Читать книгу VIRDULA Endlosgeschichten Band 2 - Die Mutter aller Dinge - Jay H. Twelve - Страница 6

1. DIE MS MAHUANA

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Don logierte schon seit einer Woche im Hilton Hotel in Sydney. Seine gemietete Wohnung in Waverton hatte der Besitzer während seiner Abwesenheit selbst in Anspruch genommen. Ihm war es recht so, denn eine Hotelsuite, mag sie noch so sehr Behaglichkeit ausstrahlen, war eben eine vorübergehende Herberge, die spontane Entscheidungen offen ließen, von einem auf den anderen Tag weiter zu ziehen. Schließlich wollte er seinen Traum in die Tat umsetzen, um von Sydney aus nach einer passenden Yacht zu suchen.

Eine Yacht fürs Leben zu finden schien in seinen Augen viel schwieriger zu sein, als einer interessanten Frau zu begegnen. Für einen Liebhaber klassischer Holzyachten mit viel Bronze an Bord bedeutete es mehr, als ein schwimmendes Objekt, das nur mit Kraft des Windes die Wellen durchkämmte. Sie ist des Seemanns Zuhause und zugleich seine zweite Haut. So ähnlich wie bei einem Kängurubeutel, aus dem man aus- und einsteigen kann. Egal wohin die Reisen auch führten, das Zuhause kam immer mit. Kein Transportmittel erwies den Menschen so hilfreiche Dienste, beflügelte Fantasien und Abenteuer so stark, wie die Schifffahrt selbst. Kein Baumaterial bewährte sich so gut und mutete den Seeleuten so viel harte Arbeit zu, wie ein Boot aus edlem Holz gefertigt.

Für sein Traumschiff konnte sich Don kein anderes Baumaterial als Holz vorstellen. Er segelte Schiffe aus Stahl, Aluminium und Kunstfaser, aber sein Schiff, auf dem er sein Zuhause einrichten wollte, das konnte nur ein traditioneller Windjammer sein. Mit einem hohen Bug, einem Klüverbaum der drei Vorsegel reichlich Platz bot. Zwei mächtige Masten und dazwischen ein geräumiges Deckhaus, hohes Schanzkleid und kunstvolle Reling. Ein mit verzierten Ornamenten eingerahmter Heckspiegel, schrägen Fensterchen mit Bleiglas in der Mitte. Ähnlich wie das stolze Schiff des Kapitän Hornblowers.

Obwohl schon jedes einzelne Detail in seinem Kopf herumschwirrte, gedachte er nie ein neues Schiff zu bauen. Nach einer plausiblen Erklärung dafür hatte er irgendwie nie gesucht, im Gegenteil, schon lange hegte er ein gutes Gefühl, eines Tages einen solchen Windjammer im Hafen zu entdecken, um dieses Schiff nach seinen Vorstellungen zurecht zu machen.

In den zwei Tagen besuchte Don sämtliche Yachthäfen in und um Sydney. Er sah viele schöne Yachten, aber keine war dabei, die annähernd seinen Vorstellungen entsprach. Ein befreundeter Makler empfahl ihm zum Schluss nach Tasmanien oder Neuseeland zu fliegen. Wenn überhaupt ein solches Schiff gebaut würde, dann dort. Sichtlich enttäuscht auch diesmal nichts Passendes gefunden zu haben, ging er zur Rezeption seines Hotels. Dort erkundigte er sich bei Istvan, ob heute eine Maschine nach Wellington oder Auckland fliegen würde.

„Was führt dich nach Neuseeland, Kapitän?“, fragte Istvan. „Vielleicht kann ich dir weiter helfen. Ich kenne mich dort bestens aus.“

„Istvan, mein Freund, ich suche eine Holzyacht von besonderer Güte.“

„Ich kenne eine Holzyacht von besonderer Güte, mein Freund, auf der ich sechs lange Monate als Koch angeheuert hatte. Die ist aber sehr groß, die kann ich dir nicht empfehlen.“

„Wie groß ist die Yacht, Istvan?“

„An Deck misst sie gute vierundzwanzig Meter, dazu der Klüverbaum von mindestens drei Meter. Das war das einzige Schiff mit einer von mir entworfenen Kombüse im Deckhaus.“

„Was du nicht sagst, Istvan, ein Deckhaus hat sie auch. Und wie groß ist das Deckhaus?“

„Drei Meter länger als ursprünglich geplant, fast neun Meter insgesamt und knapp fünf Meter breit. Die Kombüse ist vergrößert worden, weil ich unter Deck nur kotzen, aber nicht kochen kann, Kapitän. Eine sehr schöne Küche wie sie sich ein ungarischer Koch auf einem Schiff nur träumen kann.“

„Ich bin ganz Ohr, erzähl weiter. Wer hat die Yacht gebaut?“

„Die Mahuana wurde von dem Wilden Jerry und der Heißen Susi gebaut. Jerry ist ein waschechter Neuseeländer, aber die Susi stammt aus Essex. Jerry rodete ganze Wälder ab, um mit den Japanern Bombengeschäfte abzuwickeln. Susi war mehr sein Maskottchen mit Vorliebe zu Kasinos. Beide sind in jedem Kasino an der Ostküste wie bunte Hunde bekannt. Mich wundert’s das du sie nicht kennst?“

„Istvan ich treibe mich nie in Kasinos herum das weißt du doch. Erzähl mir lieber was so Besonderes an dieser Yacht ist?“

„Alles an diesem Schiff ist etwas Besonderes, mein Freund. Du kannst dir vorstellen, was dabei heraus kommt, wenn ein Holzgroßhändler in den besten Jahren, der eine junge heiße Susi ehelicht, nur das Beste an Material und Ausstattung verarbeitet, was man für teures Geld finden kann. Jerry heuerte direkt aus Lissabon einen Portugiesen als Baumeister an. Sämtliche Bronzebeschläge samt Glocke sind hier in Sydney gegossen worden. Es dauerte fast zwei Jahre, bis das Schiff fertig war, aber nur sechs Monate, um den restlichen Zaster in den Kasinos zu verzocken. Die Susi sicherte sich ihren Anteil aus dem Geschäft auf einem Sonderkonto bei der Bank und brannte mit dem Bankmanager nach England durch. Die Japaner wechselten nach Eden in Australien, wo sie jetzt nur noch gehacktes Holz auf Riesenschiffe verladen. Bei Jerry mussten sie ganze Baumstämme befördern, um sie in Japan zu Papier zu verarbeiten. Die Umweltschützer in Neuseeland machten Jerry zur Obersau. Die Yacht ist alles was ihm noch verblieben war.“

„Wie lange ist das her, Istvan? Möglicherweise ist die Yacht schon verkauft.“

„Die Geschichte ist drei Jahre her, aber die Yacht ist noch immer in Wellington. Ich habe mit Jerry vor ein paar Wochen gesprochen.“

„Dann rufe ihn gleich an, ich möchte die Yacht besichtigen.“

„Du bist ja nicht bei Trost! Was willst du mit so einer Riesenyacht?“

„Ruf schon an, Istvan, du bekommst fünf Prozent Kommission, wenn ich die Yacht kaufe.“

Istvan musterte Don, als wenn er einen Verrückten vor sich hatte. So viel Geld für eine Holzyacht! Für die Kommission alleine konnte man ein schmuckes Häuschen kaufen.

„Na gut, wie du meinst, ich rufe ihn an.“

--.--

Don ließ nie etwas anbrennen, wenn ihn etwas sehr interessierte. Schon am nächsten Tag kurz vor Mittag landete er mit nur fünfzehn Minuten Verspätung auf dem Flughafen von Wellington. Mit einer kleinen Reisetasche in der Hand, gepackt mit dem Allernötigsten, marschierte er glatt durch den Zoll. Die Ankunftshalle war voll von wartenden Menschen, jedoch gab es niemanden der auf ihn wartete. Don durchquerte den Warteraum und suchte gleich am Ausgang nach einem Taxi. Er ließ sich von Istvan eine Suite im Hilton reservieren und war für drei Uhr Nachmittags in der Bar mit dem Wilden Jerry verabredet.

Der Concierge an der Rezeption im Hilton, ein Mann so um die fünfzig, von Statur her eine recht kleine, kugelrunde Person mit breiten Schultern und muskulösen kurzen Armen, empfing Don mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Er legte gleich den Telefonhörer auf die Gabel, als er ihn sah.

„Kapitän Don! Es freut mich Sie empfangen zu dürfen. Unser gemeinsamer Freund Istvan wollte sich gerade vergewissern, ob sie gut untergebracht sind.“

„Sie sind also der berühmte Nacho, aus Portugal. Istvan erzählte mir, dass Sie beide an einem Restaurant beteiligt waren. Freut mich ebenfalls einen portugiesischen Kochmeister kennen zu lernen. Was machen Sie an der Rezeption?“, erkundigte sich Don, als ob er seine Geschichte von Istvan nicht schon längst kannte.

„Als Koch muss ich am Herd schwitzen, mich ärgern und vom ungehobelten Fisch & Chips-Essern beschimpfen lassen. Als Concierge bekomme ich ein gutes Gehalt, Trinkgelder für besondere Dienstleistungen mancher geilen Gäste, schiebe den ganzen Tag eine ruhige Kugel und spare mir das Geld für ein Restaurant in Lissabon“, antwortete Nacho belustigt.

„Sie wissen, weshalb ich hier bin, darüber hat Sie Istvan informiert, nehme ich an. Sie kennen auch das Schiff und Ihren Landsmann, der es gebaut hat. Gibt es irgendetwas, das ich wissen sollte?“

„Der Schiffsbauer Ramon ist mein entferntester Cousin. Er ist einer der Besten im traditionellen Holzschiffsbau in Portugal. Ich habe Istvan überredet mit Jerry zu sprechen, und wir haben den Jerry nicht enttäuscht. Was Ramon gebaut hat, kann sich sehen lassen, zumal er mit keinen finanziellen Einschränkungen rechnen musste. Ramon lebte die ganze Zeit bei mir im Haus und arbeitete endlose Nächte an den Entwürfen und Berechnungen. Er hat an der Naval-Universität in Lissabon Altschiffsbau studiert. Von Hause aus ist er Schiffsbauer in der vierten Generation.

Die Mahuana ist sein ganzer Stolz, weil in Neuseeland kein Schiff jemals so solide und prachtvoll gebaut wurde. Jerry verdiente damals Millionen und sparte bei dieser Yacht an keinem Detail. Ich mag Jerry sehr, obwohl er in gewisser Weise ein Dummkopf ist. Diese Susi hat ihn ruiniert und nach Strich und Faden betrogen. Jammerschade für Jerry und die Yacht. Er kann sie kaum noch halten.“

„Haben Sie eine Ahnung, was er für die Yacht haben möchte?“

„Nun, da ist dieser Makler Bobby, den Jerry angeheuert hat. Ein Phantast und Dummschwätzer, wenn Ihnen das weiter hilft. Ich weiß von Ramon, dass die Yacht über eine Million Dollar gekostet hat. Bobby meint, Jerry kann viel mehr verlangen. Dummes Geschwätz! Wer kauft heute noch eine Holzyacht, auch dann wenn sie so wunderschön ist?“ Nacho wischte sich den Schweiß von der Stirn und sprach weiter. „Dem Bobby geht es um die Kommission, aber die Kirche sollte man doch im Dorf lassen.“

„Das meine ich auch, Nacho“, antwortete Don, stellte seine Reisetasche auf die Theke und kramte darin. Er fand, was er suchte und setzte es auf die Theke.

„Nacho, das ist ein Aschenbecher von besonderer Art, wenn Sie wissen was ich meine. Es ist ein Standard Hilton-Aschenbecher mit einem eingebauten Abhörgerät. Ich bin an dieser Yacht ernsthaft interessiert, möchte aber nicht übers Ohr gehauen werden. Falls ich mich wirklich entscheiden sollte die Yacht zu kaufen, möchte ich nicht, dass der Makler uns die Tour mit unerfüllbaren Forderungen vermasselt. Damit wird er keinem von uns einen Gefallen tun. Ich habe mich hier mit Jerry um drei Uhr in der Bar verabredet, möchte die Herren aber nicht an der Bar, sondern an einem Ecktisch empfangen. Wenn sie aufkreuzen, sorgen Sie dafür, dass die beiden gleich zum Tisch gehen und Getränke bekommen. Ich werde mich etwa zehn Minuten verspäten, aber das sollen die Herren nicht wissen. Dieser Aschenbecher soll auf dem Tisch stehen, wenn sie sich hinsetzen. Nacho, Sie wissen was ich meine.“

„Sonnenklar, Herr Don José, darauf können Sie sich verlassen.“

„Das haben wir jetzt geklärt. Wo liegt die Yacht?“

„Nicht weit von hier in der Marina. Soll Ich Ihnen ein Taxi bestellen?“

„Nicht nötig, ich brauche ein wenig Bewegung. Zeigen Sie mir lieber auf dem Stadtplan in welche Richtung die Marina liegt und wo die Mahuana angedockt liegt. In der Zwischenzeit lassen Sie bitte meine Tasche in die Suite bringen. Ich möchte mir in Ruhe die Yacht anschauen, bevor ich mit den Herren darüber rede.“

Nacho reichte Don einen kleinen Stadtplan und markierte für ihn den kürzesten Weg zur Marina.

