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2 Mein einziger Kollege bin ich selbst – arbeiten als Freelancer
ОглавлениеMaya Meiners – photographie
Das Gut Jersbeck liegt ein wenig abseits von Hamburg, ein bisschen versteckt und eingebettet in einen wunderschönen Barockgarten. Hier bin ich verabredet mit einer Fotogräfin – so jedenfalls hat die Zeitschrift „LandGang“ Maya Meiners unlängst in einem Artikel genannt. Die Wortkreation passt zum Ambiente. Als ich das Gut erreiche, mein Auto abstelle und langsam auf das Haus von Maya zugehe, empfängt mich eine Atmosphäre von Ruhe und Abgeschiedenheit. Es ist, als würde ich an einem Urlaubsort ankommen, weit weg von meinem Alltag. Mein erster Gedanke ist, dass das ein Ort ist, der zum Verweilen, Ausruhen und Entspannen einlädt. Weniger ein Ort an dem man arbeitet. Aber vielleicht ist es auch genau richtig so, denn das Bild, das man schnell vor sich sieht, wenn das Wort Freelancer fällt, ist ein entspannter Mensch, der mit einem Laptop auf den Knien in der Sonne sitzt und neben sich einen Cappuccino oder einen Cocktail zu stehen hat. Wir glauben, dass er jederzeit seinen Rechner zuklappen kann, um seine Freiheit in vollen Zügen zu genießen.
Freelancer – allein das Wort klingt verlockend. Es trägt den Duft von Freiheit in sich, von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Hören wir, dass jemand als Freelancer arbeitet, dann denken wir vielleicht an „The 4-Hour-Workweek“ von Timothy Ferris, das Buch in dem er beschreibt, wie man sein Geld mit einer Vier-Stunden-Woche verdienen kann. Heimlich träumen wir davon, auch so ein Leben zu führen. „Freikreierer“ heißt Freelancer wörtlich übersetzt und es impliziert, dass ein solcher natürlich nur die Arbeit macht, die ihm gefällt. Dass er sie erledigt, wann es ihm gefällt und dass er alles ganz in seinem Sinne gestalten kann.
Soweit die Theorie. Allein die Tatsache, dass – obwohl viele davon träumen - die wenigsten diesen Traum leben, zeigt, dass die Realität wahrscheinlich etwas anders aussieht. Viele ahnen, dass Freiberuflichkeit ihren Preis hat. Dass es den wenigsten Freelancern vergönnt ist, wirklich so ein lässiges Leben jenseits der 40-Stunden-Woche zu führen. Und dass der Schritt, jeden Morgen aus eigenem Antrieb heraus aus dem Bett zu steigen, anstatt sich noch einmal umzudrehen, vermutlich einen Charakterzug erfordert, den sich die wenigsten zutrauen: knallharte Disziplin.
Aber nicht nur das. Freelancer sind Multitasking-Talente. Als Ideengeber, Arbeitnehmer, Auftragsbeschaffer, Vertriebsprofi und Chef in einem meistern sie ihren beruflichen Alltag. Tauchen immer wieder in neue Projekte mit ganz neuen Anforderungen und neuen Menschen ein. Das verlangt ein hohes Maß an Selbstmanagement, Organisationstalent und die permanente Bereitschaft, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen.
Als Freelancer zu arbeiten ist ein Statement. In erster Linie dafür, dass man gut mit sich selbst klarkommt. Denn wie schon in der Überschrift gesagt: nur Kollege ICH ist Teil des Kernteams. Das hat Vor- und Nachteile. Gut ist, dass man vieles allein entscheiden kann. Dass die Entscheidungswege damit kürzer sind. Und doch fehlt manchmal das Feedback von anderen. Oder die Ideen, die ein anderer beitragen könnte. Oder einfach nur mal ein freundliches Wort, wenn man durchhängt und auch der dritte Kaffee nicht den gewünschten Kick bringt.
Mehr noch als bei Selbstständigen, die in einen gewissen Rhythmus eingebunden sind, ist es für Feelancer fundamental, eine Balance zwischen der täglichen Arbeit und den Auszeiten zu schaffen, in denen es gelingt, den „Brunnen aufzufüllen“, wie es Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ beschreibt. Denn Kreativität braucht einen Nährboden, und der muss gut gesättigt sein, will man zu jeder Zeit auf ihn zurückgreifen. Viele Freelancer neigen dazu, sich auszubeuten und zu knechten. Sie arbeiten bis in die Nacht hinein und stellen die persönlichen Bedürfnisse, ihre Familie und ihre Freizeit hintenan. Das Gefühl nur mal eben noch kurz die Welt retten zu wollen, oder zumindest den Auftraggeber noch glücklicher zu machen, in dem man die Arbeit doch schneller als vereinbart erledigt, diesen Mechanismus kennen die meisten Freelancer sehr gut. Und die meisten wissen auch, dass das auf Dauer nicht funktioniert.
Eine Freelancer-Gründung sieht auf den ersten Blick wie eine simple Sache aus. Man geht zum Finanzamt, meldet seine Tätigkeit an, kauft sich ein bisschen Equipment und los geht es. Manchmal funktioniert es genau so. Allerdings nur dann, wenn man schon so gut vernetzt und bekannt ist, dass die potenziellen Kunden Schlange stehen und den Gründungsstart gar nicht mehr erwarten können. Will man sich etablieren und in einem bereits satten Markt positionieren, dann braucht es schon weitaus mehr Vorbereitung. Denn es dürfte kaum das Ziel sein, der tausendste Fotograf, Webdesigner oder Lektor in Hamburg oder die zigtausendste Journalistin, Sängerin, Grafikerin oder Übersetzerin in Berlin zu sein und sich nur mit Mühe und Not über Wasser halten zu können. Freelancer-Märkte sind meist sehr dichte Märkte, gerade in Zeiten, in denen es sich Unternehmen selten leisten können, kreative Köpfe fest anzustellen. Es bedarf also entweder einer Spezialisierung, um sich abzuheben, oder man muss einen anderen Weg finden, um auf sich aufmerksam zu machen.
