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Der Ursprung allen Übels

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Eigentlich will ich nicht und doch kann ich mich nicht drücken. Ich bin deswegen so unmotiviert, weil es so wenig Sinn macht, verlorenen Dingen hinterher zu heulen. Dass meine Kindheit und Jugend bis zum Alter von 27 Jahren gepflastert war von Grausamkeit und Gewalt, darf und sollte keine Rolle mehr spielen, tut es auch nicht. Der Gedanke allerdings, dass die Dauer des Schreckens weit mehr als die Hälfte der Zeit in Beschlag genommen hat, die ich hier überhaupt auf Erden rumlaufe, stimmt mich dennoch nachdenklich, aber nun gut. Gerade deshalb liegen darin die Wurzeln begraben, dass mir heute die beruflichen Grundlagen fehlen. Nichts vorhanden ist, auf dem man aufbauen könnte und ich mit anderen Worten „ungelernt“ dastehe. Mein Hintergrund unzuverlässig und desorientiert aussieht und letztendlich nichts anderes als Hilfs- oder Putzarbeiten übrig bleiben. Allem anderen muss ich mich aufgrund fehlender Referenzen geschlagen geben – na klasse!

Als Kind war ich eingeschlossen, in einem kleinen Raum. Warum das so war, habe ich lange genug ausgebreitet und belastet mich nicht mehr, weil es verarbeitet ist. Manchmal allerdings kommt es mir so vor, als wäre eben das ausschlaggebend dafür, warum es mich so glücklich macht, meine Zeit vor dem heimischen Rechner zu verbringen, und meinen seelischen Ergüssen freien Lauf zu lassen. Die Welt da draußen, wenn ich meine Wohnung verlassen muss, gibt es zwar und es gibt viele Tage, an denen tue ich das auch wirklich gerne, aber meistenteils, das gebe ich zu, finde ich es bei mir am Besten. Schwer, unsagbar schwer – aus der Tür zu gehen. Dämlich eigentlich, auch wenn ich damit umgehen kann, keine Frage! Es bricht mir nicht das Herz, wenn ich es trotzdem tun muss. Die Zeiten sind vorbei, kehren in dem Maße auch nicht wieder zurück. Jene Phasen, in denen ich noch nicht einmal zum Einkaufen das Haus verlassen konnte, ohne panikartige Regungen meines Bauches durchleben zu müssen, sind lange passé. Ein Abklatsch davon holt mich auch heute noch ein, so hin und wieder, wenn der Druck so hoch ist, wie gerade jetzt. Allerdings gehe ich anders damit um. Anstatt mich niederzwingen zu lassen und dem unterzuordnen, bleibe ich ruhig, reagiere gelassen und lege es als „kurzfristig etwas überanstrengt“ ad acta – fertig aus!

Zurück zu der Lebensphase, in der sich der „normale“ Mensch damit befasst, wohin er beruflich möchte. Die Prägung als auch die äußerst erniedrigende Ausgangslage, sprich mein Elternhaus, führte mich in ein wiederkehrendes Versagen. Nichts wollte mir gelingen, nirgendwo konnte ich Fuß fassen und rein von außen betrachtet, kriegte ich tatsächlich rein gar nichts auf die Reihe. Anfangen und dann doch wieder abbrechen – super Sache! Wirft ein mieses Bild, das bis heute noch sichtbar ist – Mist aber auch!

Mein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg ist zwar da, auch erfolgreich abgeschlossen, wenigstens ein Zeugnis in den Händen, aber leider sowas von nutzlos, wenn es einsam und allein auf weiter Flur dasteht und kein Studium gefolgt ist. Naja gut – da war ja ein Studium, aber schon wieder abgebrochen. Warum? Wer will das denn wissen? Niemand, zumindest möchte die Antwort keiner wirklich hören. Die Antwort, welche da lauten müsste, dass ich auch als junge Erwachsene, selbst schon Mutter und längst dem elterlichen Haus entflohen, dennoch den tätlichen Übergriffen ausgeliefert war.