„Sehr klug, Kapitän. Wünsche Ihnen viel Spaß.“

Don verließ das Hotel ging an ehrwürdigen Geschäftsgebäuden der City vorbei, blieb vor einigen Schaufenstern stehen, paffte dabei genüsslich seine Pfeife. Die Sonne strahlte schon jetzt sehr kräftig vom strahlend blauen Himmel, deshalb empfand er die kühlende Luft aus manchen Geschäften als sehr angenehm. Seine Nase jedoch registrierte etwas anderes. Er blieb vor einer griechischen Souvlakibude stehen, stellte sich geduldig in die Reihe wartender Menschen, die gegen die Mittagszeit immer mehr wurden. Schon allein der Duft der gegrillten Fleischstückchen machte ihm den Mund wässerig. Als er endlich an die Reihe kam, bestellte er eine große Portion mit extra Zwiebeln und einer Prise Pfeffer oben drauf. Der fröhlich pfeifende Verkäufer steckte die Souvlakis in ein tellergroßes Fladenbrot verpackte sie zusammen mit einigen Servietten in eine Papiertüte. Mit diesem Päckchen in der Hand schlenderte Don weiter in Richtung Hafen. Er hoffte in der Marina am Pier eine Sitzbank zu finden, von wo aus er die Yacht betrachten und die Souvlakis verspeisen konnte.

An der nächsten Straßenbiegung konnte er von einer kleinen Anhöhe die Marina gut überblicken. Die Ansammlung von Masten und schneeweißen Yachten erschienen im Sonnenlicht wie schlafende Schwäne. Sein Blick wanderte von Pier zu Pier und endete bei dem Clubhaus der Marina, hinter dem die Megayachten vertäut lagen. Von seinem jetzigen Aussichtspunkt konnte Don dahinter nur Masten sehen, weil eine große Motoryacht die weitere Sicht versperrte. Er ging deshalb hinunter bis zur Einfahrt der Marina, erkundigte sich bei dem Pförtner, wo das Clubhaus sei. Die Mahuana lag hinter einer schnittigen Motoryacht mit Bug zum Clubhaus. Als Don die Motoryacht zur Hälfte passiert hatte, bot sich ihm ein atemberaubendes Kontrastbild.

Der aufsteigende lange Klüverbaum und die mächtige Bugbrust drohten die schneeweiße Motoryacht von achtern her aufzuspießen, so dicht waren die zwei Yachten aneinander vertäut. Schon dieser erste Anblick der Mahuana begeisterte Don gewaltig. Sein Herz begann mit einem Mal kräftiger zu schlagen auch kribbelte es ihn in den Händen, dass er die Papiertüte noch fester zuhielt. Er ging langsam an dem Schiff entlang, betrachtete begeistert den Klüver mit den zwei Vorsegeln, die ordentlich in Leinensäcken verpackt waren, die Ankerwinsch, das Sturmsegel, die Einstiegsluke für die Crew, den mächtigen Hauptmast, mit Bronze beschlagen, Winschen und Kloben, alles auf Hochglanz poliert. Sein Blick streifte entlang des langen Gaffelsegelbaums, der sich weit über das Deckhaus hinaus streckte.

Das Dach des Deckhauses war enorm. Es erstreckte sich bis über die Reling und war mit sechs Stützen auf dem Deck verankert. Wunderschöne Fenster mit abgerundeter Bronzefassung zierten die undurchsichtigen Glasscheiben. Das Deckhaus endete beim Besanmast, wobei das Achterdeck um zwei Stufen angehoben war, so dass der Skipper einen zweiten Steuerstand mit Ausguck über das Dach des Deckhauses hatte. Die Konsole samt Ruderrad war mit einem schonenden Segeltuch verzurrt, so dass Don nur ahnte, was sich darunter verbergen konnte. Unmittelbar hinter der Konsole befand sich ein großer klappbarer Tisch, der über die große Luke der Koje als Schattenspender diente. Zwei mächtige Ausleger bogen sich vom Achterdeck über den Spiegel, an dem ein in Segeltuch zugedecktes Beiboot hing. Alles an diesem Schiff war phantastisch schön, mit Liebe angefertigt, mit Ornamenten aus Bronze kunstvoll verstärkt.

Es ließ unverkennbar vermuten, dass dieses Schiff für lange komfortable Reisen und nicht für schnelle Segel Regatta gebaut worden war. Ein mächtiger Verdränger mit viel Volumen an und unter Deck. Als hätte der Baumeister Ramon alle Ideen von Don telepathisch übertragen, so betrachtete er auch den Spiegel der Yacht. Die Fensterchen der Achterkoje lachten ihn einladend an. Don schien bei diesem Anblick überwältigt zu sein, träumte er weiter oder stand er endlich vor seiner Traumyacht. Dabei vergaß er völlig seinen Hunger vor lauter Entzücken. Ihm überkam überwältigende Freude, wahrhaftig sein Schiff gefunden zu haben.

Nachdem er sich einigermaßen beruhigt hatte, schaute er nach einer passenden Sitzgelegenheit auf dem gut sechs Meter breiten Pier. Außer den Strom- und Wassersäulen für die Yachten gab es nichts, wo er sich hinsetzen konnte. Die große Motoryacht, die parallel zur Mahuana auf der anderen Seite am Pier festgemacht lag, offerierte die Bordtreppe mit drei Stufen. Don wollte gerade dorthin, als jemand von der Flybridge an die Reling kam. Er sah den Schatten einer Person auf dem Pier und hob seinen Kopf.

„Hallo, kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Sir?“, fragte der junge Mann. Es war ein einheimischer Maori mit breitem Gesicht und pechschwarzen, langen Haaren.

„Ich wollte mich gerade auf die Treppe setzen und die Mahuana bewundern, nebenbei mein Mittagessen verzehren. Geht das in Ordnung?“

„Aber sicher, Sir, ich bringe Ihnen einen Stuhl hinunter. Möchten Sie auch ein kaltes Bier, Sir?“

„Das wäre zu viel verlangt, danke vielmals, mein Freund.“

Der junge Mann kam im Nu hinunter, reichte zwei Klappstühle über die Reling und verschwand wieder. Kaum war Don mit dem Aufstellen der Stühle fertig, reichte ihm der junge Mann ein eiskaltes Bier.

„Man nennt mich Tom, weil die Leute meinen echten Namen nicht aussprechen können“, sagte er freundlich.

„Kapitän Don José ist mein Name, Tom. Freut mich Sie kennen zu lernen. Danke für das Bier. Das war sehr freundlich.“

„Keine Ursache, Kapitän. Mir macht es Freude, mit jemandem ein paar Worte zu wechseln. Das Bier trinke ich nur in Gesellschaft.“

„Das trifft sich gut, Tom. Sind Sie auf der Yacht angeheuert?“

„Eigentlich gehöre ich zu der Mahuana Crew, aber der Eigner ist pleite und so bin ich der Wachmann für die große Yacht hier am Pier.“

„Ich bin an der Mahuana ernsthaft interessiert, deswegen bin ich hier. Wie viele Männer hat die Yacht beschäftigt?“

„Außer mir drei Deckmatrosen und die Köchin. Ich bin, pardon, war der Steuermann. Schade für die Yacht, so etwas wird nicht zweimal gebaut.“

„Was ist aus der Crew geworden?“

„Jeder jobbt irgendetwas im Hafen oder zu Hause. Ich hatte Glück den langweiligen Job als Wachmann zu kriegen.“

„Dann trommle mal die Crew wieder zusammen, Tom. Bald stechen wir in See auf eine lange Reise.“

„Möchten Sie die Yacht vorher sehen, Kapitän, ehe Sie eine Entscheidung treffen? Ich zeige Ihnen gerne das stolze Schiff.“

„Spät am Nachmittag, Tom. Ich treffe mich um drei Uhr mit Jerry im Hotel, aber meine Entscheidung habe ich schon getroffen. Wie gesagt, trommeln Sie die Crew zusammen, ihr seid alle angeheuert.“

„O Mann, o Mann, ich kann es nicht fassen, dass wir alle wieder dieses Prachtstück betreten. Schon ein ganzes Jahr ist es her. Wir sind alle verwandt, von demselben Stamm, und wir haben uns wie ein Uhrwerk eingearbeitet. Die Köchin ist meine Kusine und kocht himmlische Speisen. Ein braves Mädchen, nur ein wenig bockig, wenn’s um die Hygiene an Bord geht. Der erste Koch war ein Ungar, der hat die Maunie angelernt auch ungarische Speisen zu kochen.“

„Sie meinen wohl meinen Freund Istvan? Der hat mir die Mahuana empfohlen.“

„Genau, Istvan, der beste Koch in ganz Wellington, den ich kenne. Essen Sie doch Ihr Mittagessen, Kapitän, ich bringe noch ein kleines Tischchen herunter.“

Don legte seine Pfeifentasche auf den leeren Stuhl und öffnete die Tüte. Der Duft von Souvlakis und Zwiebeln wirkte Wunder, weil ihn auch das Bier davor auf das Mittagessen eingestimmt hatte. Er wartete geduldig bis Tom den Klapptisch aufstellte, zerriss die Tüte und offerierte Tom die Hälfte von dem Fladenbrot.

„Das sind Souvlakis, Tom, griechische Speisen, schmeckt sehr gut. Geteilte Freude ist doppelte Freude. Greif zu, so lange sie noch warm sind.“

„Das gehört sich nicht, Kapitän. Wir sind es nicht gewohnt mit den Herrschaften zusammen zu speisen.“

„Wenn du bei mir anheuern willst, musst du dich nach meiner Lebensform richten. Ich kenne keine Menschenseele, die mit mir kein Brot teilen darf. Du kannst mich mit Don oder Kapitän anreden. Wer mich mit Sir anredet, kriegt eine Tagesheuer abgezogen. Schreib dir das dicke hinter die Ohren, und als Steuermann bringst du das den anderen bei.“

„Aye, Aye, Kapitän, dann lassen wir uns die Souvlakis gut schmecken.“

Beide waren jung und hungrig. Die halbe Portion war in wenigen Minuten aufgegessen und mit Bier nachgespült.

„Gibt es irgendetwas über die Yacht, das ich wissen sollte?“

„Sie ist sehr steif am Wind. Manchmal denke ich entweder brechen die Masten, oder die Segel fliegen in Fetzen. Die Takelage ist überdimensioniert, die Masten sind verleimt und mehrmals mit Bronzeringen beschlagen. Aber auch das hält nur bis zu einer Grenze, wo alles in Fetzen fliegt. Sie ist auch ein wenig luvgierig, wenn scharf am Wind gesegelt wird. Aber sonst nimmt sie jeden Wellengang wie ein Panzer einen Sandhaufen.“

„Wie ist sie motorisiert?“

„Zwei Achtzylinderdiesel aus alten Royal-Navy-Beständen, aber neu und sehr genügsam. Mit sechzehn Tonnen Diesel im Bauch kann man gut fünftausend Meilen zurücklegen.“

„Sehr vernünftig, ich ziehe einen Motorsegler jedem anderen Schiff vor. Das wird mein Zuhause sein und keine Rennyacht. Daher möchte ich nach Lust und Laune auch gegen Wind und Strömung segeln, oder in einen sicheren Hafen unter Motor schippern. Hauptsache man kommt an.“

„Die Mahuana ist kein langsamer Dümpler, Kapitän. Bei Windstärke fünf macht sie satte zehn und unter Motor auch dreizehn Knoten. Sie vermittelt nur das Gefühl, dass sie behäbig ist, weiter nichts.“

„Also gut, Tom, für den allerersten Eindruck wird’s wohl reichen. Ich mache mich auf den Weg ins Hotel. Ich komme mit den Herren gegen fünf Uhr zurück, und du machst dich auf die Socken die Crew zusammen zu trommeln.“

„Aye, Aye, Kapitän, lassen Sie sich von Bobby nicht aufs Kreuz legen, der ist ein Schlawiner.“

„Das werde ich mir merken, Tom. Danke für das Bier und die Auskunft.“

Am Eingang zu der Marina bestellte Don diesmal ein Taxi. Er wollte zeitig im Hotel sein, um noch zu duschen und sich frisch zu kleiden. Bei der Gelegenheit verwandelte er den Spiegel im Bad in einen Bildschirm um. Die Aschenbecher aus dem Hotel in Brisbane waren längst mit einem kleinen Diamanten zu einem echten VIRDULA-Überwachungsgerät umgebaut worden. Das kleine Tonband baute Don aus, weil es zu schwer war und verdächtig erscheinen könnte. Gegen zehn Minuten vor drei Uhr tauchten die zwei Herren im Hotel auf. Beim Zähneputzen beobachtete Don, wie sie vom Concierge Nacho in die Ecke eskortiert und kurz danach mit Bier und Aschenbecher versorgt wurden. Es war eindeutig, dass sie sich erst kurz vor dem Hotel getroffen hatten und erst am Tisch beim Bier ihre Verkaufsstrategie besprachen.

„Istvan meint, der Kapitän versteht etwas von Schiffen und ist schwer bei Kasse, sonst würde er nicht hierher fliegen“, bemerkte Jerry voller Hoffnung, endlich zu Geld zu kommen.