In unserem Interview beschreibt Maya Meiners sehr aufgeschlossen und ehrlich, mit welchen Herausforderungen sie sich auseinandersetzen musste, um zum einen zu ihrem eigenen Rhythmus als Freelancer zu finden und zum anderen, wie sie es geschafft hat, sich als Fotografin zu positionieren.
Das war alles andere als ein Spaziergang im Barockgarten, denn Maya ist wie viele Freelancer Quereinsteigerin und hat lange mit sich gehadert, überhaupt diesen Schritt zu wagen. Was sie aus ihrem Alltag erzählt, macht Mut, zeigt aber auch, wie sehr man als Selbstständiger – und insbesondere als Freelancer – immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen wird. Was für eine Herausforderung es ist, Tag für Tag allein an vorderster Front zu stehen: ohne eine Gemeinschaft, in der man mal eben untertauchen, sich verstecken oder von der man sich tragen lassen kann.
Maya, wie bist du dazu gekommen, dich als Fotografin selbstständig zu machen? Das war ja nicht dein Ursprungsberuf.
Stimmt, ich habe Sozialpädagogik in Hamburg studiert und danach auch sieben Jahre als Sozialpädagogin in unterschiedlichen Arbeitsfeldern gearbeitet. Dann kam der Bruch – klassisch mit Burnout. Mir war damals klar, dass ich etwas verändern musste. Jedenfalls bin ich ein Jahr auf Reise gegangen. Mit einem alten VW-Bus durch Europa getourt und die Kurzfassung ist, dass ich danach gegründet habe.
Ohne je als Fotografin gearbeitet zu haben?
Nein, natürlich nicht. Nach dem Abitur hatte ich zwei Berufswünsche. Soziale Arbeit und Fotografie. Zunächst habe ich mich auch der Fotografie gewidmet, war ein Jahr Assistentin bei einem Modefotografen in Hamburg. Aber das Modebusiness lag mir nicht besonders, darum habe ich anschließend ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert und mich danach für die Soziale Arbeit entschieden. Das Fotografieren hat mich aber immer begleitet, das heißt, ich hatte parallel zu meiner Arbeit immer auch kleinere Fotojobs. Ich habe das als Ausgleich und Hobby betrachtet. Obwohl damals schon einige meiner Freunde und Bekannten gesagt haben, ich sollte mich doch als Fotografin selbstständig machen. Aber ich habe mich einfach nicht getraut. Das lag zum einen daran, dass ich mich selbst überhaupt nicht als Unternehmerpersönlichkeit gesehen habe. Ich komme nicht aus einem Unternehmerhaushalt, wo die Frauen Karriere machen. Im Gegenteil. Karriere oder wirtschaftliche, zahlenorientierte Berufe haben mich nie interessiert.
Dazu kam, dass ich wusste, dass es gerade in Hamburg Tausende Fotografen gibt. Schließlich ist es eine Medienhochburg. Was sollte ich denn da noch? Ich als Quereinsteigerin, die den Beruf noch nicht einmal richtig gelernt hat. Ich fand mich zum damaligen Zeitpunkt auch einfach nicht gut genug. Also unterm Strich, ich war ein Stück weit alles in dem klassischen Satz gefangen, der alle Zweifel zusammenfasst: „Ich schaffe es nicht.“ Ich verglich mich mit anderen und habe immer gedacht: Ja, das ist ja ganz nett, was du da machst. Aber damit kannst du kein Geld verdienen.“ Ich konnte mir das einfach nicht vorstellen.
Jetzt ist es Realität. Hast du dir das Wissen und Können selbst angeeignet oder noch einmal eine Ausbildung absolviert?
Eine Ausbildung habe ich nicht gemacht. Ich habe in dem einem Assistenzjahr sehr viel gelernt. Und ich habe ein natürliches Talent für die Fotografie. Das ist sogar größer als mein Technikverständnis, das man in der Branche selbstverständlich auch braucht. Mittlerweile sage ich immer, dass der, der technisch hochperfekte Bilder will, bei mir nicht an der richtigen Stelle ist. Aber ein Mindestmaß an Technik muss vorhanden sein. Wenn ich selbst ein bestimmtes Bild kreieren will oder mein Kunde wünscht ein bestimmtes Bild, dann muss ich einfach wissen, mit welchen technischen Mitteln ich das umsetzen kann. Und das habe ich mir selbst angeeignet. Eben einfach geMACHT und gelernt durch Bücher und unzählige Video-Tutorials aus dem Internet. Aber der Grundstein war die Assistenz bei dem Fotografen.
Greift da der Spruch: Wenn man etwas wirklich will, setzt man alle Hebel in Bewegung?
Definitiv. Was mich all die Jahre angetrieben hat, waren Fragen wie „Was will ich wirklich?“, „Wofür schlägt mein Herz?“, „Was fällt mir leicht?“, „Wo zieht es mich automatisch hin?“. Ich wollte mich auf die Suche nach meiner Berufung machen, herausfinden, was in mir angelegt ist an Talenten, an Ideen, an Leidenschaft. Im Grunde wusste ich, dass es die Fotografie ist, also lag der Gedanke nah, dass ich damit auch mein Geld verdienen könnte. Und wenn man das erst einmal weiß, dann setzt man auch alle Hebel in Bewegung, räumt alle Steine aus dem Weg. Ich glaube, das kennt jeder, der sprichwörtlich schon ein paar Jahre auf der Uhr hat. Die Dinge, die man wirklich vom Herzen her will, die kann man auch umsetzen.
Es war also nach deiner Reise auch sofort klar, dass du nicht mehr in den sozialen Bereich zurückgehst, sondern dich als Fotografin selbstständig machst?
So schnell ging es dann doch alles nicht. Ich hatte mir für das Jahr schon vorgenommen, eine klare Vision zu entwickeln, wie es nach der Reise weitergeht und vor allem, wo es beruflich hingeht. Aber wie das so ist, die Monate verstrichen, ich bin mit meinem VW-Bus durch Europa getourt und hatte immer noch keine großartigen Eingebungen. Auf der Reise tauchte plötzlich die Idee auf, mich mit einem Campingplatz selbstständig zu machen. Ich hatte ja nun auf meiner Tour Hunderte Campingplätze gesehen und mir war klar: Von dem nimmt man das, von dem anderen das und am Ende hat man einen tollen Naturcampingplatz. Ich war geschult und hatte ein gutes Gefühl dafür, was Leute auf Campingplätzen brauchen. Und aus dieser Idee entwickelten sich großartige Visionen. Ich sah einen Hof mit verschieden gestalteten Arealen, Kunstausstellungen und einem kleinen Cafébetrieb vor mir und wenn ich jetzt davon erzähle, da merke ich sofort wieder, wie meine Begeisterung aufflammt. Aber bei all dem Wunschdenken kam natürlich sofort die berechtigte Frage: Wie soll ich das umsetzen?