Psychisch labil – das war ich auf jeden Fall. Ich habe heute aber auch keine Lust mehr darauf, diesem schrecklichen Weg noch immer Aufmerksamkeit zu schenken, indem ich ihn immer wieder als Rechtfertigung angeben muss. Irgendwann ist auch mal Schluss! Ich habe Bücher darüber geschrieben, mein Leben preisgegeben und sehe nicht ein, dass mein berufliches „Auf-die-Beine-kommen“ davon beeinflusst wird! Was ich auch tue, ich kann das nicht unterbinden, leider! Also habe ich mich zu beugen. Blöde irgendwie! Denn die Gesellschaft, also die potenziellen Arbeitgeber da draußen wollen das wissen, wie das sein kann, dass eine Frau Anfang 40, ohne Lehre dasteht und nach einem Job zu greifen versucht, für den sie keine Ausbildung hat, also nicht qualifiziert ist. Geh doch putzen, Mädchen! Ja, danke – habe ich auch lange genug getan. Will ich aber nicht mehr! Weil ich mir zu fein bin? Nein, das ist es nicht. Ich fühle mich erniedrigt, das wiegt weit mehr auf meiner Seele, aber nun gut! Also doch zu fein … grrrr!

Die Jahre, die ich damit zugebracht habe, mich aufzurichten und aus dem Elend wieder aufzustehen, vergingen mit Hartz IV. Tolle Sache – man wird von vorne bis hinten kontrolliert, entblößt und als minderwertig angesehen. Regelmäßig sind die Konto-Auszüge der letzten drei Monate einzureichen, eventuell vorhandene Sparbücher offen zu legen und im Grunde steht man nackt da – irgendwie zumindest! Man bekommt Schulungen aufgedrückt, ob nun sinnvoll oder zweckmäßig nicht in jedem Fall relevant, und erhält die notwendige Unterschrift für die Weiterbewilligung nur dann, wenn man diese antritt, am Besten morgen schon. Ansonsten keine Unterschrift – keine Unterschrift bedeutet dann auch, kein Geld!

Als man mich vor etlichen Jahren in ein „Modul“ zwängte, für mehrere Wochen, wo es darum ging, jenen, die nicht hoch kommen, Hilfestellung zu bieten, fühlte ich mich leicht deplatziert. Das wöchentliche Programm war von Montag bis Freitag festgelegt und sich wiederholend. Je nachdem, an welchem Tag man halt dazustieß, eben von heute auf morgen, durfte man an der Gruppe teilhaben. Kannte man den Vortrag aber schon, durfte man sich in einem Nebenraum an den bereitstehenden Rechnern langweilen. Einer dieser „Vorträge“ war der einer Frau, die vehement dafür eintrat, sich an eine Zeitarbeitsfirma zu wenden und dass es sowas von klasse sei, für solche zu arbeiten. Dass der Lohn für dieselbe Tätigkeit der anderen Kollegen weniger war, ist nicht weiter tragisch. Wir bewegen uns auf einem Level, da habe ich nicht zu hinterfragen, sondern bin verpflichtet anzunehmen, was sich mir bietet. Schließlich bin ich wer, der der Gesellschaft zur Last fällt.