„Er hat die Yacht noch nicht gesehen, Jerry. Ich habe auch die anderen aus Melbourne und Adelaide einfliegen lassen und das Ergebnis kennst du ja wohl. Du hast zwar ein wunderschönes Schiff gebaut, aber zu welchem Preis! Es ist ein Unikum ohne Verkaufschancen.“

„Demnach willst du mir einreden den Preis zu reduzieren. Ist es das, was du meinst, Bobby?“

„Genau das Gegenteil, Jerry. Die anderen Interessenten waren keine Liebhaber, sondern Schnäppchenjäger. Beide wussten, dass du pleite bist und Geld bitter nötig hast.“

Bobby nahm einen kräftigen Schluck Bier und schaute sich in der Bar um. Dann warf er ungeduldig einen Blick auf die Armbanduhr.

„Ich meine zwanzig Prozent auf den Preis aufzuschlagen ist durchaus drin“, fügte er verschmitzt hinzu.

„Beim letzten Mal wolltest du zehn Prozent Kommission und jetzt auf einmal fünfzehn Prozent. Woher kommt der Sinneswandel, Bobby? Du hast den Kunden nicht angeworben, er kommt von alleine hierher. Was hast du überhaupt in die Sache investiert?“

„Rede keinen Quatsch, Jerry. Ohne mich kriegst du die Yacht nie los. Ich bin der Yachtbroker und die Kommission gehört dazu.“

„Du nutzt meine Freundschaft aus, Bobby, genauso wie alle anderen, die mich schamlos abgezockt haben. Diesmal werde ich verhandeln und du hältst deine Klappe, wenn du etwas von dem Kuchen abkriegen willst. Keine fünfzehn-, noch zehn-, maximal fünf Prozent kann ich dir wegen unserer alten Freundschaft anbieten. Und das ist schon eine Menge Geld für zwei Ortsgespräche von fünf Minuten“, schlug Jerry erbittert zurück.

Don hatte genug gehört. Der eine kämpfte ums Überleben, der andere stieg ohne Fahrkarte in den Zug und wollte auch noch für die Reise bezahlt werden. Don löschte den Bildschirm im Spiegel, zog die Krawatte zu Recht. Ging zurück in den Salon und stopfte noch schnell eine Pfeife. Leger, aber piekfein angezogen machte er sich auf den Weg zum Aufzug. Mit wenigen Schritten blieb er bei der Rezeption stehen. Von dort aus konnte er die Bar und den Ecktisch gut beobachten. Die zwei Herren schienen sich noch immer über die Prozente zu streiten. Nacho der gerade einen Gast bediente entdeckte Don an der Rezeption.

„Herr Kapitän, womit kann ich dienen?“, fragte Nacho, dabei zwinkerte er mit dem rechten Auge und deutete mit einer Kopfbewegung in Richtung Bar.

„Nacho, mein Freund, welcher von den Zweien ist Jerry?“, fragte Don halblaut, als wüsste er es nicht.

„Der im Khakihemd, der mit der Krawatte ist Bobby.“

„Na schön, dann wollen wir mal sehen, weshalb sich die Herren so streiten. Ach, noch etwas, einen sauberen Aschenbecher brauche ich für meine Pfeife. Meinen speziellen nimmst du weg und lässt ihn in meine Suite bringen.“

„Kapitän, möchten Sie auch ein Bier?“

„In genau fünf Minuten bringst du mir ein Bier und hilfst Bobby den Ausgang zu finden“, belustigte sich Don und zwinkerte dabei wie ein Lausbub mit dem Auge. Er ging in Richtung Ecktisch und achtete genau auf die Reaktion der beiden Herren, die ihn vor lauter Streit nicht einmal wahrgenommen hatten. Erst als er vor ihnen stand, änderte sich die Szene. Bobby sprang sofort auf, streckte ihm erwartungsvoll die Hand entgegen.

„Sie sind sicherlich Kapitän José, nicht wahr? Ich bin...“ Weiter kam er nicht, weil Don ihn völlig ignorierte. Stattdessen ging er auf Jerry zu, der gerade aufstand.

„Habe ich die Ehre mit dem berühmten Wilden Jerry die Bekanntschaft zu machen? Ich bin Kapitän Don“, streckte ihm die Hand entgegen und lächelte den verdutzten Jerry an.

„Es freut mich sehr, Kapitän. Istvan hat mir viel von Ihnen erzählt“, entgegnete Jerry, der allmählich die Fassung wieder gewann.

„Und ich bin Bobby, der Schiffsbroker, Herr Kapitän“, unternahm Bobby den zweiten Anlauf sich erneut in Szene zu setzen.

„Ich kann mich nicht erinnern Sie zum Gespräch eingeladen zu haben“, antwortete Don resolut. „Ich habe vor mit Jerry unter vier Augen zu reden, Mr. Bobby. Wenn Sie uns bitte jetzt entschuldigen, wären wir beide Ihnen sehr dankbar.“

„Aber Moment mal! Ich bin der Makler, schließlich habe ich Auslagen gehabt“, protestierte Bobby sichtlich hysterisch und gestikulierte wie ein Wilder.

„Wie hoch sind ihre Auslagen, Mr. Bobby? Im Zusammenhang mit meinem Erscheinen hier?“, fragte Don im kühlen Unterton.

„Natürlich habe ich Auslagen, das ist ein seriöses Geschäft, wissen Sie. Ein Makler hat immer Auslagen, das gehört zum Geschäft, wissen Sie.“

„Wie hoch, Mr. Bobby? Eine klare Summe bitte, damit wir zwei endlich zur Sache kommen.“

„Na ja, so um die fünfundzwanzigtausend, wissen Sie. Das geht schon in Ordnung“, fasste Bobby den Mut die Zahl zu nennen, als wenn er es mit einem Vollidioten zu tun hätte. Don zog seine Brieftasche, fischte Fünfundzwanzig Dollar heraus und reichte sie dem verdutzten Bobby.

„Das wird für Ihre Dienste wohl reichen, verehrter Bobby“, sagte Don und setzte sich an den Tisch. In diesem Moment kam der Kellner mit dem Bier, begleitet vom Concierge Nacho.

„Darf ich Sie zum Ausgang begleiten, Mr. Bobby“, flüsterte ihm Nacho diskret ins Ohr. Bobby, noch immer starr vor Schreck auf diese Art und Weise abgefertigt worden zu sein, blieb wohl nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden von seiner Kommission und seiner Ehre.

„Verfluchte Scheiße“, zischte er zwischen seine Zähne.

„Kommen Sie bitte, die Herren möchten unter sich bleiben“, zischte Nacho zurück und zog den wutentbrannten Halsabschneider zum Ausgang. Jerry war die Szene sichtlich peinlich. Er rang nach Worten für eine Entschuldigung.

„Sehr bedauerlich, dass wir uns unter solchen Umständen kennen lernen, Kapitän Don.“

„Ein Grund mehr ein Fest daraus zu machen, Jerry. Ich habe mir die Yacht vorher angeschaut, sie ist wunderschön, ein Meisterwerk ohnegleichen. Gratuliere, mein Freund.“ Don hob sein Glas. „Prost, Jerry, auf eine lange Freundschaft und viele schöne Schiffe, die wir zwei zusammen bauen werden.“

„Prost, Mr. Don, und ich dachte schon alles ist in die Hose gegangen.“ Beide tranken einen kräftigen Schluck Bier und fingen an laut zu lachen.

„Also gut, Jerry, was willst du für die Yacht wirklich haben?“, fragte Don noch immer lachend.

„Die Yacht ist drei Jahre alt, alle Kinderkrankheiten sind geheilt, die Dieseltanks fast leer, aber die Motoren sind keine fünfhundert Stunden gelaufen. Die zwei Stromgeneratoren nicht einmal hundert Stunden.“

„Ich sehe du tust dich schwer den Preis zu nennen. Mir ist auch klar, dass du die Mahuana ungern verkaufen willst, weil du in einer Notlage bist und befürchtest, ich könnte abspringen. So weit wollen wir es nicht kommen lassen, Jerry.“ Don stieß noch einmal gegen Jerrys Bierglas, trank einen Schluck Bier und sah seine zittrigen Hände, mit denen er das Bierglas zum Munde führte.

„Sag mir lieber, wie bist du auf die Idee gekommen eine solch schöne Yacht zu bauen?“

Jerry kratzte sich an den Kopf, als wüsste er nicht, wo er zuerst anfangen sollte.

„Meine Familie ist schon seit drei Generationen im Bootsbau tätig. Ich sollte die dritte Generation fortführen, dazu war ich bestens ausgebildet. Dann kamen die GFK-Schiffe in Mode, insbesondere für die Sportfischer. Die Japaner brauchten Holz für die Papierindustrie, und ich wechselte in die Holzhandelsbranche. Die kleine Werft meines Großvaters lebt noch, wirft aber keine Gewinne ab. Mein Traum war es immer große stattliche Windjammer zu bauen. Den Traum habe ich in der Mahuana verwirklicht, wie Sie gesehen haben.

Der Holzhandel brachte mir viel Geld ein. Ich war es nicht gewohnt mit so viel Geld umzugehen und es richtig zu investieren. Nebenbei war ich immer ein geiler Bock, deshalb rannte ich wie ein blinder Ochse der Susi in die Falle. Sie brachte lauter schräge Typen mit die mir zeigten, wie man großes Geld in Kasinos verdienen konnte. Leider nur dem, dem das Kasino gehörte. Ich war vor Geilheit in einer Euphorie, investierte Unsummen in eine Menge beschissene Zockersysteme, von denen ich keine Ahnung hatte. Zu spät merkte ich, dass das nur eine Anschleppermasche war. Die kluge Susi verzockte ihre Anteile nicht. Sie kassierte sogar Kommission von dem Kasinobetreiber in denen wir aufkreuzten.“ Jerry seufzte schwer, trank einen Schluck Bier und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

„Wie auch immer, ich bin pleite und Susi ist wieder in England mit meiner Million, Ende der Geschichte, Don.“

„Ihr seid aber geschieden, nehme ich an?“, fragte Don.

„Schon vor einem Jahr. Meine Anwälte zogen mir noch den letzten Cent aus der Tasche mit dem Versprechen, mindestens die Hälfte von Susi`s Vermögen zurück zu bringen. Alles Schwindel, mein Freund, nichts als Schwindel.“

„Und in welcher Werft ist die Mahuana gebaut worden?“

„Unsere Werft war viel zu klein und schlecht ausgestattet. Ein Freund der Familie, der hat die Yacht gebaut und ist dabei fast pleite gegangen.“

„Wie kam es dazu? Hat er schlecht kalkuliert?“

„Meine Schuld, Don. Er fand auch Spaß an flotten Mädels und Kasinos. So verzockten wir beide unsere Zukunft im Rausch mancher Nächte.“

„Ist die Werft noch im Besitz deines Freundes?“

„Das schon, aber er hat keine Nachfolgeaufträge und schlägt sich mehr schlecht als Recht mit kleineren Yachten durch.“

„Ich sehe, dass es dir ein wenig leichter ums Herz ist, wenn sich die Galle entleert hat. Meine Fragen sind deshalb so eindringlich, um die Risiken abzuklopfen. Ich habe vor, noch weitere fünf identische Mahuanas bauen zu lassen und nicht nur deine zu kaufen. Ich gehe davon aus, dass noch alle Baupläne vorhanden sind und der Portugiese für dieses Projekt zur Verfügung steht?“

„Das wäre viel zu schön um wahr zu sein, Don. Ich hoffe sehr, Sie machen keine schlechten Witze.“

„Keinesfalls, Jerry. Ich kann mir sogar eine Partnerschaft zwischen uns mit fünfzig zu fünfzig vorstellen. Du und dein Freund mit je fünfundzwanzig Prozent Kapitaleinlage. Die Werft wird modernisiert und das Kapital aufgestockt. Kredite bekommt ihr von einer Queenslander Bank. Ich bin mit meinen fünfzig Prozent ein stiller Teilhaber und einziger Kunde für die nächsten fünf Jahre. Das ist ein echtes Angebot Jerry, kein Scherz. Vorausgesetzt natürlich, ihr beide macht einen großen Bogen um die Kasinos.“ Das war keine Randbemerkung, sondern eine intensive Suggestion.

„Auf solch ein Angebot war ich nicht vorbereitet, Don. Das muss erst mal verdaut werden. Wollen wir zuerst zur Marina fahren? Auf dem Weg dorthin können wir weiter reden“, antwortete jetzt Jerry, wesentlich erleichtert als noch vor wenigen Minuten.

„Ich habe deinen Steuermann Tom gebeten die Crew zurück zum Schiff zu bringen. Wundere dich nicht, wenn wir zwei mit großem Juchhu empfangen werden.“

„Das haben Sie auch noch getan. Dann müssen Sie sich Ihrer Sache sehr sicher sein“, bemerkte Jerry.

