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2. Kapitel

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Ein Jahr vorher


Der bullige Krankenpfleger betrat grinsend das Krankenzimmer, um gleich darauf die Nase zu rümpfen.

»Mann, hier stinkt es ja wie in einer Kloake. Hast du wieder ins Bett gemacht, du Sau?«

»Was bleibt mir denn anderes übrig? Ich bin die ganze Zeit an Händen und Füßen angebunden. Nicht mal an der Nase kratzen kann ich mich, geschweige denn auf die Toilette gehen.«

»Ach, du Armer. Sind alle böse zu dir? Das hättest du dir vorher überlegen sollen, als du völlig ausgetickt bist und deine Möbel aus dem Fenster geworfen oder gleich zu Kleinholz verarbeitet hast.«

»Das soll ich getan haben? Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern.«

»Weil ihr kranken Spinner nur die Erinnerung zulasst, die euch gefällt. Alles andere blendet ihr aus. Was meinst du, was der Oberarzt sagen wird, wenn er hört, dass du wieder alles eingesaut hast? Da werden wohl ein paar Elektroschocks extra herausspringen.«

»Nein, bitte nicht! Hinterher fühle ich mich immer so kraftlos, und das tagelang.«

»Genau das ist der Sinn der Übung. Damit du nicht auf dumme Gedanken kommst. Die Fenster haben zwar alle Gitter, und die Türen sind fest verschlossen, aber es gibt immer wieder welche, die versuchen abzuhauen. So, ich mache dich jetzt los, um frische Laken aufzuziehen. Aber Gnade dir Gott, wenn du versuchst, irgendwelche linken Dinger zu machen. Dann schlage ich dich windelweich. Ist das klar?«

Der Patient nickte nur. Unrasiert mit seinem wirren Blick und den eingefallenen Wangen sah er aus wie ein alter Mann. Dabei war er erst Ende dreißig.

»Kann ich mich dann endlich duschen und mir meine verklebten Haare waschen?«, fragte er.

»Lust auf Wasser hast du? Das kannst du haben.«

Der Pfleger löste die Hand- und Fußfesseln, die aus schmutzig weißen Binden bestanden, und band die Hände mit frischen Verbänden zusammen. Dann warf er dem hilflosen Mann einen Bademantel über die Schultern und führte ihn in einen großen, weiß gekachelten Raum. Dort stieß er ihn auf einen Holzschemel und ließ Wasser in die Wanne laufen. Als diese halb voll war, zog er dem Mann, den hier alle nur Bob nannten, das feuchte Nachthemd aus und gab ihm einen Hieb auf den nackten Hintern. Das war das Zeichen, in die Wanne zu steigen.

Als Bob mit dem linken Bein zuerst ins Wasser stieg, zuckte er erschreckt zurück.

»Das ist ja eiskalt …«

»Was hast du denn gedacht? Dass ich dir eine Wohlfühltemperatur herstelle? Wenn du lange genug weichst, geht der Dreck auch ab.«

»Bis dahin hole ich mir doch den Tod …«

»Meinst du etwa, das kratzt hier irgendjemand? Wieder ein unbequemer Insasse weniger. Nur schade, dass immer wieder neue kommen, weil die Welt voll von euch kranken Arschlöchern ist. Steig jetzt endlich ein, oder ich drücke dir gleich deinen vierkantigen Schädel unter Wasser.«

Bob begann, in dem kalten Wasser sofort am ganzen Leib zu zittern. Zufrieden grinsend, ging Pfleger Morris aus dem Raum und schloss die Tür ab.

»Bis später!«, feixte er. »Und hol dir keinen Eiszapfen.«

Als Morris draußen war, wartete Bob noch ein paar Minuten ab, aber dann rappelte er sich auf und griff mit seinen zusammengebundenen Händen nach dem Heißwasserhahn. Mit einiger Anstrengung gelang es ihm, den Griff herumzudrehen. Als das heiße Wasser herausströmte und sich mit dem kalten vermischte, bis es wenigstens lauwarm wurde, drehte Bob den Hahn wieder zurück. Bis Morris zurückkommen würde, würde das Wasser zwar wieder kalt sein, doch bis dahin konnte sich Bob wenigstens etwas aufwärmen.


