Читать книгу VIRDULA Endlosgeschichten Band 2 - Die Mutter aller Dinge - Jay H. Twelve - Страница 7

2. KUKY, DER STAATSANWALT UND DER BISCHOF

Оглавление

Kuky der Buschpilot landete die Privatmaschine der Delphin & Albatros Airline gegen drei Uhr nachmittags auf dem Flughafen von Wellington. Es dauerte eine Viertelstunde bis die Formalitäten erledigt waren, dann gingen Malek, Benjamin und Kuky in Richtung Ausgang. Don der schon frühzeitig in der Ankunftshalle saß, blätterte in der Tageszeitung. Erstaunlicherweise las er auf der dritten Seite einen Artikel, der die Schicksalsfrage von Indianerkindern in Kanada behandelte. Der kurze Artikel befasste sich lediglich mit der Debatte im Parlament, wobei die Frage, ob eine Untersuchungskommission gebildet werden sollte, offen gelassen wurde. Gerade als er den Artikel zu Ende gelesen hatte, erblickte er die drei Freunde, die auf ihn zu marschierten.

„Hallo, alter Seemann“, rief Kuky, der vorauseilte. Ihn plagte ein wenig sein schlechtes Gewissen wegen der Affäre mit den Opus Dei Ganoven, deshalb war er bemüht dieses Gefühl mit Humor zu überspielen.

„Hallo, Freunde, schön euch wieder zu sehen“, entgegnete Don, faltete die Zeitung zusammen, umarmte zuerst Malek, dann Kuky und zum Schluss Benjamin. „Wie war der Flug, Freunde?“

„Diesmal hatten wir keine extra Passagiere an Bord“, rührte Malek in Kukys Wunde. „Ich habe mich selbst überzeugt, dass keine tickenden Päckchen herumliegen.“

„Den ganzen Flug über sägten diese zwei Grünschnäbel so ziemlich an meinen Nerven“, protestierte Kuky entschieden zurück. „Kannst du etwas dagegen tun, sonst muss ich kündigen“, grummelte er mit einem gequälten Lächeln zurück.

„Ich sehe das eher von der guten Seite, Freunde, sonst hätte die Polizei keinen inflagranti erwischt“, versuchte Don zu beschwichtigen. „Deshalb kam der Staatsanwalt richtig ins Schwitzen im Angesicht des Bischofs. Lasst uns ins Taxi steigen und diese Geschichte begraben.“

„Was ist eigentlich aus diesen Schurken geworden? Nach kurzem Verhör bei der Polizei unterschrieb ich meine Zeugenaussage, das war alles. Danach habe ich nie etwas von einem Prozess gehört oder gelesen“, wunderte sich Kuky.

„Interpol hat sie abgeholt und sie wegen anderer Delikte nach Paris gebracht, so lautete zumindest die offizielle Presseerklärung des Staatsanwaltes“, kommentierte Malek. „Es würde mich nicht wundern, wenn sie inzwischen längst auf freiem Fuß sind. Ich frage Papa, der kann ein wenig nachforschen“, fügte er nachdenklich hinzu.

„Würde mich gar nicht wundern, wenn diese Schurken in Taiwan aufkreuzen. Wir müssen unbedingt Erol und Alida vorwarnen“, flüsterte Kuky mehr für sich, als dass er seinen Freunden etwas mitteilen wollte. Don blickte fragend Malek an. Er war besorgt, woher Kuky wusste, wohin die Schiffe unterwegs waren.

„Edy brauchte dringend zwei Wasserpumpen für den Diesel. In Rabaul konnte er keine auftreiben“, erklärte Malek.

„Wurden die Ersatzpumpen mit der Linienmaschine geliefert oder mit unserem Vogel?“, fragte Don gespannt.

„Mit der Linienmaschine, ich habe das organisiert“, antwortete Kuky, stolz auf seine guten Beziehungen zu einigen Flugkapitänen.

„Und du hast mit niemandem darüber gesprochen, Kuky?“

„Eigentlich schon. Der Staatsanwalt kreuzte einen Tag danach in meiner Bude auf. Er sagte, dass er gerade in der Nähe war, um nur Hallo zu sagen.“

„Soso, einen Tag danach sagtest du. Und nebenbei wollte er auch Hallo zu Erol und Alida sagen, nicht wahr, Kuky? Nur wusste er nicht, in welche Richtung er sein Hallo schreien sollte.“

„So ungefähr, er wollte wissen, wo er die beiden erreichen kann“, stotterte Kuky, merklich beunruhigt, weil ihm allmählich dämmerte, wie dämlich er wieder ins Fettnäpfchen getreten war.

„Kuky, Kuky, auf dich ist wahrlich Verlass. Wäre doch an der Zeit, dass du endlich erwachsen wirst“, meinte Benjamin spöttisch, weil jetzt auch ihm die Tragweite der Gefahr bewusst wurde.

„Ruhig Blut, Freunde“, griff Don in die Auseinandersetzung wieder ein. „Ich kenne Kuky schon länger als ihr. Auf Kukys Aufrichtigkeit war immer Verlass. Ich habe lediglich versäumt ihn aufzuklären im Bezug auf den Generalstaatsanwalt und die Meute, die ihn wie eine Kloake umspült. Das ist eigentlich mein Problem. Wenn wir im Hotel sind, werde ich euch einiges erklären müssen. Jetzt lassen wir den guten Mann in Ruhe.“ Das war eine klare Aufforderung an alle für den Rest der Fahrt zu schweigen.

Nacho der Concierge im Hilton wartete schon auf die angekündigten Gäste mit seiner Bellboy-Crew, die das Gepäck gleich in ihre Suiten beförderte. Don bettete seine Freunde genauso wie sich selbst.

„Macht euch frisch und kommt in einer halben Stunde in meine Suite. Dann sehen wir weiter“, sagte er.

Wieder in seiner Suite angekommen ging er gleich ins Badezimmer um sich zu erfrischen. Dabei bemerkte er, dass der Spiegel bläulich aufleuchtete. Der Bildschirm zeigte das Innere der Yacht, so wie er alles zuletzt gespeichert hatte. Die Crew schien noch nicht vom Landgang zurück zu sein, auch im Salon war niemand zu sehen. Don schaltete auf Ton und rief laut:

„Ahoi, Skipper, ist jemand an Bord?“ Kurz darauf hörte er ein Getrampel aus dem Niedergang dann schaute er in Edy’s verschmitztes Gesicht.

„Was gibt’s, Seemann? Ich bin momentan beschäftigt.“

„Bedaure aufs tiefste Edy euch stören zu müssen. Aber es hat sich etwas Unangenehmes ergeben, das ihr alle wissen solltet“, erwiderte Don.

„Wenn du das sagst, dann kann das Schmusen eine Weile warten. Erzähle mal, was ist passiert?“, brummte Edy und wickelte das bunte Badetuch etwas fester.

Don berichtete Wort für Wort, was ihm die Jungs erzählten, wobei er zugleich seine Bedenken hinsichtlich des Empfangskomitees in Taiwan hinzufügte.

„Die dämlichen Scheißknaben treiben es zu weit, Don. Diesmal werde ich sie alle in Eiszapfen verwandeln.“ Edy verstummte einige Sekunden, dann sprach er weiter.