Das klingt, als würde an der Stelle der soziale Aspekt deiner Persönlichkeit wieder zum Vorschein kommen?
Ja. Klar. Das ist ein großer Anteil von mir und auch Basis meiner fotografischen Tätigkeit. Ich hatte mir überlegt, die Fotografie in Form von Seminaren und Ausstellungen mit in das Campingplatzprojekt zu integrieren. Aber das waren eben alles nur Ideen und letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass dieses Projekt für mich alleine schlichtweg eine Nummer zu groß ist. Ich brauchte ja etwas, das sich bis zum Herbst 2011 umsetzen ließ. Ich musste einfach Geld verdienen und mir war klar, dass ich, wenn ich zurück bin, höchstens noch zwei Monate zum Ankommen habe. Zum September 2011 hatte ich mich arbeitslos gemeldet. Das Resultat war, dass ich von der Agentur umgehend Stellen im sozialen Bereich zugewiesen bekam. Ich merkte sofort, dass das für mich überhaupt nicht mehr infrage kommt und dass ich nicht irgendwann, sondern sofort eine Alternative brauchte. Und die Selbstständigkeit mit der Fotografie schwirrte mir ja auch schon das ganze Jahr über im Kopf herum.
Und so habe ich den Entschluss gefasst, mich als Fotografin selbstständig zu machen. Aber eben mit ganz vielen Ängsten und Zweifeln. Um aus denen herauszukommen, bin ich in die .garage hamburg gegangen und habe mich dort informiert, was ich brauche. Die Art und Weise, wie ich dort beraten wurde, hat mir Mut gemacht. Ich wusste dann auch, dass der Gründungszuschuss in der Form, wie er bisher verteilt wurde, bald nicht mehr existieren wird. Ohne die Förderung hätte ich es aber nicht bewerkstelligen können. Ich benötigte diese finanzielle Basis. Also wurde der Druck zu handeln noch größer und da habe ich die Zweifel beiseite geschoben und innerhalb einer Woche all das erledigt, was andere Gründer wahrscheinlich in monatelanger Arbeit gut vorbereiten. Von der Marktanalyse über die Preiskalkulation – eben das ganze Programm.
Das hört sich dann doch an, als wäre es eine Notgründung. Jedenfalls klingt es für mich trotz der Leidenschaft nicht so, als ob du es aus vollem Herzen getan hast.
Ich glaube, es war eine Mischung. Ich habe es ja viele Jahre lang in mir bewegt. Und mich lange, wie schon gesagt, schlichtweg nicht getraut. Heute weiß ich, dass ein Grund dafür auch mein Mangel an Informationen war. Ich wusste nicht, wie ich es umsetzen sollte. Meine Ängste waren zeitweise einfach größer als der Wunsch zu fotografieren und damit mein Geld zu verdienen. Ich kenne einige Menschen, denen das so geht. Deswegen habe ich mich vorher nicht damit beschäftigt, Unternehmerin sein zu können.
Und ja es stimmt, dann war es quasi die Not, wenn man es so will. Ich sollte mich bewerben, sollte zurück in meinen alten Beruf, in dem es genug offene Stellen gab und das wollte ich auf keinen Fall. Also fragte ich mich: Wann, wenn nicht jetzt? Also im Grunde hat die Not den Anlass gegeben, etwas sichtbar zu machen, was schon lange in mir geschlummert hat. Wäre ich nicht in Not gewesen, hätte ich es vielleicht gar nicht gemacht.
Wie waren denn die ersten Schritte? Ging es gleich nach der Gründung los?
Diese Zeit war eine echte Herausforderung für mich. Irgendwann bekam ich die Bewilligung. Dann gab es den Tag der Gründung, den ich auch offiziell mit einer Freundin gefeiert habe. Sie ist zur selben Zeit wie ich in die Selbstständigkeit gegangen. Wir haben parallel die Tränen getrocknet, den Businessplan geschrieben und den Sekt getrunken und dann kam wirklich die berühmte Frage: Und jetzt?
Im Grunde hatte ich ja noch nichts. Abgesehen von einer Ausrüstung und meinem Laptop. Aber es war klar, dass ich damit zwar schon etwas tun kann, aber wenn ich es wirklich professionell machen will, dann brauche ich noch mehr und vor allem brauche ich Kunden!
Da ich gern gestalte, habe ich mich erst einmal hingesetzt und kleine Flyer mit meinem Angebot gebastelt. Für Kinder und Familien, für Hochzeiten. Ich hatte ja all die Jahre fotografiert und somit genug Material, das ich verwenden konnte. Dann habe ich allen, die ich kannte, also Freunden und Bekannten, eine E-Mail geschrieben. Habe sie darüber informiert, dass ich gegründet habe und dass ich mich über Unterstützung freuen würde. Und dann habe ich angefangen, Test-Shootings zum Selbstkostenpreis anzubieten. Einfach damit ich ins MACHEN kam. Denn das war für mich die zentrale Frage: Wie komme ich weg von den Planungen, hin zum Machen?