Auf der Suche nach neuen Opfern fand der mörderische Santa Claus ein Haus, in dem kein Licht brannte. Entweder waren die Bewohner unterwegs oder schliefen schon. Beides sollte ihm recht sein. Als er durch den Schornstein im Kamin landete, sahen ihn zwei Kinderaugen groß an.

»Hallo, wer bist du denn?«, fragte er und klopfte sich die Asche von seinem Anzug.

»Als Santa Claus solltest du meinen Namen eigentlich kennen«, sagte das etwa neunjährige Mädchen. »Mom wird übrigens begeistert sein, dass du ihren Teppich verdreckst.«

»Nicht so vorlaut, Janice. Oder willst du, dass ich böse werde?«

»Sie wissen also doch meinen Vornamen. Aber deshalb sind Sie noch lange nicht der echte Santa Claus. Den gibt es nämlich gar nicht. Wahrscheinlich hat sie eine dieser unsäglichen Agenturen geschickt.«

»Wenn du nicht an Santa glaubst, was machst du dann hier mitten in der Nacht?«

»Ich wollte mal sehen, ob Sie wirklich so dreist sind und sich durch den Schornstein Einlass verschaffen. Den Sack mit den Geschenken haben Sie wohl vergessen? Oder ist er stecken geblieben?«

»Keineswegs …«

Aus dem Nichts materialisierte sich plötzlich ein prall gefüllter Sack.«

»Wow, guter Trick. Sind Sie nebenbei auch Magier?«

»So könnte man es ausdrücken.«

»Mit wem sprichst du denn, Janice?«, erklang plötzlich eine weibliche Stimme. Brenda Hunt, eine spindeldürre Blondine, deren dünne Haare vom Liegen auf einer Seite platt am Kopf anlagen, was ihr ein groteskes Aussehen verlieh, hatte einen sehr leichten Schlaf und war durch die Stimmen wachgeworden. Schamhaft hielt sie ihren Morgenmantel über dem nicht vorhandenen Bauch zusammen.

»Mit jemand, der so tut, als sei er Santa Claus, Mom.«

Brenda schaltete die Deckenbeleuchtung an und sah den fremden Mann in ihrem Wohnzimmer.

»Wayne, kommst du bitte mal! Wir haben ungebetenen Besuch«, rief sie nach oben.

Sekunden später erschien ein etwa achtundvierzigjähriger Mann mit angegrauten Schläfen im Pyjama auf der Treppe.

»Wie sind Sie hier hereingekommen?«, fragte Wayne verärgert.

»Durch den Kamin, wie es sich für Santa Claus gehört.«

»Wir haben aber gar keinen Weihnachtsmann bestellt …«

»Das macht nichts. Manchmal komme ich auch ungefragt. Vor allem, wenn es mehr ums Bestrafen als ums Schenken geht.«

»Was soll das heißen? Unsere süße Tochter, die schon viel zu groß für solchen Unsinn ist, zeichnet sich durch besonders gute Manieren aus.«

»Vielleicht, wenn Sie dabei sind. Ist sie allein, zeigt sie eine andere, unerzogene und grausame Seite. Zum Beispiel, wenn sie den armen Hund quält, indem sie ihm das Wasser wegnimmt oder ihn mit Tritten malträtiert. Das arme Tier ist nämlich nicht einfach tot umgefallen, wie sie euch weismachen wollte, sondern sie hat ihn vergiftet, weil er ihr lästig war.«

»Das kann nicht sein. Sie müssen sich irren.«

»Oh, ich irre mich äußerst selten. Sie ist eben so ganz das Produkt ihrer Eltern. Denn du, Wayne, bist ein gewissenloser Arbeitgeber, der seine Untergebenen bis aufs Blut schindet und ihre soziale Not ausnutzt.«

»Unterlassen Sie sofort, mich zu duzen!«

»Aber wer wird denn so empfindlich sein? Wenn jemand von deinem Personal einen lieben Angehörigen verloren hat, kümmert dich das wenig. Im Gegenteil, du schikanierst ihn noch zusätzlich.«

»Was mein Mann für ein Chef ist, können Sie in keinster Weise beurteilen. Und es steht Ihnen auch keine Wertung seines Handelns zu«, sagte Brenda.