„Weißt du, Don, was komisch an der ganzen Sache ist? Wir haben keine Ersatzpumpen angefordert. Alle Aggregate sind fast neu und für jedes Ding haben wir reichliche Ersatzteile. Du solltest mal überprüfen, wer diese Nachricht lanciert hat.“

„Das werde ich gleich machen, Edy. Alles was wir zu tun haben, sind einige Päckchen Kokain in ihre Hotelzimmer zu deponieren, und es dann durch die Detektive aus Brisbane der Polizei in Taiwan wissen lassen. Die Schurken werden aufgesammelt wie faule Äpfel und in den Mülleimer der Justiz geworfen. Kannst du von dort einen Flieger auftreiben, der dich vorab nach Taiwan bringt? Ich werde die Detektive in Brisbane überreden eine Woche Urlaub in Taiwan zu machen, um die Kerle dort aufzuspüren. Das geht auf Firmenkosten, Edy. Rein zufällig werden die Detektive die Kerle entdecken und sich mit der lokalen Polizei an sie heran machen. Es bleibt nur noch zu klären, mit wem sie sich dort treffen und was sie schon eingefädelt haben.“

„Klar doch, Seemann, wir werden schon das Biest in einen Dauerschlaf versetzen, darauf kannst du dich verlassen.“

„Berate dich mit Erol und den Damen, trommle eure Crew an Bord und haltet Wache rund um die Uhr. Bevor du nach Taiwan fliegst, sucht euch einen anderen Hafen aus. In dem seid ihr schon zu lange.“

„Aye, Aye, Kapitän, ein wenig Abenteuer wird uns auf Trab bringen. Wann bist du am besten erreichbar?“

„Nach dem Abendessen, so gegen Mitternacht. Ich habe Gäste eingeladen.“

„Falls ich nach Taiwan fliegen sollte, könnte ich Ezra als Ersatzskipper zur Verstärkung gut gebrauchen. Ich rede mal mit Samuel und Ezra drüber. Mach dir keine Sorgen. Dann bis Mitternacht.“

„Grüße die Damen herzlich von mir, bis dann, Skipper.“

Don löschte den Bildschirm und ging ans Telefon. Aus seiner Pfeifentasche holte er die Visitenkarten der beiden tapferen Detektive heraus. Er hoffte sehr sie noch in Brisbane zu erreichen, zumal es schon nach fünf Uhr nachmittags war. Als die Telefonverbindung zustande kam, setzte er sich in den Sessel, spielte mit der Visitenkarte zwischen den Fingern. Das Klingeln des Telefons dauerte ihm zu lange. Weil niemand abhob, unterbrach er die Verbindung. Auf der Rückseite der Karte entdeckte er eine handgeschriebene Telefonnummer mit dem Zusatz Home. Er wählte diese Nummer und wartete geduldig.

„Hallo, hier bei... Wer spricht da, bitte?“ meldete sich die Stimme eines kleinen Mädchens.

„Hallo, junge Dame, ich bin Kapitän Don José. Ich möchte deinen Papa sprechen. Ist er daheim?“

„Einen Moment, bitte“, antwortete das kleine Mädchen. Don hörte, wie die Kleine laut nach ihrem Papa rief, dann die obligatorische Frage: Wer will Papa sprechen?, darauf die kurze Erklärung der Kleinen.

„Guten Abend, Kapitän, das ist aber eine Überraschung. Was kann ich für Sie tun, Sir?“

„Guten Abend, mein Freund, ich habe in Ihrem Büro versucht Sie zu erreichen, aber niemand hob ab. Störe ich Sie in irgendeiner Weise?“

„Nicht im geringsten, Kapitän, ich freue mich sogar. Sie wissen also noch nicht, dass ich suspendiert bin? Mein Kollege übrigens auch“, gab er seufzend diese Information an Don weiter.

„Wieso denn das? Sie und Ihr Kollege haben gute Arbeit geleistet. Wie lange ist das her?“

„Etwa vor drei Wochen, seit Interpol die Kerle abgeholt hat. Wir haben die Presse darüber informiert, am Tag darauf folgte der Hammer.“

„Darf ich raten? Der Generalstaatsanwalt ermittelt gegen euch beide und hat auch die Kerle fliehen lassen, stimmt das so, Detektiv?“

„Haargenau, Kapitän, uns droht die Entlassung ohne spätere Pensionsansprüche. Darüber hinaus eine Zivilklage des Bischofs, weil wir in diesem Zusammenhang seinen Namen erwähnt haben. Milde gesagt, wir sitzen in dicker Kacke, Kapitän, dabei hatten wir uns eigentlich eine Beförderung erhofft.“

„Das ist alles halb so schlimm, mein Freund. Der Staatsanwalt und der Bischof sind miserable Schachspieler. Schauen Sie sich das Schachbrett genau an, mein Freund. Beide sind in Schachmattsituation, nur wissen sie es noch nicht. Diese beiden Schurken haben noch einen weiteren Schachzug unternommen, wovon Sie nichts wissen“, meinte Don belustigt und lachte auf.

„Sie machen mich neugierig, Kapitän. Was haben Sie noch in ihrem Ärmel, wovon ich nichts weiß?“

„Hören Sie jetzt gut zu, mein Freund. Vor etwa zwei Wochen erschien der Generalstaatsanwalt bei meinem Freund Kuky in dessen Bude am Flughafen. Er sei angeblich in der Nähe und wollte nur mal Hallo sagen.“

„Hoppla, das sieht ihm nicht ähnlich, Kapitän. Normalerweise zitiert er die Leute in sein Büro.“

„Eben, mit der Ausrede wollte er nur wissen, wo Erol und Alida zu erreichen sind, schlau nicht wahr?“

„Hoho, das kann ins Auge gehen. Das ist außerdienstliche Einmischung in die Privatsphäre der Bürger. Der hat sich echt zu weit über den Balkon gelehnt.“

„Ahnungslos erzählte mein Freund, unser Pilot Kuky, dass beide mit der Yacht auf dem Weg nach Taiwan sind. Das ist aber nicht alles. Ein paar Tage darauf erhält Kuky eine Nachricht angeblich von Erol, dass dieser dringend zwei Ersatzwasserpumpen für seine Dieselmotoren braucht.“

„Wow! Was Sie nicht sagen, Kapitän. Jetzt steckt er sogar in einer kriminellen Verschwörung.“

„So ist es, mein Freund. Aber auch das ist noch nicht alles. Kuky besorgte die Pumpen und überredete den befreundeten Flugkapitän der Linienmaschine sie nach Rabaul auf Papua Neuguinea mitzunehmen. Das Dumme bei der Sache ist, Erol hat keine Pumpen angefordert, er hat reichlich Ersatzpumpen an Bord der Yacht. Hören Sie jetzt auch die Alarmglocken bimmeln?“

„Und ob, das ist ja ungeheuerlich, die Kerle sind auf freiem Fuß und schon im Anmarsch hinter Ihren Freunden her. Haben Sie Erol erreichen können?“

„Das ist schon geschehen, sie sind in Alarmbereitschaft. Aber das reicht nicht, um die Beweise der Konspiration dem Richter vorzutragen. Informieren Sie Ihren Kollegen und rufen Sie den Polizeichef von Winton an. Morgen früh schicke ich Kuky mit unserem Flieger nach Brisbane zurück. Warten Sie gegen Mittag am Flughafen auf ihn. Mein Partner Ezra, der Marine Kommandeur, wird mitfliegen und reichlich Geld für Ihre Recherche mitnehmen. Diesmal werden wir sie alle auf einmal einsacken, auch Ihren Peiniger samt seinem Seelsorger, darauf dürfen Sie ihre Polizeimarke wetten.“

„Das hört sich vielversprechend an, Kapitän. Kann ich meinen Freund, den Reporter, auch mitnehmen?“

„Das dürfen Sie allemal, schließlich sollen zwei mutige Detektivhelden in einer Ballade besungen werden. Ezra meldet sich bei Ihnen morgen früh gegen acht Uhr, er wird wissen, wie es weiter geht.“

„Danke für Ihr Vertrauen, Kapitän. Sie wissen nicht, wie sehr mein Kollege und ich eine Genugtuung nötig haben.“

„Sie verdienen mehr als das, vor allem Anerkennung und Respekt. Bedenken Sie, dass die Ganoven kaltblütige Killer sind, deshalb reden Sie mit ihren Frauen darüber, bevor Sie eine Entscheidung treffen.“

„Die Warnung weiß ich zu schätzen, und mit meiner Frau rede ich sofort. Gute Nacht, Kapitän, und nochmals besten Dank.“

„Gute Nacht, mein Freund.“ Don legte den Hörer in dem Augenblick auf, als Malek in seine Suite kam.