Was mich persönlich störte, war weniger der Umstand an sich, dass sie eine Zeitarbeitsfirma als auch deren Vorgehen verständlich machen wollte, sondern vielmehr ging mir ziemlich quer ab, wie sie das tat. Als säßen da alles absolute Vollidioten vor ihr, die kein eigenes Denkvermögen haben und erstmal ordentlich „auf Trapp“ gebracht werden müssen. Von Glorie umgeben stand sie da und präsentierte sich selbst durchaus als herausragend. Sie nahm sich einzelne Teilnehmer vor, die sie wahllos herauspickte. Vor allen anderen sollten diese dann ihren Lebensweg entblößen, was ihr nur wieder die Gelegenheit gab, das Scheitern und Versagen aber mal so richtig detailliert darzulegen. Ob ich an dieser Stelle noch erwähnen sollte, oder gar muss, dass ich da nicht mitmachte? Wieder mal negativ auffiel, weil ich mich weigerte, die vorgeführte Gehirnwäsche zu durchlaufen. Bei meiner Lebensgeschichte als auch den Hintergründen absolut indiskutabel, mich vor mir fremden Menschen zu entblößen – taktisch unklug! Muss man denn ständig unter die Nase gerieben bekommen, dass man am A… ist? Danke, das weiß ich auch so – sonst würde ich hier nicht sitzen!

Ein anderes Mal wurde die zugrunde liegende Gesetzeslage ausführlich erörtert. Was ich als Nutznießer dieses Systems für Auflagen zu erfüllen habe. Ja, schon klar! Satzungen wie die Mitwirkungsverpflichtung sind mir geläufig und sich damit mal zu befassen, macht schon Sinn. Bitter aufstoßen tut es dennoch, weil man erneut sich der Lage stellen muss, dass man unterste Stufe ist! Ob man auch Rechte hat, stand nicht zur Diskussion … die Würde des Menschen ist? – Ja, das ist hier die Frage!

Mal abgesehen davon, dass man drei Wochen mit diesem Schwachsinn zuzubringen hatte und man lediglich eine Woche lang davon, täglich den Stunden folgen konnte, den Vorträgen also. Ansonsten saß man seine Zeit vor dem Computer ab. Da die Stellenanzeigen nun nicht täglich um etliche Angebote erweitert wurden, was der ländlichen Region zuzurechnen ist, war es entsetzlich langweilig, keine Frage. Mehr noch, die Zeit, die ich dort zubringen musste und vor mich hindümpelte, verging damit, dass ich mich ernsthaft mit der Zweckmäßigkeit dieses Kurses auseinandersetzte … so ganz habe ich das bis heute nicht verstanden, aber nun gut! Die, die abgesondert wurden, weil sie Deutsch lernen sollten, blieben sich selbst überlassen und niemand kümmerte sich oder half ihnen. Dazu hätte es wen gebraucht, der deren Muttersprache versteht, um ihnen etwas nahebringen zu können. Mal abgesehen davon, dass sie mit uns den Raum teilten und so etwas wie in Ruhe arbeiten aufgrund der herrschenden Lautstärke unmöglich war. ERROR – würde ich sagen und zwar auf ganzer Linie! Aber ich hatte wenigstens die Unterschrift für die Weiterbewilligung, sah es aber nicht ein, mich noch länger zu solchen „Schulungen“ nötigen lassen zu müssen. Hätte ich ein Modul für Büroarbeiten oder so belegen dürfen, keine Frage. Oder etwas, das mir eine berufliche Grundlage bieten kann, um raus zu kommen, eine Anstellung zu finden – sofort, ebenfalls kein Thema. Aber so – fand ich das ziemlich schwachsinnig!

Noch heftiger wird es, wenn man infolgedessen dann als mutmaßlicher Totalverweigerer zum Amtsarzt geschickt wird, was als Abschreckung dienen soll. Man gesagt bekommt, „was auch immer du simulierst, dort kommt es raus! Und dann haben wir dich, dann ist Ende der Fahnenstange!“ Man ahnt beinahe das diabolische Grinsen und kann das Händereiben schon in den Ohren hören, das einsetzt, wenn rechtmäßig Kürzungen wegen mangelnder Mitarbeit endlich möglich werden. Der Traum eines jeden Menschen, der wirklich gebrochen und völlig überfordert nicht weiß, wie er sein Leben auf die Reihe bringen soll! Albtraum trifft es da wohl eher … kenne ich, habe ich auch schon durch. Auch wenn die Ärztin dort wirklich verständnisvoll war und den Durchblick hatte. Ich ihr bis heute dankbar bin, dass sie erkannte, wie wenig ich unter diesen Bedingungen funktionieren konnte. Aber danach halt als „erwerbsunfähig“ dazustehen und noch unter Hartz IV auf Sozialgeld angewiesen zu sein, ist nicht prickelnd. War aber für etliche Jahre der einzige Weg, der mir blieb.

