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Kapitel 2

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Gegenwart

Die Dörfer Capatineni und Cheiani gab es schon lange nicht mehr, einzig das Dorf Poenari existierte noch. Die Gegend unterhalb der Burg gehörte jetzt zur Gemeinde Arefu im Kreis Argeş und bestand in der Hauptsache aus den Dörfern: Arefu, Căpăţânenii Pământeni und Căpăţânenii Ungureni. Von ihnen war es kaum weiter als zehn Minuten mit dem Auto über die Transfogarastraße – rum. Transfăgăraşan, einer früher strategisch wichtigen Passage zwischen Siebenbürgen und der Großen Walachei, die Anfang der 1970er Jahre unter Ceauscescu’s Regime gebaut worden war. Zu Fuß brauchte man eine knappe Stunde.

Die befreundeten jungen Leute und Studienkollegen, Violet Jenkins, Taylor Eliot, Melvin Stevenson und Joel Ward aus Albany im Bundesstaat New York, die ihren Bachelor of Arts in Art History, History und Women’s Studies machen wollten, waren durch den Hype, der noch immer um den angeblichen Vampirgrafen Dracula alias Vlad III. Drăculea gemacht wurde, besonders an Halloween, nach Transsylvanien gereist, um etwas von der Atmosphäre an den Originalschauplätzen mitzubekommen. Es hatte sich auch in Amerika herumgesprochen, dass die Burg Poenari das wahre Dracula-Schloss war, denn hier hatte Vlad III. zumindest eine Zeitlang gelebt. Und die Legende besagte, dass sich seine erste Frau sogar dort von den Zinnen gestürzt hatte.

Erst in den 70er Jahren, als das Land Devisen brauchte, hatte Ceauscescu Schloss Bran zu Draculas Burg erkoren, damit mehr Touristen angelockt werden konnten. Nachweislich hatte Vlad „ţepeş“ Drăculea jedoch nie auf der Burg gelebt, und sie war auch nie in seinem Besitz gewesen. Auch die Behauptung, Drăculea sei für eine Nacht auf Bran gefangen gehalten worden, konnte historisch nicht belegt werden. Wahrscheinlich hat er nur den unterhalb der Burg verlaufenden Pass hin und wieder genutzt.

Die vier jungen Studenten waren im Haus Edelweiß im Arefu Dorf untergekommen. Jeder hatte sein eigenes Doppelzimmer, und das gemeinsame Wohnzimmer mit Ausgang zur Terrasse verfügte sogar über einen Fernseher. Außerdem gab es eine voll ausgestattete Küche und draußen einen kleinen Pavillon, Grill und Parkplatz.

Violet kam frisch geduscht aus dem Badezimmer. Ihre kastanienbraunen Haare glänzten wie Seide. Mit ihrer kurzen Frisur wirkte sie sehr knabenhaft. Vielleicht wurde sie deshalb von den drei „Boys“ auch mehr als ein Kumpel wahrgenommen. Bei Taylor und Joel machte ihr das nichts aus. Sie waren mit ihren rötlichen beziehungsweise aschblonden Haaren und Sommersprossen ohnehin nicht ihr Typ. Aber Melvin, mit seinen dunklen, fast schwarzen Haaren, fiel ganz und gar in ihr Beuteschema. Nur bevorzugte der den Tussie-Typ – Mädchen oder Frauen, deren Gedanken einzig um die Pflege ihrer langen Mähne oder den Kauf des zigsten Paar Schuhe kreisten. Wenn Melvin mal wieder einer Blondine mit großem Vorbau nachsah, versetzte das Violet jedes Mal einen kleinen Stich. Aber sich ihm an den Hals werfen würde sie trotzdem nicht. Wenn er nicht erkannte, was für ein Juwel sie war, konnte sie ihm auch nicht helfen. Sollte er nur mit einer dieser Tussies unglücklich werden.

Violet strotzte nur so vor Tatendrang, als sie in den Wohnraum kam, wo die anderen sich schon versammelt hatten, und sichtete umgehend die Prospekte und Flyer von den nahegelegenen Sehenswürdigkeiten.

»Da will ich hin!«, rief sie aus, »zum Gletschersee Lacul Bâlea. Den erreicht man über die Transfogara Hochstraße, im Sommer jedenfalls. Im Winter muss man vom Bâlea-Wasserfall - Bâlea Cascada aus eine Seilbahn benutzen.«

»Und was ist so besonders an dem See?«, wollte Taylor wissen.

