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Geständnisse

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Das Frühstück stand unangetastet vor mir, der heiße Kräutertee war inzwischen kalt. Erst der Schmerz in meinen Händen, als sich meine Fingernägel darin vergruben, löste mich aus meiner Starre.

„Du darfst mich nicht hassen, Avery.“

Die Stimme meines Vaters klang flehend. Gemessen an dem Ausbruch von heute Morgen, als er Skyler aus dem Haus jagte, war sie nur noch gehaucht. Er räusperte sich, nahm einen kräftigen Schluck aus dem Wasserbecher. Seine Augen, die tief in den Höhlen lagen, sahen unendlich müde aus.

„Ich wollte es dir schon lange sagen aber …“

Lügen. Ein Leben, aufgebaut auf Lügen.

Wieder hatte ich vor Augen, wie er mich damals bat, für ihn die Karten zu legen, um Antworten in einer politischen Frage zu erhalten. Lüge. Die Karten waren in einem wilden Strudel davongetragen worden. Danach wiesen sie keine Bilder mehr auf und mein Vater war ohne jegliche Erklärung geflohen. Nach Perges, wie ich jetzt wusste, zu meiner Mutter – meiner leiblichen Mutter. Nicht die Mutter, die meine Schwester Charise und mich mit ihrer Liebe aufzog. Nicht die Mutter, die uns unserer roten Haare wegen vor den Herren von Kandalar beschützte. Nein, er wollte bei der Mutter seines Magier Bastards um Hilfe bitten …

Ich schloss die Augen, doch die Bilder, die in meinem Kopf zum Vorschein kamen, ließen sich nicht vertreiben. Gullorway, niedergebrannt bis auf die Grundmauern. Gelblinge, wie sie gefräßig in den Trümmern nach Überlebenden suchten. Und über allem lag der Geruch von verbranntem Fleisch – Menschenfleisch. Bis zum heutigen Tag war ich davon ausgegangen, sie alle in den Tod geschickt zu haben. Meine Schwester Charise, meinen besten Freund Miles und Charise‘ Mutter – nicht meine.

Die Herren von Kandalar griffen meinen Vater kurz vor Scarles auf. Ein willkommenes Druckmittel, dass sie gegen mich einzusetzen wussten, da ich über Kräfte verfügte, von denen ich selbst jetzt kaum etwas ahnte.

