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Kapitel 9

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Lumos trieb sein Pferd voran. Hinter ihm hörte er die Hufe seiner Männer. Drei Tage lang hatten sie die Spuren verfolgt. Die Spuren der geflohenen Priesterin und ihrer Anhänger, die den Irrglauben in den Ländern seines Vaters verbreitet hatten. Ein Verbrechen, auf das es nur eine Strafe gab: den Tod. Er würde derjenige sein, der das Land von dieser Geißel befreien würde. Es säubern.

Lumos musste sich regelmäßig ducken. Der Weg führte sie durch ein dichtes Waldgebiet in den nördlichen Ausläufern des Dämmertan. Dennoch wusste er, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Es hatte Wochen gedauert sie zu finden. Eine Priesterin, die in den einstigen Kronlanden von Dorf zu Dorf zog. Die Leute hingen ihr an den Lippen. Selbst unter größter Folter hatte kaum jemand ihm erzählen wollen, wo er sie finden konnte. So überzeugt waren die Menschen von ihrem Glauben an diese Götter. Doch als er und seine Männer eine Fährte gefunden hatten, hatten sie sich festgebissen, wie Bluthunde. Egal wie viele Gläubige die Frau um sich scharen konnte, er hatte fast hundert Reiter hinter sich. Sie würde sich nicht mehr schützen können. Oder verstecken. Ihr Weg nach Westen, nach Fendron, war wohl die einzige Chance. Doch Lumos würde sie finden. Diesseits oder jenseits der Gronde.

Mit einem Ruck am Zügel führte er sein Pferd in schnellem Galopp um die letzte Wegbiegung, bevor der Wald sich lichtete. Vor ihm tat sich ein Fluss auf, jedoch führte der Weg direkt zu einer Furt. Dies war also die Gronde, Grenze des Reiches seines Vaters. Er hatte nicht gedacht, dass sie schon so weit gekommen waren. Lumos hielt sein Pferd an, und seine Männer sammelten sich hinter ihm. Denn sie waren nicht alleine am Fluss.

„Mein Herr, wir sollten umkehren.“, hörte Lumos die mahnende Stimme von Golbert neben sich. Auch er hatte die Soldaten auf der anderen Seite des Flusses gesehen. Ein großes Banner verriet, dass es herzogliche Truppen waren: Die Efeuranke und der blaue Stern auf weißem Grund bestand seit hunderten Jahren als Wappen der Familie von Forgat. Doch vor wenigen Jahren hatte er das Wappen erweitern lassen, um das goldene Dreieck der Trias, das zwischen den Spitzen des Efeus prangte. Jeder sollte sehen, dass Fendron von der Trias gesegnet und geschützt war.

„Wieso?“, fragte Lumos kalt und schaute auf die andere Flussseite. Die Soldaten Fendrons beobachteten sie, machten aber keine Anstalten, ihnen entgegen zumarschieren, oder gar einen Angriff zu provozieren.

„Euer Vater hat befohlen, unsere Aufgabe innerhalb der Grenzen Tandors zu vollenden. Wir haben diese Priesterin verjagt und ihre Jünger gefunden und bestraft. Es scheint mir, als könnten wir erfolgreich nach Taarl zurückkehren. Oder unser Land weiter absuchen.“, versuchte Golbert es positiv zu fassen. Das Argument, er wolle keinen unnötigen Kampf gegen Fendron vom Zaun brechen, ersparte er sich. Er glaubte nicht, dass dies bei Lumos auf offene Ohren stoßen würde.

„Das werden wir sehen.“, sagte Lumos und trieb sein Pferd langsam nach vorne in den Fluss hinein. Golbert schaute dem jungen Mann ungläubig nach, signalisierte dann aber den anderen Reitern, ihm zu folgen. Immerhin würde er seinen Kopf nicht lange behalten, wenn Lumos von fendronischen Soldaten gefangen genommen würde.

In dem Moment, als die Pferde in den Fluss ritten, bewegte sich auch etwas am anderen Ufer. Die Fußsoldaten öffneten eine Passage und mehrere Reiter preschten nach vorne in die Furt hinein. Ihnen folgten weitere Fußsoldaten, um sie zu flankieren.