Ich war sehr aktiv, habe Termine für Fotoshootings mit Freunden und Bekannten veranstaltet und habe fotografiert um noch mehr Material zu sammeln. Das habe ich anschließend verwendet, um daraus kleine Fotoalben zu gestalten, die ich dann verschenkt habe. Meine Idee dahinter war, dass alle, die so ein Album bekommen, nicht nur selbst etwas zum Anschauen haben, sondern es auch anderen zeigen können. Wir kennen das doch alle. Die Fotos, die wir machen, bleiben als Datenmüll auf unseren Rechnern liegen und ich glaube viele Menschen fassen Bilder dann doch lieber an und schauen sie dann vor allem auch öfter an. Und mein Plan ist aufgegangen. Diese Aktion brachte mir die ersten Jobs und so kamen die Dinge ins Rollen. Plötzlich riefen Leute an und sagten: „Ich habe die Fotos bei einer Freundin gesehen und möchte auch so etwas.“
Das hat mich motiviert weiterzumachen. Also habe ich vor Weihnachten einfach Weihnachtsmotive fotografiert und Karten hergestellt. Mit denen bin ich auf einen Kunsthandwerksmarkt gegangen, habe mir einen Platz reserviert und die Karten verkauft. Parallel habe ich sie auch wieder an ganz viele Freunde geschickt und plötzlich hatte ich Kartenbestellungen von fast 400 Stück.
Das klingt mehr nach einer intuitiven Vorgehensweise als nach großer Planung.
Ja das stimmt. Ich war in gutem Kontakt mit Freunden, habe um Feedback gebeten, Literatur gewälzt und habe geschaut, was andere Fotografen machen. In dem Zusammenhang habe ich meine Konkurrenzanalyse noch mal intensiviert. Habe geschaut, was andere für Preise nehmen. Aber letztendlich hat sich Rücklauf aus meiner Bewegung heraus ergeben.
Gab es in der Phase noch Zweifel?
Ja. Die größte Hürde war mein eigenes Selbstwertgefühl. Ich glaube, das bleibt auch immer meine große Herausforderung – wobei es schon besser geworden ist. Nachdem ich den Businessplan geschrieben hatte, war ich schon auf einem guten Weg. Aber die Angst davor zu versagen, es nicht zu schaffen, auf einen Markt zu gehen, der im Prinzip übersättigt ist, war ebenso präsent wie der Zwang, mich abzuwerten und mich mit anderen zu vergleichen.
Daneben gab es aber auch die andere Seite und Phasen, in denen ich mir selbst immer wieder sagte: „Ich bin ich. Ich bin besonders, indem ich es MACHE, und niemand macht es so wie ich. Auch wenn es Tausende Fotografen in Hamburg gibt. Ich habe eine Chance auf Erfolg, ich kann das schaffen, wenn ich an mich glaube.“
Also das ist das, was ich jetzt nach gut eineinhalb Jahren sagen kann: Es hängt viel davon ab, wie ich aufgestellt bin. Wenn ich gut drauf bin, wenn ich an mich glaube und einfach MACHE, dann gibt es auch eine entsprechend positive Resonanz. Und wenn ich sehr mit mir hadere, dann ist es schwieriger. Dann verzögere ich bestimmte Dinge und komischerweise gibt es dann auch von Kundenseite her Verzögerungen oder Absagen. Das spiegelt sich.
Was hat dich denn in der Anfangsphase am meisten motiviert?
Für mich war es wirklich immer das Wichtigste ins MACHEN zu kommen. Und es war toll, dass ich wahnsinnig viel Unterstützung von Freunden und von meiner Familie bekommen habe. Ganz viele haben einfach aufgeatmet, als ich diesen Schritt gegangen bin. Manche haben ja schon Jahre auf mich eingeredet und sie glauben alle an mich. Das war gut – wenn mir selbst der Glaube ab und an gefehlt hat, dann haben Freunde das überbrückt. Und es war nicht so ein wohlgemeintes Zureden, so wie bei einer behütenden Mutter, die grundsätzlich alles toll findet, was ihre Tochter macht. Nein es war echter, überzeugter Glaube an mich und meine Fähigkeiten und das war schlichtweg super.
Ist das freie Arbeiten ohne einen festen Auftraggeber für dich eine Herausforderung?
Auf jeden Fall. Gerade dann, wenn so ein saisonales Loch kommt. Erlebt habe ich das nach dem ersten Weihnachtsfest. Da war halt länger nichts zu tun und es gibt ja auch keinen, außer dir selbst, der den Startpunkt, an dem du wieder loslegen musst, festlegt. Es ist ja niemand da, das Wetter ist grau und trüb, das Telefon klingelt nicht, weil keiner Fotos haben möchte und es ist einfach auch kein tolles Fotowetter. Also was fängst Du an? Es war damals so, dass ich von Oktober bis Dezember eine super Zeit hatte. Ich war ganz viel im MACHEN und Tun und dann kam diese Flaute, auf die ich wirklich überhaupt nicht vorbereitet war. So etwas erlebt man als Angestellter natürlich nicht.
Das klingt wirklich nach einer schwierigen Phase. Wie hast du sie überbrückt?
Ja, in der Zeit hat mir nicht einmal geholfen, dass die anderen an mich geglaubt haben. Das war zwar nett, aber es hat mein Problem nicht gelöst. Im Grunde habe ich da erst gemerkt, dass ich noch so viele Fragen zu dem Business überhaupt habe. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch keine Homepage, keine Visitenkarten, keine richtigen, professionellen Flyer. Mir war auch klar, dass ich unbedingt Hilfe bei der Entwicklung meiner Unternehmerpersönlichkeit brauchte, dass ich insgesamt noch viel mehr Informationen benötigte. Man kann ja vieles mit einem Businessplan abklären, aber was für ein breites Feld man als Selbstständiger zu beackern hat, das merkt man erst, wenn man drinsteckt.
Ich habe es gelöst, indem ich wieder zur .garage hamburg gegangen bin. In Hamburg gibt es ein spezielles Programm für Kreative, die .garage beta. Da waren neun oder zehn Leute in einer Gruppe. Sie kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen: Webdesigner, Produktdesigner, Yogalehrer, Klavierlehrer. Das Gute war, dass dieses Programm gefördert wurde und ich es berufsbegleitend wahrnehmen konnte. So bekam ich alle Informationen, die mir noch fehlten. Und zusätzlich musste jeder einmal pro Monat vor der gesamten Gruppe sein Unternehmen darstellen und das hat mich wirklich nach vorn gebracht und inspiriert. In dieser Zeit habe ich Visitenkarten erstellt, Flyer angefertigt und meine Homepage kreiert. In den drei Monaten ist wirklich richtig viel passiert. Ich habe neue Kontakte geknüpft, die auch heute noch bestehen. Ich habe mir ein richtiges Unterstützungsnetzwerk aufgebaut.
