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b) Beweislastverteilung im Rahmen des § 15 AGG

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Für die anspruchsbegründenden Tatsachen, also dafür, dass eine Benachteiligung auf einem der in § 1 AGG genannten Kriterien basiert, trägt grundsätzlich der Anspruchssteller die Beweislast.

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§ 22 AGG sieht aber eine Abweichung von diesen allgemeinen Beweislastregeln vor. Danach obliegt dem Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Insoweit führt § 22 AGG auch zu einer Absenkung des Beweismaßes.[12] Vermutungstatsachen können sich beispielsweise aus Äußerungen des Arbeitgebers oder etwa aufgrund einer geschlechts- oder altersspezifischen Ausschreibung ergeben.

Beispiel

Der Arbeitgeber A hat ausweislich seiner Stellenausschreibung eine „Putzfrau“ gesucht. Wird nun tatsächlich eine Frau eingestellt und es haben sich auch Männer beworben, ist die Stellenausschreibung ein Indiz für die Diskriminierung der Männer.

Hat der A einen Mann eingestellt, ist die Vermutung widerlegt. Ein anderer männlicher Mitbewerber kann sich nicht auf das Indiz „diskriminierende Stellenausschreibung“ berufen.

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Die bessere Eignung eines anderen Bewerbers schließt eine Benachteiligung nicht aus, was § 15 Abs. 2 AGG zeigt. Für eine Benachteiligung soll es ausreichen, wenn eine Person, die an sich geeignet wäre, von vornherein nicht in Betracht gezogen wird. Ausreichend soll sogar sein, dass das in § 1 AGG genannte Kriterium als eines von vielen in einem Motivbündel die Entscheidung des Arbeitgebers beeinflusst hat.[13]

Hinweis

Man fragt sich natürlich, wie der abgelehnte Bewerber erfahren soll, dass er eventuell i.S.d. AGG benachteiligt wurde. Besteht vielleicht ein Auskunftsanspruch gegen den „Nicht-Arbeitgeber“? Die Antwort hat der EuGH am 19.4.2012 im Fall „Meister“[14] gegeben. Im von einem deutschen Gericht vorgelegten Fall war eine Bewerberin russischer Herkunft, die ein in Deutschland anerkanntes Diplom als Systemtechnik-Ingenieurin vorzuweisen hatte, von der Beklagten ohne Einladung zum Vorstellungsgespräch abgewiesen worden. Die Beklagte hatte über eine Stellenanzeige eine/n erfahrene/n Softwareentwickler/in gesucht; nach der Ablehnung schaltete die Beklagte die gleiche Anzeige nochmals. Die Klägerin bewarb sich erneut und wurde erneut ohne Einladung und ohne Begründung abgelehnt. Der EuGH hat entschieden, dass ein abgelehnter Bewerber keine Auskunft über den Ausgang des Bewerbungsverfahrens verlangen kann. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung der Informationen ein Gesichtspunkt sein könne, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen sei. Dies müsse das damit befasste Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles in seine Überlegungen mit einbeziehen.

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Im Rahmen von § 15 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet, es sei denn, er hat die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Dem Arbeitgeber obliegt es, sich insoweit zu exkulpieren. Hierbei bleibt laut Gesetzestext offen, welche Anforderungen an das Vertreten müssen zu stellen sind. Die Gesetzesbegründung verweist dabei auf die vorhandenen Regelungen des BGB in § 276 BGB und § 278 BGB für Erfüllungsgehilfen und rekurriert somit lediglich auf eigenes schuldhaftes Verhalten. Durch diese Exkulpationsregel wird die effektive Sanktionierung einer ungerechtfertigten Diskriminierung jedoch deutlich erschwert. Im Hinblick hierauf wird vertreten, die Europarechtswidrigkeit des Verschuldenserfordernisses anzunehmen.[15]

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