„Ich bin mir meiner Sache immer gewiss. Schließlich haben wir beide die Mahuana im Traum entworfen, Jerry. Als ich das Schiff sah, erkannte ich sofort die Yacht, die ich in meinen vielen Träumen bis ins letzte Detail konstruiert habe. Die Entscheidung hast du mir sehr leicht gemacht.“

„Wunder gibt es doch noch, das beruhigt mich sehr. Wie Sie den Bobby abserviert haben, da wusste ich gleich, dass Sie konsequent eine Sache angehen. In diesem Augenblick habe ich Sie wirklich beneidet. Ein knallharter aber aufrichtiger Seemann sind Sie, das muss man Ihnen lassen, Don.“

„Danke, Jerry, jetzt sind wir mit gegenseitigen Komplimenten quitt. Da wir jetzt Partner sind, nehme ich an, lassen wir das mit dem „Sie“. Ich bin für dich einfach Don.“ Die beiden stießen noch einmal kräftig mit ihren Biergläsern an und entleerten alles stehend in einem Zug.

„Hast du einen Wagen, oder soll ich ein Taxi bestellen?“

„Ein alter Jeep, nicht gerade vornehm, steht unten in der Hotelgarage“, antwortete Jerry.

Keine zehn Minuten später bremste der klapprige Jeep neben der Mahuana. Don sprach während der Fahrt kein Wort, um Jerry Zeit zum Nachdenken und Verdauen der vielen Neuigkeiten zu lassen.

An Deck der Yacht herrschte Betriebsamkeit. Tom und zwei andere Jungs spritzten das Deck vom Staub der vergangenen Monate ab. Kaum waren die zwei aus dem Jeep ausgestiegen, da schrie Tom aus voller Brust:

„Alle Mann an Deck, der Kapitän ist im Anmarsch!“

Ehe Don und Jerry zur Reling kamen, stand die vollständige Mannschaft samt Köchin an Deck und salutierte mit Pfiff.

„Tom, du übertreibst ein wenig“, rief Jerry, erfreut seine alte Crew wieder zu sehen.

„Schiff klar zum Auslaufen, Sir... Oh weh, jetzt habe ich meine Tagesheuer verschwatzt.“

„Schon gut, Tom, du hast Kapitän Jerry gemeint“, beruhigte ihn Don mit einem breiten Lächeln.

„Laufen wir heute noch aus, Don?“, wollte Tom wissen.

„Heute nicht, Tom, aber morgen nach dem Frühstück bringen wir die Mahuana in die Werft und auf den Slip. Sie braucht frische Farbe und rundum Kontrolle, bevor wir nach Nordwesten in See stechen.“

„Aye, Aye, Kapitän, rührt euch Leute und an die Arbeit“, schrie Tom laut nach alter Seemannssitte.

Don und Jerry gingen an Bord. Der Augenblick war gekommen, dass Don seine Traumyacht zum ersten Mal berühren durfte. Diese Berührung bedeutete mehr für ihn als sich Jerry und die Crew jemals vorstellen konnten. Es war die Liebe auf den ersten Blick. Seine Erregung brachte jeden Nerv in seinem Körper zum Vibrieren. Davon bemerkten die Leute auf dem Schiff nichts. Er ging die Gangway entlang und blieb vor dem Eingang zur Helmstation stehen. Sein erster Blick in das Innere des Deckhauses steigerte seine Erregung um das Doppelte. Er streichelte mit der linken Hand den Türrahmen und wandte sich an Jerry.

„Istvan hat nicht ein bisschen übertrieben. Ein Meisterwerk vom Feinsten.“ Ihm stockte der Atem, seine Kehle schien wie ausgetrocknet zu sein. „Habt ihr kaltes Wasser an Bord?“

„Jawohl, Kapitän, kommen Sie bitte in den Salon, wir haben sogar eiskalten Kiwisaft“, meldete sich die Köchin mit einem breiten Lächeln auf ihren wulstigen roten Lippen.

„Du bist die Maunie, die beste Köchin weit und breit habe ich gehört?“

Das war alles was Don über seine Lippen brachte, als er durch den Eingang den Salon betrat. Ein Gefühl der Glückseligkeit und Wärme durchströmte seinen ganzen Körper. Nicht ein bestimmter Gegenstand, sondern die Gesamtheit der Details in Farben und Formen strahlte eine gediegene Gemütlichkeit aus, die bei ihm diese emotionale Erregung bewirkte. Er erkannte dass dies sein Zuhause sein wird, so wie er es sich immer erträumt hatte, wo er mit Wonne einschlafen wollte, weil er sich schon auf den nächsten Tag sehr freute. Das kühle Getränk befeuchtete seine trockene Kehle und brachte ihn wieder in die Realität zurück.

„Danke, Maunie, das schmeckt vorzüglich.“ Dann drehte er sich zu Jerry. „Hast du einen Plan hier an Bord? Ich möchte gerne hineinschauen bevor ich in den Niedergang hinunter gehe.“

Diese Ausrede benutzte er, um sich vor seiner eigenen Erregung zu schützen und den Aufenthalt im Deckhaus etwas zu verlängern. Zuviel Gutes auf einmal muss verdaut werden. So konnte er auch Jerry nachfühlen, als dieser erfuhr, dass er wieder gesellschaftlich und finanziell auf die Beine kommen werde. Jerry ging zum Sekretär, der unmittelbar an der Helmstation angebaut war und als Chartboard diente. Er klappte die Tischplatte hoch und kramte unter den Seekarten. Dann zog er ein auf Karton geklebtes Hochglanzfoto des Originalplans heraus.

Ein einziger Blick darauf offenbarte Don, dass dieses Schiff für den Eigner und nicht für das Chartergeschäft konzipiert war. Weil die Kombüse ins Deckhaus verlängert worden war, konnten die Räumlichkeiten unter Deck wesentlich großzügiger gestaltet werden. Er erkannte auch, dass die Heiße Susi zu viel mitgestaltet hatte. Don entschied diese Ausstattung nicht weiter zu kommentieren. Das Innere würde er sowieso nach seinem persönlichen Befinden in Taiwan neu einrichten. Er brauchte ein Heim und eine Kommandozentrale, in der jedes Detail eine bestimmte Funktion erfüllen musste und kein Bordell darstellte. Trotzdem war er Istvan sehr dankbar, dass dieser die Kombüse und die Dinette an Deck verlängern ließ.

„Schauen wir uns zunächst den Motorraum und die Achterkoje des Eigners an“, schlug Jerry vor.

Von der Helmstation mittschiffs führten Treppen hinunter in einen Korridor, weiter zum Vorschiff und zur Achterkoje. Der Zugang zum Maschinenraum war von diesem Gang durch eine wasserdichte Tür erreichbar. Tom eilte voraus, öffnete die schwere Tür und schaltete die Beleuchtung ein. Der übliche Diesel- und Ölgeruch auf anderen Schiffen war bei der Mahuana kaum wahrnehmbar. Die Seitenwände der Diesel bzw. Wassertanks glänzten aus spiegelglattem rostfreiem Stahl.

Zwei Dieselmotoren waren zu fast einem Drittel in eine Bodenvertiefung versenkt, so dass man zwischen den Motoren über zwei Stufen in eine geräumige Grube, die wie eine Edelstahlwanne geformt war, einsteigen musste. Eine kleine Werkstatt mit Arbeitsbank, Bohr- und Schleifmaschine, Regale, zahlreiche Schubladen für Schrauben, Werkzeuge, Ersatzteile, diverse Gummischläuche, alles ordentlich aufgeräumt.

„Die Motoren haben wir von der Royal-Navy gekauft, auch die ganze Werkstatt kam direkt aus dem Lagerhaus. Es gibt zwei Ölpumpen unter den Motoren und eine für den Ölwechsel am Öltank. Gebrauchtes Öl wird in einen Tank gepumpt und über eine andere Pumpe zum Pier entsorgt. Unter dem Boden befinden sich vier Dieseltanks und an den Seitenwänden jeweils drei. Die Wassertanks liegen mittschiffs und zur Eignerkoje. Das Wasser wird über zwei Mikrofilter gebunkert. Alles vom Feinsten. Die Zwischenräume sind zur Dämmung voll ausgeschäumt. Die Motoren drehen 1600 U/min und haben je 480 PS. Sie sind aber sehr genügsam bei 900 U/min“, erklärte Tom fachmännisch.

„Wo sind die Stromgeneratoren untergebracht?“, wollte Don wissen.

„Einer befindet sich unter der Werkbank und der zweite sitzt unter der Treppe in einem separaten Raum. Dort ist auch die ganze Hydraulik für die Winschen untergebracht.“

Die geräumige fünfmal vier Meter große Eignerkoje gefiel Don besonders. Die Dekoration erinnerte mehr an Scheherazade aus Tausendundeiner Nacht. Licht strahlte durch die getönten Scheiben der fünf kleinen Fensterchen am Spiegel, oberhalb des ovalen Bettes und einer großen Lichtluke. Zwischen dem Kleiderschrank und über der Kommode waren Bullaugen, so dass diffuses Licht den ganzen Raum durchflutete. Einige kleine Ölgemälde hingen an den verfügbaren freien Wandflächen. Es gab ein Ecksofa mit Teetisch, dazu Perserteppichbrücken rund ums Bett. Alles vom Feinsten, so dass eine schlaflose Nacht in diesem Raum kaum vorstellbar erschien. Ein Tempel der Liebe, vorausgesetzt man hatte eine gute sinnliche Fee zur Partnerin, dachte Don.

„Hier ist die Sauna und ein Badezimmer, Don. Sie werden nicht enttäuscht, auch die Damen nicht“, flüsterte Tom, als wollte er diskret auf die Vorzüge eines lüsternen Lebenswandels hinweisen.

Noch weitere drei VIP-Kojen mit separaten Badezimmern befanden sich auf der einen Seite, zur Backbordseite die Vorratsräume zum Bunkern von Lebensmitteln und Tiefkühltruhen. Dazu gab es noch sonstige Utensilien, die man auf dem Schiff einmal in drei Jahren gebrauchen konnte, aber nie wirklich eine Gelegenheit hatte, es zu tun. Wie auch immer, dachte Don, einiges hier muss vom Schiff, bevor ich in See steche.

Der Zugang zu den Kojen der Crew war im Notfall durch eine schmale Tür möglich, jedoch vom Eigner nicht erwünscht. Tom, der wie alle Maoris sehr korpulent war, quetschte sich mit Mühe durch die enge Tür in das Mannschaftsquartier. Don erblickte in der Mitte zum Bugende eine einfache Kochgelegenheit mit Minispülbecken, darüber ein Hängeschränkchen, an jeder Seite zwei übereinander hängende Pritschen mit Matratzen aus dünnem Schaumgummi, alles recht lieblos ausgestattet und kaum Platz für einen erwachsenen Mann, um darauf zu schlafen.

„Typisch englisch, Tom. Die Leute, die die meiste Arbeit auf dem Schiff erledigen, sollen sich dann auf den harten Pritschen ausruhen, während die Leute, die sich den ganzen Tag mehr oder weniger langweilen, in bequemen Betten schlafen. Wir werden hier einiges ändern müssen.“

„Ach machen Sie sich keine Gedanken darüber, wir sind doch einfaches Leben gewöhnt.“

„Und wo hat die Köchin geschlafen, Tom? Ich sehe hier nur Pritschen.“

„Na ja, die eine oder andere VIP-Koje war frei oder mit einem Gast belegt. Manchmal auch auf dem Sofa im Salon hat dann auch schon mal gereicht. Sie ist sehr anpassungsfähig.“

„Das sind keine Zustände für längere Reisen. Bei mir muss jeder ein bequemes Bett haben.“

„Das wird uns eine Menge Überwindung kosten“, meinte Tom im vollen Ernst.

An diesem Abend während des Abendessens besiegelten Don und Jerry ihren Handel mit einem kräftigen Handschlag. Don musste Jerry in Sachen Mathematik auf die Sprünge helfen, damit endlich ein akzeptabler Preis für beide ermittelt werden konnte. Er erstattete die Entstehungskosten der Yacht in voller Höhe, rechnete die Bauüberwachungskosten die Jerry geleistet hatte dazu, zog den Nutzungswert der Yacht während der Susi Periode ab, so dass die Endsumme viel mehr ausmachte, als es sich Jerry jemals erhoffen konnte. Dieser Handel wurde unter der Voraussetzung abgeschlossen, dass Jerry ein Drittel in seine alte Werft investierte, in der die neue Innenausstattung hergestellt und eingebaut werden sollte. Die Hälfte der Summe sollte Jerry in die Werft seines Freundes Arthur einbringen, weil in dessen Werft das Kasko der fünf neuen Schiffe und die Mechanik eingebaut werden sollte. Dadurch reduzierte sich die Bauzeit um die Hälfte, denn der Innenausbau würde genauso viel Zeit in Anspruch nehmen wie der Kaskobau, aber parallel auf getrennten Werften erledigt werden kann.

Jerry rief nach der Besichtigung der Mahuana gleich seinen Freund Arthur an, um ihm die Absichten von Don zu vermitteln. Die Begeisterung war natürlich groß und die Aussicht fünf große Yachten in Serie zu bauen klang vielversprechend. Arthur brauchte beides, frisches Kapital und einen Langzeitauftrag, der noch obendrein durch eine Finanzierung gesichert war. Was wollte man mehr? Erst gegen Mitternacht gelang es Don den überglücklichen Jerry los zu werden. Dieser entfaltete eine blühende Phantasie, die ihm Don mehrmals bestätigen musste, auf der anderen Seite versetzte er ihm auch einen sanften Dämpfer, sonst wäre der gute Jerry nach dem opulenten Abendessen und vier großen Bier glatt durchgeknallt.