„Wann wolltest du mir denn sagen, dass ich der Bastard einer Hure bin?“

„Einer Magierin. Ich weiß, dass ich euch viel Kummer bereitet habe. Dennoch haben die Götter mich mit einer so wunderbaren Tochter gesegnet.“ „Lass die Götter aus dem Spiel, Vater.“ Tränen brannten mir in den Augen, als ich aufstand, um zu gehen. „Was wirst du nun tun, Avery?“ Schreckensbleich sah er mich an. „Herausfinden, was ich sonst noch kann, außer mich für dumm verkaufen lassen.“ Ich nahm meinen Hut vom Haken und schlug die Tür hinter mir zu, dass das Haus erzitterte. Ohne ein bestimmtes Ziel irrte ich durch das noch immer im Aufbau befindliche Gullorway. Mit hängenden Schultern, den Hut tief in die Stirn gezogen, versuchte ich, mich vor den Blicken aller zu verbergen. Wie von selbst trugen mich meine Füße vorbei an den Feldern, zum Ufer des Mukonors. Hier hatte ich mit Miles vor über einem Jahr gesessen. Er hatte die Angel ausgeworfen und ein seltsamer Fisch hatte angebissen. Mit roten Augen, die mich anstarrten, als wollten sie mir etwas sagen. Als dann noch Rauch zwischen den Kiemen des Fisches hervortrat, wusste ich, dass etwas Schreckliches bevorstand. Damals hatte ich noch keine Kenntnis davon, dass nur ich die Gabe besaß, derartiges zu deuten. Ich griff nach einem flachen Stein und ließ ihn auf den gekräuselten Wellen tanzen. Viermal sprang er übers Wasser, bis er versank. Ich war schon mal besser. Ich ließ mich nieder, um meine Gedanken zu ordnen. Mein Vater fand mich in einem Weidenkorb vor der Tür unseres Hauses, wie er mir stockend berichtete. Als einziger Hinweis meiner Abstammung steckte eine blaue Feder in dem Korb – das Zeichen der dunklen Magier. In meinem Lesestein hatte ich einmal darüber gelesen und nicht begriffen, dass dies Teil meiner eigenen Geschichte war. Die verräterische Feder ließ mein Vater verschwinden – das Findelkind zog er gemeinsam mit meiner Stiefmutter auf. Was sollte sie auch anderes tun, wo sie selbst erst einen Tag zuvor den zu früh geborenen, schwächlichen Sohn verlor? „Wie hast du mich gefunden?“, fragte ich und wusste augenblicklich, dass es Skyler war, der sich mir näherte. In seiner Heimat Greenerdoor gelang es mir nicht, ihn kommen zu hören, so leise konnte er sich anschleichen. „Jodee sagte mir, dass ich dich hier finde.“ Seit wann war sie so geschwätzig? Ich schob mein Kinn grimmig vor, starrte weiter aufs Wasser. Fast erwartete ich, dass der wundersame Fisch wieder daraus auftauchte, um mich vor was auch immer zu warnen. „Also hat dein Vater es dir gesagt?“ Statt zu antworten, stellte ich eine Gegenfrage. „Woher wusstest du davon?“ „Dein Lesestein. Er enthält zahlreiche geheimnisvolle Geschichten.“ Skyler hatte ihn in Besitz genommen, als ich die Gefangene seines Clans war. Da war ich noch davon ausgegangen, dass er ein tyrannischer Wilder ist, der in den Bäumen lebt und nicht lesen kann. „Ich sollte mir wohl mal die Zeit nehmen, die Rätsel darin zu entschlüsseln.“ Mein Vater vertraute mir den Lesestein einst an, der das Wissen sämtlicher Bücher beinhaltete. Viel zu spät begriff ich, dass er mir den Stein auch geschenkt hatte, um all die Geheimnisse, die er bewahrte, nicht selbst erklären zu müssen. „Und wie lautet deine Geschichte?“, fragte ich ihn mürrisch. „Welche Geschichte?“ Er wirkte wachsam. „Heute ist so ein Tag dafür sie loszuwerden. Mein Vater hat den Anfang gemacht. Du könntest damit beginnen mir zu erzählen, warum du nicht mehr der Anführer der Bowmen bist.“ Er sog tief die Luft ein, bevor er antwortete. „Er konnte es wohl kaum erwarten, dir das zu berichten, was?“ „Ich will hier nicht stellvertretend für meinen Vater euren Streit fortsetzen. Was ich will, sind Antworten.“ Er fuhr sich mit der Hand durch die langen Haare. Eine Geste der Unsicherheit, wie ich sie von ihm nicht kannte. „Ich habe meine Führung an Woodrow abgegeben.“ „Einfach so?“ Sein Blick nahm mich ein und ließ mich wieder los, als er sich ein Stück von mir entfernt niedersetzte. „Es war ein Tausch.“ „Und was bekamst du dafür?