„Don, ich habe mit Papa und Ezra gesprochen“, sagte er aufgeregt. „Ezra ist dabei die Akten des Staatsanwaltes durchzulesen und ein Kommando von Freiwilligen zusammenzutrommeln. Kann Kuky morgen zurückfliegen? Ezra will nach Rabaul zur Hilfe eilen.“

„Beruhige dich erstmal, Malek, ich habe auch schon daran gedacht. Erinnerst du dich an die zwei Detektive aus Brisbane? Sie sind vor drei Wochen beurlaubt worden.“

„Na siehst du, der Kuky hat doch Mist gebaut. Ich kann es förmlich riechen, er hat uns angelogen.“

„Nicht so hastig, Malek. Wir reden gleich mit Kuky, um die Wahrheit zu erfahren. Erst dann treffen wir unsere Entscheidung. Also beruhige dich und bring uns bitte ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank.“

Don stopfte eine Pfeife, ging zum Balkon und setzte sich in einen bequemen Sessel. Während er auf das kalte Bier und Malek wartete, ließ er beim Paffen der Rauchwölkchen noch einmal die wichtigsten Informationen der letzten Stunden, die er in Erfahrung brachte, Revue passieren. Als Malek auch auf den Balkon kam, war er mit seinen Gedanken soweit.

„Malek, irgendetwas an deiner Vermutung dürfte stimmen. Kuky ist weder ein Dummkopf, noch ein ahnungsloser Schwätzer. Als Privatpilot ist er mit allen Wassern gewaschen und durch und durch ein Überlebenskünstler. Das ist weiter nicht schlimm, weil heutzutage kaum einer ohne eine Prise Schlitzohrigkeit in seiner Branche zu etwas kommen kann. Er ist ein eingefleischter Einzelgänger und darauf getrimmt eigene kleine Geheimnisse für sich zu behalten. Mal angenommen, er hat in der Vergangenheit etwas ausgefressen, womit der Staatsanwalt ihn an den Kragen packen kann, dann ist es durchaus denkbar, dass er sich unfreiwillig kooperativ verhalten hat.“

„Genau das meine ich, Don. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass der Staatsanwalt zu seiner Bude rennt, um nur einfach Hallo zu sagen. Das passt nicht zu diesem arroganten Kerl.“

„Da wir uns bis dahin einig sind, trinken wir unser Bier solange es noch kalt ist. Prost, mein Freund mit der scharfen Nase.“

Sie tranken mit Genuss und schwiegen gespannt mit der Vorfreude der Weisen. Don blickte auf seine Armbanduhr. Er wunderte sich, wo die zwei, die noch kommen sollten, verblieben waren. Vom unguten Gefühl alarmiert rief er die Rezeption an.

„Nacho, mein Freund, hast du unseren Piloten Kuky gesehen?“, fragte er leise.

„Er sitzt an der Bar mit dem anderen. Sie streiten sich schon eine ganze Weile. Dein Pilot wollte wieder abreisen.“

„Sage den beiden bitte, ich erwarte sie sofort in meiner Suite. Danke, Nacho.“ Don legte auf und ging zurück zum Balkon.

„Stunk ist im Busch, Malek. Kuky wollte abhauen, aber Benjamin konnte ihn einholen. Sie sitzen an der Bar und streiten sich.“

„Dann müssen wir uns wohl nach einem neuen Piloten umsehen.“

„Abwarten, Malek, er muss vor lauter Gewissensbisse durchgeknallt sein. Das kommt in den besten Familien vor. Sie werden gleich kommen, und ich möchte dich bitten nur still zu sein und zuzuschauen.“

„Schön, meinetwegen wie du es haben willst“, antwortete Malek ein wenig gereizt. Kurz darauf klopfte es an der Tür und Benjamin zog förmlich den angetrunkenen Kuky ins Zimmer.

„Don!“, rief Benjamin von der Tür aus. „Dieser Kerl wollte abhauen, stellt euch das mal vor, einfach in den Flieger und weg.“

„Wollte ich nicht, Kapitän, Ehrenwort. Nicht mit eurem Flieger, mit der Linienmaschine, das musst du mir glauben, Don!“

„Du konntest also nicht ertragen als Lügner entlarvt zu werden, anstatt wie ein Mann die Wahrheit zu sagen.“

„Die Wahrheit ist, der Scheißer hält mir das Messer an die Gurgel, seit ich meine erste Aussage in seinem Büro gemacht habe.“

„Er erpresst dich also und du warst zu feige es mir zu sagen. Schade Kuky, ausgerechnet deine Freunde hintergehst du. Stattdessen hilfst du deinem Peiniger ein kriminelles Ding zu drehen. Was denkst du wie es mit dir weiter gehen soll? Es wird Zeit uns endlich die Wahrheit zu sagen, damit wir dir aus dieser Sackgasse helfen können. Oder ziehst du vor deine Heuer zu kassieren, um dann das Weite zu suchen?“

Don schaute Kuky tief in die Augen dabei hypnotisierte er ihn augenblicklich. Ohne das Malek und Benjamin es bemerkten, machte er eine kurze Handbewegung, als wollte er eine Fliege vertreiben. Kuky stand noch immer wie versteinert da. Irgendetwas musste jetzt geschehen. Ganz unbemerkt projizierte Don einen kleinen Bildschirm auf seine rechte Handfläche. Das Bild zeigte das Büro des Staatsanwaltes, in dem drei Menschen über den Tisch gebeugt eine Seekarte studierten. Die Seekarte zeigte die New Britain Inselgruppe im Bismarck Archipel. Don beobachtete Kuky, der noch immer wie angewurzelt da stand.

„Wenn du die Gelegenheit hättest dem Staatsanwalt etwas ins Gesicht zu sagen, was würdest du ihm zuerst sagen?“, fragte Don mit einer sehr ernsten Miene. Kuky der auf einmal begriff worum es ging, antwortete leise:

„Ich würde ihm sagen dass er ein mieser Erpresser ist und er sich zum Teufel scheren soll.“

„Jetzt stell dir vor du stehst tatsächlich vor diesem Mann, was würdest du ihm dann sagen?“

Kuky überlegte kurz, er schien allen Mut zusammenzureißen und rief: “Du Hosenscheißer, du bist ein mieser Verbrecher und Erpresser! Geht beide zum Teufel, du und dein Bischof!“

„Genau das wirst du ganz laut sagen, wenn ich dir ein Handzeichen gebe“, sagte Don. „Pass auf Kuky, achte auf meine rechte Hand.“

Don schaute auf seine Handfläche, er sah die drei Männer die noch immer aufgeregt über der Seekarte diskutierten. Dann machte er die Handbewegung, worauf Kuky gewartet hatte. In diesem Moment, als Kuky losbrüllte, hielten die drei Männer wie vom Blitz getroffen inne. Das Brüllen war ohrenbetäubend, als käme es aus allen Ecken zugleich. Der Schock löste Panik aus. Sie suchten verzweifelt nach der versteckten Stimme.

„Wiederhole es noch drei mal, Kuky“, befahl Don worauf Kuky sich befreiend die Seele aus dem Leib schrie.

Während die drei Männer unter Schock standen, sie nicht erkennen konnten woher die Stimme kam, sprang plötzlich die Tür auf und zwei uniformierte Polizisten standen mit gezogenen Waffen vor ihnen.

„Was geht hier vor?“, schrie ein Polizist die Männer an. Weil niemand vor Schreck antwortete, schrie Don im Geiste laut in seine Handfläche: „Ich bin der allmächtige Gott. Ich befehle euch diese drei Männer zu verhaften und zwar sofort.“

Er konnte sich kaum den Lachanfall verkneifen, als er die Polizistengesichter sah. Beide ließen die Waffen fallen und rannten weg, gefolgt von den drei Männern. Innerhalb von Sekunden war das Büro leer.