»In der Umgebung gibt es Skipisten mit Schneesicherheit bis in den Juni. Die Bâlea-Hütte liegt auf einer kleinen Halbinsel im See, ist bewirtschaftet und ein beliebtes Ausflugsziel. Ganz in der Nähe wurde 2006 das erste Eishotel Osteuropas in Form eines Iglus errichtet. Und wenn dir das noch immer nicht reicht: Der nach Norden hinunterführende Abschnitt der Hochstraße trägt die Bezeichnung „Straße in die Wolken“, weil die Serpentinen manchmal in den Wolken, die über dem Tal liegen, zu enden scheinen. Ist das nicht wildromantisch?«

»Wir sind nicht zum Skilaufen oder zum Wolkenanschauen nach Transsylvanien gekommen, wenn ich dich erinnern darf, Darling, sondern um uns auf die Spuren von alten Legenden zu begeben«, sagte Joel, und Melvin pflichtete ihm bei.

»My goodness, seid doch nicht so unromantisch. Das eine schließt doch das andere nicht aus. Außer alten Mauern, werden wir sowieso nichts zu sehen bekommen. Oder erwartet ihr, einem leibhaftigem Vampir zu begegnen?«

»Weiß man’s?«, grinste Taylor, »wir sind uns doch wohl einig, dass wir mit der Besichtigung der Burg Poenari beginnen? Deshalb sind wir schließlich hier.«

Ein zustimmendes Murmeln war die Reaktion.

»Und wenn’s euch nach Gespenstern gelüstet und ihr fünf Stunden Fahrt in Kauf nehmt, könnten wir in den Wald Hoia Baciu in der Nähe von Cluj-Napoca, unserem Ankunftsflughafen, fahren. Der Wald wird auch als das Bermuda-Dreieck von Europa bezeichnet.«

»Wie kann ein Wald mit einem Meer verglichen werden?«, fragte Violet zweifelnd.

»Ganz einfach, weil dort seit über fünfzig Jahren immer wieder Menschen verschwunden sind. Es begann damit, dass ein Schäfer mit seiner Herde von zweihundert Tieren verschwand. Man spricht auch von Lichterscheinungen, Stimmen und anderen Spukphänomenen. Sogar Ufo-Sichtungen soll es dort schon gegeben haben.«

»Ja, da müssen wir unbedingt hin«, jubelte Joel, »aber auf dem Weg dorthin gibt es bestimmt noch andere interessante Orte.«

»Wir könnten erst in den Nationalpark Cheile Nerei Beuşniţa fahren. Der liegt etwa sechseinhalb Stunden westlich von Arefu entfernt«, meinte Melvin.

»Und was gibt’s in dem Park zu sehen?«, fragte Violet.

»Eine Menge. Zum Beispiel die Beuşniţa-Wasserfälle und den Teufelssee, Lacul Dracului, hinter denen spannende Sagen stecken. Von da aus kommen wir nach vier Stunden zum Corvin Castle am südwestlichen Rand der Stadt Hunedoara. Es wird als Traumschloss gehandelt, hat zweiundvierzig Räume sowie jeweils zwei Terrassen und Brücken. Und drei Legenden bekommt man noch frei Haus geliefert.«

»Und wie weit ist es vom Castle bis zum Wald von Hoia Baciu?«, fragte Taylor.

»In etwa weitere drei Stunden.«

»Na, hallelujah, da werden wir ja einige Kilometer unterwegs sein. Hoffentlich spielt unser Mietwagen da mit«, sagte Joel.

»Davon gehe ich aus. Wir haben der Autovermietung unmissverständlich klar gemacht, dass wir auf Besichtigungstour sind. Und sie haben uns nicht umsonst den Oberklassewagen Dacia Duster mit Allradantrieb empfohlen.« Melvin war so richtig in seinem Element. »Und jetzt würde ich vorschlagen, dass wir Taylors Wunsch entsprechen und mit der Burg hier vor Ort anfangen. Mehr „Dracula“ geht wohl nicht.«

Die vier Abenteuerlustigen warfen sich in ihre warme Winterkleidung und fuhren bis zum Parkplatz der Burg, der um diese Jahreszeit unbewacht war. Aus dem Schornstein des kleinen Hauses in unmittelbarer Nähe, das wohl dem Wächter gehörte, stieg Rauch auf.