Glücklicherweise bekam ich nach diesem Debakel eine wirklich liebenswerte Fallmanagerin zugewiesen, der es absolut nicht schwerfiel, mich zu respektieren und mir Achtung zuteilwerden zu lassen. Davon ist so vieles abhängig, kaum in Worte zu fassen.

Das wäre ja auch so eine Sache, wenn es Schulungen betrifft. Würde man sich dort den Menschen nähern auf einer Ebene, die vermittelt, wo sind deine Stärken, und wo deine Schwächen, was kannst du, und wie kriegen wir dich da hin? Wo es dir freigestellt ist, ob du der Gruppe von dir erzählen möchtest und man dir die Zeit lässt, dich in ihr zu finden. Voraussetzung dafür sollte aber sein, dass nicht täglich die Teilnehmer wechseln und man einander auch kennenlernen kann. Denkbar wäre unter Umständen sogar, dass man auf einer solchen Grundlage lernt, wie man auf andere wirkt und an sich arbeiten kann, um eben das dahingehend zu verbessern, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen zu können. Module, die den Spieß quasi umdrehen und vielleicht auch Menschen mit ähnlichem Bildungshintergrund vereinen oder aber so konzipiert sind, dass die Stärkeren den Schwachen helfen. Man irgendwie das Gefühl vermittelt bekommt: „Mensch, dir geht’s grade nicht so klasse, aber du bist dennoch was wert und wir finden einen Weg.“ Etwas, das Hoffnung vermittelt oder wenigstens Auftrieb signalisiert und nicht so auf das Versagen ausgerichtet ist. Naja – so halt …

Zurück zu mir. Ob ich mich dafür schäme, solange auf unterster Stufe gestanden zu haben? Nein, nicht wirklich. Es ging nicht anders, war sonst nicht zu regeln. Zu der Zeit war ich ständig betreut vom sozialpsychiatrischen Dienst als auch regelmäßig in einer Beratungsstelle vom Bistum zu Gast, und zwar über Jahre hinweg konsequent als auch konstant. Als völlig aus dem System knallend dazustehen, hebt zwar das Selbstwertgefühl nicht unbedingt an, verschaffte mir aber die Luft zum Atmen, die ich brauchte. Wie soll ich denn einen beruflichen Alltag als Alleinerziehende bewältigen, was auch seine Aufmerksamkeit fordert, wenn zeitgleich mein Ich am Boden liegt? Schwer zu meistern und für einige von denen da draußen womöglich sogar nicht nachvollziehbar. Ich konnte ja nicht einmal einkaufen gehen, ohne heftige Magenkrämpfe, geschweige denn mich in der Dunkelheit draußen bewegen. Wenn jeder Schritt außerhalb der Wohnung zur nervlichen Tortour wird, dann ist das Leben alles andere als lebenswert!

Aus meiner Sicht war es der einzige Weg, den ich damals gehen konnte. „Posttraumatische Belastungsstörung“ nennt sich so etwas, ein dehnbarer Begriff irgendwie und doch zutreffend. Geplagt von Nachklängen, die quälen und alles innerlich erschüttern, einen das Erlebte wieder und wieder durchmachen lassen und ein Abschalten per Knopfdruck nicht machbar ist. Die Folgen davon den Alltag dominieren und man als Bündel voller Angst und Verzweiflung froh ist, jeden Tag ohne neuerliche Angriffe zu überstehen. Man dann noch Stärken mobilisieren muss, um die noch viel furchtbareren Nächte hinter sich zu bringen. Man gleichzeitig den Anforderungen und der Verantwortung als Mutter nachkommen will. Um einen über so viele Jahre währenden psychischen Terror, einen, mit dem ich aufwuchs, irgendwie in Bahnen zu lenken, in denen er die Klappe hält, Mensch noch mal, braucht es Zeit - damit er mich in Ruhe lässt und mir einen würdigen Alltag gestattet.