Jerry entwickelte die Idee einen Windjammer von vierunddreißig Metern zu bauen. Nur für Touristen die an einer Hafenbesichtigung interessiert waren. In dem Fall diente die Gaffeltakelage nur als Dekoration. Immerhin sollte die Yacht für mindestens sechzig Gäste zugelassen werden. Bei zwanzig Dollar pro Nase käme auch ein schönes Sümmchen zusammen. Insbesondere in Auckland würde das ein Bombengeschäft werden, wegen der zahlreichen Inselchen und Buchten, die man anlaufen könnte. Der Haken an der Sache war, dass Neuseeland noch keine erschlossene touristische Infrastruktur hatte, und dieses Projekt eher im Mittelmeerraum durchaus eine Chance hätte. So ging es hin und her in dem Kopf des auf Hochtouren laufenden Jerrys.

„Alles zu seiner Zeit mein Freund“, beruhigte ihn Don. „Such dir einen Partner der die touristische Organisation übernehmen kann. Ein Gespräch mit der Regierung ist auch nicht verkehrt. Welche touristischen Attraktionen anzusteuern sind muss auch erst erkundet werden. Ohne zahlende Kunden ist alle Mühe vergebens. Ihr beide baut mir die fünf identischen Yachten. Das alleine ist für euch ein Bombengeschäft. In der Zwischenzeit knüpft ihr Kontakte mit allen möglichen Reisegesellschaften rund um die Welt, damit Fachleute und Presse auf die Neuseeländer aufmerksam werden. Vielen Leuten in Neuseeland soll diese Idee schmackhaft gemacht werden und für weitere Ideen sorgen. Das ist ein langatmiges Unterfangen, das mindestens zehn Jahre Vorlaufzeit braucht. Die Infrastruktur muss allmählich wachsen und sich dem wahren Bedarf anpassen. Jerry, mein Freund, mach immer nur einen Schritt nach dem anderen und das, was du machst, mach es solide.“

In diesem Sinne verabschiedeten sich beide frischgebackenen Partner. Morgen ist ein neuer Tag, der ganz sicher neue Überraschungen parat hat.

--.--

Kurz vor acht Uhr am nächsten Morgen stand Don bereits am Ruder der Mahuana. Die Mannschaft hatte schon die Dieselmotoren vorgewärmt und wartete gespannt auf das Kommando Leinen los, denn die Mahuana lag zwischen zwei Motoryachten zu eng, um mit dem langen Klüverbaum normal zu manövrieren. Sie besaß auch kein Bugstrahlruder, mit dem man ein Schiff quer aus einer zu engen Anlegeposition herausmanövrieren konnte.

Don ordnete an das Beiboot zu Wasser zu lassen und es am Bug der Yacht mit einer langen Leine zu befestigen. Das fünf Meter lange Beiboot mit Zentralkonsole und einem sechsundzwanzig PS Motor erwies sich als große Hilfe. Es dauerte einige Minuten bis die hundertsechzig Tonnen schwere Mahuana allmählich von Backbord aus herausgezogen wurde und sich mit sanften Schüben der eigenen Motoren vom Pier löste.

Für die sechs Meilen bis zur Werft zog die Mahuana das Beiboot im Schlepptau hinterher, weil man es wieder in der engen Werft gebrauchen würde. Jerry war schon mit seinem Jeep unterwegs dorthin, damit rechtzeitig alle Vorbereitungen zum Slip getroffen werden konnten.

Don hatte es nicht eilig allzu früh zur Werft zu kommen. Daher fuhr er einen großen Bogen um die Werft herum. Es wäre ein herrlicher Tag zum Segeln gewesen, mit mäßigem Wind von Nord-Ost, aber für diese kurze Fahrt die Segel zu setzen, lohnte sich der Aufwand nicht. Daher steuerte er die Yacht mit fünf Knoten aufmerksam durch den Hafenverkehr. Er kuppelte die Motoren aus, ließ die Yacht allmählich langsamer werden. Bei drei Knoten stellte er fest, dass sie sehr träge auf das Ruder reagierte.

„Hier muss Abhilfe geschaffen werden, Tom. Das Ruderblatt ist nicht richtig geformt. Es muss wesentlich sensibler auf das Ruder reagieren, sonst rammen wir womöglich den Pier.“

„Das ist wahr, Kapitän. Das haben wir schon bei der ersten Probefahrt festgestellt. Der Portugiese bestand aber auf einem Holzruderblatt, flach wie ein Brett. Ein Edelstahlblatt lässt sich konkav formen und etwas größer machen. Die zwei Schrauben liegen um einen halben Meter zu weit auseinander. Eins zum anderen gerechnet addiert sich dann zu einer eingeschränkten Manövrierbarkeit.“

„So ist es, Tom. Das werden wir ändern und ausprobieren, bis sie spurt. Je länger der Kiel, desto sturer ist die Yacht. Sie braucht auch ein Bugstrahlruder, damit man sie auf der Stelle drehen kann. Darüber hinaus bauen wir die letzte VIP-Koje zu einem Mannschaftsquartier um. Den Bugraum räumen wir leer, machen daraus eine Wäschekammer mit Waschmaschine, Trockner und Bügelbrett. Die Köchin bekommt eine der VIP-Kojen für sich allein. Auf meinem Schiff sitzt die Crew mit mir im Salon und isst aus demselben Topf.“

„Oje, Kapitän, das ist keine gute Idee. Sie werden von den anderen Yachteignern entweder gekreuzigt oder gelyncht. Das dürfen Sie sich aussuchen.“

„Auf meinem Schiff ist mein Wort das Gesetz. Was die anderen Kapitäne machen ist nicht mein Bier. Wer sich anschickt bei mir hineinzureden, hat auf meinem Schiff nichts verloren.“

„Wenn das mal gut geht, Kapitän, die Hiesigen sind sehr konservativ.“

„Mach dir keine Sorgen Tom. Das Schiff wird bald fertig sein, dann bunkern wir ordentlich Proviant und stechen gleich in See. Somit ersparen wir uns den Ärger mit den hiesigen Leuten.“

„Darf ich fragen, Kapitän, wo die Reise hin gehen soll?“

„Das darfst du, aber erfahren werdet ihr es erst, wenn es so weit ist, Tom. Ich muss noch einiges recherchieren, bevor ich eine Reiseroute festlege.“

Es dauerte eine gute Stunde bis die Yacht am Slip gesichert und mit großen Holzklötzen auf der Plattform abgestützt war. Dann wurde die Plattform mit der großen Winsch und armdicken Tauen aus dem Wasser gezogen. Die Werftarbeiter brachten lange Steigleitern, damit die Crew von Bord zu der Plattform hinunter steigen konnte. Don schaute sich die Yacht in ihrer ganzen Pracht von unten an. Erstaunlicherweise war der Bewuchs von Algen und Muscheln am Rumpf sehr gering, jedoch am Stahlkiel und den Schrauben beachtlich. Als die Arbeiter gleich mit zwei Hochdruckpumpen anrückten, um das nasse Schiff vom Bewuchs abzustrahlen, ging Don direkt zu dem Verwaltungsgebäude. Er wunderte sich, dass weder Jerry noch Arthur am Slip auf ihn warteten.

Das alte Verwaltungsgebäude wirkte von der Zeit gezeichnet. Don öffnete die schwere Tür, betrat einen großen Raum der als Empfangsraum diente. Ihn überraschten die vielen Schiffsmodelle die hier aufgestellt oder aufgehängt waren. In der Hoffnung dass sich bald irgendeine Menschenseele blicken lassen würde, wanderte er in der Zwischenzeit von einem zum anderen Modell. Die kleinen Hinweisschilder mit Namen und technischen Daten gaben einen Überblick, was im Laufe der letzten sechzig Jahre in der Werft gebaut worden war. An den Wänden hingen viele vergrößerte Fotos von stolzen Eignern, Kapitänen und den Schiffsbauern aus längst vergangenen Zeiten. Don suchte sich eines der alten Schiffsmodelle aus und versteckte einen kleinen VIRDULA Diamanten.

Als auch nach zehn Minuten Wartezeit kein Anzeichen eines Lebens in diesem Gebäude hörbar oder sichtbar wurde, ging er den Flur entlang, klopfte an die erste Tür die er auch gleich öffnete. Niemand war zu sehen, deshalb kehrte er gleich wieder in den Ausstellungsraum zurück, dachte kurz nach und verließ das Gebäude.

„Wie hat es Ihnen in unserem Museum gefallen, Mr. Don?“, fragte ein bärtiger Mann, der unmittelbar vor der Tür stand. Don kapierte sofort den Witz, schlug dem Mann mit beiden Händen auf die Schulter und beide brachen in schallendes Lachen aus.

„Dieses Witztheater machen wir seit Jahren mit jedem neuen Kunden, weil wir uns kein Verwaltungsgebäude dieser Größe mehr leisten können. Alleine die Heizkosten im Winter hätten uns die Butter vom Brot gefressen. Gar nicht lustig, nicht wahr?“

„Habt ihr nie etwas von einem Holzspäne-Kanonenofen gehört, ihr Witzbolde?“, lachte Don. „Schon lange hat mich keiner so köstlich geleimt wir ihr beiden Schiffsbauer Ganoven.“

„Ich bin Arthur, der Eigner dieses Museums und der Werft. Am besten lacht man über sich selbst, wenn einem nicht mehr viel übrig geblieben ist, als die leere Magengrube.“

„Einer, der absolut nichts zu verlieren hat, kann über sich selbst und den Rest der Welt am Besten lachen“, meinte Don und streckte ihm seine Hand entgegen.

Wer zuletzt lacht, lacht am besten, pflegte mein Großvater zu sagen. Jede Generation meiner Familie erlebte mindestens drei Pleiten, sind aber wie durch ein Wunder immer wieder aus der Asche auferstanden. Ist Ihnen etwas Außergewöhnliches in dem Museum aufgefallen, Mr. Don?“

Don dachte kurz nach, konnte aber nichts Außergewöhnliches finden. Dabei fiel sein Blick auf die halbnackte Brust von Arthur. Dort hing ein Maori-Amulett an einem dünnen ledernen Riemen. Er wusste sofort, was Arthur meinte.

„Ihr Großvater ist nie dazu gekommen ein Kruzifix aus gutem Holz zu zimmern, wenn es das ist, was Sie meinen.“

„Genau das meine ich, Don. Die hiesigen Priester dürfen sich nicht einmal in der Nähe der Werft aufhalten. Sie verbreiteten Geschichten über meinen Großvater, dass er ein eingefleischter Antichrist sei, weil er eine Maori geheiratet hatte. Er war berühmt-berüchtigt für seine kernigen Sprüche über diesen jüdischen Gott. Einmal stand er vor der Kirche und schrie die Leute an:

„Ihr dummes Volk, ihr betet einen jüdischen Gott an, der Jahrtausende die himmlische Schule geschwänzt haben muss. Er erschien dem Abraham und versprach ein gelobtes Land für sein auserwähltes Volk, wusste aber nichts von Neuseeland, dass es überhaupt existiert. Wenn er ein gebildeter Gott wäre, hätte er den Juden gleich zeigen können wo es lang geht. So wie euer Gott ungebildet ist, so seid auch ihr alle dumme Schafe.“ Als die Männer mit Stöcken auf ihn einschlugen, schrie er: „Seht ihr Mörder! Ein Gott, den die Römer für sich beanspruchen, ist ein mörderischer Gott. Euch fällt auch nichts Besseres ein, als gleich die Stimme der Wahrheit zu verprügeln.“

„Seitdem fürchteten sich die Menschen vor meinem Großvater, wie vor dem Teufel. Jemand der sich bei meiner Familie um einen Job bewarb, musste das Kruzifix zuhause lassen. Nicht, dass er etwas gegen Jesus gehabt hätte, er meinte nur, es sei alles erlogen und erstunken, was die Priester über Jesus erzählen.“

„Wie Recht ihr Großvater hatte, mehr als Sie sich denken können. Lassen wir dieses Thema vorerst. Wo ist Jerry verblieben?“, wollte Don wissen.