»Der kommt bestimmt gleich raus und kassiert Eintritt«, sagte Taylor in seiner pragmatischen Art.

Violet fröstelte etwas in der kalten Schneeluft und zog ihren Wollschal etwas enger um den Hals.

»Die zwei auf Pfähle gespießten Figuren hier unten zur Begrüßung finde ich einfach geschmacklos, auch wenn jeder weiß, dass hier ehemals „der Pfähler“ gewohnt hat. Habt ihr gesehen, wie steil es dort hinaufgeht?«, fragte sie, »das müssen doch Hunderte von Stufen sein.«

»Genau eintausendvierhundertachtzig«, sagte Taylor, »aber ich kann dich beruhigen. Unterwegs soll es zwei Rastplätze mit Bänken geben.«

»Na, dann los!«, rief Melvin und stürmte voran.

Die Treppenkonstruktion aus Stahl und Beton schien direkt in den Himmel zu führen. Unterwegs gaben Hinweistafeln darüber Auskunft, wie viele Treppenstufen schon bewältigt wurden und welche Anzahl noch bevorstand. Wer schnell müde wurde, konnte auf einer kleinen Plattform rasten, auf der ein Galgen, ein Richtblock samt Henkersbeil und ein Pranger aufgestellt waren. Taylor und Melvin konnten nicht der Versuchung widerstehen, die mittelalterlichen Utensilien genauer zu untersuchen.

Nach insgesamt etwa zwanzig Minuten passierten sie ein gusseisernes Tor mit einem Wärterhäuschen, das zum Glück leer war. Hinter dem ehemaligen Burgtor passierten sie einen vierundzwanzig Meter langen Mauergang, in dem sich einst Fallgitter befanden. Violet und Joel genossen den herrlichen Blick von der Burg hinab in das Tal des Argeş Flusses.

»Ob es wirklich nötig war, soviel Stahl und Beton zu verwenden?«, fragte Violet skeptisch.

»Ich denke schon«, antwortete Joel, 1888 soll der Nordteil der Burganlage bei einem Erdbeben in die Tiefe gestürzt sein. Von 1969 bis 1974 hat man die Reste der Burg gesichert und begehbar gemacht. Dabei kam man nicht umhin, moderne Baustoffe zu verwenden.«

Als Taylor und Melvin dazugestoßen waren, durchstreiften alle die Ruinen der Festung. Aber die vage Hoffnung, Spuren des legendären Vlad ţepeş zu entdecken, erfüllte sich nicht. Außer Mauerresten und Schautafeln im Inneren der Burg, gab es nicht viel zu sehen. Nur die Reste des einstigen Bergfrieds und dessen Zugang waren noch gut zu erkennen.

»Wo ist eigentlich Taylor abgeblieben?«, fragte Violet nach einer Weile.

»Der unterhält sich da mit einer schwarzhaarigen Schönen«, sagte Melvin, »scheinbar gibt es noch mehr Besucher, die den Aufstieg und die frostigen Temperaturen nicht scheuen.«

»Seltsam, ich habe uns niemand folgen sehen.«

»Dann wird sie schon vor uns oben gewesen sein.«

»So ganz allein?«

»Warum nicht? Es gibt noch mehr unerschrockene Frauen wie du. Und offensichtlich auch in Rumänien, wenn es sich nicht auch um eine Touristin handelt.«

Als hätte Taylor das Gespräch mit angehört, kam er kurz rüber zu der kleinen Gruppe.

»Fahrt schon mal ohne mich ins Haus zurück. Ich komme dann nach«, sagte er mit funkelnden Augen.

»Und wie willst du zurückkommen, Buddy?«, fragte Joel.

»Zu Fuß. Es dürfte kaum eine Stunde dauern.«

»Na, dann frier dir mal nicht den Arsch ab. Ach, nein, du hast ja eine sehr attraktive Wärmflasche dabei. Ist die Dame vielleicht auch motorisiert?«

»Weiß ich nicht. Wird man sehen. Also, bis später! Wenn ihr was kocht, lasst mir etwas übrig.«

»Nö, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben …«

Gräfin Luena Vacars Lust am Quälen hatte eine neue Dimension erreicht. Sie wurde immer sadistischer – ein Begriff, der erst über einhundertfünfzig Jahre später von einem deutschen Psychiater geprägt werden sollte und sich von dem legendären Marquis de Sade ableitete, der erst fünfzig Jahre später geboren werden sollte. Das neue Opfer, das die Gräfin auserkor, war Anyana. Sie ließ das verängstigte Mädchen in den Innenhof führen und mit nackten Füßen in den Schnee stellen.