Das ist nämlich genau das Problem an der Sache, dass man selbst so sehr beladen mit Schuld und noch viel schwerwiegender Scham durch sein Dasein schleicht, stets mit gesenktem Haupt und die Erniedrigung schon vor sich herträgt frei nach dem Motto „Ich ergebe mich! Bitte schlag mich nicht – ich weiß ja, dass ich nichts tauge“ – ist doch zum Kotzen, ganz ehrlich! Aber man fühlt so, man empfindet so und kann rein gar nichts dagegen tun, glaubt man. Was allerdings noch viel mieser ist an so einer Lage, sind die Reaktionen der Menschen um einen herum. In deren Gesichtern kannst du es ablesen, wieder und wieder, wie wenig man dich für voll nehmen kann und dass man besser Abstand zu dir halten sollte. Etliche von denen machen daraus keinen Hehl und lassen es dich und alle anderen um dich herum auch wissen. Den Ruf, „einen an der Waffel“ zu haben, hat man schneller weg und eilt einem zumeist schon um Kilometer voraus, bevor man selbst ihn überhaupt wahrgenommen hat. Wer dann noch behauptet, das ist doch alles ganz easy und entspannt bleiben kann, der lügt – in so einer Verfassung bricht jeder und erst recht dann, wenn er vollkommen alleine dasteht und niemanden hat, der dich schützend in den Arm nimmt und an dich glaubt – Ende der Fahnenstange, aber diesmal wirklich!

Was bleibt, ist, den Mut zu sammeln und zu sagen, so nicht mehr! Bis hierhin und nicht weiter, mir reicht es und ich habe da keine Lust mehr drauf. Dass dieser Weg anstrengend als auch nervenzerreißend ist, gepflastert von Hoffnungslosigkeit und sich aufgeben wollen, das Handtuch schmeißen und sich am liebsten aus dem Leben davonschleichen, brauche ich an dieser Stelle nicht noch einmal ausführlich darlegen. Das habe ich bereits oft genug getan und auch wiederkehrend appelliert, sich nicht unterkriegen zu lassen und dennoch, entgegen aller augenscheinlicher Vernunft, die zum Kapitulieren animieren will, weiterzulaufen. Eben wie ein Baum zu sein – dazustehen und zu sagen: „Leben, du trittst mir vors Schienbein? Dann grabe ich meine Wurzeln nur noch tiefer in das Erdreich – damit das mal klar ist!“

Dafür braucht es viel, um nicht zu sagen ganz viel Zeit, liebevolle als auch fachkundige Begleitung, das sich Erarbeiten von Strategien, Verhaltensregeln, die einem helfen, in einer seelischen Notlage adäquat reagieren zu können. Kein leichtes Ding – im Gegenteil, eine wirklich große Herausforderung, die zwar äußerlich nicht sichtbar durch deutliche körperliche Makel, aber nicht weniger gewichtig ist!

Also, definitiv ein laut vernehmliches „NÖ“ artikuliert, das die Frage, ob ich mich schäme oder diesen Weg bereue, klar verneinen muss und kann!

Wenngleich ich sagen muss, dass ich andererseits auch unendlich dankbar bin, wenigstens nicht ganz durch das gesellschaftliche Raster gerutscht zu sein. Eben wegen Hartz IV aufgefangen wurde und der herrschenden Ordnung dieses Landes, dass Menschen, die Hilfe brauchen, auch Unterstützung erhalten, anvertraut sein durfte, ohne Frage! Wäre das nicht gewesen, dann hätte ich mich vermutlich, auch wenn ich es nur widerstrebend einräume, unter einer Brücke wiederfinden müssen – insofern bin ich diesem Staat für diese Regelung wirklich dankbar!