Im Anschluss an diese Phase habe ich noch das KfW-Gründercoaching genutzt. Also ich bin sehr dankbar, dass es all diese Möglichkeiten gibt – vom Gründungszuschuss über den Weiterbildungsbonus bis zum KfW-Coaching. Das ist besonders am Anfang einer Selbstständigkeit, wenn die Finanzen eher knapp sind, ein wahres Geschenk.
Meinst du, dass es unerlässlich ist für jemanden, der als Freelancer startet, zu gut zu vernetzen und dafür dementsprechende Netzwerktreffen zu besuchen?
Ich selbst habe wirklich nur positive Erfahrungen damit gemacht. Ich kenne allerdings durch andere Gründer auch die negativen Seiten. Es gibt ja zum Beispiel diese Gründerstammtische oder die Frauenstammtische. Ich glaube, es hängt viel von dem Business und von der eigenen Persönlichkeit oder von dem Kreis ab, in den man eintaucht. Das kann auch nach hinten losgehen. Ich habe von Beispielen gehört, wo solche Netzwerktreffen sehr stark konkurrenzorientiert geführt wurden und das kann demotivieren. Dann fängst man wieder an sich zu vergleichen und sieht, was andere schon gemacht haben. Dann ist solch ein Netzwerk nicht hilfreich. Ich hatte zwei Existenzgründer in meinem Bekanntenkreis, mit denen ich mich intensiv austauschen konnte, dazu die Teilnehmer aus der .garage. Das hat mir geholfen zu sehen, dass die Probleme, mit denen ich mich herumschlage, nicht exklusiv meine sind. Auch das Gefühl, mich selbst wie der letzte Depp zu fühlen, weil ich nicht hochkomme oder weil ich auf dem Schlauch stehe und nicht weiß, was ich als nächstes machen soll – das geht in der Regel 90 Prozent der anderen Gründer auch so. Und das versteht jemand, der angestellt ist, natürlich nicht. Das habe ich vorher auch nicht verstanden. Aber mit einem Mal bin ich in einer neuen Welt, die nach ganz anderen Regeln funktioniert. Da ist schon hilfreich und auch noch mal beruhigend zu sehen, dass es anderen genauso geht wie einem selbst.
Hast du dich spezialisiert, um dich von der Konkurrenz abzuheben?
Also alles fotografiere ich nicht. Ich glaube, ich bin vielseitig und mein Alleinstellungsmerkmal ist wahrscheinlich meine Doppelprofession. Das, was ich gut kann, ist, mit Menschen zu arbeiten und Menschen zu fotografieren, die sich nicht für besonders fotogen halten. Ich schaffe einen Rahmen, in dem sich meine Kunden, auch Fotoangsthasen, wohlfühlen. In dieser Atmosphäre entstehen Bilder, mit denen sich die Menschen identifizieren können. Von April bis September fotografiere ich Hochzeiten. Alles, was zu Emotionen und Natürlichkeit gehört. Trotzdem entwickeln sich weitere Themen. Mein Faible für Natur hat mir auch Felder eröffnet. So habe ich Kunstkarten erstellt, die von einem Förderverein hier aus der Gegend, in der ich lebe, verkauft werden. Dann habe ich eine Anfrage von einem Hotel, welches sich atmosphärische und emotionale Imagebilder wünscht.
Ich probiere mich aus. Mein Kerngeschäft ist aber die Arbeit mit Menschen. Hochzeiten, als ein Schwerpunkt und Porträts im weitesten Sinne als einen anderen Schwerpunkt. Ich habe aber auch andere kleine Samen gesät und schaue mal, was daraus sprießt. Zum Beispiel diese Postkarten, von denen ich eingangs erzählte. Oder es gibt ein Porträtprojekt hier im Ort mit Interviews. Das sind so kleine Geschichten, die sich nebenher ergeben.
Könntest du dir vorstellen, noch einmal angestellt zu sein?
Nein, im Moment nicht.
Wie ist es, trägt sich dein Geschäft schon? Kannst du davon leben, jetzt nach eineinhalb Jahren?
Es ist knapp. Die Förderungen sind ausgelaufen, das heißt, ich habe jetzt noch die Verlängerung des Gründungszuschusses beantragt. Aber auch der läuft ja irgendwann aus und dann erhöhen sich automatisch die Krankenkassenbeiträge. Dann kommt dazu, dass wir in diesem Jahr so einen langen Winter hatten, was sich negativ auf das Geschäft ausgewirkt hat. Ich habe wirklich das große Glück, dass ich notfalls auf Ersparnisse zurückgreifen kann. Also ganz ehrlich und konkret: Wahrscheinlich hätte ich diesen Weg gar nicht gehen können, wenn ich das Ersparte nicht gehabt hätte, was mir einfach auch eine gewisse Sicherheit gibt. Gut ist, dass ich relativ niedrige Investitionskosten hatte. Ich habe keinen Laden oder kein großes Studio, das ich finanzieren muss. Mal abgesehen von einigen technischen Ausrüstungsgegenständen, die ich einfach benötige, um professionell arbeiten zu können, halten sich also die Ausgaben im Rahmen. Ich musste aber in einigen Monaten immer noch etwas dazulegen, um über die Runden zu kommen. Es ist halt auch ein Saisongeschäft – also zum Beispiel die Hochzeitssaison. Die geht im Frühsommer los, da kommen große Aufträge, die mich wahrscheinlich über den Winter tragen. Aber allgemein gesagt, sind meine finanziellen Ziele definitiv noch nicht erreicht.
Hast du dir ein Budget gesetzt nach dem Motto: Das gebe ich rein und wenn das nicht reicht, muss ich mir doch etwas anderes suchen?
Es ist so, dass ich jetzt am Ende des Jahres Tabula rasa mache. Ich war bereits an dem Punkt, wo ich das Gefühl hatte, dass es knapp wird und da habe ich mir schon auch überlegt, wie es perspektivisch weiter geht. Ob ich mir noch einen Job suche, um auch sozialversicherungstechnisch abgesichert zu sein. Aber wenn ich darüber nachdenke, kommt sofort die Frage: Was soll ich machen? Wenn ich mir einen Job suche, bei dem man mich als ungelernte Kraft für 20 Stunden einstellt, dann verdiene ich kaum Geld. Da mache ich zwei oder drei Fotojobs und habe am Ende unterm Strich dasselbe raus. Natürlich könnte ich wieder in meinen alten Beruf zurückgehen, aber genau das wollte ich ja nicht mehr.