„Jerry sitzt in unserer Baubude mit dem Anwalt Clearance. Sie schreiben unseren neuen Gesellschaftervertrag. Hätte er bloß mit der Susi einen Vertrag gemacht, wäre er heute kein gerupftes Huhn.“

„Jerry wird allmählich weise, Arthur. Ein Vertrag steht uns allen gut zu Gesicht, auch wenn wir lieber einen Handschlag vorziehen, was die Geschäftsverträge anbelangt. Im Allgemeinen gibt es drei Typen von Geschäftsleuten, die sich nie an Verträge halten, auch wenn sie noch so klug verfasst sind. Erstens: Der verlogene Partner, der von Anfang an geplant hat, dich übers Ohr zu hauen. Zweitens: Den Kneifer, der bei der geringsten Schieflage gleich seine sieben Sachen packt. Drittens: Der wahre Held, der auch dann weiter hilft und ackert, wenn der Karren hoffnungslos in der Scheiße steckt. Ich bin keiner von diesen dreien, daher schlage ich auch immer eine Partnerschaft fünfzig zu fünfzig vor, weil wir uns gegenseitig nie überstimmen und von Anfang an eine Pattsituation haben. Nur ein Weg steht uns für die Zukunft offen, nämlich vorwärts weiter machen in Eintracht.“

„Jerry hat sich heute Morgen gleich bei der Bank nach ihrer Kreditwürdigkeit erkundigt. Nehmen Sie es ihm nicht übel. Er ist oft genug geleimt worden. Es ist für uns beide äußerst beruhigend einen aufrichtigen Partner zur Seite zu wissen.“

„Das ist das Mindeste, was man bei einem neuen Kunden und Partner tun soll, alles überprüfen und regelmäßig kontrollieren.“

Als die beiden den Eingang der Baubude erreichten, fügte Arthur noch hinzu: „Der Anwalt, Mr. Clearance ist ein junger Mann frisch von der Uni. Vielleicht sollten wir uns die Paragraphen genau anschauen, bevor wir alle Verträge unterschreiben.“

Sie betraten eine geräumige Baracke mit großen Dachluken, jedoch ohne Fenster. Stattdessen hingen an den Wänden große Kartons, auf denen Zeichnungen angebracht waren, die die wahre Größe der Baukomponenten darstellten. Nach diesen Plänen wurden die Sperrholzschablonen angefertigt. Ein ganzer Berg dieser Schablonen lag ordentlich in dem hinteren Teil des Raumes aufgestapelt. Der Boden der Bude war sauber, plangeschliffen, so dass alles was gebaut werden sollte auf dem Boden gezeichnet werden konnte. In der vorderen Ecke, rechts vom Eingang, befand sich die Schreibbude, die durch Sperrholzwände und große Fenster von dem Konstruktionsbüro getrennt war. Die Schreibbude etwa acht mal sechs Meter beinhaltete alles, was die Werftverwaltung für Schreibarbeiten und Kommunikation mit der Außenwelt so brauchte, inklusive einer kleinen Kochecke. Jerry und der junge Anwalt sprangen auf, begrüßten Don und Arthur aufs herzlichste, als beide den Raum betraten.

„Ist Don auf den Museumswitz hereingefallen?“, fragte Jerry.

„Voll und ganz wie jeder andere“, antwortete Arthur.

„Nicht mehr lange, Jungs. Das Verwaltungsgebäude muss dringend renoviert werden. Neue Telefone, Stromkabel zweckdienliche Einrichtung, alles vom Feinsten. Darüber hinaus bauen wir eine viel größere zweistöckige Baubude mit Konstruktionsbüro, Bibliothek, Archiv, viel Licht und Heizgeräte für den Winter. In diese Werft bringen wir Leben mit moderner Technologie hinein. Junge kreative Menschen, die schnell lernen klassische Yachten und allerlei Boote in höchster Qualität in Rekordzeit zu bauen. Als ich mit der Mahuana in Richtung Werft fuhr, sah ich noch viel freies Land Drumherum. Wem gehört das Land Arthur?“

„Das Land bis hinauf zur Straße gehört meiner Schwester, die jetzt in Amerika lebt. Sie hat einen US-Navy-Offizier geheiratet. Kurz danach sind sie weggezogen.“

„Dann biete ihr einen anständigen Preis dafür, sie wird es sicherlich gut gebrauchen können. Wir bauen eine ganz moderne Werft mit anschließender Marina, so dass die anderen sich an uns messen müssen. Sägewerk, Trockenlager, Schreinerei, Werkstatt, Krananlagen und noch viel mehr.“

„Don, kaum habe ich den ersten Knödel herunter gewürgt, da schockst du uns mit deinen großen Plänen. Wann sollen wir deine fünf Schiffe bauen?“

„Dafür gibt es Architekten, Jerry“, beruhigte ihn Arthur. „Wir brauchen mindestens drei Architektenteams, eins für die Gebäude, eins für die Werft und eins für die Marina. Ich kümmere mich um die Produktion und du um die neuen Projekte. Wenn wir uns nicht in die Quere kommen, läuft alles wie geschmiert, vorausgesetzt wir haben genug Schmiere.“

Don wandte sich an den jungen Anwalt mit einer pikanten Frage:

„Was wir dringend brauchen, Mr. Clearance, ist eine kleine Privatbank. Können Sie uns eine empfehlen?“

„Es gibt nur noch eine in Wellington die ich empfehlen kann und zwei in Auckland. Aber auch diese Banken werden bald eingehen. Die großen Banken aus England kaufen alle auf. Meine Schwester ist Kassiererin bei der hiesigen Genossenschaftsbank. Sie meint, wenn England in die EWG einsteigt, ist es vorbei mit den Schafzüchtern, weil die Bank fast ausschließlich durch diese Kundschaft gehalten wird.“

„Na schön, Mr. Clearance.“ Don zog eine Visitenkarte aus seiner Pfeifentasche. „Hiermit sind Sie offiziell beauftragt im Namen des Mehrheitsaktionärs der Bank von Brisbane die Übernahme von fünfzig Prozent der Aktien auszuhandeln.“

„Das ist aber viel Geld, Mr. Don. Das wird sich schnell herumsprechen“, antwortete der Anwalt ziemlich verunsichert.

„Ich nehme an, dass Sie nicht allzu viel Erfahrung mit großen Geschäften haben, aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich werde veranlassen, dass mein Freund Benjamin aus Brisbane hierher kommt. Auch mein Partner Malek wird mit unserer Privatmaschine morgen Nachmittag hier eintreffen. Ihre Aufgabe ist es bis morgen Mittag unseren Gesellschaftervertrag auszuarbeiten. Wir werden drei separate Gesellschaften gründen. Erstens: Die Werft - mit dem gleichen Namen. Zweitens: Die Marina - Delphin & Albatros. Drittens: Die Grundstücks- und Gebäudeverwaltungs-GmbH & Co. An allen drei Gesellschaften sind die gleichen Partner mit den Anteilen von einmal fünfzig Prozent, zweimal fünfundzwanzig Prozent beteiligt. Alle Projekte, inklusive der fünf Yachten wie die Mahuana werden durch die hiesige Bank finanziert, vorausgesetzt ich bekomme fünfzig Prozent Anteile der Bank. Sowohl in diesen drei Gesellschaften, als auch in der Bank werde ich nur ein stiller Teilhaber sein. Ich habe nicht vor Personalveränderungen zu verlangen, deshalb bleibt alles so wie es ist.“

„Das vereinfacht natürlich die Verhandlungen sehr, Mr. Don, weil die Leute um ihre Jobs fürchten.“

Don wandte sich an Arthur und Jerry. Er erklärte ihnen, dass er plane maximal vier Wochen zu bleiben. Bis dahin sollte die Mahuana seeklar gemacht werden. Dann folgten einige technische Verbesserungsvorschläge, die ihm bei der kurzen Fahrt schon aufgefallen waren. Auch die Änderungen der Crew Quartiere erklärte er in kurzen Sätzen mit ausführlichen Vorstellungen. Alles in allem sollte es ein Wohlfühlschiff werden, nicht nur für den Kapitän, sondern auch für seine Crew. Mindestens fünf Pumpguns mit reichlich Munition und ein Sortiment an Leuchtraketen sollte beschafft werden, denn er plane seine Reiseroute durch Piratengebiete zu führen. Alles ordnungsgemäß angemeldet mit Waffenschein denn er wusste, dass die Küstenwache in Singapur keinen Spaß verstand, illegale Waffen an Bord zu finden. Nach dieser langen Rede und ausführlichen Erläuterungen verspürte er großen Hunger. Auch seine neuen Freunde waren nicht abgeneigt endlich ein kühles Bier zu sich zu nehmen. So gingen sie gemeinsam gestikulierend in Richtung Restaurant in dem Maunie leckere Speisen vorbereitet hatte.

Erst am nächsten Morgen in der Werft lernte Don den Portugiesen Raul kennen. Ein kleiner stämmiger Mann, Mitte vierzig, mit krausen, schon ergrauten Haaren und Händen voller Narben. Wie viele andere Gelegenheitseinwanderer war auch Raul von Heimweh geplagt. Nach Beendigung seiner Arbeit an der Mahuana kehrte er nach Portugal zurück. Mit den Ersparnissen, die für portugiesische Verhältnisse ein kleines Vermögen ausmachten, erregte er das allgemeine Interesse seiner Verwandtschaft. Bevor Raul wusste wie ihm geschah, war das Geld schon verfeuert. Weil er keinen Job finden konnte, kehrte er enttäuscht nach Neuseeland zurück, jobbte mehr schlecht als recht von einem Arbeitgeber zum anderen. Don begegnete diesem wahren Meister Raul am Slip, als er mit einem Zollstock in der Hand, einen Bleistift hinters Ohr gesteckt auf einem Stück Furnier etwas aufschrieb. Meister Raul war dabei die Position der Strahlruder genau zu vermessen und die Markierungen am Rumpf für die Bohrmaschine zu zeichnen.

„Guten Morgen, Mr. Raul. Ich bin Kapitän Don.“ Er lächelte den Baumeister freundlich an dabei streckte er ihm die Hand entgegen.

„Einen wunderschönen guten Morgen, Kapitän, es freut mich Sie kennen zu lernen. Gleich zur Sache, Kapitän, wir haben ein Problem.“

„Ich weiß, Mr. Raul, was Sie meinen. Ihnen graust es in das Schiff große Löcher für die Strahlruder zu bohren.“

„So ist es, Kapitän. Das Schiff verträgt an diesen Stellen keine Materialreduzierung.“

„Wir bohren keine Löcher, Mr. Raul, sondern wir bringen die Strahlruder komplett im Edelstahlgehäuse mit an. Wir machen nur die Bohrungen an der Stirnseite durch die Mitte für die Hydraulikrohre, und das kann man gut abdichten.“ Don zeichnete seine Idee auf das Furnierbrett, wie er es sich dachte. „Das sieht zwar aus wie Detektiv Knattertons Kinn, ist aber ein Novum, das demnächst alle großen Schiffe haben werden. Dieses lustige Kinn am Bug bringt mindestens einen Knoten mehr an Fahrt. Sie sollen sich das patentieren lassen, Mr. Raul und an die großen Werften verkaufen. Wenn das Kinn aus gegossenem Stahl gemacht wird, kann man damit sogar Eis brechen, ohne dass das Schiff Schaden nimmt.“

„Das erinnert mich mehr an einen Busen ohne Brustwarze“, schmunzelte Raul dabei. „Das lässt sich leichter machen als große Löcher in den Rumpf zu schneiden. Das mit dem Patent habe ich nicht ganz verstanden, weil ich nie etwas patentiert habe.“

„Das ist sehr einfach, Raul. Sie fertigen eine Prinzipskizze ihrer Erfindung an. Die Komponenten positionieren Sie mit A, B, C usw. Dann umschreiben sie die Erfindung, woraus sie besteht, wie sie funktioniert und welche Vorteile die Erfindung bringen kann. Wenn Sie es selbst nicht umschreiben können, gibt es professionelle Patentanwälte auch hier in Wellington. Danach reichen Sie den Antrag beim neuseeländischen Patentamt ein, warten eine Weile bis die Fachingenieure geprüft haben, ob eine solche Erfindung schon in Neuseeland angemeldet wurde. Ist das nicht der Fall, bekommen Sie eine Patenturkunde vom Patentamt. Damit sind Sie als Erfinder berechtigt ihre Erfindung an die Werften zu verkaufen. Bei diesem Geschäft müssen Sie ihren Patentanwalt einschalten, damit Sie nicht übers Ohr gehauen werden. Große Firmen sind sehr schlau und klauen manchmal gute Erfindungen. Wenn Sie hart verhandeln, können Sie ein sehr reicher Mann werden. Mit dieser Erfindung werden die großen Schiffe Millionen Tonnen von Treibstoff sparen und viel schneller werden. Haben Sie es jetzt kapiert, Raul?“

„Das schon, Kapitän, aber das ist nicht meine Erfindung, sondern Ihre.“

„Nein, Raul, ich habe nur Ihre Gedanken gelesen und sie aufs Brett gezeichnet.“

„Wieso können Sie meine Gedanken lesen, wo ich noch gar nicht einmal weiß, dass ich sie denke.“

„Doch, Raul, Sie haben sehr großen Kummer, mein Freund, weil Sie ohne ihre Traumfrau hierher geflogen sind, ist das so?“

„Woher wissen Sie denn das, Kapitän? Ich hätte sie gerne mitgenommen, aber das Geld reichte nur für ein Ticket.“

„Na also, Raul. Sie bekommen von mir einen Vorschuss fürs Ticket und von der Bank einen Kredit für ein schönes Haus dort oben auf dem Hügel. Sie werden fünf wunderschöne Schiffe bauen und darüber hinaus auch eine Schiffsbauschule in der Werft errichten. Wer soll denn die handwerkliche Kunst an die Jugend weitergeben, wenn nicht solche kompetenten Leute wie Sie einer sind? Diese Schule braucht auch ein Bassin, wo Schiffsmodelle auf ihre Seetauglichkeit getestet werden können. Sozusagen ein kleines Marine-Institut für Forschung und Entwicklung. Wenn Sie keine kluge Frau an Ihrer Seite haben und keine Kinder zeugen, werden Sie niemanden haben, an den Sie ihre Kreativität weiter geben können. Also schicken Sie ihrer Braut ein Telegramm mit der Anweisung, wo sie das Ticket abholen kann.“

„Das ist aber sehr freundlich von Ihnen, Kapitän. Ich werde ihr ein Telegramm schicken und sie fragen, ob sie kommen möchte, wenn ich ihr das Geld für den Flug zukommen lasse. Wenn sie positiv antwortet, erst dann schicke ich ihr das Geld. Nimmt sie das Geld an, aber kauft das Ticket nicht, sondern liefert mir lauter Larifari-Ausreden, dann weiß ich woran ich bin. Kauft sie das Ticket und kommt hierher dann weiß ich, dass ich das Geld für einen guten Zweck ausgegeben habe. Bei Frauen weiß man nie, woran man ist, es sei denn, man hat Glück und begegnet gleich der richtigen Partnerin.“

„Raul, mein Freund, Sie sind wahrlich ein weiser Mann“, meinte Don und klopfte dem stolzen Raul auf die Schulter. „Ich habe noch eine wesentliche Änderung am Ruderblatt vor“, fügte er hinzu und beobachtete prüfend Rauls Reaktion.