Schon das alleine wirkte grotesk, denn die Gräfin trug über ihrem feinen Seidenkleid, durch kostbaren Schmuck ergänzt, einen prächtigen Hermelinmantel und konnte bestimmt nicht frieren.

»Man hat mir berichtet, sie habe sich über die Kälte im Schlafsaal beschwert«, sagte Luena emotionslos, »wir werden ihr zeigen, was Kälte bedeutet. Übergießt sie mit kaltem Wasser!«

Harild brachte einen Eimer Wasser, und die anderen Dienerinnen stützen Anyanas Körper. Unter ihnen auch Mitica, die alles tat, um Harild mental zu beeinflussen, doch ohne Erfolg. Sie konnte nicht zu ihr durchdringen. Als die Kammerfrau den Eimer über der blassen Gestalt ausgoss, begann das Wasser schnell zu gefrieren, und das bedauernswerte Mädchen erstarrte auf der Stelle zu Eis. Voller Staunen betrachteten die Frauen die bizarre Statue, deren Haare mit glitzernden Kristallen benetzt waren, die wie Juwelen funkelten.

Die Gräfin hatte keinen Blick für das grausige Kunstwerk und wandte sich schnell ab.

»Man lasse sie stehen – als Warnung für die anderen«, sagte sie im Gehen.

Da trat plötzlich der Burgvogt Ovidiu Matei hervor.

»Eure Edelhochgeboren verzeihen bitte, wenn ich Bedenken äußere«, sagte der stattliche Mann mit wettergegerbtem Gesicht und schwarzem Schnurrbart, »einige der Mädchen könnten derart verschreckt reagieren, dass sie zu fliehen versuchen werden.«

»Kümmere er sich um seine Angelegenheiten. Es bleibt so wie ich es angeordnet habe!«

Ovidiu zog sich zurück. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, mit der Gräfin zu verhandeln. Man konnte nur den Kürzen dabei ziehen. Seine Versuche, auf den Burggrafen einzuwirken, waren allesamt gescheitert. Dragomir Vacar duldete keine Kritik an der Handlungsweise seiner Frau, obwohl er unmöglich gutheißen konnte, was sie trieb. Vielleicht hielt er es auch unter seiner Würde, mit Domestikenangelegenheiten belästigt zu werden. Wahrscheinlich wünschte er aber nur, in Ruhe gelassen zu werden, um sich seinen Forschungen und Experimenten ungestört widmen zu können.

Vor vielen Jahr hatte der Burgvogt seine geliebte Frau Raluka verloren. Die Bedeutung des Namens war: „die Strahlende“. Und Raluka hatte zeitlebens ihrem Namen alle Ehre gemacht. Die letzten Jahre vor ihrem Tod war sie allerdings nur noch ein Schatten ihrer selbst gewesen und hatte die meiste Zeit von ihrer schweren Krankheit beeinträchtigt auf ihrem Lager geruht, sich schon mehr „drüben“ als „hüben“ befindend.

Ovidiu geißelte sich noch heute, dass er in jener schweren Zeit begehrliche Gedanken für Gräfin Luena entwickelt hatte. Damals war sie noch nicht dem Wahnsinn verfallen, hatte aber schon ihre hochmütige und unerbittliche Seite gezeigt. Ovidiu war sich fast sicher, dass Luena seine Gelüste bemerkt hatte. Dennoch war sie nie darauf eingegangen. Wahrscheinlich hatte sie sich sogar heimlich lustig über ihn gemacht. Konnte es daran liegen, weil sie auch der lesbischen Liebe frönte?

Jedenfalls war Ovidiu froh, dass es nie zu Intimitäten zwischen ihnen gekommen war, denn inzwischen verabscheute er diese grausame Frau aus tiefster Seele. Und heimlich nahm er sich vor, das eine oder andere Mädchen vor ihr zu schützen.

Nach Jahren der intensiven Trauer um seine Frau erwachten langsam wieder seine männlichen Bedürfnisse in ihm. Und aufgrund seiner angenehmen Erscheinung warfen mehr als ein Mädchen ihm Blicke zu, die teils unschuldig, teils sehnsuchtsvoll waren.