“ Er sah mich prüfend von der Seite an. „Noch nichts.“ Aber ich verstand auch so. Bei meiner Gefangennahme war Woodrow unter den Jägern gewesen und ich nach ihren Gesetzen seine Beute. Er hatte sein Recht nie eingefordert – bis jetzt. „Und damit hat er sich zufriedengegeben?“ „Ja.“ Ich schwieg. Zog meinen Hut weiter nach unten, um meine Augen zu beschatten. „Du verträgst die Sonne nicht gut“, bemerkte er nach einer Weile. Wie scharfsinnig. „Nein. Gibt es in den Bergen mehr Schatten?“ Er sah mich fragend an. „In Kadolonné. Gibt es da mehr Schatten?“ Seine Miene hellte sich merklich auf. „Ja. Dafür sind die Nächte empfindlich kalt.“ „Warum hast du mich nicht gefragt, ob ich mit dir dahingehe?“ „Das wollte ich, aber du bist nicht gekommen. Und als ich heute Morgen bei euch war, bin ich zuerst mit deinem Vater aneinandergeraten. Kein guter Anfang.“ „Was hattest du erwartet? Du hast dir ein Jahr Zeit gelassen, nach Gullorway zu kommen. Jetzt soll ich dir bereitwillig folgen? Ich habe mein Dorf mit den eigenen Händen erneut aufgebaut und es ist längst noch nicht fertig. Wir brauchen eine Schule, mehr Heiler und jemanden, der die Rechte der Frauen stärkt.“ „Also jemanden wie dich?“ Ein säuerlicher Ausdruck kräuselte seine Lippen. „Ich bin kein Anführer, Skyler, ich stelle nur die Weichen. Ansonsten möchte ich nur ein normales Leben führen.“ Er stieß entrüstet die Luft aus. „Was ist für dich ein normales Leben?“ „Zu sehen, wie mein Dorf wächst, dass Frauen Berufe erlernen, die sie selbst gewählt haben, dass die Menschen in Frieden …“ Mit einer blitzschnellen Drehung war er über mir und zwang mich zu Boden. „Frieden? Bist du so naiv, Avery? Hat dich die Geschichte nichts gelehrt?“ Seine Augen funkelten angriffslustig. „Ist das friedlich, wenn ich dich zu Boden zwingen kann?“ Seine Hände umschlossen meine Unterarme wie Schraubstöcke. „Du tust mir weh!“, keuchte ich. „Dann wehr dich!“ „Was ist denn in dich gefahren, Skyler?“ Langsam machte mir sein Verhalten Angst. Er schien es zu bemerken und ließ mich los. Kaum hatte ich die Hände frei, holte ich aus und schlug ihm mit der Handkante gegen das Kinn. Ein bohrender Schmerz durchfuhr mich und ich ballte die Hand zur Faust. „Geht doch.“ „Du hast sie ja nicht alle!“ Ich zwang mich, ruhig zu atmen. „Was hat dir dein Vater über deine Herkunft erzählt?“ „Das geht dich nichts an.“ Mit Genugtuung registrierte ich, wie sich sein Kinn von meinem Schlag dunkelrot verfärbte. „Hat er dir über deine Mutter …“ Unbändige Wut stieg in mir auf. Ohne Vorwarnung schlug eine Salve Feuerkugeln aus meinem linken Zeigefinger so dicht neben seinem Oberschenkel ein, dass es ihm das Leder seiner Hose schwärzte. Erschrocken über meinen unkontrollierten Ausbruch wich ich zurück, mir die eiskalte Hand reibend. Eine Nebenwirkung, die meinen Arm nach solchen Einsätzen praktisch in einen gefühllosen, kalten Eisklotz verwandelte. „Du besitzt sie also noch, deine Kräfte. Gut. Aber du solltest lernen sie besser zu kontrollieren.“ Er stand auf und klopfte sich zerdrückte Grashalme von der Kleidung. „Du kannst natürlich in Gullorway bleiben und darauf hoffen, dass dich einer dieser einfältigen Burschen irgendwann zu seiner Zugesprochenen macht. Aber können sie dein Dorf auch vor einem erneuten Angriff bewahren?“ „Es wird keine Angriffe mehr geben. Die Herren von Kandalar sind tot. Und wenn du weiterhin den Wilden spielen willst, kannst du wieder zurück in deinen Dschungel gehen.“ Ich griff nach meinem Hut und wollte auf einem anderen Weg zurückgehen. Doch eine Bemerkung von ihm ließ mich innehalten. „Sie sind nicht tot.“ „Was redest du denn da? Du warst doch dabei als die Burg gestürmt und alle bis auf den letzten Mann getötet wurden. Selbst ihre grausigen Geschöpfe, die Gelblinge, habt ihr niedergemetzelt.“ „Es gibt Gerüchte.“ „Seit wann gibst du etwas auf das, was die Leute sagen?“ „Diesmal schon. Die Nachrichten kommen aus Perges – und, wir haben Amarotts Leiche nie gefunden.