An der Umsetzung hapert es manchmal, aber wo gibt es das nicht? In dieser Abteilung jedoch deutlich fehl am Platze, wenn ein überhebliches Mensch sich diese und jene herablassende Bemerkung nicht verkneifen kann. Beispielsweise wenn der Sachbearbeiter in Urlaub geht und die Weiterbewilligung vorher nicht fertiggestellt hat. Dann das Entsetzen einen packt, wenn kein Zahlungseingang zum Monatswechsel gebucht wurde und man infolgedessen in Existenznot gerät, weil die Abbuchungen schließlich nicht wissen können, dass die dafür zuständige Person mal Erholung braucht. Das läuft nämlich vollautomatisch ab. Dann gibt das fiese Rückbuchungen, zum Einkaufen hat man auch nichts … ein Übel reiht sich an das andere und aus Not wird etwas richtig greifbares, schneller als man meint. Dieser verantwortliche Mensch allerdings ist sich keiner Schuld bewusst und kann dann tiefenentspannt nach seiner Rückkehr erstmal den Spruch raushauen „Sie sind dran, wenn Sie dran sind. Alles der Reihe nach …“ So schlimm soll das schon nicht sein, es kommt dann eben halt später. Wenn der Kühlschrank leer ist, was am Ende des Monats sowieso der Fall ist, wenn nicht sogar schon früher, und einen zwei hungrige Kinder anschauen und nach Essen suchen, dann macht es einem sowas von gar nichts aus, wenn es halt noch etwas dauert – logisch!

Alleine schon ein freundliches „guten Morgen“ wenn man reinkommt, bietet eine völlig andere Grundlage als ein entnervtes „was wollen Sie?“ Nimmt eventuell negativen Schwingungen die Luft und kann etwas Wohlgesonnenes in sich bergen. Ob ich an dieser Stelle erwähnen sollte, dass ich zu eben jenen gehöre, die dann immer ihre Klappe nicht halten können und eben das auf den Punkt bringen, was sich mit „Respekt und Achtung“ umschreiben lässt? Mir geht und ging in regelmäßigen Abständen die Hutschnur hoch, wenn ich mich entwürdigend behandeln lassen muss. Die Folge daraus war gerne mal eine schriftliche Beschwerde an höherer Stelle, was natürlich als Klatsche zurückkommt. Hartnäckig, wie ich bin, lasse ich mich davon eher weniger beeindrucken und setzte diese Strategie unbeirrbar fort, weil ich sicher wusste, dass nicht nur ich diese Umgangsform als hinderlich wahrnehme. Nichtsdestotrotz bist du als Leistungsempfänger dazu verdammt, den Ball flach zu halten. Wehren kann man sich gegen so etwas nämlich nicht. Man ist dem ausgesetzt und muss es über sich ergehen lassen. Auf einen überaus korrekt arbeitenden Mitarbeiter lässt man nichts kommen und die Wand, der sich vor einem auftürmenden Gestalten wird, je höher man langt, umso undurchdringlicher. Vielleicht aber ging es mir eher darum, mal das Nachdenken anzuregen, als eine Veränderung zu erwirken. Wer so von sich überzeugt ist und seine Macht ständig präsentieren muss, dem können wohl andere Ursachen für eine derartige Umgangsweise im Nacken sitzen. Aber nun gut. Es ließ sich nicht ändern und man hat es zu schlucken. Als wenn es mir zustehen würde, dass man mich ernst nimmt – wie kann ich nur auf so eine Idee kommen, schäm dich!

Das waren immer so Momente, wo ich gerne um mich geschlagen hätte, aber geht ja nicht. Entbehrt jeglicher Würde und geht auch am Ziel vorbei, definitiv. Wenn ich das täte, das unter die Gürtellinie zielen retournieren, würde ich mich selbst unglaubwürdig machen und auf jenes Niveau herablassen, das ich bekämpfen und keinesfalls unterstützen will!