Die Reiter wurden von einem Mann in einer glänzenden Rüstung angeführt: Forgat von Fendron. Er trug die braunen Haare lang, die trotz seines Alters noch dicht waren und nur vereinzelt von grauen Strähnen durchzogen waren. Sein Blick wirkte entschlossen, als er Lumos musterte. Im Vergleich zu den meisten anderen Kriegern hing an seinem Gürtel kein Schwert, sondern ein Streitkolben, dessen Schlagfläche das goldene Dreieck der Trias bildete. Neben ihm ritt eine Frau auf einem Schimmel. Ihr Gesicht verriet ihr vorangeschrittenes Alter. Doch die Haare waren ebenschwarz wie eh und je und ihr Körperbau wirkte noch jugendlich. Sie trug ein weites, weißes Kleid, das voll von goldenen Stickereien waren. Direkt hinter den beiden ritt ein Bannerträger mit einem prächtigen herzoglichen Wappen, flankiert wurden sie von schweren Reitern, die geschlossene Rüstungen trugen. Mit den Soldaten am Ufer standen Lumos bestimmt zweihundert Gegner entgegen.

In der Mitte des Flusses hielten die Reiter beider Seiten inne, sodass Lumos und Forgat nur noch wenige Schritte trennten. Der Thronfolger von Tandor ließ sein Pferd noch einige Schritte nach vorne traben, sodass er vor seinen Männern stand, und so tat es ihm auch Forgat nach, bis sich die Pferde fast berührten.

„Lumos!“, begrüßte Forgat den jüngeren Mann kalt.

„Forgat. Du versperrst mir den Weg.“, sagte Lumos ruhig.

„Ich glaube, dein Weg endet hier. Kehr um nach Taarl und sag deinem Vater, dass dieses Land unter dem heiligen Schutz der Trias steht und er es niemals sein Eigen nennen wird. Ich glaube, das kann Celan nicht oft genug hören.“

Lumos lächelte verächtlich und ließ dann seinen Blick zu der Priesterin wandern, die er musterte. „Ich habe diese Hexe gejagt, die an deiner Seite reitet. Wenn du sie uns gibst, befehle ich meinen Männern umzukehren.“

Forgat zog seine Augen zu Schlitzen zusammen. „Alisa ist nicht nur die Hohepriesterin der Trias in Fendron, sondern steht auch unter meinem persönlichen Schutz.“

„Dann sollte sie in Fendron bleiben.“

Forgat antwortete nicht direkt. Er verharrte auf der Stelle und hielt die Tandorer genau im Auge. Es war eine Pattsituation, wo jeder falsche Zug zu einer Katastrophe führen konnte. Aber er wusste mehr Männer hinter sich. Und die führende Kraft Thorians.

„Lumos. Verschwinde. Du wirst in Fendron nur Blut finden. Aber ich will keinen Kampf mit dir. Geh einfach.“

Noch immer machte Lumos keine Anstalten sich zu bewegen. Sein Blick blieb auf Alisa behaftet, als höre er Forgat gar nicht. Er spürte, wie der Herzog unruhiger wurde. Ob er wohl Angst hatte? Lumos wusste, dass er selbst ein guter Kämpfer war. Er war sich sicher, dass dies auch über die Grenzen Tandors hinaus bekannt war. Aus dem Augenwinkel erkannte er, wie Forgat langsam seine Hand zum Gürtel führte, um die Befestigung des Streitkolbens zu lösen.

„Euer Gnaden, wir sollten nun gehen.“, hörte Lumos auf einmal erneut Golberts Stimme. Der Freiherr hatte zu ihm aufgeschlossen. Lumos fluchte innerlich. Fast hätte er Forgat da gehabt, ihn anzugreifen. Ein Kampf, den der Herzog nur hätte verlieren können, dessen war er sich sicher. Doch das Eingreifen Golberts schien die Situation zu verändern, denn er spürte, wie Forgat sich entspannte.

Lumos schaute noch einmal zu der Priesterin und spuckte aus, dann wendete er sein Pferd. Er fokussierte mit seinen Augen noch den Herzog, bevor er den Blick abwandte und durch eine Gasse seiner Reiter ritt, die sich ihm öffnete. Wortlos.

Forgat blickte mit Sorgen zum anderen Ufer. Die Reiter Tandors waren in den Bäumen verschwunden, aber noch traute er der Sache nicht, dass Lumos sich einfach so zurückgezogen haben sollte.

„Was meinst du? Werden sie den Frieden halten?“, fragte Forgat. Alisa ließ ihren Blick über den Fluss wandern und blickte dann hoch zur Sonne, die ihre wärmenden Strahlen auf sie niederwarf.