“ „Die Toten wurden verbrannt“, erinnerte ich ihn. „Aber erst nachdem wir sie gezählt und identifiziert hatten. Fünfhundertdreiundsechzig der Herren von Kandalar – und Amarott war nicht unter ihnen. Er muss einen Fluchtweg gefunden haben.“ Mir blieb fast das Herz stehen. Amarott, der Erbe Mahilo-Eschs und – Skylers Halbbruder. Das Letzte was ich von ihm sah, war der verzweifelte Versuch, in sein Haus hineinzugelangen, bevor er mit dem wütenden Mob verschmolz. Ich stand auf der anderen Seite der Tür, deren Eintritt ich ihm versperrte. Skyler strich mir sanft über den Arm. Die Berührung verursachte mir trotz der Mittagshitze eine Gänsehaut. „Das kann unmöglich wahr sein“, hauchte ich. „Ich war nochmals dort, auf der Burg von Kandalar. Dabei habe ich etwas entdeckt.“ Gespannt hielt ich den Atem an. „Einen unterirdischen Gang. Wusstest du davon?“ Statt einer Antwort nagte ich an meiner Unterlippe und dachte fieberhaft nach. Konnte es sein, dass Amarott diesen Weg gewählt hatte, um sich heimlich davonzustehlen? Und falls ja, wie war es ihm gelungen, zu der Insel Perges zu gelangen? „Die Burg hat zahlreiche geheime Gänge.“ „Du hast eine Weile dort gelebt. Vielleicht erinnerst du dich an einen …“ „Fängst du schon wieder damit an? Ich hatte mir die Gesellschaft nicht freiwillig ausgesucht.“ Er trat näher. „Entschuldige. Ich wollte dir nichts unterstellen.“ Abrupt wandte ich mich von ihm ab. „Nenn mir einen Grund, warum ich ausgerechnet mit dir nach Kadolonné gehen sollte“, maulte ich vor mich hin. „Weil es noch nicht vorbei ist. Die Bedrohung besteht nach wie vor.“ „Hast du dafür Beweise?“ „Mag sein, dass es nur ein Gerücht ist. Aber wenn wir auf Beweise warten wollen, könnte es zu spät sein!“ „Wir? Für dich steht also schon fest, dass ich mitkomme? Seit wann weißt du davon?“ „Spielt das eine Rolle?“ „Du weichst mir aus. Seit wann?“ „Seit einer Woche.“ „Und wenn du nie davon erfahren hättest?“ „Wäre ich trotzdem nach Gullorway gekommen, falls du darauf anspielst.“ Sanft drehte er mich zu sich um. In seinem Gesicht war ein innerer Kampf abzulesen. „Die Zeiten haben sich geändert, Skyler. Auch wenn ich euer Brandzeichen trage, bindet es mich nicht mehr an die Bowmen. Ich kann entscheiden, wie und wo ich leben möchte.“ Seine Hände gaben mich frei. Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust, brachte wieder etwas Abstand zwischen uns. „Ich war in Kadolonné. Viele Monate“, begann er stockend, die Augen aufs Wasser gerichtet. „Fast hätte ich mich darin verloren aber …“ Für den Bruchteil einer Sekunde huschte ein ungewohnt scheues Lächeln über seine Gesichtszüge und verriet den Menschen hinter der harten Schale. „Erzähl mir davon“, ermunterte ich ihn ergeben, weil ich spürte, dass es wichtig war, was er mir zu sagen hatte. „Das Kloster Kadolonné haftet an dem Bergmassiv der Ellar Hills, als wäre es daraus entwachsen und nicht von Menschenhand erschaffen, den Javeérs. Vor hunderten von Jahren wurden von Perges aus dreizehn Mönche entsandt, um die bedrohte Kultur der Ya-Aks im Kampf zu unterstützen. Als Dank für ihre guten Dienste wurde das Kloster Kadolonné in den Ellar Hills errichtet und ihnen besondere Privilegien zugestanden. So kam es ihnen unter anderem zu, Mönche als Krieger auszubilden. Die Kampfkünste der Mönche wurden in unzähligen Varianten und Techniken ausgeübt. Doch als ihr Großmeister im Kampf gegen die Herren von Kandalar heimtückisch von einer unbekannten Macht getötet wurde, wussten selbst sie nichts dagegen auszurichten. Mit den Jahren geriet das Kloster in Vergessenheit.“ Er trat ans Ufer, hockte sich nieder und forderte mich mit einem Wink auf es ihm gleichzutun. Dann löste er die Riemen seiner Stiefel, streifte sie ab und streckte seine langen, muskulösen Beine von sich, dass die nackten Füße vom Wasser überspült wurden. „Warum warst du in Kadolonné?“, bedrängte ich ihn, bevor er sich mir wieder verschloss. Einen Moment senkte er die Augenlider, als wolle er einfach nur die erfrischende Kühle des Stroms genießen. „Weil ich erfahren wollte, wer ich bin. In Amarotts und meinen Adern fließt das gleiche Blut – wenn unsere Väter auch nicht dieselben waren.