„Ich weiß. Arthur hat mir schon davon erzählt. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir kleiden das Ruderblatt provisorisch mit Stahlblech in der Form, wie Sie es angeordnet haben. Dann machen wir eine Probefahrt und werden sofort wissen, ob dieses Ruder mehr Geschwindigkeit bringt. Erst dann fertigen wir ein neues Ruderblatt aus teurem Edelstahl. Sind Sie damit einverstanden, Kapitän?“

„Wie gesagt, Raul, Sie sind ein kluger und weiser Mann. So wird es gemacht, so schnell wie möglich.“

„Dann habe ich noch eine grundsätzliche Frage hinsichtlich des Baus der fünf weiteren Yachten. Die Änderungen, die wir an der Mahuana durchführen, sollen wir die bei den weiteren Yachten auch berücksichtigen? Vor allem die Takelung von Gaffel auf Bermudasegel bedarf mehr Ballast im Kiel, weil die Masten größer werden und daher schwerer.“

„Nicht unbedingt, Raul. Die Masten stellen wir aus einem neuen Material her, das wesentlich leichter ist als Holz. Das Segel rollt sich mit Hilfe einer Hydraulikwinsch automatisch in den Mast ein. Auch das Segelmaterial ist wesentlich leichter und reißfester“, beruhigte ihn Don, wohl wissend, das Raul entsetzt war die Yacht auf diese Weise zu verschandeln.

„Wenn Sie meine ehrliche Meinung hören wollen, Kapitän, das wird nie mehr die gleiche Yacht sein. Die Mannschaft wird verlernen richtig zu segeln. Sie wird sich nur an Deck herumtreiben.“

„Der Sinn dieser gravierenden Änderung ist der Wunsch vieler Eigner nur mit einer kleinen Crew große Yachten zu segeln. Man möchte auch eine Privatsphäre haben. Ich persönlich segle die Yacht alleine, wenn mir danach zu Mute ist. Unsere Firma wird selbst Charteryachten bauen und auch selbst an Individualisten verchartern, die nicht unbedingt eine Gaffelketsch segeln können. Für die Ausbildung der Jugend werden wir viel größere Windjammer bauen, auf denen unsere Crew der Jugend zeigt, wie in alten Zeiten gesegelt wurde. Nicht nur Segelyachten bieten wir an, sondern auch Motoryachten, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Alles das gehört zu unserem Programm das sehr umfangreich sein wird, dabei zählen wir auf Ihre jahrelangen Erfahrungen. Ich persönlich betrachte die Mahuana als mein Zuhause und möchte nicht von einer von Heimweh geplagten Crew abhängig sein. So sehr ich traditionelle Schiffe liebe, meine persönliche Freiheit nehme ich sehr ernst, weil es mein Leben ist, das ich auf meine Weise verleben kann. Diese Freiheit räume ich jedem Menschen ein, ohne Einschränkungen.“

„Ich muss gestehen, dass die Mahuana mein erstes Vergnügungsschiff ist das ich gebaut habe. Kommerzielle Schiffe werden nicht mehr in Holz gebaut, daher stirbt unsere Zunft langsam aus. Es hat mich manche Überwindung gekostet manche Gewohnheiten über Bord zu werfen. Wenn wir den Segelsport dem breiten Publikum zugänglich machen wollen, dann müsste sich der Yachtbau wesentlich verändern. Auch damit werde ich fertig, vor allem mit mir selbst.“

„Verstehen Sie mich richtig Raul. Mir liegt es fern die traditionelle Bauweise aufzugeben, sondern das altbewährte mit neuen Errungenschaften der Technik zu ergänzen. Unsere Firma ist auch nicht auf maximale Gewinne aus, das überlassen wir den anderen die billige Schiffe bauen. Sicherheit, Komfort und Bedienbarkeit unserer Schiffe werden uns auf lange Sicht einen guten Ruf einbringen. Daher sind unsere Schiffe vorerst nicht zum Verkauf, sondern nur zum verchartern gedacht. Unsere Charter-Gäste werden keine reichen Leute sein, sondern sozial benachteiligte Menschen. Die Jugend eben, die sich unter den jetzigen herrschenden Umständen nie ein teures Vergnügen leisten kann. Die Regierung kümmert sich viel zu wenig um die Jugend, es sei denn, sie brauchen billige Fabrikarbeiter oder Kanonenfutter. Das ist nicht der Sinn des Lebens, sondern Missbrauch des Vertrauens, das die Jugend in uns setzt. Bei uns lernen sie die kreative Seite des Lebens und öffnen ihnen die Augen für die schönen Dinge auf diesem Planeten.

Stellen Sie sich vor, Sie sind sechzehn Jahre alt und dürfen in den Sommerferien kostenlos mit ihren Schulkameraden zwei Monate lang durchs Mittelmeer segeln. Wäre das nicht ein wunderschönes Erlebnis voller lustiger Abenteuer? Verstehen Sie was ich meine? Die Freude, die diese jungen Menschen dann empfinden, darin besteht der wahre Profit unserer Firma. Auf diesen Profit kann kein Staat eine Steuer erheben. Wir werden auf diese Art unser Kapital erwirtschaften, das man nicht mit Gold aufwiegen kann. Junge Leute konstruktiv zu inspirieren ist doch eine schöne Einstellung, finden Sie nicht auch Raul?“

„Das hört sich phantastisch an, Kapitän, darum ehrt es mich sehr, bei solch einem Projekt dabei zu sein. Die Frage, die ich mir stelle, wer soll das alles bezahlen? Auf Gott dürfen Sie nicht zählen, er versteht von der Wirtschaft der Menschen recht wenig.“

„Da täuschen Sie sich gewaltig, mein lieber Freund. Als die Mutter-aller-Dinge das Universum erschuf, fragte sie niemanden wer das bezahlen soll. Alles was die Lebewesen auf diesem Planeten vorfinden wird uns kostenlos geschenkt. Der Sinn des Lebens ist es, die uns geschenkte kreative Kraft in uns zum Leben zu erwecken, sich an unseren Leistungen und Erfahrungen zu erfreuen, um sie an die nächsten Generationen weiter zu geben. Allerdings seit die Männer ihre Gottheiten für die eigenen engstirnigen Bedürfnisse ersonnen haben, entwickelte sich die Sklavenwirtschaft als eine Notwendigkeit. Der Mammon ist ein unersättlicher Gott, der keine Skrupel kennt. Im Grunde genommen ist er ein schäbiger Straßenganove, den man in die Wüste verbannen sollte. Dort soll er die Sandkörner zählen, bis um ihn alles grün wird.“

„Sie sprechen in Rätseln, Kapitän. Ich würde gerne einen Abend mit Ihnen auf dem Deck der Mahuana sitzen und Ihnen zuhören. Es gibt viele Dinge, über die ich gerne mehr wissen möchte.“

„Das wird mir ein Vergnügen sein, Meister Raul. Fangen wir heute Abend damit an. Aber jetzt sollten wir uns unserer Arbeit widmen.“

Don war mit Arthur und Jerry verabredet einen groben Blick ins Innere des Verwaltungsgebäudes zu werfen, auch um nach alten Katasterzeichnungen zu suchen. Die Werft selbst hatte schon beachtliche Ausmaße erreicht, aber das Brachland dahinter erstreckte sich in der Länge bis zum Hügel hinauf. In dem oberen Stockwerk des Gebäudes roch es nach altem Papier und Ausdünstungen dreier Generationen von verschwitzten Leibern, die hier Tag um Tag arbeiteten. Sie öffneten die Fenster soweit es ging, weil verschmutzte Scheiben die Sicht nach draußen stark beeinträchtigten.

Don stand an einem der Fenster. Er atmete nicht nur die frische Bergluft ein, sondern bewunderte auch die üppige Landschaft die sich vor ihm ausbreitete. In seiner Phantasie stellte er sich schmucke Häuschen mit Vorgärten vor, die sich wie Perlen am Berghang aneinander reihten. Ein Zuhause für die Mitarbeiter der Werft, der Marina und den Schulen. Denn von da oben konnten sie den schönsten Blick hinunter aufs Meer genießen. Auch für die Kinder sollte gesorgt werden, mit Spiel- und Sportplätzen, Kindergarten und Grundschule.

An dem flachen Hang etwas unterhalb auf dem die Schafe grasten, stellte er sich Treibhäuser vor, die den Bedarf an Gemüse, Früchte und Blumen für die Menschen decken sollen. Erst danach würde eine Straße angelegt, die die Werft umrundete und bei der Marina in einen großen Parkplatz endete. Das Institut für Maritime Forschung und Entwicklung fände reichlich Platz zwischen der Werft und der Marina. Seine Gedanken rasten über das Gelände wie eine Schar hungriger Vögel, die die Landschaft nach Essbarem absuchten. Für kurze Zeit hielt er inne, um einen Gebäudekomplex zu entwerfen. Dann flogen sie weiter zum nächsten Komplex.

Innerhalb weniger Minuten die Don aus dem Fenster schaute, erfasste er das gesamte Projekt in einer Art geistigen Hologramm. Als in diesem Moment Arthur und Jerry den Raum betraten kam ihm die Idee, seine Vorstellung in das Unterbewusstsein der beiden Partner zu transformieren. Seine Absicht war es die zwei Männer zu inspirieren, dieses Projekt in ihren Köpfen entstehen zu lassen. Die Beiden würden diejenigen sein, die diese Entwürfe den Architekten und Landschaftsgestaltern zur Ausarbeitung weiterleiten sollten. Don war nicht der Typ der an einem Fleck länger als einige Wochen ausharrte. In seinem Kopf rotierten so viele Projekte, dass er sie nicht zählen konnte. Er war zwar ein Entwurzelter, vergaß jedoch nie woher seine Wurzeln stammten. Arthur und Jerry dagegen blieben bodenständige Neuseeländer, die daran auch nichts ändern wollten.

Die Fenster in dem oberen Stockwerk waren viel zu schmal, als dass drei Männer hinaus schauen konnten. Aus diesem Grund stand jeder an einem Fenster ließ die Gedanken in die Ferne schweifen. Jeder entwarf seine Vorstellung von dem ihm vorliegende Gelände, aktiviert aus dem unterbewussten Gedächtnis. Beide sollten sich später wundern, wie dicht ihre Entwürfe übereinstimmten. Es erschien ihnen alles so leicht und selbstverständlich, weil Don noch viele Details in ihre Köpfe hinein projizierte. Kurz darauf begannen sie ihre Visionen zu artikulieren, wobei sie sich ergänzend übertrafen.

Don lächelte in sich hinein, er war sich dessen gewiss, dass die Uroma irgendwo in diesem Gebäude herumspukte. Vielleicht, wenn die Jungs sich weiter so entwickelten, könnte sie auf die Idee kommen auch sie auf die Stirn zu küssen. Ihm kam die Idee einen Komponisten aufzusuchen und ihm unter Hypnose ein Lied zu suggerieren. Anstatt

Küss mich, Baby sollte es heißen:

Küss mich, Oma, küss mich auf die Stirn,

ich brauche Klarheit in meinem verkorksten Gehirn... usw.

Das könnte der Schlager des Jahrhunderts werden, dachte Don und lachte laut auf.

„Worüber lachst du?“, fragte Jerry, der dadurch von seiner Vision abgelenkt wurde. „Du warst zeitlang in Gedanken vertieft, plötzlich fängst du an laut zu lachen.“

„Ach, ich habe ein Loblied über meine Uroma komponiert, dabei ist mir etwas Lustiges eingefallen“, antwortete Don noch immer von seiner Idee belustigt.

„Du hast eine Uroma, Mensch, lebt sie noch?“, griff Arthur den Faden auf. „Das hätte ich mir denken können.“

„Goldrichtig, Freunde, ich habe sogar eine sehr kluge Uroma, die sehr lebendig ist“, antwortete Don noch immer mit einem Grinsen im Gesicht.

„Sag bloß, der große Zaster kommt aus Uromas Schatulle?“, war Jerry neugierig geworden.