Don legte seine Hand beruhigend auf Kukys Schulter, der noch immer nicht begreifen konnte was mit ihm geschehen war. „Siehst du, Kuky, mein Freund, so ein Urschrei befreit die Seele. Komm wir trinken ein Bier und hören was du uns zu sagen hast. Setz dich zu uns, die frische Luft wird dir gut tun.“

Malek stand auf um Bier zu holen. Im Vorbeigehen flüsterte er zu Don: „Du Witzbold, ich weiß, was du angestellt hast.“ Kurz darauf kam er mit frischem Bier für alle zurück und klopfte Kuky freundschaftlich auf die Schulter.

„Das hast du gut gemacht, Kuky. Du darfst dich jetzt nie mehr im Büro des Staatsanwaltes blicken lassen, sonst springt der Kerl noch aus dem Fenster direkt in die Tiefe.“

Kuky setzte die Bierflasche an, die er in einem Zug leer trank, als wollte er auf diese Weise seine belastende Vergangenheit für immer hinunter spülen.

„Er hat es nicht gehört, der Scheißkerl“, antwortete Kuky und wischte sich den Bierschaum vom Mund.

„O doch, mein Freund, er hat es schon gehört. Gleich wirst du in den Nachrichten davon hören. Malek schaltete den Fernseher ein dabei leuchtete der Bildschirm bläulich auf. Don projizierte ein Bürozimmer auf den Bildschirm. Kuky setzte sich interessiert aufs Sofa.

„Das ist das Büro des Staatsanwalts, das erkenne ich doch“, rief er entsetzt.

Don ergriff die Initiative und mimte im Geiste den Nachrichtensprecher: „Meine verehrten Zuschauer. Soeben ereignete sich ein ungewöhnlicher Vorfall in dem Gebäude des Justizministeriums. Dieser Vorfall ist nicht nur ungewöhnlich, sondern höchst mysteriös. Laut Zeugenaussagen brüllte eine männliche Stimme so laut, dass es in allen Räumen zu hören war. Die Zeugen behaupteten, die Stimme sei aus allen Ecken zugleich gekommen. Sie sei so mächtig gewesen, dass die Fensterscheiben erzitterten.“

Jetzt zeigte der Bildschirm die Szene mit den zwei Polizisten, die in das Büro stürmten.

„Diese zwei Beamten, meine Damen und Herren, erhielten den Befehl, den Staatsanwalt und seine zwei Assistenten sofort zu verhaften. Wie Sie selbst sehen können taten sie es nicht, sondern suchten in ihrer schieren Panik das Weite.“

Kuky starrte wie gebannt auf den Bildschirm. Der Nachrichtensprecher setzte seinen Bericht fort:

„Die Polizei ist unterwegs den mysteriösen Vorfall zu klären. Wir melden uns mit weiteren Details später wieder.“ Das Bild löste sich auf, aber Kuky sprang hoch.

„Don, bin ich so besoffen dass ich weiße Mäuse sehe, oder bin ich durchgeknallt? Ich kann es nicht fassen, dass es wirklich wahr sein soll. Wie können die Nachrichten das Ereignis so schnell berichten?“ Er setzte sich wieder und suchte verzweifelt nach irgendjemandem, der das bestätigen konnte.

Benjamin stand die ganze Zeit auf dem Balkon. Er betrachtete ausgiebig die Großstadt mit ihren grünen Vororten. Ihm war das ganze Theater mit Kuky ziemlich peinlich. Malek dagegen schaltete den Fernseher erneut ein. Wieder war das Büro des Staatsanwaltes zu sehen doch diesmal durchsuchten viele Männer nach versteckten Mikrophonen. Akten lagen verstreut auf dem Tisch und auf dem Boden. Schränke wurden durchsucht, manche Männer kletterten auf die Stühle und klopften die Wände ab.

„Siehst du, Kuky, was dort los ist? Du hast die Leute ganz ordentlich in Angst und Schrecken versetzt“, sagte Malek. „Benjamin!“, rief er laut, „komm, schau dir diese Szene an und sage Kuky, was dort im Bild passiert.“

Benjamin kam widerwillig der sich schweigend neben Kuky setzte. „Ich sehe einen Raum, in dem Männer nach irgendetwas suchen“, sagte er trocken.

„Na, siehst du, mein Freund“, sprach Don beruhigend. „Du bist nicht durchgeknallt. Das, was wir sehen passiert wirklich im Büro des Staatsanwaltes. Du hast seine Telefonnummer, rufe ihn einfach an.“

Noch immer zweifelnd wollte Kuky entschlossen der Sache nachgehen. Er stand auf, ging zum Telefon dabei zog er unterwegs seine Geldbörse aus der Hosentasche. Er entnahm einen kleinen, zusammengefalteten Zettel auf dem die Telefonnummer stand. Aufgeregt drückte er den Hörer ganz fest an sein Ohr, als befürchtete er, etwas zu überhören. Als das Telefon klingelte, drehte er sich geschwind zu dem Fernseher um, weil der Klingelton so laut schallte. Einer der Männer im Büro räumte einige Ordner weg, die auf dem Telefon lagen, hob den Hörer ab und meldete sich. In diesem Augenblick brüllte Kuky los.

„Wo ist dieser feige Hosenscheißer und seine zwei Ganoven?“ Das Brüllen war nicht nur im Telefonhörer zu hören, sondern erfüllte das ganze Büro. Die Männer blieben wie angewurzelt stehen, was Kuky ermutigte noch weiter zu schreien.

„Die zwei Männer, die mit diesem verfluchten Staatsanwalt im Büro waren, planen einen Anschlag auf meine Freunde. Das sind die gleichen Ganoven, die auch die Bombe in mein Flugzeug gelegt haben“, schrie er von Wut gepackt. „Sucht die Bande und verhaftet sie alle drei, sonst brülle ich so laut, dass die Bude auseinander platzt!“ Das zeigte Wirkung auf die erschrockenen Männer, die von Panik ergriffen ebenfalls das Weite suchten. Im Nu war das Büro leer. Kuky, sichtlich enttäuscht, knallte den Hörer auf die Gabel.

Malek ging auf Kuky zu, legte ihm den Arm um die Schulter und zog ihn zum Balkon hinaus. „Beruhige dich jetzt, trink erstmal ein Bier. Du hast sie alle zu Tode erschreckt. Das reicht für heute.“

Das Bild im Fernsehen zeigte noch immer das leere Büro und ein Durcheinander von Büchern und Akten. Erst jetzt erkannte auch Benjamin, dass irgendetwas an dem Theater extrem unnatürlich war. Er rieb sich mit beiden Händen die Augen, atmete tief ein und hob den Kopf.

„Don, ist das alles wirklich passiert, oder stehe ich unter irgendeiner Droge? Das kann ich einfach nicht logisch erklären. Bitte, Don, sage mir die Wahrheit.“

„Die Wirklichkeit Benjamin, höre auch du genau zu, Kuky, die Wirklichkeit ist das, was unsere Wahrnehmungssinne uns vermitteln, als unser unmittelbares Umfeld. Unsere Wahrnehmungssinne ticken sozusagen in einer bestimmten Frequenz, so ähnlich wie der Fernsehapparat. Wir sehen das Bild auf dem Bildschirm und denken, es könnte ein Film sein oder eine Live-Übertragung, so genau wissen wir es beim Fernsehen nie. Genau so wie der Fernseher manipuliert sein kann, kann die Wirklichkeit auch entstellt werden. Was uns unsere Wahrnehmungssinne vorgaukeln sind nichts weiter als pulsierende Energieteilchen, die nach einem universellen Programm auf einer für uns abgestimmten Frequenz von uns empfangen werden. Deshalb sehen wir die Welt um uns herum, die man anfassen, riechen, hören, empfinden kann.