“ „Und? Hast du bei den Javeérs die Antworten gefunden, nach denen du suchtest?“ Meine Stimme klang belegt. „Ein Mönch wusste zu berichten, was ich jahrelang aus meinem Gedächtnis ausgesperrt hatte: Lord Mahilo-Esch, der ein Faible für junge Frauen hatte, lernte meine Mutter kennen, da war sie gerade sechzehn. Sie hingegen erwiderte seine Liebe nicht. Zum damaligen Zeitpunkt wusste Mahilo-Esch nicht, dass sie bereits ein Kind von meinem Vater erwartete – mich.“ Skylers Augen verdüsterten sich. „Als er sie also für sich beanspruchte und mein Vater ihm dabei im Weg war, verbannte er ihn kurzerhand in die Ellar Hills, darauf hoffend, dass er dort sein Ende fand. Schon bald dämmerte ihm, dass ich nicht ihr gemeinsames Kind sein konnte. Kaum, dass ich geboren war, ließ er mich irgendwo aussetzen. Der Zufall wollte es, dass mich eine kinderlose Frau aus Timno Theben fand und bis zu meinem fünften Lebensjahr aufzog.“ Ich sah ihn an und las den Schmerz in seinen Augen über das, was nun folgte. „Mahilo-Esch behandelte meine Mutter wie eine Leibeigene, wie man mir erzählte. Sie hatte ihm zu Diensten zu sein, wann, wo und wie er wollte. Dabei ging er – sehr experimentell vor. Sie war die erste Frau, die zu den gefürchteten Gelblingen mutierte.“ Skylers Stimme veränderte sich und nahm einen schroffen Tonfall an. „Auf irgendeine Weise musste meine leibliche Mutter davon Kenntnis erhalten haben, wo die Frau lebte, die mich aufzog. Sie hat sie getötet und mich – na ja, die Narben dürften dir nicht verborgen geblieben sein.“ Narben, die sein kunstvolles Tattoo auf der Brust, eine geflügelte Schlange, durchtrennten. „LeBronn, der Bruder meiner Ziehmutter und selbst ein ehemaliger Mönch der Javeérs war es schließlich, mit dem ich nach Greenerdoor ging. Gerade mal eine Hand voll Männer schlossen sich uns an. Den Rest der Geschichte kennst du ja.“ „Aber was ist dann mit Amarott? Ich denke, er ist dein Halbbruder?“ „Er war das letzte Kind unserer Mutter, bevor sie vollends mutierte.“ Es entstand eine unangenehme Pause, in der ich ihm Zeit gab, sich zu sammeln. Dennoch brannte mir eine Frage unter den Nägeln. „Es tut mir leid für dich, dass du so traurige Nachrichten erfahren musstest. Was hat dich trotzdem dazu bewogen, so lange bei den Javeérs zu bleiben?“ „Du gibst heute wohl keine Ruhe mehr, was?“ Sein Gesicht wirkte noch angespannt, doch den Worten fehlte die Schärfe. „LeBronn hatte mir einst geraten, ich solle sie aufsuchen, wenn er von dieser Welt ging. Er war einer von ihnen. So bat ich die Javeérs, mich zu lehren, wozu sie fähig sind. Dies im Einzelnen aufzuzählen würde jetzt den zeitlichen Rahmen sprengen. Wie du sicherlich schon bemerkt hast, verfüge ich bereits über die ein oder andere Begabung“, setzte er voraus. „Falls du damit andeuten willst, dich anzuschleichen, ohne dabei das geringste Geräusch zu machen, so musst du noch daran arbeiten.“ „Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Er brachte ein Lächeln zustande, bei dem mir augenblicklich warm ums Herz wurde. „Es sind überwiegend kämpferische Fähigkeiten. Da die Zeit drängt, setzten sie dort an, wo vorhandenes Potenzial nur verfeinert werden musste. Doch reicht dies bei Weitem nicht aus.“ Schweigend verarbeitete ich das soeben Gehörte, bevor ich ihn fragte: „Warum soll ich mit dir nach Kadolonné gehen?“ „In dir ruhen bereits all ihre Gaben, wodurch du viel schneller über die gesamte Leistungsfähigkeit verfügen wirst. Die Javeérs werden erwecken, was in dir steckt. Es ist an der Zeit, dass du deine Magie überlegen einzusetzen lernst.“ Er strich mir sachte übers Gesicht. „Und – weil es mein Wunsch ist, dass du statt meiner die Ausbildung bei ihnen aufnimmst.“ „Ich werde darüber nachdenken.“ So einfach wollte ich mich nicht geschlagen geben. Ich ließ ihn stehen und marschierte zurück.

Das Mädchen mit dem Flammenhaar

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