Hast du Angst davor, dass du – um es mal bildhaft zu sagen – das Pferd immer noch reitest, obwohl es schon tot ist? Oder dass du an den Punkt kommst, wo du dich zu stark selbst ausbeutest?
Natürlich gibt es diese Angst. Aber da habe ich durch mein Burnout gelernt, auf mich selbst aufzupassen.
Hast Du einen Plan B?
Nein. Volles Risiko im Moment. Ich habe ein natürliches Urvertrauen. Vielleicht auch durch meine Reise. Damals habe ich gelernt, dass das Leben gut für mich sorgt. Ich habe immer eine Lösung gefunden und auch in Krisensituationen ging es immer irgendwie weiter. Für mich ist klar, dass man die Augen vor bestimmten Dingen und Problemlagen nicht verschließen darf.
Wie weit würdest du gehen?
Ich möchte mich nicht finanziell ruinieren und mit einer Insolvenz aus der Sache herausgehen. Ich möchte mich aber auch nicht wie viele andere total unter Wert verkaufen und jeden Job annehmen. Dafür bin ich nicht selbstständig. Ich bin diesen Schritt in die Selbständigkeit ja gegangen, weil ich mir einen Beruf ausgewählt habe, in dem ich arbeiten will, in dem ich selbstbestimmt arbeiten kann und mich nicht mit Kunden herumärgern muss, bei denen es mir wirklich innerlich gegen den Strich geht. Aus diesem Grund habe ich auch schon mal eine Hochzeit sausen lassen und den Auftrag abgelehnt, weil ich gemerkt habe, dass es mit diesen Menschen einfach nicht passt. Und das hätte sich definitiv negativ auf meine Arbeit ausgewirkt. Das heißt, die Kunden hätten am Ende vielleicht ein Ergebnis bekommen, mit dem sie nicht zufrieden gewesen wären, weil ich meine Arbeit widerwillig und uninspiriert gemacht hätte.
Die Kunst ist wahrscheinlich, die richtige Mischung zu finden. Also auch mal Brotjobs zu machen, die Geld bringen, an denen aber nicht das Herz hängt und dann aber auch die anderen Projekte zu haben, bei denen man mit Herz und Leidenschaft dabei ist. Ich glaube, es ist sehr wichtig für jeden Freelancer, abzuwägen und immer ein Gefühl zu der Frage zu entwickeln: Was mache ich da eigentlich gerade? Nur so lernt man aus seinen Erfahrungen und weiß: Okay. Das habe ich jetzt einmal gemacht, das muss ich nicht unbedingt wieder tun. Wichtig ist auch, dass man offen ist, immer wieder Dinge ausprobiert und diese dann genau betrachtet und überprüft.
War es schwierig für dich den Wert der eigenen Arbeit, also den Preis, zu bestimmen?
Ja. Sehr sogar. Das fand ich ganz schwer. Am Anfang habe ich ja viel für Privatkunden gearbeitet und erst so nach und nach kamen die Geschäftskunden dazu. Die Preise habe ich meist aus einem Bauchgefühl heraus bestimmt. Erst mit dem Wissen aus der .garage habe ich angefangen ganz klar zu kalkulieren. Ich habe geschaut, wie viel ich denn eigentlich ganz realistisch brauche und dann ausgerechnet, wie viele Jobs zu welchem Preis ich in einem Jahr machen müsste, damit das reinkommt.
Das schwarz auf weiß auf dem Papier zu sehen war sehr wertvoll. Am Anfang wollte ich gar kein Geld haben. Es fühlte sich irgendwie komisch an, mich für etwas bezahlen zu lassen, das mir so leicht fiel. Ich habe mich ein bisschen auf dem Gründungszuschuss ausgeruht. Es war ein weicher Start und ich habe mich schon gefreut, wenn mir jemand 50 Euro für meine Arbeit gegeben hat. Aber je länger ich dabei war und je mehr mir klar wurde, was ich zum Leben brauche, was ich investiere, um besser zu werden, indem ich mich weiterbilde, technisch aufrüste, desto schneller entstand auch ein anderes Selbstverständnis für mich und mein Business. Dann sind 50 Euro nicht mehr in Ordnung. Oder es ganz umsonst zu machen, nur weil es für Freunde ist. Das ist dann nicht mehr okay. Für eineinhalb Stunden Fotografie und drei Stunden Nachbereitung.
Mein Gefühl ist, dass sich solch ein Preissystem bei vielen Freelancern erst entwickelt. Anfangs hatte ich, wie gesagt, Bauchschmerzen wegen des Geldes, aber das hat sich entwickelt, weil ich verstanden habe, dass meine Arbeit viel mehr wert ist. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass man natürlich nicht permanent seine Preise erhöhen kann. Es macht definitiv Sinn, sich vor der Gründung ausreichend Gedanken über die Preisgestaltung zu machen. Am besten auch mit Hilfe einer Beratung. Und dann von Anfang an Preise zu nehmen, die ein gutes, angemessenes Niveau haben – also von denen man leben kann, mit denen man aber auch leben kann. Das letzte ist ein wichtiger Punkt, denn wenn man seine Preise innerlich nicht vertreten kann und schon beim Aussprechen der Zahlen im Erdboden versinke, hinterlässt das bei dem Kunden auch keinen guten Eindruck. Aber es ist schon eine spannende Geschichte, sich wirklich damit zu beschäftigen und sich klarzumachen, dass die Preiskalkulation bei Freelancern und Freien natürlich viel auch mit dem eigenen Selbstwert zu tun hat.
Es war also auch mental eine Schwierigkeit, Geld zu nehmen für etwas, das Spaß macht?
Na klar. Fotografieren fällt mir leicht, es ist ja nichts Besonderes, es macht mir auch noch Spaß. Ich glaube, das ist so eine Art Gehirnwäsche, die wir alle irgendwann mal erfahren haben, dass Spaß und Geldverdienen nicht zusammenpassen. Und da neue Synapsen und Verschaltungen zu finden und offen zu sagen: „Ja aber so soll das doch sein!“ ist schwierig. Es ist wirklich total verrückt, dass wir das offensichtlich alle anders gelernt haben. Eigentlich sollten wir alle das tun, was uns leicht fällt und was uns Freude macht.