Sonderbarerweise gehen vor meinem geistigen Augen immer solche oder ähnliche Szenen vonstatten, wenn wieder einmal durch die Presse geht, dass ein irrer Leistungsempfänger randaliert hat, auf dem Amt. Wer nicht selbst erlebt hat, wie manch einer sich dort benimmt und mit den Leuten umgeht, für die er verantwortlich ist, ohne die er diesen Job zumindest nicht hätte, der wird sofort bei einer solchen Meldung annehmen, so ein fauler Sack, glaubt auch, kann sich alles erlauben. Es gibt sogar Mitarbeiter dort, von denen könnte man vermuten, die machen es sich zum Sport. „Heute schon einen Leistungsempfänger geklatscht? Also mein Rekord seit 8 Uhr in der Früh liegt bei … mindestens drei … aber die eine, du weißt schon, wen ich meine, die zählt doppelt, weil die immer eine so große Klappe hat. Soll doch arbeiten gehen, dann braucht sie sich von uns keinen dummen Tonfall bieten lassen! Frechheit, meint die doch wir drangsalieren hier. Wir machen immerhin im Gegensatz zu der unsere Arbeit – pah!“

Jeder, der eine Zeit lang auf das Sozialamt angewiesen war, wird daran etwas vertraut finden, leider. Aber nun gut, so sind sie halt. Nicht alle, aber mehr, als es bräuchte. Und eben weil es etliche gibt, die diesen Job wirklich außerordentlich respektvoll ausüben, fallen die, die es nicht tun, auf, besonders sogar. Viel schlimmer aber ist, dass man denen so gar nichts kann. Die sind IMMER im Recht, auch, wenn sie sich schwer tun mit einem angebrachten Tonfall. Genau genommen sollte keiner von denen ihre Machtposition ausspielen dürfen. Egal, wen sie da vor sich haben. Sind schließlich alles Menschen, mit einer unschönen Geschichte dahinter, viele von denen alleinerziehend, wie ich auch.

Dennoch ist ein aggressives Verhalten nicht gerechtfertigt, in keinster Weise. Wird aber wohl eher von eben jenen kommen, die sich verbal nicht mehr zu helfen wissen und die Kontrolle verlieren, ob der brutalen Bewusstwerdung, dass man nichts, aber auch gar nichts zu melden hat und sich der auf den Knien rutschenden Position klar werden sollte, Tritte einzustecken hat und das kommentarlos Bitteschön!

Alleinerziehend - genau, da war ja was. Mein Herr Sohn. Ich habe sogar zwei von der Sorte und finde beide unendlich toll! Mama stolz, ohne Frage. Hebt wenigstens ein bisschen die Stimmung zwischen diesen ganzen miesen Gedankengängen!

Aber wo war ich nun stehen geblieben? Typisch Jasmina, hast dich mal wieder verfusselt! Noch mal den Faden suchen, den roten … ach, da ist er ja!

Auf Jobsuche so ganz ohne Referenzen, da waren wir. Nicht ganz ohne, wenn halt irrsinnige Lücken den Lebenslauf zieren, der komplette Lebenslauf irgendwie eine Lücke darstellt.

Ab hier habe ich im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Entweder, ich berufe mich auf eine echt miese Kindheit, schließlich ist die Schuld an der Misere, denn es war tatsächlich nicht meine Schuld, wenn man denn überhaupt von Schuld als solcher sprechen möchte, verfalle aufgrund dessen in Depressionen und bedauere mein Dasein – eh alles viel zu spät.

Andererseits könnte ich es aber auch so machen, dass ich mir ein Herz fasse und sage „Scheiß drauf“, blöde Voraussetzungen sind dafür da, aus der Welt geschafft zu werden. Ich sag nur „Baum“ - los geht`s!

Jasmina und die Sache mit Hartz IV

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