„So könnte man es auch definieren. Uromas Schatulle ist die richtige Umschreibung.“

„Dann muss sie wohl eine ziemlich große Schatulle haben, deine Uroma?“, meinte Arthur nachdenklich.

„Wollt ihr jetzt über die Schatulle meiner Uroma rätseln, oder eure Vision von der Werft fortsetzen? Ihr kümmert euch um die Arbeit und ich um den Zaster“, ermahnte Don seine neugierig gewordenen Partner.

„Wie auch immer, Don, wir rufen hier ein Projekt ins Leben, worauf deine Uroma ganz stolz sein wird“, meinte Arthur sehr überzeugt.

„Sehr gut gesagt, Arthur. Denkt daran, gegen elf Uhr sollen wir in der Anwaltskanzlei die Firmenverträge unterzeichnen, so schreibt es das Gesetz vor. Danach essen wir in meinem Hotel etwas zu Mittag. Ich hole meine Partner am Flughafen ab und wir treffen uns wieder hier.“ Don verabschiedete sich von seinen neuen Partnern und entschied gleich ins Hotel zu fahren.

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Im Hotel angekommen reichte ihm der Concierge erfreut den Zimmerschlüssel. Diesmal wollte Don mit ihm kein Schwätzchen wie gewohnt halten, weil er es eilig hatte möglichst schnell mit seinen Freunden zu sprechen. Deshalb erstellte er seinen VIRDULA-Bildschirm am Badezimmerspiegel, suchte gezielt Edy und Erol auf. Er ging davon aus, dass sie die Schiffsroute von Brisbane Richtung Papua-Neuguinea genommen hatten. Sie dürften inzwischen mehr als zehn Tage unterwegs sein, überlegte er. Die Markierungen auf der Seekarte des Bildschirms zeigten die Positionen der VIRDULA Steinchen an, die sie unterwegs an markanten Punkten ins Meer fallen ließen. Don verfolgte diese Route, dabei zählte er genau dreizehn Punkte. Demnach mussten sie jetzt in der Provinz East New Britain angekommen sein. Er zoomte das Hafenbecken von Rabaul und wurde tatsächlich fündig.

Beide Yachten lagen unweit voneinander vor Anker. Der Hafen war nicht überfüllt, sogar der Royal Yachtclub der Upperclass von Rabaul war nur halbwegs belegt. Raue Zeiten sind auch hier angebrochen, dachte Don. Aus der Vogelperspektive betrachtet lag das Hafenbecken inmitten einer zerklüfteten Vulkanlandschaft. Sechs aktive Vulkane zählte er auf den ersten Blick. Er zoomte weiter und bekam jetzt die beiden Yachten seiner Freunde gut zu sehen. Auf dem Deck des Trimarans entdeckte er niemanden, aber der Schooner von Edy zeigte Leben. Don zoomte weiter bis die Yacht in Großaufnahme zu sehen war. Edy stand achtern an der Reling zur Steuerbordseite und gestikulierte mit den Händen, als wenn er sich mit jemandem unter dem Sonnensegel unterhielt. Er vergrößerte das Bild weiter und betrachtete die Szene, als würde er hinter Edy stehen. Das Bild zeigte jetzt einen großen Tisch, an dem Lore, Alida und Erol saßen, die gerade eine große Wassermelone schlachteten. Um sicher zu gehen, dass keine anderen Leute auf dem Schiff verweilten, durchlief Don den Salon, die Kojen und das Crew Quartier. Er schaltete auf Ton und hörte eine gute Minute lang zu, worüber sie sich unterhielten. Edy erzählte von dem gewaltigen Vulkanausbruch des Berges Tavurvur im Jahre 1937, der Rabaul mit Vulkanasche zudeckte und dadurch fünfhundert Menschen grausam umgekommen waren. Don entschied die Diskussion zu unterbrechen und ließ die Schiffsglocke bimmeln.

„Hallo Freunde, was macht ihr in Neu-Pommern? Das ist doch die heißeste Bucht der Welt“, rief Don laut, damit er sich Gehör verschaffen konnte. Er schickte auch eine Lachsalve hinterher.

„Hallo zurück du alter Seemann?“, riefen alle im Chor, als hätten sie sich abgesprochen. „Wo steckst du denn?“ Sie freuten sich offensichtlich sehr, endlich ein Lebenszeichen von ihm zu erhalten.

„Ratet mal, wo ich bin, ihr Schmusetöpfchen. Da gibt es eine große Überraschung zu sehen.“ Don schickte noch mal eine Lachsalve hinterher. Alida und Lore räumten schnell die Teller mit der Wassermelone weg, um den Tisch frei zu bekommen. Als auch sie den Bildschirm auf der Tischplatte erstellt hatten, rief Erol:

„Was, du hockst auf dem Klo und schämst dich nicht den Damen gegenüber? Hast du keine Manieren... hahaha?“

„Ich bin im Hotel Leute. Mein Badezimmer ist der einzige sichere Ort, sich vor dem Servicepersonal zu retten. Die wollen mir dauernd irgendetwas Gutes antun, sobald ich die Suite betrete. Wo ist eigentlich eure Mannschaft? Ich sehe keinen an Deck.“

„Die haben wir zum Landgang überredet, weil wir ein Lebenszeichen von dir erwarten. Hoppla, jetzt wissen wir, wo du steckst, du Schlawiner. Was machst du in Wellington?“, rief Edy aus.

„Forscht weiter, und ihr werdet es bald herausfinden.“

„Sag bloß, du hast eine deiner Damen in Neuseeland aufgesucht, oder eine Achtzig-Fuß-Dame neu kennen gelernt?“, zwitscherte Alida dazwischen.

„Hallo, Schwesterchen, wie geht es euch beiden Borddamen? Habt ihr soweit alles überstanden?“, wandte sich Don an Alida und Lore.

„Besser als wir es uns erhofft haben, Don. Als hätten wir unser ganzes Leben nur auf Segelschiffen verbracht. Es ist unglaublich aufregend, fast wie ein Traum“, antwortete Lore begeistert.

„Ihr seid auch aus ganz anderem Holz geschnitzt als die meisten Damen. Ich bin ganz stolz auf euch beide. Wie vertragt ihr euch mit der Crew?“

„Das sind eigentlich ganz brave Jungs. Wenn sie nicht gerade essen oder Wachdienst leisten, dann schlafen sie. Sie haben kaum Sinn für Romantik auf hoher See.“

„Don, ich habe dich gleich. Ich sehe im Bild eine Werft und auf dem Slip eine ehrwürdige alte Dame. Das ist aber ein sehr schönes Schiff. Ist das der Grund deiner Reise nach Wellington?“

„Die alte Dame ist gerade drei Jahre alt. Die Werft samt umliegender Landschaft gehört uns, Leute. In etwa drei bis vier Wochen segle ich hinter euch her. Ich will sie in Taiwan umrüsten und mit euch einige Zeit dort verbringen. Sorgt dafür, dass ich einen ruhigen Slip bekomme.“

„Einen wunderschönen Klassiker hast du gefunden, Don. Wir werden auf dieses Ereignis heute Abend ein Fest veranstalten. Alles was wir dir noch wünschen ist eine seefeste Schmusebraut.“

„Danke, meine Freunde, das weiß ich zu schätzen. Wann habt ihr vor aus diesem Vulkanhafen auszulaufen?“

„Gleich morgen früh werden wir weiter segeln bis nach Palau. Von dort direkt nach Taiwan. Es sei denn, die Wettervorhersage kündigt einen Taifun an.“

„Dann wünsche ich euch gute Fahrt, bis bald und auf Wiedersehen.“

„Moment mal, nicht so eilig, Seemann. Hast du in der Yacht was hinterlassen, damit wir durch sie spazieren können?“

„Das habe ich getan, nicht nur in der Yacht, sondern auch in der Werft. Ich weiß doch wie neugierig ihr seid, außerdem teile ich alles mit euch, nicht nur freudige Ereignisse. Ich habe auch fünf identische Yachten bestellt. Die Werft wird modernisiert, eine neue Marina, ein Institut für Maritime Forschung und Entwicklung samt Schule, sogar eine angrenzende Siedlung für die Mitarbeiter werden gebaut. Heute unterschreibe ich die Verträge und hole Malek und Benjamin vom Flughafen ab. Morgen verhandeln wir mit einer kleinen Privatbank, die wir auch übernehmen werden.“

„Donnerwetter, Don, du wirbelst ganz schön was auf, das muss man dir lassen. So schön es ist die ausgedehnte Reise auf hoher See zu genießen, so sehr vermissen wir alle die aufgeregte Betriebsamkeit in Brisbane. Aber Gisela und Ernst sind voll dabei alles zu regeln. Ezra kümmert sich um die Werft und Ahem verhandelt mit den Umweltschützern. Trotzdem möchten wir am liebsten überall zur gleichen Zeit sein.“

„Entspannt euch, ihr Schmusetöpfchen, und genießt die Reise. Wir haben unser ganzes Leben vor uns und machen alles Schritt für Schritt. Eile mit Weile sozusagen. Jetzt muss ich gehen, Leute, die Anwälte warten ungeduldig. Macht’s gut, ihr Lieben.“

„Wir vermissen dich, Don“, schrien alle im Chor.

Don löschte das Bild, erfrischte sein Gesicht mit kaltem Wasser und trocknete sich mit dem Handtuch ab. So ist das eben, wenn man sich große langfristige Werke vornimmt, dachte er. Man ist froh gleichgesinnte Menschen als Freunde zu haben und die Freundschaft auf kurze Begegnungen zu akzeptieren.

Er dachte an die bevorstehende Begegnung mit den neuen Freunden, den Anwälten, die die Verträge bereitstellten. Demnächst würden mehr Leute in sein Werk einbezogen sein und andere Anwälte weitere Verträge bereithalten. Er würde mit vielen Unternehmen Partnerschaften eingehen und ein stiller Teilhaber von Objekten und Ländereien werden. Bei allen diesen Verbindungen ging es ihm persönlich nicht um den Besitz, sondern um die Gesinnung die er den mitwirkenden Menschen übermitteln wollte.

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Die Anwaltskanzlei war feierlich geschmückt, als wenn dieser Tag ein Feiertag wäre. Die Kanzlei bestand aus drei jungen Anwälten und zwei Sekretärinnen, die dieses große Ereignis in festlicher Umgebung zelebrieren wollten. Ein so großes Projekt jemals zu verhandeln, davon hatten sie sich nie getraut zu träumen. Doch jetzt schien sie der unvorstellbare Traum doch eingeholt zu haben. Rechnete man noch die anstehende Bankübernahme dazu, war das schon ein gewaltiger Sprung in ihrer jungen Karriere. Die Zeremonie vollzog sich innerhalb einer halben Stunde. Die Damen des Hauses brachten gekühlten Champagner mit passenden Gläsern dazu. Alle prosteten auf eine lange fruchtbare Freundschaft an, man besiegelte sie mit einem kräftigen Händeschütteln und Schulterklopfen. Ein Zeitungsreporter tauchte plötzlich aus dem Vorzimmer auf, machte Fotos von den Damen und Herren und das war’s dann schon.

„Da wir dabei sind ein Projekt von solch einer Größe ins Leben zu rufen“, verkündete Don feierlich, „möchte ich dieser Kanzlei noch eine Kleinigkeit anvertrauen.“ Die Anwesenden horchten auf und schauten ihn erwartungsvoll an, denn alle waren gerade dabei das erste Wunder zu verdauen.

„Wie Sie alle wissen, bin ich nur ein stiller Teilhaber, der es vorzieht den aktiven Partnern freie Hand zu lassen. Allerdings wünsche ich mir auch von dieser Kanzlei vertreten zu werden. Ich werde in den nächsten Tagen eine Sondervollmacht verfassen, wonach zwei Mitglieder dieser Kanzlei mich im Vorstand einer wohltätigen Stiftung vertreten werden. Sämtliche Gewinnausschüttungen aus diesem Unternehmen, die meinen Anteil betreffen, stelle ich dieser Stiftung für wohltätige Zwecke zur Verfügung.“

„Und wovon wollen Sie leben, Mr. Don José?“, fragte erstaunt eine der jungen Damen.

„Von Luft und Liebe natürlich, verehrte Karin“, antwortete Don und lächelte sie verführerisch an. Die Spannung löste sich in ein schallendes Lachen auf, worauf sich das Gesicht der jungen Karin verlegen errötete.

„Spaß bei Seite, junge Dame. Ich möchte ein ernsthaftes Gespräch mit euch beiden führen. Die Stiftung soll sich im Wesentlichen mit Förderungsprogrammen nützlich machen, die feminine Sozialproblematik zum Inhalt haben. Wenn ihr damit einverstanden seid, erkläre ich alle Details heute Abend beim Essen.“ Weil sich die Anwälte verwundert anschauten, fügte er hinzu: „Heute Abend haben wir noch zwei weitere Gäste aus Brisbane, daher reserviere ich im Hotel für zehn Personen. Meine Herren, wir feiern heute ein großes Fest, deshalb sind Sie alle meine Gäste.“

„Hoch lebe unser großzügiger Teilhaber Don José“, rief die schon ein wenig angeschwipste Donna und trank ihr Glas leer. Die anderen machten es ihr begeistert nach.

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VIRDULA Endlosgeschichten Band 2 - Die Mutter aller Dinge

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