„Kylael weißt uns den Weg, aber er ist verschlungen und das Ziel schwer zu sehen.“, antwortete sie erst kryptisch, wie sie es meist tat. Dann blickte sie aber wieder zu Forgat. „Nein, ich glaube nicht, dass sie noch angreifen werden. Dennoch würde ich Vorsicht walten lassen. Du solltest deine Männer hier stationiert lassen und Späher nach drüben schicken, wenn möglich.“

Forgat nickte. Obwohl es Alisa war, die letztendlich die Feinde an die Grenze seines Herzogtums gelockt hatte, war er ihr nicht böse oder Gram. Sie hatte in Tandor eine heilige Aufgabe erfüllt. Forgat war sich sicher, dass in diesen chaotischen Zeiten nur die Trias Valorien retten konnte. Die Entscheidung Gilberts die Kirche zu verbieten, getragen von all seinen Nachfahren, war falsch gewesen. Nun gab es keine Nachfahren mehr, nun galt es, den Weg zu berichtigen. Als er von einem Boten dann gehört hatte, dass Alisa verfolgt wurde, hatte er sich persönlich an die Spitze seiner Männer gesetzt, um sie an der Grenze in Sicherheit zu nehmen. Nur wenige Stunden nach ihr war Lumos mit seinen Reitern eingetroffen.

„In Ordnung. Ich selber werde nicht hier bleiben können.“

„Wohin führt dich dein Weg?“, fragte Alisa ihren Herzog, den sie aber schon lange nicht mehr mit einem Titel ansprach. Zu vertraut war die Priesterin mit ihrem eifrigsten Gläubigen.

„Ein Bote ist in Tjemin eingetroffen. Aus Elorath. Alois ruft die verbliebenden Ritter des Reiches in die Kronburg. Unter freiem Geleit.“

„Werden Herzog Celan und Herzog Helmbrecht auch dort sein?“, fragte die Priesterin, doch Forgat schüttelte den Kopf.

„Ich glaube nicht, dass Helmbrecht eine solche Reise noch antreten kann. Celan… ich weiß es nicht. Egal was er vorhat, ich bin bereit mein Reich zu verteidigen. Denn Thorian führt meine Hand.“

„Und Elonas Gnade ist Fendron sicher.“, fügte Alisa hinzu. „Was will der Reichsverweser?“

Forgat zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Doch ich werde hinreisen, um es herauszufinden. Wie jeden Tag werde ich beten, dass das Chaos in Valorien zurückgedrängt wird.“ Noch immer verharrte der Herzog und beobachtete das Ufer. Aber egal, wie lange er schaute, außer dem Rascheln der Blätter im Wind war weder etwas zu hören, noch zu sehen. Also wandte er sich wieder an die Priesterin.

„Alisa, wann wird dieses Land befreit? Wann kehren die Boten der Trias zurück, um das Licht zu schenken?“ Es war eine spontane Frage, die ihn doch schon seit Jahren beschäftigte. Ja, fast seit dem Moment, als er von Geron und dem heiligen Fürst Elian geschlagen worden war. Eine Weisung des Schicksals, wie sich herausstellen sollte. Stundenlang war er alleine im Regen verharrt, richtungslos, ausweglos, zweifelnd. Er hatte Dinge gesehen, die er nicht verstand, und es schien, als hätte er einen Weg eingeschlagen, der nur ins dunkelste Verderben führen konnte. Ziellos war er durch die Nacht geirrt, denn seine Männer und die Pferde hatten sich in alle Richtungen zerschlagen. Nach Liamtal hatte er sich nicht getraut, so blieb nur der Weg ins Ungewisse. Als ihn die Gedanken ob des Gesehenen zu übermannen schienen, in den Wahnsinn zu treiben, war sie dagewesen: Alisa. Wie einen Gestrandeten hatte sie ihn aufgenommen, ihm von der Trias erzählt, und ihrem Plan. Der Gnade Elonas, der Kraft Thorians, der Weisheit Kylaels. Wie die Trias ihn ausgewählt hatte, Zeuge ihrer Macht zu sein. Und wie er, als Diener der Trias, dieses Land ins Licht führen konnte. Gegen die Dunkelheit. Gegen Celan, der das Land unter sein Joch bringen wollte, der den König ermordet hatte und der jegliche Form des Triasglaubens auslöschen wollte. So war er als geläuterter Mann nach Tjemin zurückgekehrt und hatte sein Volk geeint, aufgerufen, sich gegen die Besatzung durch Tandor zu wehren, die bereits begann. Obwohl er nicht alle Ländereien hatte halten können, Fendron bestand weiter. Unter dem Licht der Trias.

„Eine Frage, auf die es keine Antwort gibt. Wenn ich sie kennen würde, wäre ich wohl nicht mehr an diesem Ort.“, sagte Alisa nachdenklich. Sie legte Forgat eine Hand auf die Schulter und schaute ihm in die Augen. „Doch du wirst diesen Tag erleben, dessen bin ich mir sicher. Du wandelst unter ihrem Licht. Nun reite nach Elorath, wie du es vorhattest. Du bist eine Hoffnung für Valorien. So lange du deine Hoffnung und deinen Glauben an die Trias behältst, kannst auch du ihr Bote sein.“

Forgat nickte, antwortete aber nicht. Es war eine Antwort, wie sie nur Alisa hatte finden können.