Die Wahrheit, meine lieben Freunde, ist der lustigste Teil davon. Die Wahrheit ist, diese unsere Wirklichkeit gibt es gar nicht. Alles, was wir als unsere Außenwelt empfinden, bzw. durch unsere Sinne wahrnehmen, existiert gar nicht wirklich. Es ist lediglich als Programm in unseren Zellen gespeichert. In jeder einzelnen unserer Zellen ist das ganze gigantische Universum als Softwareprogramm installiert. Schlicht und einfach gesagt: Wir sind ein Produkt unserer eigenen Phantasie. Habt ihr das jetzt kapiert?“, fragte Don belustigt.

„Nicht die Bohne, Don, das ist mir zu hoch, muss ich ehrlich sagen“, meinte Kuky und blickte zu Benjamin hinüber, der in Gedanken vertieft den bunten Teppich anstarrte. „Was meinst du, Benjamin?“, wollte er seine Meinung dazu wissen. Benjamin hob den Kopf und schaute Kuky gedankenverloren an.

„Spaß bei Seite, Don, das nehme ich dir nicht ab. Das Universum ist gigantisch, das passt gar nicht in die Tüte. Außerdem leben wir in einer Welt der Materie, in der schon alles nach Atomstrukturen aufgebaut ist. Ich gebe zu, die Illusionisten kennen einige Tricks, um die Leute zu amüsieren, aber das ist schon alles. Die großen Meister der Illusion verraten nie ihre Tricks, und so werde ich dich nicht weiter nach deinen Tricks ausfragen.“

„Na gut, Leute, lassen wir es dabei. Heute Abend feiern wir eine Party mit meinen neuen Freunden und Partnern im hiesigen Geschäftsbereich. Es sind auch zwei junge Damen mit dabei. Das bedeutet, anständige Kleidung ist angesagt.“

Don beobachtete Kuky. Er ahnte was ihn diesmal bedrückte. „Kuky, du siehst aus wie ein gerupfter Emu. Malek wird dir einige Scheine geben, damit du dir eine echte Pilotenuniform besorgen kannst. Du bist doch unser Flugkapitän und kein Grashüpfer. Concierge Nacho wird wissen, wo so etwas aufzutreiben ist. Mach dich auf die Socken, sonst sind die Läden zu.“

„Und ich dachte ich bin gefeuert“, wunderte sich Kuky.

„Freundschaften kann man nicht heuern und dann feuern Kuky, es sei denn, es sind falsche Freundschaften. Der einzige, der heute meines Wissens gefeuert wurde, war der Generalstaatsanwalt, und den hast du gefeuert. Mach dass du weg kommst“, antwortete Malek und steckte ihm einige hundert Dollar in die Brusttasche. Dass er dabei auch ein winzig kleines Steinchen mit in die Brusttasche versinken ließ, davon ahnte Kuky nichts. So war eben der Malek, einer der es genau wissen wollte. Weil er und Benjamin die meiste Zeit mit Kuky im Flugzeug verbrachten, schien es ihm notwendig, demnächst diesem Freund genau auf die Finger zu schauen.

Kaum war Kuky weg, griff Benjamin das vorherige Thema wieder auf. Er brannte darauf zu erfahren, wie Don und Malek es schafften, diese Szenen im Fernsehen herzuzaubern. Immerhin erlebte er alles bei vollem Bewusstsein mit, aber verstanden hatte er es nicht. Daher fragte er nach.

„Mal angenommen, ich könnte mich mit euren Theorien über Wahrheit und Wirklichkeit anfreunden. Wieso seid ihr zwei in der Lage ein Fernsehgerät einzuschalten ohne es zu berühren? Ich habe genau beobachtet das Malek nichts angerührt hat.“

Benjamin erhob sich vom Sofa ging um den Teetisch, stellte sich vor das Gerät ungefähr so, wie es Malek getan hatte und berührte den Bildschirm. Er zuckte förmlich zusammen, als dieser kurz bläulich aufflackerte und ein Bild mit Ton erschien. Er sah Kuky der im Aufzug mit zwei älteren Damen im Gespräch zeigte.

„Ihr macht euch über mich lustig. Was ist das für ein Trick, Leute?“

„Amüsiere dich doch, Benjamin. Es ist nicht so wichtig, wie du das geschafft hast, sondern wozu. Hab doch ein bisschen Spaß dabei und schau, wie Kuky leibt und lebt. Du fliegst mit diesem Piloten oft nach Winton und zurück, dann musst du auch wissen, mit wem du fliegst“, ermunterte ihn Malek und fuhr fort: „Von Fernsehtechnik verstehst du auch nichts, und trotzdem sitzt du jeden Abend vor der Glotze und wechselst die Kanäle. Don und ich können eben mehr aus dem Gerät herauskitzeln und erweiterte Funktionen in Gang setzen. Das ist doch alles bloß Technik, Atome, Elektronen, Neutronen, Protonen, Spannungsfelder, Frequenzen, alles bloß lauter Fiktionen und Illusionen. Wann auch immer du das Anhängsel an einem Wort ...onen hörst oder auf dem Papier liest, denk daran, was das ist. Man hängt das immer dann dran, um etwas zu definieren, was keiner genau umschreiben kann. Wie bei Religionen. Jeder spricht von Gott und keiner vermag ihn/sie/es zu umschreiben. Und doch glaubt jeder zu wissen, was das sein könnte. Jeder für sich selbst reimt sich seine eigenen Vorstellungen und Theorien.

Es ist denkbar, dass wir unsere eigenen Vorstellungen und Theorien haben, wonach jeder von uns wie ein Gott handeln kann, wann immer wir es möchten. Auch ein einfacher Mensch zu sein und auf diesem Planeten in Frieden sein Leben zu genießen, wie du es am Beispiel von Kuky gesehen hast, ist nicht ohne Haken und Ösen. Leider gibt es Menschen, die nur krumme Sachen im Kopf haben. Du selbst als Zeuge der Affäre mit dem falschen italienischen Conti und den Dunkelmännern mit dem Kokaingeschäft, bist ein gezeichneter Mann. In einer anderen Affäre, in der Alida ihre Eltern verloren hat, steckten die gleichen Dunkelmänner dahinter. Sie ist die Zeugin einer Anklage, deswegen sind die Kerle schon seit langem hinter ihr her. Der Staatsanwalt und der Bischof stecken irgendwie zusammen mit diesen Meuchelmördern und haben Kuky erpresst. Kurz gesagt, wir alle sind auf der Liste dieser Strippenzieher und müssen uns gegen diese Ganoven schützen. Unsere kleinen illusionistischen Tricks helfen uns dabei ihre Absichten zu erfahren und rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten. Das ist eigentlich alles, Benjamin. Wenn du mehr wissen willst, werden wir dich weiter aufklären.“

„Danke, Malek. Es ehrt mich sehr, dass ihr mir so viel Vertrauen schenkt. Gleich am Anfang unserer Beziehung in Winton ist mir aufgefallen, dass Don ein außergewöhnlicher Charakter ist. Er handelt außerordentlich weise und hat in wenigen Tagen alles wieder ins Lot gebracht. Dann lernte ich dich Malek, deine Familie, Edy, Erol, Alida, Ernst, Gisela und zuletzt Lore kennen. Ihr alle habt etwas in eurem Verhalten, das mich gleichzeitig inspiriert und aufatmen lässt. Ihr strahlt eine Aufrichtigkeit und fast unnatürliche Sorglosigkeit aus, und meistert Probleme mit der Lässigkeit eines Mondwandlers. Erst heute ist mir bewusst geworden, dass ihr keine gewöhnlichen Menschen seid. Ich erlebte diese Theatervorführung mit Kuky und dem Fernseher wie in Trance. Wie in einem Science-fiction Film bringt ihr Sachen zustande, von denen keiner glauben kann, dass so etwas möglich ist. Wo auch immer ihr auftaucht, ihr wirbelt die Menschen auf. Ihr bringt neue Ideen, Schwung und könnt alles das aus der Westentasche bezahlen.