Das Dorfkind Antanasia gehörte dazu. Sie neigte dazu, ein wenig kokett zu sein, und schien sich offensichtlich nach einer Vaterfigur zu sehnen. Und ihm gefiel die Kleine auch. Erinnerten ihn doch ihre fast blauschwarzen Haare an seine Raluka. Und manchmal hatte sie so etwas in den Augen, das er von seiner verstorbenen Frau kannte ... Moment mal, bedeutete Antanesia nicht die Wiedergeborene? Doch das schien ihm sehr weit hergeholt, dass seine geliebte Frau den Weg zurück zu ihm gefunden hatte, wenn auch in einem anderen Körper. Aber konnte man es wissen? Es gab da mehr Dinge zwischen Himmel und Erde …

Auf ihrem nächtlichen Rundgang durch die Burg hoffte Dakaria erneut of Mitica zu treffen. Und sie hatte Glück.

»Du siehst schlecht aus«, sagte sie zu der neuen Freundin, »ist etwas vorgefallen?«

»Das kann man wohl sagen. Diese Hexe von Gräfin hat mich gezwungen, an einer Bestrafung teilzunehmen. Anyana, ein Mädchen aus der Wäscherei war das Opfer. Sie haben im Burghof eine Eisskulptur aus ihr gemacht, indem sie sie mit kaltem Wasser übergossen haben. Und ich war eine von denen, die sie festhalten mussten. Einfach ekelhaft. Ich habe noch versucht, diese Harild daran zu hindern, indem ich in ihren Geist eindringen wollte, aber es ist mir nicht gelungen. Sie muss mit dem Teufel im Bunde stehen oder zumindest auch eine Hexe sein.«

»Kannst du nicht irgendetwas tun, um die Gräfin auszuschalten, bevor sie uns noch alle umgebracht hat?«

»Ich trage jetzt immer eine Tinktur bei mir, doch ich komme nicht an die Gräfin heran.«

»Ist es ein Gift, das sie tötet?«

»Das kommt auf die Dosierung an. Mir würde schon reichen, wenn sie sich einige Wochen in Krämpfen winden würde. Die muss einen Magen und eine Verdauung wie eine Kuh haben.«

»Warum, käut sie wieder oder lässt Fladen fallen?«

Mitica lächelte gequält.

»Wenn es das nur wäre. Sie trinkt täglich ein Glas frisches Blut von einem Mädchen, das sie im Verließ gefangen hält und täglich zur Ader lässt. Mir dreht sich jedes Mal der Magen um. Sie hat schon angekündigt, dass sie demnächst in Blut baden will, doch da gibt es ein Problem mit der Gerinnung. Harild hat ihr geraten, den Graf um Hilfe zu bitten. Der kennt sich mit medizinischen Dingen aus.«

»Du wüsstest doch da bestimmt auch eine Lösung. Man kennt das ja vom Schlachten.«

»Sicher, aber ich werde einen Dreck tun und der Alten behilflich sein. Mir reicht schon, wenn sie mich für ihre Schandtaten missbraucht.«

»Und was ist mit den anderen? Stecken die die Quälereien und den Ekel einfach so weg?«

»Das kommt ganz aufs Temperament an. Die Dienerin Lupa ist fast so ein verschlagenes Biest wie Harild. Mir scheint, sie weidet sich an den Züchtigungen. Neulich hat die Gräfin eine Zofe vor unseren Augen ausgepeitscht, weil sie etwas auf die Bettwäsche verschüttet hatte. Als die Haut bei Viorel von den Schlägen aufquoll, nahm die Gräfin kurzerhand ein Messer zur Hand und schnitt die Schwellungen auf. Die kleine Livia, die mit mir in einem Raum schläft, ist vor Schreck ohnmächtig geworden. Harild hat sie mit kaltem Wasser geweckt und sie den Rest des Tages in den nassen Sachen herumlaufen lassen. Die andere Zofe, Iuleta, was bekanntlich „die Leise“ bedeutet, war auch kurz davor umzukippen, hat aber erfolgreich dagegen angekämpft.«

»Welchen Eindruck hast du von den Dienern?«

»Den schlechtesten. Silviu sieht mit seinen kalten Fischaugen reglos zu, und Toma geht mit der Gräfin ins Bett, wenn mich nicht alles täuscht. Das hält ihn aber nicht davon ab, mit den Mädchen aus der Küche oder Wäscherei zu schäkern. Mir kommt es so vor, als würde er liebend gerne selbst Hand anlegen bei den Quälereien.«