„Möge Elona dich schützen.“, sagte Alisa also noch, bevor sich der Herzog abwandte und zu seinem Pferd ging.

Die Sonne war untergegangen, Wolken aufgezogen und so lag die Nacht dunkel über Lumos. Sein Blick war gen Westen gewandt. Gen Fendron. Über die Gronde, hin zu Forgat, und dieser Priesterin, die ihre Lügen in Tandor verbreitet hatte. Er war sich sicher, dass die Einflüsterungen von Priesterinnen wie ihr verhinderten, dass Valorien noch nicht vereint war. Obwohl sich nur Forgat offen zu der Religion bekannte, verfolgte auch Alois in den Kronlanden deren Gläubige nicht wirklich. Wenn Fendron sich vor Jahren wie von seinem Vater beschrieben unterworfen hätte, um Celan als König zu krönen, hätte Alois Elorath niemals halten können. Doch es war alles anders gekommen. Nun galt es, dieses Gift auszumerzen, um dem Chaos ein Ende zu bereiten. Um Celan zu krönen, auf dass Lumos ihm eines Tages folgen konnte. Vielleicht war dieser Tag ja gar nicht so fern, wie manche dachten…

„Golbert.“, sagte Lumos, als er erkannte, dass sich der Freiherr näherte. Der Thronfolger Tandors stand auf einer leichten Erhebung außerhalb des Lagers und schaute über die Spitzen der Bäume hinweg. „Befiehl den Männern sich für den Kampf vorzubereiten.“ Er sprach es wie eine Selbstverständlichkeit aus. Als wäre der Angriff auf Forgat schon immer der logische nächste Schritt gewesen, den es nun umzusetzen galt.

„Wie bitte?“, fragte Golbert offensichtlich verwundert. „Gegen wen?“

„Ist das nicht offensichtlich? Wir hatten es doch schon mal mit dem Ausführen von Befehlen…“, antwortete Lumos scharf, sein Blick immer noch nach Westen gewandt.

„Mein Herr, ich glaube nicht, dass wir uns einen Angriff auf Fendron erlauben können. Euer Vater würde dies nicht gutheißen, außerdem…“

„Mein Vater ist nicht da.“, unterbrach Lumos den Freiherrn.

„Nein, aber er herrscht über das Land, und unsere Befehle waren eindeutig.“

„Außerdem?“, fragte Lumos dann nach.

„Wie meinen, mein Herr?“

„Du wolltest noch etwas sagen…“

„Ja, ich wollte euch berichten, dass weitere Reiter eingetroffen sind.“

„Sehr gut. Das wird das Schlachtenglück für uns entscheiden.“, sagte Lumos zuversichtlich und ließ sich selbst von den Widerworten Golberts nicht aus der Ruhe bringen.

„Ich glaube kaum, Lumos.“, hörte er dann jedoch eine andere Stimme und drehte sich um.

„Narthas.“, stellte er kalt fest und betrachtete den Urben. Was machte dieser dreckige Steppenkrieger nur hier? Und was wollte er ihm befehlen? Ihm, dem Nachfolger Herzog Celans und damit in gewisser Weise auch Befehlshaber des Kriegers?

„Golbert, lass die Männer sich sammeln. Sie sollen nach Taarl zurückkehren, einige werden mich nach Nordend begleiten.“, sagte Narthas entschieden. Es war unklar ob er einfach dem Befehl des Urben folgte oder den Ausweg aus der Situation gerne annahm: Golbert drehte sich auf der Stelle um und lief auf das Lager zu.

„Ich dachte nicht, dass du mir oder meinen Männern Befehle gibst, Narthas.“, sagte Lumos und schaute den Urben hasserfüllt an.

„Und ich habe nichts von einem Befehl Herzog Celans gehört, der einen Angriff auf Fendron beinhaltet hat.“

„Ich bin beauftragt, die Krankheit des Triasglaubens zu heilen.“

„Und das hast du großartig gemacht. Aber hier ist die Grenze. Kehr zurück nach Taarl, und melde dich bei deinem Vater, wenn er aus Elorath zurück ist.“

„Was macht er in Elorath?“, fragte Lumos nun offen interessiert.

„Das wird er dir bestimmt berichten.“, sagte Narthas, wandte sich dann aber auch ab, um wieder zum Lager zurückzukehren, und ließ Lumos alleine in der Nacht stehen. Dieser schaute dem Urben hinterher. Hass sprach aus seinen Augen. Doch er wusste, dass er die Situation nicht mehr ändern konnte. Noch nicht.

Sonnenfeuer

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