Ihr selbst zeigt kein Interesse an Geld, Luxus und sonstigem Zeug, womit sich die Neureichen so gerne schmücken. Ihr seid fast abartig großzügig und schenkt jedem eurer Freunde uneingeschränktes Vertrauen.“ Benjamin atmete tief durch und fasste Mut das Schlusswort auszusprechen: „Ihr seid alle so etwas wie die Engel auf Erden, oder bin ich vielleicht zu weit mit meiner Überlegung gegangen?“

„Ach Benjamin, du spinnst wohl, wir sind genauso wie du und viele andere, lediglich ein bisschen mehr weise. Das kann jeder werden, wenn man sich dazu entscheidet. Kugellager, die mit Anständigkeitsfett geschmiert sind, laufen ewig“, meinte Malek.

Don blickte zur Wanduhr und klopfte mit beiden Händen auf seine Knie.

„Freunde, es wird allmählich Zeit, dass wir uns an die Arbeit machen. Ich muss euch in die Details des hiesigen Projektes einweihen, damit ihr mit den Anwälten weiter kommt. Wir wollen morgen eine Bank übernehmen und den Finanzierungsplan für das Projekt gestalten. Das ist eure Aufgabe und daher hört genau zu.“

„Wir sind ganz Ohr, Kapitän, schieß los“, bemerkte Malek erwartungsvoll.

Don erklärte in kurzen Worten was er vorhatte. Er informierte die beiden über Zahlen und Konditionen, Vorgehensweise und langfristige Pläne. Zum Schluss übergab er ihnen die Verträge sie noch einmal durchzulesen und ging ans Telefon.

„Nacho, mein Freund und Helfer. Ich brauche einen Tisch im Restaurant für zehn Personen für zwanzig Uhr. Kannst du das für uns arrangieren?“

„Klar doch, Kapitän. Ich kann euch auch einen Konferenzraum einrichten lassen, dann seid ihr ungestört. Habt ihr einen besonderen Wunsch in Bezug auf die Speisen und Getränke?“

„Das mit dem Konferenzraum ist eine gute Idee. Was die Speisen anbelangt, so sage dem Chefkoch, er soll ein Überraschungsmenü zusammenstellen und gekühlten hiesigen Weißwein servieren. Danke Nacho, deine Dienste weiß ich sehr zu schätzen.“

„Gern geschehen Kapitän, und lasst es euch gut munden.“ Don legte den Hörer auf und wandte sich wieder den beiden Freunden zu, die sehr angeregt die Verträge kommentierten.

„Ich mache mir jetzt ein heißes Bad, das empfehle ich euch auch. Kurz vor acht treffen wir uns an der Bar.“ Damit war die Sitzung beendet.

--.--

Don erschien als erster an der Bar. Nacho kam gleich zu ihm und führte ihn in den festlich eingerichteten Konferenzraum.

„Soll ich die Gäste gleich hierher bringen? Es wäre natürlich vornehmer, wenn die Vorspeise serviert ist, und ihr so lange an der Bar wartet.“

„Das ist besser so, Nacho. Die Leute sollen sich erst mal kennenlernen.“ Don griff in seine Sakkotasche und zog ein fürstliches Trinkgeld für Nacho hervor.

„Danke, Nacho, auf dich ist immer Verlass“, bedankte er sich freundlich.

„Es war mir ein Vergnügen, Kapitän“, entgegnete er und ließ die Scheine in seiner Hosentasche verschwinden.

Als beide in Richtung Rezeption zurück kehrten, sahen sie wie Kuky mit einer Einkaufstüte den Aufzug betrat.

„Na also, Kuky hat es doch geschafft“, flüsterte Don und schlenderte wieder zur Bar. Dort bestellte er einen Gin Tonic, setzte sich in einen Sessel, denn die Barhocker waren ihm nicht bequem genug. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass er noch Zeit für eine Pfeife hatte. Als er die ersten Wölkchen genüsslich verteilte, war er sehr überrascht als die zwei jungen Damen aus der Kanzlei auf ihn zu kamen. Zu ihrer Überraschung zauberte er zwei rote Rosen aus seiner Sakkotasche und hielt sie ihnen wortlos entgegen. Sie warteten dass der Rosenkavalier sie mit Komplimenten begrüßte. Er aber schwieg und rollte nur mit den Augen. Als Don noch immer stumm da stand, ergriff Karin die Initiative.

„Danke schön, Mr. Don, sehr aufmerksam von Ihnen“, sagte sie ein wenig verwirrt. Auch Donna nahm die Rose überrascht entgegen. Sie wunderte sich über den schweigsamen Gentleman, der doch sonst immer so gesprächig war. Verwundert nahm sie seine Hand schüttelte sie heftig und fasste dann Mut sich zu bedanken. Aber Don rollte noch immer mit den Augen und sagte kein Wort. Jetzt wurde die Szene allmählich peinlich und die zwei Damen guckten sich fragend an. In diesem Moment konnte Don ein schallendes Lachen nicht mehr zurück halten. Er klatschte in die Hände, was auf die beiden Damen ansteckend wirkte. Sie lachten mit und klatschten ebenfalls in die Hände.

„Meine Damen, verzeihen Sie bitte mein Benehmen, Sie sind so bezaubernd anzusehen, dass es mir die Sprache verschlagen hat.“ Mit herzhaftem Lachen versuchten Karin und Donna ihr errötetes Gesicht zu kaschieren.

„Mr. Don, Sie sind ein ganz schlimmer Charmeur. Vor Ihnen sollte man sich in acht nehmen“, meinte Karin.

„Keine Bange, meine Damen, ich bin nie lange genug an einem Fleck, um zwei reizende Damen ernsthaft zu verführen. Wo sind Ihre verehrten Anwälte?“

„Die sind im Büro geblieben, als wir zum Friseur eilten“, antwortete Donna. „Vermutlich streiten sie sich noch immer über irgendeinen Paragraphen“, was die beiden Mädels veranlasste über ihren Witz zu kichern.

„Habt ihr zwei schon etwas zum Trinken bestellt? Ich trinke auf eure blühende Schönheit einen Gin Tonic“, verkündete Don der noch immer lachte.

„Wir schließen uns an, obwohl wir noch nie einen getrunken haben“, antwortete Karin etwas schüchtern.

Don ging zur Theke und bestellte drei Drinks, wenig Gin, viel Tonic auf Eis, während die Damen sich bemühten mit ihren engen Röcken die Barhocker zu erklimmen.

„Waren eure Anwälte sauer, dass ich euch zwei zu meinen Vermögens-Verwalterinnen vorgesehen habe?“

„Viel mehr, sie wundern sich ein wenig darüber, dass Sie uns so viel Vertrauen schenken, und wir übrigens auch. Sie kennen uns doch noch gar nicht“, meinte Donna.