»Doch, ich kann. So wie ich weiß, dass du, Brenda, deine Schüler ungerecht bestrafst. Du lässt sie stundenlang in der Ecke stehen und endlose Strafarbeiten schreiben, ohne ihnen auch nur die geringste Schuld nachgewiesen zu haben. Wenn die Eltern sich beschweren, streitest du alles ab und stellst die Kinder als notorische Lügner dar. Was in den meisten Fällen zusätzliche Strafen seitens der Eltern nach sich zieht. Du hast kein Herz für Kinder. Für dich sind es nur kleine Störenfriede, die man züchtigen muss.«

Janice fing an zu weinen. Sie konnte nicht glauben, was sie da über ihre Eltern hörte.

»Ist das wahr, Mom, Dad?«

»Ach was«, sagte Wayne. »Glaub den Unsinn doch nicht. Das ist alles erstunken und erlogen. Wie wir auch nicht glauben, dass du schuld am Tod von Knuffi bist.«

»So, ich bin also ein Lügner, wie es deine Frau von den Kindern behauptet? Möchtest du trotzdem dein Geschenk haben?«

»Was ist es denn?«

»Etwas, das du sehr gut gebrauchen kannst. Hier im Haus zum Heimwerken und in der Firma für kleine Quälereien. Schade, dass du es nicht mehr benutzen kannst. Oder nein, ich verbessere mich – zum Glück.«

Santa holte einen Karton aus dem Sack, öffnete ihn und zielte mit der Nagelpistole auf Wayne. Der machte eine abwehrende Bewegung mit den Händen und drückte sich tief ins Sofa. Doch das nützte ihm nichts. Er wurde wie von unsichtbaren Fäden in die Höhe gezogen und flach an die Wand gedrückt. Dann drückte Santa in schneller Folge ab.

Brenda und Janice schrien vor Entsetzen hysterisch auf. Eine einzige Bewegung des Fremden genügte, um ihre Münder offen stehen zu lassen, ohne dass auch nur ein Ton herauskam. In Waynes Körper steckten unzählige lange Nägel, die ihn aus zahlreichen Wunden bluten ließen. Doch auch bei ihm kam kein Laut über seine Lippen.

»Na, was ist das für ein Gefühl, wenn man hilflos jemandem ausgeliefert ist, und derjenige keine Gnade kennt, sondern nur Hohn und Spott übrig hat? Ach so, entschuldige, dir hat es ja gerade die Sprache verschlagen. Dann werden wir uns mal um dich kümmern, Brenda. Du stopfst doch pfundweise Süßkram in dich hinein, um es anschließend auf der Toilette wieder auszukotzen. Heute sollst du etwas besonders Köstliches bekommen.«

Die noch immer starr dastehende Janice veränderte sich von einem Augenblick zum anderen. Ihre gesamte Gestalt wurde plötzlich beinahe zweidimensional, und sie glich vom Aussehen her einer großen Pfefferkuchenfigur. Als sie umfiel, zerbrach sie in lauter kleine Stücke. Doch damit nicht genug. Die Teile flogen wie von Geisterhand bewegt in die offenen Münder der Eltern.

»So, schön kauen und runterschlucken!«

Brendas Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Die Lebkuchenstücke drängten immer weiter nach, sodass sie schlucken musste, um nicht zu ersticken. Dabei vergoss sie heiße Tränen. Wayne, der sich unter normalen Umständen geweigert hätte, auch nur einen Bissen anzurühren, spürte, wie sein Kiefer sich von selbst bewegte und der Schluckmechanismus einsetzte. Als er auf ein etwas größeres Stück biss, füllte sich sein Mund mit Blut. Er hoffte nur inständig, sich auf die Zunge gebissen zu haben und nicht das Blut seiner Tochter zu trinken. Dabei fiel ihm auf, dass er das absurde Geschehen nicht infrage stellte. Aber wie konnte es angehen, dass ein neunjähriges Mädchen sich in eine Pfefferkuchenfigur verwandelte und anschließend wie Glas zerbrach? Entweder er hatte den schlimmsten Albtraum seines Lebens oder es war schwarze Magie im Spiel. Vielleicht war der Eindringling kein Psychopath, sondern ein Dämon?