Gibt es eine Vision? Wo möchtest du in fünf oder zehn Jahren sein?
In zehn Jahren habe ich meinen Campingplatz. Aber ich fotografiere auch und stelle meine Bilder aus. Ich bin überzeugt, dass ich vielseitig bin und dass ich viel Energie habe. Und ich habe einfach auch noch so viele andere Ideen. Das heißt, ich kann jetzt gar nicht sagen, ob ich in zehn Jahren ausschließlich als Fotografin arbeiten werde. Wichtig ist mir, an mir selbst dran zu bleiben und immer wieder hinzufühlen, was mich inspiriert und begeistert. Meine Fühler auszustrecken und zu schauen, was es um mich herum noch gibt. Mit dem, was jetzt gerade ist, bin ich wirklich sehr zufrieden und glücklich. Trotzdem gibt in meinem Business noch so vieles zu entdecken und zu lernen. Schließlich bin ich erst eineinhalb Jahre selbständig, da gibt es noch einige Fallgruben, Anfängerfehler aber auch viele Möglichkeiten. Herausforderungen, an denen ich wachsen kann und die mich weiter bringen. Was ich definitiv weiß, ist, dass ich gern selbstständig bleiben möchte. Und ich wünsche mir mittelfristig mehr Zusammenarbeit mit anderen Freelancern. Eine Ateliergemeinschaft oder eine Bürogemeinschaft könnte ich mir gut vorstellen. Das müssten gar nicht unbedingt nur Fotografen sein. Aber was ich während meiner Zeit als Angestellte schon sehr geschätzt habe, war, in ein Team eingebunden zu sein.
Immer für sich selbst zu stehen, mit jeder Frage, von der Preiskalkulation über die Bildauswahl für den Flyer und die Texte der Homepage bis hin zu Motivationslöchern und Aufstehschwierigkeiten, das ist schon eine Herausforderung. Da ist so ein Team auch ein Gerüst. Man bestellt für den anderen einen Kaffee mit, wenn der mal einen schlechten Tag hat und tauscht sich aus. Das fehlt mir jetzt. Zumal ich ein sehr kommunikativer Mensch bin und gern im Team arbeite.
Eine Überlegung für die nächsten Jahre ist also, wie ich das mehr in mein Leben holen kann. Im Team zu sein oder allein beim Kunden, mit dem man ja auch gesellschaftlichen Austausch hat, ist nicht das Gleiche. Mir ist auch wichtig, einen kreativen Austausch zu haben. Ich meine, na klar kann ich mir den Austausch holen, aber das muss ICH eben auch organisieren. Im Grunde hole ich jeden Tag alles aus mir heraus und das in jedem Bereich.
Wenn wir mal die Hypothese wagen, dass dein Geschäft nichts wird und du an den Punkt kommst, wo du aufhören musst. Was wird dann für dich der größte Gewinn gewesen sein? Was sagst du denen, die dich dann fragen, was es dir gebracht hat, solch ein Risiko eingegangen zu sein?
Dass es sich lohnt, mutig zu sein und etwas zu tun, das sich richtig und gut anfühlt. Erfahren zu haben wie es ist, über seine Ängste hinausgehen zu können. Sich selbst auf eine ganz neue Art und Weise kennengelernt zu haben. Wenn man sein eigenes Unternehmen gründet, tut sich eine neue Welt auf. Es ist wahnsinnig vielfältig und lebendig und ein großartiger Selbsterfahrungstrip. Weil man sehr viel über sich lernt. Weil man ganz schnell merkt, wo es gut läuft, wo genau die wunden Punkte sind. Besonders als Freelancer ist man immer sofort mit sich selbst konfrontiert. Das muss man wollen, aber dann ist es eine großartige Möglichkeit daran zu wachsen.
Ich habe das Gefühl, in den letzten eineinhalb Jahren hat sich so viel verändert in meinem Leben und mit mir, das lohnt sich einfach. Und jetzt weiß ich wieder ein Stückchen mehr über mich. Was mir gefällt, was mir gut tut und was nicht. Ich kenne eine Frau, die hat gegründet und sie sagt, Selbstständigkeit ist zwar gut, aber eben nicht nur. Sie bräuchte noch eine 20-Stunden-Stelle, dann hätte sie ihre Freiheit in dem einen Bereich und in dem anderen hätte sie ein Team und ein festes Einkommen. Und das ist es – egal, wie man es umsetzt, ob als Freie oder halbe-halbe. Ich glaube, aus Angst an einem Ort zu verharren und eine Arbeit zu machen, die vielleicht nicht einmal Spaß macht, auf der Stelle zu treten, das tötet die eigene Lebendigkeit. Also wer den Wunsch verspürt und finanziell so aufgestellt ist, dass es kein allzu großes Risiko darstellt, dem würde ich immer raten, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
Du hast vorhin gesagt, dass du am Ende des Jahres Tabula rasa machst. Also hast du für dich eine Schmerzgrenze festgelegt, wo dein Sicherheitsbedürfnis einhakt. Würdest du anderen auch raten, solche Punkte für sich zu fixieren?
Würde ich machen. Einfach blindlings in die Selbstständigkeit hineinzurennen, ohne irgendwelche finanziellen Rücklagen, würde ich keinem empfehlen. Ich muss konkret wissen, wie ich über den Monat komme. Ob ich eine nette Oma habe, mein Mann mich finanziert oder ich eine Million erbe, irgendwoher muss das Geld kommen. Und dann ist noch die Frage, in welchem Bereich man startet und wie viel man investieren muss. Braucht man viel oder kann man sozusagen mit sich selbst starten? Das ist unterschiedlich. Einen Finanzplan sollte jeder machen. Genau zu schauen: Was habe ich jetzt, womit rechne ich und wie lange könnte ich im schlimmsten Falle, also wenn gar kein Geld reinkommt, aushalten? Und – wie viel Zeit brauche ich dann noch, um mich umzuorientieren? Wenn man all diese Fragen beantworten kann, dann ist das ein gutes Gerüst, das Halt gibt. Eine Art Rahmen, in dem man sich einigermaßen sicher bewegt.
