht zu gut. Seit wann hast du Schmerzen?»
«Ach – seit Nachmittag. Es ist nur die Hitze.» «Bist du bei dieser Hitze ausgegangen?»
«Ausgegangen! Natürlich ist sie ausgegangen!» rief Mrs. Norris. «Möchtest du etwa, daß sie an einem so schönen Tag zu Hause sitzt? Wart ihr nicht alle draußen? Sogar deine Mutter war heute mehr als eine Stunde an der Luft.»
«Ja wirklich, Edmund», bestätigte Lady Bertram, die durch Mrs. Norris’ lautes Schelten wieder ganz wach geworden war. «Ich war über eine Stunde draußen. Dreiviertel Stunden bin ich im Garten geblieben, während Fanny Rosen geschnitten hat, und es war sehr angenehm, aber furchtbar heiß. In der Laube, wo ich gesessen bin, war es ja schattig, aber es hat mir wahrhaftig vor dem Rückweg gegraut.»
«Und Fanny hat Rosen geschnitten?»
«Ja, ich fürchte, es werden dieses Jahr die letzten sein. Dem armen Kind war auch warm genug, aber die Rosen konnten nicht mehr warten, sie waren schon ganz aufgeblüht.»
«Ja, das mußte sein», stimmte Mrs. Norris in merklich milderem Ton zu. «Aber ich frage mich, Schwester, ob sie sich nicht dabei ihre Kopfschmerzen geholt hat. Nichts macht so leicht Kopfschmerzen, als wenn man gebückt in der prallen Sonne steht. Na, morgen wird es wohl wieder gut sein. Vielleicht könntest du ihr deinen parfümierten Essig geben? Mein Fläschchen vergesse ich immer nachzufüllen.»
«Sie hat ihn schon längst», sagte Lady Bertram. «Sie hat ihn, seit sie zum zweitenmal von deinem Haus zurückgekommen ist.»
«Was!» rief Edmund. «Ist sie außerdem noch so weit gegangen? Den schattenlosen Weg zu Ihrem Haus, Tante, und das zweimal? Kein Wunder, wenn ihr der Kopf wehtut!»
Aber Mrs. Norris unterhielt sich angelegentlich mit Julia und hörte nicht.
«Ich dachte auch, daß es für sie zu anstrengend sein würde», sagte Lady Bertram. «Aber deine Tante wollte die Rosen für sich haben, und du weißt ja, sobald sie geschnitten sind, muß man sie ins Haus bringen.»
«Und es waren so viele Rosen, daß Fanny zweimal gehen mußte?»
«Nein, aber sie mußten im Gastzimmer zum Trocknen ausgebreitet werden, und Fanny hatte leider vergessen, hinterher das Zimmer abzusperren und den Schlüssel zurückzubringen, darum mußte sie zweimal laufen.»
Edmund sprang auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. «Und außer Fanny war niemand da, den man um den Schlüssel schicken konnte? Verzeihen Sie, Tante, aber das haben Sie nicht gut eingerichtet!»
«Ich weiß nicht, wie man es hätte besser machen können!» rief Mrs. Norris, die nicht länger taub bleiben konnte, «außer wenn ich selber gegangen wäre! Aber ich kann nicht an zwei Orten zugleich sein, nicht wahr? Gerade zu dieser Zeit habe ich mit Mrs. Green über das Milchmädchen gesprochen, auf Wunsch deiner Mutter wohlgemerkt, und dabei hatte ich John Groom versprochen, wegen seines Jungen an Mrs. Jefferies zu schreiben, und der arme Kerl hatte schon eine halbe Stunde lang auf mich gewartet. Ich glaube, mir kann niemand vorwerfen, daß ich an meine eigene Bequemlichkeit denke, aber ich kann wahrhaftig nicht alles auf einmal machen. Und daß Fanny rasch zu meinem Haus hinüberläuft, kaum eine Viertelstunde weit, finde ich nicht so furchtbar. Du meine Güte, wie oft mache ich den Weg auch dreimal täglich, früh und spät, bei jedem Wetter, und verliere kein Wort darüber!»
«Ich wollte, Fanny wäre halb so widerstandsfähig wie Sie, Tante.»
«Wenn Fanny regelmäßig Bewegung machte, würde sie nicht immer gleich zusammenklappen. Jetzt ist sie, wer weiß wie lange, nicht ausgeritten, und wenn sie schon nicht reitet, sollte sie wenigstens gehen. Wenn sie früh ihren Ritt gemacht hätte, hätte ich nicht verlangt, daß sie bis zu meinem Haus geht, aber ich dachte, es würde ihr guttun, nachdem sie sich so lange über die Rosenbeete gebeugt hatte. Nach einer solchen Ermüdung ist nichts erfrischender als ein rascher Gang, und gar so heiß war es auch nicht, nur die Sonne hat stark gebrannt. Unter uns gesagt, Edmund», mit einem vielsagenden Blick auf seine Mutter, «es war das Rosenschneiden und das Herumstehen im Garten, das ihr geschadet hat.»
«Das meine ich auch», sagte die ehrlichere Lady Bertram. «Ich fürchte sehr, sie hat sich das Kopfweh im Garten geholt. Es war zum Sterben heiß, ich konnte es kaum aushalten. Es war fast zuviel für mich, dort zu sitzen und immer wieder nach Mops zu rufen, um ihn von den Blumenbeeten abzuhalten.»
Edmund sagte kein Wort mehr zu den beiden Damen, sondern ging zum Büffet, brachte Fanny ein Glas Madeira und bewog sie, einen großen Teil davon zu trinken. Sie hätte es gern abgelehnt, aber die Tränen, die ihr in den Augen standen, machten das Schlucken leichter als das Sprechen.
Sosehr sich Edmund über seine Mutter und seine Tante ärgerte, zürnte er doch am meisten sich selber. Daß er Fanny vergessen, war schlimmer als alles, was sie verbrochen hatten. Nichts von alledem wäre geschehen, wenn man auf Fanny gebührend Rücksicht genommen hätte. Aber so war sie tagelang ohne Gesellschaft und ohne Reitgelegenheit geblieben und hatte keine Möglichkeit gehabt, sich den Forderungen ihrer unvernünftigen Tanten zu entziehen. Er war tief beschämt, als er sich klarmachte, daß sie vier Tage lang ihr Pferd entbehrt hatte, und gelobte sich ernsthaft, es sollte nie wieder vorkommen – so schwer es ihm auch fiel, Miss Crawford um ihr Vergnügen zu bringen.
Fanny ging mit nicht minder überquellendem Herzen zu Bett als an ihrem allerersten Abend in Mansfield Park. Sicherlich hatte auch ihr Gemütszustand zu ihrem Unwohlsein beigetragen, denn sie hatte sich tatsächlich vernachlässigt gefühlt und kämpfte schon seit Tagen gegen das Gefühl des Gekränktseins und gegen ihre Eifersucht. Als sie auf dem Sofa lehnte, wohin sie sich geflüchtet hatte, damit niemand ihr Gesicht sähe, hatte ihr das Herz viel schlimmer wehgetan als der Kopf; und Edmunds Güte und Freundlichkeit überwältigten sie dermaßen, daß sie sich kaum aufrecht zu halten vermochte.