Er hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als die Gestalt des Santa wie bei einer Bildstörung im TV zu flackern begann. Zeitweise löste er sich ganz auf, um im nächsten Moment wie ein Fabelwesen auszusehen. Mit behaartem Körper, Hörnern, einem langen Schwanz und Hufen an den dünnen Beinen. Als die Gestalt sich wieder verfestigte, sah sie wieder wie Santa Claus aus. Nur hatte sie rotglühende Augen. Halluzinierte er oder brachten die Schmerzen, verursacht durch die Nägel, seine Sinneswahrnehmung durcheinander?, überlegte Wayne. Da ging der Spuk schon weiter.

»Du bist sicher durstig nach der Leckerei, Brenda. Ich habe dir deinen Lieblingschampagner mitgebracht. Eine Magnumflasche mit fünfzehn Litern. Fast unbezahlbar. Ich hoffe, du weißt diese Gabe zu würdigen. Allerdings wirst du ihn nicht trinken, sondern darin baden. Jedoch nicht hier, sondern hinter dem Haus. Leider ist es nicht kalt genug, um dich anschließend zu Eis gefrieren zu lassen. Doch das sollte eine meiner leichtesten Übungen sein. Say goodbye to Wayne!«

Brenda Hunt lief wie eine Marionette voraus in die Küche, öffnete die Hintertür und stellte sich abwartend auf den Rasen. Ein Plopp kündete über das Öffnen der Flasche. Santa musste sie gar nicht selbst in die Hände nehmen. Sie schwebte mit dem Hals nach unten über Brenda und ergoss ihren gesamten Inhalt über die Frau. Wie bereits angekündigt, bildeten sich mehr und mehr Eiskristalle, bis Brenda Hunt einer Eisskulptur glich und alsbald von einem dicken Eisblock umhüllt wurde. Für einen unbeteiligten Zuschauer wäre das der Beweis gewesen, dass hier übernatürliche Kräfte im Spiel waren. Denn die Außentemperatur lag bei Weitem nicht bei unter fünf Grad Celsius, dem Gefrierpunkt von Sekt und Champagner. Doch es war niemand da, der dieses absurde Schauspiel beobachten konnte. Die Nachbarn lagen friedlich in ihren Betten und schliefen den Schlaf der Gerechten.

Santa wandte sich mit einem bösen, aber zufriedenen Grinsen ab und ging zurück ins Haus. Wayne hing noch immer an der Wand und war vor Schmerzen und dem hohen Blutverlust nahezu bewusstlos.

»Komm, zum Schlafen hast du noch genug Zeit. Stattdessen solltest du noch etwas essen. Oder soll der Rest deiner Tochter im Müll landen? Dann soll sie doch lieber wieder in deinen Körper zurückkehren. Dorthin, wo ein Teil von ihr hergekommen ist.«

»Sie sind vollkommen wahnsinnig«, stöhnte Wayne. »Ich werde kein einziges Stück mehr essen.«

»Oh doch, du wirst. So lange, bis es dir zu den Ohren herauskommt.«

Santa griff einige große Stücke vom Boden auf und schwebte wie von einer unsichtbaren Hebebühne getragen nach oben. Als er vor dem Gesicht des hilflosen Mannes angekommen war, stopfte er ihm wie bei einer Pute das süße Weihnachtsgebäck in den Mund. Wayne hatte keine Gelegenheit mehr, darüber nachzudenken, ob es sich dabei wirklich um seine verwandelte Tochter handelte, denn schon kurz darauf war er jämmerlich erstickt. Tatsache war, dass es nicht die geringste Spur von Janice im gesamten Haus gab.


Am Weihnachtsmorgen machten sich die Zwillinge Jesse und Pamela mit Feuereifer über die Geschenke her. Eine Zeremonie, die in allen amerikanischen Häusern am 25. Dezember Brauch war. Amos, Frances und Emily sahen ihnen eine Weile zu und begutachteten dann ihre Geschenke.

»Da war Santa Claus aber wieder fleißig«, sagte Amos lächelnd.