„Macht euch keine Sorgen darüber. Euch wird das ganze nicht nur viel Spaß bereiten, sondern auch Ansehen verschaffen. Gerade weil ihr so jung und unvorbelastet seid, werdet ihr eure eigenen Ideen entwickeln. Ich möchte, dass ihr euch um die Waisenkinder und alleinerziehende Mütter kümmert. Ein Mutter-Kind-Dorf mit weltoffener Schule für die Heranwachsenden, Weiterbildung, Stipendien usw. Das sind nur Stichworte, über welche ihr beide demnächst nachdenken sollt. Ihr arbeitet weiter mit in der Kanzlei, die Betonung liegt auf mit und nicht für die Anwälte. Ihr arbeitet auch nicht für mich, sondern mit mir in der Stiftung. Ab dem nächsten Ersten des Monats erhaltet ihr eure Bezüge und Sozialleistungen von unserer Stiftung. Ihr beide habt freie Hand als meine Stellvertreterinnen weiteres Personal einzustellen, größere Büroräume zu mieten und nach eurem Geschmack einzurichten. Über alle diese Sachverhalte sollt ihr euch Gedanken machen. Ich gebe euch eine Woche Zeit über mein Angebot nachzudenken, ob ihr diese Aufgabe annehmen wollt. Es ist viel mehr Arbeit damit verbunden, als ihr euch jetzt denken könnt. Zwei meiner Freunde und Partner waren neulich in Kanada. Dort haben sie einige Orte besucht, in denen christliche Kirchen Sonderschulen für Indianerkinder eingerichtet haben. Eine entsetzliche Affäre mit etwa fünfzigtausend Toten und tausenden missbrauchten Kindern. Eine Schande der Menschheit in einem zivilisierten Land wie Kanada. Aber in Melbourne ist auch gerade etwas Schlimmes mit Waisenkindern passiert. Daher werdet ihr mit Alida reden müssen, sobald sie abkömmlich wird. Ich weiß nicht, welcher Konfession ihr zwei angehört, aber ich wünsche keine Priester und Nonnen, nicht einmal in der Nähe unserer Institutionen zu sehen.“

„Wer ist Alida, wenn ich fragen darf?“, wollte Karin wissen.

„Alida ist die Frau von Erol, beide sind meine Partner genauso, wie ihr es sein werdet, falls ihr euch für diese Aufgabe entscheidet. Sie wird euch einen Bericht von der Kanada Affäre zu lesen geben, damit ihr erfahrt, wie schlimm es werden kann. Die Pharmaindustrie ist besonders scharf darauf solche Kinderheime als ihre Versuchsobjekte zu missbrauchen, weil die Kinder sich nicht wehren können. In der städtischen Bibliothek wird bestimmt über dieses Thema einiges zu finden sein. Die zivilisierte Gesellschaft und die Upperclass können sehr barbarisch mit hilflosen Menschen umgehen, nicht nur mit Kindern und alleinstehenden Müttern. Eure Aufgabe wird es wohl sein, unseren Schützlingen ein würdevolles Leben und eine Ausbildung zu gewährleisten. Das ist eine große Aufgabe, die viel Mut und Verstand abverlangt. Darüber solltet ihr euch klar werden, meine bezaubernden jungen Damen.“

„Die Anwälte sind im Anmarsch, Mr. Don“, sagte Donna und sprang vom Barhocker.

„Setz dich wieder hin, Donna, wir sind nicht im Büro“, schubste Karin ihre Kollegin an. Donna rekelte sich wieder auf den Hocker zurück und streifte diesmal ihren Rock über die Knie. „So ist es brav, Partnerin, wir haben auch unseren Stolz.“

„Wir unterhalten uns weiter beim Essen, die Gäste kommen“, sagte Don und schritt dem jungen Anwaltstrio entgegen. So ging es weiter mit den restlichen Gästen. Don stellte sie alle untereinander vor. Er machte lustige Bemerkungen, orderte Drinks und bemühte sich mit jedem ein paar Nettigkeiten auszutauschen. Kuky kam als letzter. Frisch rasiert im teuren Pilotenzwirn gekleidet, strotzte er vor Stolz einer von Dons Gästen zu sein. Er rührte keinen Alkohol an, sondern trank nur Bitterlemon.

Don fasste ihn beim Arm und zog ihn zur Seite. „Kuky, wir haben eine eilige Aufgabe zu erledigen. Ezra braucht dich dringend in Brisbane, deshalb sollst du morgen früh gleich voll tanken, die Maschine inspizieren und direkt dorthin fliegen. Erschrick nicht, wenn du von Ezra und zwei Detektiven am Flughafen empfangen wirst. Du erinnerst dich an die beiden tüchtigen Detektive? Sie sind von deinem Exfreund Staatsanwalt vom Dienst suspendiert worden. Diese beiden brauchen deine Aussage bezüglich der Erpressung und Nötigung. Diesmal machen sie Nägel mit Köpfen, verstehst du? Die Detektive wissen nichts von dem Spuk, der sich im Büro des Staatsanwaltes abgespielt hat. Es ist denkbar, dass sie es von ihren Kollegen bald erfahren werden. Du hältst deine Klappe und sagst kein Wort darüber, verstanden? Nur Ezra darfst du über alle Details unterrichten. Du hast gesehen, wie wir den Fernseher mit dem Finger berührt haben. Jederzeit, wenn du mit mir, Malek, Ezra, Edy oder Erol kommunizieren möchtest, musst du nur den Fernsehschirm berühren. Das ist kein Witz und kein Trick Kuky, das ist unser Kommunikationssystem. Tu das aber nur, wenn du alleine bist, sonst funktioniert es nicht, merk dir das. Wir wissen jederzeit, wo du bist, und ob dir eine Gefahr droht. Fürchte dich nicht, vor niemandem. Wir sind immer in deiner Nähe, auch wenn du uns nicht sehen kannst.“ Don klopfte ihm auf die Viersterneschulter und zwinkerte mit den Augen. „Entspann dich jetzt, mein Freund, es gibt heute Abend ein Überraschungsmenü.“

„Ich danke dir, Don, du bist ein Mordskerl. Noch nie war mir so zum Heulen zu Mute, mein Freund. Ich gehe kurz zur Toilette und heule mich aus.“ Das tat er dann auch, fast im Laufschritt.

Don ging zurück zu den Partygästen, bemüht, seine eigenen Tränen unter Kontrolle zu halten. Malek erfasste die Situation, entschuldigte sich bei Jerry und Arthur und ging Don entgegen.

„Du bist gerührt das sieht man dir an. Was ist geschehen? Ist was mit Kuky?“, fragte er fast flüsternd.

„Er ist glücklich, Malek, und will sich im Klo ausheulen. Ich habe ihm gesagt, was ihn morgen in Brisbane erwartet, wenn er landet.“

„Das ist gut so, Don. Nimm dich zusammen, wir feiern heute große Dinge, denk daran.“

„Ist schon alles in Ordnung, Malek, ich mag den Kerl und weiß, wie ihm gerade zu Mute ist. Komm, erzähl mir einen Witz, damit wir lachen können.“

„Keine Witze, Don, wir haben Gäste, und du bist der große Meister.“

Der Chefkoch, mit schneeweißer Schürze und geknickter Kochmütze auf dem Kopf, erschien freudestrahlend und verkündete:

„Meine Damen und Herren, es ist angerichtet. Wenn Sie so freundlich sein möchten mir bitte zu folgen.“

In der Tat, im Nu bildete sich eine Polonäse von hungrigen Gästen, die in Richtung Konferenzraum marschierten, die es kaum erwarten konnten, vom Überraschungsmahl kosten zu dürfen. Don der beide Damen links und rechts neben sich platzierte, stand geduldig hinter seinem Stuhl bis alle Gäste Platz genommen hatten. Erst dann nahm auch er als Gastgeber am Kopfende des Tisches seinen Platz ein. Die Kellner entkorkten nacheinander die Weinflaschen. Mit professioneller Höflichkeit baten sie Don eine Kostprobe zu nehmen.

„Bedaure, meine Herren, ich verstehe wenig von Wein, aber mein Freund Jerry umso mehr.“

„Du Witzbold, ich verstehe was von Whisky, aber nichts von Wein, lass die Damen darüber entscheiden“, wehrte Jerry ab.

„Wir können die Gäste nicht ewig warten lassen. Gib die Flasche her, ich verstehe etwas davon“, brummte Arthur und winkte die Kellner zu sich.

Dieses kleine Theatervorspiel löste die Spannung bei den unerfahrenen jungen Partygästen, die Damen kicherten, und Jerry klopfte seinem Freund Arthur auf die Schulter.

„Bravo, Arthur, jetzt weiß jeder, wer die Schampusflaschen für die Schiffstaufen leertrinkt und Spülmittel hineinmischt. Kein Wunder, dass deine Schiffe nie absaufen.“

Bei dieser deftigen Anekdote konnte sich sogar der stocksteife Kellner das Lachen nicht verbeißen. Sie lachten alle so köstlich, dass sogar Nacho an der Rezeption die lustige Gesellschaft hören konnte.