»Du meinst wirklich, sie nimmt ihn in ihr Bett? Was würde wohl der Graf dazu sagen?«

»Ich denke, das kratzt den nicht. Wer weiß, mit wem der es treibt.«

»Wo sind wir nur gelandet?«, seufzte Dakaria, »hättest du gedacht, dass es bei den Adligen so zugeht?«

»Vater hat mich gewarnt. Er ließ kein gutes Haar an dem Gesindel. Und er behielt Recht. Zum Glück können sie uns nicht wirklich etwas antun. Es sei denn, sie kommen auf die Idee, uns zu verbrennen. Mir tun nur die armen jungen Dinger leid, die sich überhaupt nicht wehren können und vor Angst wie paralysiert sind, sodass sie zwangsläufig Fehler machen.«

»Das hört sich an, als seiest du schon eine alte Frau. Dabei bist du selbst noch ein junges Ding.«

»Vielleicht von den Jahren oder vom Aussehen her, doch meine Seele ist viel älter. Davon bin ich überzeugt.«

Taylor Eliot kam ziemlich aufgekratzt ins Haus Edelweiß zurück. Grund genug für die anderen, ihn aufzuziehen.

»Na, hat dir deine Dorfschöne tüchtig eingeheizt?«, fragte Melvin grinsend.

»Nur kein Neid. Mir fällt da jemand ein, der sich auch über etwas mehr Zuwendung deinerseits freuen würde.«

Violet errötete und stand schnell vom Tisch auf, bevor es jemandem auffiel.

»Wie heißt sie denn, die Gute? Ich meine, deine neue Eroberung.«

»Bredica. Der Nachname war mir nicht so wichtig.«

»Vorsicht. Bredica bedeutet die „Geliebte der Nacht“, glaube ich«, sagte Joel, »vielleicht solltet ihr euch nur bei Vollmond treffen.«

»Ich lache später. Aber genau genommen, hast du nicht einmal so Unrecht. Ihr Vater wacht wie ein Zerberus über sie. Deshalb muss sie sich meist heimlich davonschleichen.«

»Ach, und warum ist ihm heute entgangen, was sein Töchterchen so treibt?«

»Weil er heute außer Haus war, zufrieden?«

»Wie unterhaltet ihr euch eigentlich, in Zeichensprache, oder ist das Girl des Englischen mächtig?«

»In Rumänisch, wenn du es genau wissen willst. Na ja, gebrochen, was meine Person betrifft. Es zahlt sich aus, dass ich mich vorher noch etwas mit der Sprache vertraut gemacht habe.«

»Du Schlaumeier! Dann wirst du uns ja bei der Rundreise gute Dienste leisten«, sagte Violet.

»Du, ich weiß noch nicht, ob ich mitkomme. Ihr könntet doch schon mal ohne mich anfangen.«

»Auch wenn bei dir der Blitz eingeschlagen hat. Findest du es richtig, uns so einfach hängen zu lassen?«, fragte Joel.

»Mein Gott, dramatisier doch nicht immer alles. Ihr seid immer noch zu dritt und könnt euch beim Fahren abwechseln. Der einzige Unterschied ist, dass ihr nicht immer weiterfahrt, sondern zwischendurch hierher zurückkehrt. An einem Tag hätten wir sowieso nicht alles geschafft.«

»Nein, aber wir hätten unterwegs übernachten können«, sagte Melvin.

»Wenn Taylor sich ausklinkt, könntet ihr mich eigentlich am Gletschersee Lacul Bâlea absetzen«, meinte Violet, »ich könnte mich etwas im Skilaufen üben und es mir dann in der Bâlea-Hütte oder im Iglu-Hotel gemütlich machen.«

»Kommt gar nicht infrage«, sagte Joel, »deinen Skiurlaub kannst du später nachholen. Außerdem wollen wir in westliche Richtung aufbrechen. Zum Nationalpark Cheile Nerei Beuşniţa fahren. Da findest du dann auch deinen Wasserfall und den Teufelssee, Lacul Dracului, in dem ich dich ertränke, wenn du weiter rumzickst.«

»Lass sie doch. Dann fahren wir eben beide allein, Joel«, sagte Melvin, »vielleicht treffen wir unterwegs auch ein paar heiße Bräute.«

»Nein, nein, ich komme schon mit«, beeilte sich Violet zu sagen.

Der Fluch von Capatineni

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