»Oh, Daddy, ich bin so glücklich über den neuen Laptop«, jubelte Jesse.

»Und ich über mein Smartphone in Pink. Danke, Mom, Daddy«, sagte Pamela und herzte ihre Eltern.

»Ihr bringt da was durcheinander. Ich bin nicht Santa Claus. Bei dem müsst ihr euch bedanken.«

»Schon klar, Daddy. Trotzdem vielen Dank«, klang es einstimmig aus den Mündern der Kinder.

Die Erwachsenen hatten sich nicht ganz so großzügig beschenkt, weil sie der Meinung waren, Weihnachten sei mehr ein Fest für Kinder. Trotzdem lagen einige praktische Dinge unter dem Weihnachtsbaum wie eine wärmende Strickjacke und die dazugehörigen Hausschuhe für Oma, Unterwäsche, Socken und zwei Bücher für Amos, Parfüm und ein hübscher Anhänger für Frances und so weiter.

»Kriegt man hier in dem Haus eigentlich auch ein Frühstück?«, fragte Amos. »Mir hängt langsam der Magen in den Kniekehlen.

»Du übertreibst wie immer, Schatz«, sagte Frances. »Aber keine Sorge, Mom und ich haben schon alles vorbereitet, als du dich im Bad wieder zu einem Menschen verwandelt hast.«

»Was war ich denn vorher, ein Tier?«

»Nicht ganz, aber nahe dran. Mit Stoppeln im Gesicht, etwas streng riechend und mit nicht gerade sehr frischem Atem.«

»Tschuldigung. Nicht jeder kann morgens schon so duften wie du.«

Vor dem Haus quietschten Bremsen.

»Immer wenn ich ein Auto ankommen höre, hoffe ich, Mom und Dad hätten es sich doch noch anders überlegt«, sagte Amos.

»Ja, ich weiß, Schatz. Aber deine Mutter hat uns wenig Hoffnung gemacht, weil dein Vater die lange Reise nicht bewältigen würde. Vielleicht können wir sie nächste Weihnachten in Kanada besuchen. Wenn wir nachher telefonieren, werde ich es vorschlagen«, meinte Frances.

»Lieb von dir. Aber wer weiß, was in einem Jahr ist …«

Amos’ Blick fiel auf das Fenster. Vor dem Haus stieg gerade ein Kollege aus dem Polizeiwagen.

»Oh, nein«, stöhnte er. »Nicht schon wieder.«

Kurz darauf läutete es an der Tür, und ein Hüne von Mann stand davor, der etwas peinlich berührt lächelte.

»Tut mir leid, dass ich störe«, sagte Brad Dewey.

»Schon gut. Ich nehme an, du hast einen triftigen Grund«, meinte Amos. »Komm rein! Hast du schon gefrühstückt?«

»Nicht wirklich. Der Anruf kam, als wir gerade dabei waren.«

»Dann wirst du das hier nachholen. Keine Widerrede. Ich habe auch noch einen leeren Magen und dementsprechend schlechte Laune. Bescherung hin oder her.«

»Ja, aber …«

»Red nicht lange. Ich denke, es gibt einen neuen Mordfall, richtig? Es war also keine Einzeltat, gestern Abend. Das habe ich schon befürchtet.«

Brad nickte.

»Wieder eine Familie und ebenso mysteriös. Kannst du kurz mit zum Wagen kommen?«

»Ja, kein Problem.«

Amos staunte nicht schlecht, als er auf dem Rücksitz einen Karton entdeckte, in dem sich ein Meerschweinchen ängstlich in eine Ecke drückte.