Die Überraschungsvorspeise entpuppte sich als Parmaschinken auf Honigmelone und frischen Dillspitzen. So wusste jeder gleich, dass es sich bei dem Chefkoch um einen Italiener handelte. Den Gästen war es im Grunde genommen egal, keiner bis auf Don, waren Feinschmecker. Die Kellner servierten die zweite Vorspeise, in Cognac eingelegte Backpflaumen, umhüllt mit geräuchertem knusprigem Speck, die noch heiß serviert wurden. Anschließend folgte die Forelle à la Müllerin, wobei die Kellner ganz schön ins Schwitzen kamen, so schnell wurde alles vertilgt und mit gekühltem Weißwein hinuntergespült.

Bei dieser Gesellschaft wurde zuerst gegessen, verdeckt gerülpst und dann geredet. Einfache Menschen eben, mit gesundem Appetit und viel Sinn für gemütliches Beisammensein. Don mochte solche Menschen, die der Mutter Natur die Zügel ließen und die Fesseln einer pervertierten Etikette nicht kannten. Er kannte auch eine andere Sorte von Menschen, die mit verkrampftem Magen der Etikette folgten, sich davor fürchteten nur keinen Patzer bei Tisch zu leisten, die besten Speisen nur zur Hälfte aßen und danach nicht einmal wussten, wie es wirklich geschmeckt hatte, geschweige satt geworden sind.

Er erinnerte sich an eine Reise durch Frankreich die ihn entlang der Loire führte, mit wunderschönen Schlössern und Burgen jenseits des Flusses. Damals bei einer Besichtigungstour erzählte die Touristenführerin von der Zeit, als sich die hohen Herrschaften fast zu Tode kratzten. Irgendein religiöser Quacksalber verkündete, man dürfe sich nicht waschen, das mache die Haut zu dünn und anfälliger für Krankheiten. Die hohen Herrschaften nahmen diesen Schmarren ernst und entwickelten daraus die schwachsinnigsten Formen der Mode Etikette, wie Perücken usw. Die Damen trugen mehrfach übereinander gestülpte lange Röcke, damit der Gestank der ungewaschenen Leiber nicht so schnell entweichen konnte. Man durfte sich nicht öffentlich kratzen, dafür puderte man sich fast bis zum Eingipsen. Als schwachen Trost besprühte sich die ungewaschene adlige Elite mit Duftwässerchen, das die Araber über Spanien nach Frankreich brachten. Mehrere Generationen dauerte dieser Irrtum der vernachlässigten Hygiene. Die Menschen dezimierten sich einmal durch Krankheiten oder durch Weigerung der Herren unter die Röcke der Damen zu kriechen.

Das Lustigste dabei war, dass sich diese hohen Herrschaften im vollen Ernst für Halbgottheiten mit weißer Haut hielten, dafür das einfache Volk meist von der Sonne gebräunt, als dummes Gesindel behandelte. Wie auch immer, dachte Don, kein Wunder, dass sie sich selbst auflösten. Er kannte die Kräfte der Mutter Natur wie kaum ein anderer und wusste, dass sie auf lange Sicht keine Fesseln und widernatürliche Etiketten dulden kann. Ein Rülpser oder ein Furz sind nun mal Produkte unseres Körpers nach den Regeln unserer Mutter Natur. Man soll sie eben sausen lassen, wenn sich eine günstige Gelegenheit dafür ergibt.

Offensichtlich war der Chefkoch sichtlich enttäuscht von der Gesellschaft und der Art und Weise, wie sie die Forellen mit den Fingern zerlegten. Kurz entschlossen änderte er sein Menü, und die Kellner servierten mit demonstrativer Verachtung zwei Riesenplatten mit aufgetürmten Kookaburra Wings (frittierte Hähnchenflügel). Welches Gaumenvergnügen er den ausgelassenen Partygästen damit bereitete, ahnte der hochnäsige Chefkoch nicht im Geringsten. Die Kookaburra Wings flogen von der Platte hin zu lüsternen Gaumenhöhlen, wurden dort vom Fleischballast befreit und landeten als nackte Knochen auf den Tellern der Gäste. Die silbernen Messer und Gabeln durften sich diesmal ausruhen. Die Krönung des Etikettenschwindels brachte Arthur zu Tage, als er einen entsetzten Kellner aufforderte die Knochen samt Überbleibsel von den Wings schön einzupacken, damit die zahlreichen Katzen und Hunde auf seiner Werft die Partystimmung miterleben konnten.

Don winkte die Kellner zu sich. Er bestellte reichlich Zitronenwasser und große Servietten, damit sich die Gäste die Hände waschen konnten. Man lachte und rülpste vor lauter Entzücken, zum Schluss doch noch etwas Anständiges zum Essen bekommen zu haben. Der lauwarme Wein wurde völlig ignoriert, stattdessen zischte das eiskalte Bier die Kehle hinunter, entfesselte die mitverschluckte Luft und Biergase, zur Freude und Entspannung der glücklichen Genießer.

„Ein Glück, dass wir diese Horde in einem separaten Raum einquartiert haben“, flüsterte einer der Kellner dem anderen ins Ohr. „Sonst wäre der gute Ruf unseres noblen Hauses im Eimer.“

„Du verlogenes Arschloch, du ahnst ja gar nicht, wie gerne ich mit dieser Clique die Wings vertilgt hätte. Bei dir zu Hause wird genauso mit den Fingern gegessen“, konterte der andere Kellner und leckte sich die Lippen ab.

„Aber unser Monsieur Jacques aus Paris...“, wollte der brave Etikettennarr protestieren.

„Ach der feine Pinkel, der seinen eigenen Schwanz mit den Handschuhen anfasst, aber den Arsch unserer fetten Köchin im Kühlraum vernascht, von dem kannst du nur Blödsinn lernen.“

Kuky, der diesen Dialog mithörte, gab demonstrativ einen lauten Rülpser von sich, worauf die Gruppe mit lautem Klatschen und Lachsalven reagierte. Dieser Befreiungsakt erlöste die steifen Kellner von ihrer Qual. Sie lachten endlich mit.

„Na bitte!“, rief Karin laut. „Die Chinesen wissen am besten, wie man dem Koch ein Kompliment aussprechen kann.“

Das war Grund genug die Ausgelassenheit anzuheizen. Die drei Anwälte schauten ein wenig verlegen in die Runde, lächelten jeden mit einem gekünstelten Lächeln an, als befürchteten sie, mit einem ordentlichen Rülpser ihre Honorare entweichen zu lassen. Kurz nach zehn Uhr wurde der Tisch abgeräumt, Mokka und Karaffen mit eisgekühltem Wasser auf Servierwagen herangefahren. Nicht ein einziges Wort war über die zukünftigen Geschäfte verloren worden.

Die Kellner, die von der lokalen Presse dazu überredet worden waren, nebenbei Mitgehörtes gegen reichlich Trinkgeld einzutauschen, hatten nichts zum Tausch anzubieten. Bis auf viele Lustbarkeiten und deftige Witze bekamen sie keine ernstzunehmende Neuigkeiten zu hören. Don stand auf, bedankte sich mit einem kräftigen Händedruck bei den enttäuschten Kellnern und drückte jedem einen fetten Bakschisch in die Hand.

„Danke, meine Herren, Sie waren sehr zuvorkommend. Wir möchten jetzt unter uns bleiben. Aufräumen können Sie später.“

Das war unmissverständlich ausgedrückt ein Rausschmiss, der keine Spielräume dazwischen zu ließ. Sie verbeugten sich leicht und gingen hinaus in die Welt des Monsieur Jacques und seiner seidenen Handschuhe.

--/--

VIRDULA Endlosgeschichten Band 2 - Die Mutter aller Dinge

Подняться наверх