Zum Businessplan. Du sagtest ja, die Schmerzen waren groß – war es denn trotzdem hilfreich ihn zu schreiben?
Definitiv. Auch wenn das natürlich in meinem Fall sehr mit der heißen Nadel gestrickt war. Aber am Ende sind es auch 25 Seiten geworden und ich habe die Zeit intensiv genutzt. Ich wusste, ich muss mich um meine Preisgestaltung kümmern. Ich wusste, ich muss mein Alleinstellungsmerkmal herausarbeiten. Wenn man den Businessplan geschrieben hat, ist einfach klar, was kein Thema mehr ist und worum man sich kümmern muss. Das ist extrem hilfreich. Dann kennt man seine blinden Flecken und die, die ausradiert werden müssen, wenn man erfolgreich sein will.
Zwei goldene Regeln, die du anderen mit auf den Weg gibst?
Erstens: Sich umschauen nach einer Beratung oder einem Existenzgründercoaching, damit man ein Basiswissen bekommt. Herausarbeitet, was man wirklich braucht. Klar kann man sich das anlesen, aber professionelle Unterstützung ist doch etwas anderes. Es sei denn, man ist ein Freigeist, der einfach macht. Aber bestimmte Dinge vorab zu klären hat mir persönlich sehr geholfen.
Zweitens: Einen realistischen Finanzplan aufstellen. Egal wie die Situation aussieht. Erst dann kann man sehen, wo man steht, was man noch braucht und wie man an Fördergelder kommt, um starten zu können. Bei allem Herz, Talent und Leidenschaft ist das der Punkt, an dem man baden gehen kann, wenn man den Tatsachen nicht ins Auge sieht.
Was ist das Schönste an deinem Freelancer-Leben?
Dass ich den Freiraum habe, selbst zu entscheiden und meinen Tag selbst zu gestalten. Dass ich tun kann, was mich inspiriert und wofür mein Herz schlägt. Dass ich mich nicht mehr verbiegen und gegen meine Überzeugungen handeln muss. Ich meine, als ich angestellt war, habe ich auch entschieden, angestellt zu sein, habe mich also auch für diesen Arbeitgeber entschieden. Dazu hat mich ja niemand gezwungen. Aber wenn ich mich erst einmal entschieden habe, dann auch zu den Bedingungen, die dort eben vorherrschten. Ich habe viele Dinge gemacht, die gegen meine Natur, meine innere Überzeugung und meine Werte waren. Und das muss ich jetzt nicht mehr. Wenn man selbstständig ist, dann wird einem noch viel mehr klar, dass und wie man selbstbestimmt und eigenverantwortlich handelt. Dass man alles selbst gestaltet, die Art wie man arbeitet, die eigene Selbstständigkeit, das eigene Unternehmen. In meinem Fall: Alles, was ich habe und was ich bin und was man außen sieht, habe ich sozusagen selbst ins Leben gebracht. Und das finde ich toll. Ich mache das im Grunde nur für mich, aus mir heraus. Und wenn ich damit noch andere Menschen begeistern kann und glücklich mache, dann ist das fantastisch. Es ist einfach positiv.
Was tust du aber, wenn Kunden kommen, bei denen du das, was du jetzt gerade beschrieben hast, nicht leben kannst, weil sie ihre eigenen Vorstellungen haben, die sich nicht mit deinen decken?
Das ist mir bisher nur ein Mal passiert. Da habe ich gemerkt, dass es auf allen Ebenen überhaupt nicht passte. Aber ich stand halt ganz am Anfang und hätte gern eine Hochzeit an der Alster fotografiert. Zum einen, weil ich das Geld brauchte und zum anderen, weil es eine tolle Referenz gewesen wäre, gerade für meine Arbeit in Hamburg. Ich habe mir damals für diesen Konflikt im Rahmen des .garage-Programms ein Coaching genommen, um mir Klarheit über meine Absichten zu verschaffen. Innerlich hatte ich die Entscheidung ja eigentlich schon getroffen, aber mich zu trauen und mir diese Entscheidung auch zuzugestehen, das war noch mal ein anderer Schritt. Natürlich thronte über allem die Frage, ob ich es mir denn als Selbstständige, die am Anfang steht, überhaupt leisten kann, abzusagen. Aber ich dachte dann: Ja, verdammt noch mal! Ich bin selbstständig, ich kann das entscheiden, und ich bin nicht auf das Geld angewiesen. Ich schlafe deswegen nicht im nächsten Monat unter der Brücke. Es gab später dann noch mal eine Situation, da wollte mich ein Kunde groß im Preis drücken. Auch da habe ich überlegt, ob ich lieber den schlechten Preis als gar keinen nehme. Ich habe verzichtet.
Und das ist der Punkt: Wirklich hinzufühlen und zu schauen, wo die eigenen Grenzen sind. Dann hat man die Freiheit, mal knapp zu kalkulieren oder eben nicht. Es gibt Situationen, in denen bin ich nicht bereit, die Grenze zu überschreiten und das fühlt sich dann auch gut an. Ich denke, das passt auch noch mal zu der Frage „Und wenn es dann am Ende nicht klappt?“ Gut, dann hat es vielleicht nicht geklappt, doch ich bin ich selbst geblieben. Ich kann ehrlich sagen, dass ich zu 90 Prozent nach meiner Überzeugung und nach meinem Gefühl handle. Natürlich nicht immer – wie gesagt, ich gehe auch mal baden. Aber das gehört dazu. Und das verändert sich auch und verfeinert sich. Ich bekomme mehr und mehr ein Gespür dafür, was geht und was nicht. Ich bin zufrieden und glücklich mit meiner Selbstständigkeit. Ich treffe so viele tolle Menschen und oft dann auch deren Freunde und die Familien. Die Fotografie ist ein Empfehlungsgeschäft. Das ist großartig, weil man verschiedene Menschen über viele Lebensabschnitte begleitet. Ich habe mittlerweile einen riesigen Bekannten- und Kundenkreis. Das ist ein Geschenk, das ich mir selbst gemacht habe.