»Ich dachte für deinen Privatzoo«, sagte Brad. »Linda und ich haben ja noch keinen Nachwuchs, aber ihr habt die Zwillinge.«

»Kein Grund, dass ich haufenweise Tiere aufnehme … Schon gut. Gib her! Wer ist es denn diesmal?«

»Ed und Mary Coolidge. Dieses Mal ist sie spurlos verschwunden. Er lag erstochen im Wohnzimmer und hatte so ein Sextoy über seinem Schwanz. Na, du weißt schon. So’n Ding, das den Dödel größer macht mithilfe einer Pumpe.«

»Wie geschmacklos am Weihnachtsabend … Und was ist mit den Kindern. Sie haben doch zwei, oder? Einen Jungen und ein Mädchen.«

»Nein, zwei Mädchen. Charity und Priscilla.«

»Wer seine Töchter wie eine Wohltätigkeitsveranstaltung und die Braut von Elvis nennt, macht vielleicht auch den Weihnachtsabend zum Pornofest.«

»Sei nicht so streng. Charity bedeutet ja auch Nächstenliebe allgemein. Und nichts gegen den King of Rock. Vielleicht hat Ed das Ding gar nicht freiwillig angelegt.«

»Du meinst, er wurde dazu gezwungen?«

»Möglich. Der hier sein Unwesen treibt, muss einen mächtigen Sprung in der Schüssel haben. Darüber sind wir uns doch einig. Die Kinder steckten übrigens beide in Säcken. Sie sind wie junge Katzen an einem Baum erschlagen worden.«

»So eine Sau. Hättest du mir das nicht nach dem Frühstück sagen können?«

»Wäre es dann weniger schlimm gewesen? Vielleicht wäre es dir gleich wieder hochgekommen.«

»Hast du auch wieder Recht. Seltsam, dass immer jemand fehlt aus der Familie. Ob der die Opfer mitnimmt? Von wegen Privatzoo …?«

»Du meinst, um sie zu mästen, wie bei Hänsel und Gretel? Ich glaube jetzt geht deine Fantasie mit dir durch. Demnach hältst du Lacy Avens nicht mehr für verdächtig?«

»Abwarten. Solange wir das mit dem Liebhaber noch nicht geklärt haben …«

»Aber warum sollten die auch die Familie Coolidge heimgesucht haben?«

»Was weiß ich. Vielleicht ist der Lover der Avens der durchgeknallte Irre, der nicht aufhören kann. Und sie ahnt gar nichts davon.«

»Ich habe so ein Gefühl, als wäre das heute Nacht noch nicht der letzte Vorfall gewesen.«

»Male bloß nicht den Teufel an die Wand. Ein Serienkiller wäre das Letzte, das wir hier brauchen können.«

Als Amos mit dem Meerschweinchen ins Haus kam, quietschte Pamela vor Vergnügen.

»Jetzt kannst du die Ratten für dich haben, Jesse«, sagte sie zu ihrem Bruder.

»Fine, aber wir müssen die Tiere nicht aufteilen. Wir können beide mit ihnen spielen.«

»Ja, aber lasst sie bitte getrennt. Ich glaube nicht, dass sie sich untereinander verstehen. Mom besorgt dann gleich morgen Käfige und Futter für sie«, sagte Amos.

»Interessant, wie du die Aufgaben verteilst«, murrte Francis.

»Ich kann das auch gerne übernehmen, wenn es euch recht ist«, meinte Emily.

»Danke, Mom, aber Frances wollte ohnehin in den Supermarkt, um sich ein wenig umzuhören.«

»Das ist jetzt hoffentlich das letzte Tier, das du ins Haus bringst«, sagte Frances.

»Natürlich, aber wir konnten sie doch nicht alleine in dem Haus lassen. Sie haben schließlich niemandem was getan.«

Nach dem Frühstück begleitete Amos seinen Kollegen zum Wagen.

»Und von der Frau gibt es wirklich keine Spur? Fehlen vielleicht Koffer und weibliche Kleidung?«, fragte er.

»Wie es aussieht, ist alles an seinem Platz.«

»Merkwürdig. Wenn sie abgehauen ist, müsste sie doch wenigstens etwas Garderobe mitgenommen haben. Habt ihr den Käfig für das Meerschweinchen und das Futter sichergestellt?«

»Davon gibt es im gesamten Haus nichts.«

»Also wie bei den Avens«, sagte Amos zu Brad. »Da gab es auch keinen Rattenkäfig und kein Futter. Ob Santa die Tiere erst mitgebracht hat? Wir müssen auf jeden Fall die Agenturen abklappern. Ob eine von ihnen einen Santa Claus an die Coolidges und die Avens’ vermietet hat.«


Wehe, wenn Santa kommt!

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