Читать книгу Der Lucas ist los! - Jeff Lucas - Страница 8

Оглавление

EIN STÄNDCHEN

Letzte Woche wurde mir – erstmals in meinem Leben – von drei betrunkenen Männern ein Ständchen dargebracht. Ihr Gesang war nicht gerade umwerfend, was wohl vor allem daran lag, dass einer aus dem Trio innere Freiheit bewies und sich für eine andere Tonart entschied. Ziemlich aus dem Takt war er auch; und mit dem Text war er mindestens eine Sekunde hinterher. Er hörte sich an wie ein verstimmtes Echo.

Das Ganze fand während einer Karaokeveranstaltung statt. Ich kann Karaoke (was meiner Vermutung nach wohl das japanische Wort für „musikalische Taubheit“ sein muss) nicht ausstehen, weil es meistens darin besteht, dass Leute ihr Gesangstalent präsentieren, die eigentlich nicht einmal in der Dusche singen sollten, geschweige denn in der Öffentlichkeit. Trotz alledem war das Liedchen, das jenes fröhliche Triumvirat so unmelodiös trällerte, ein ausgesprochen lieblicher Klang in meinen Ohren.

Es passierte während einer landesweiten Pastorenkonferenz, und keine Angst, diese Jungs, die schon etwas zu lange beim Wein gesessen hatten, waren keine Teilnehmer dieser kirchlichen Veranstaltung. Zweitausend Pastoren hatten sich in einem Konferenzzentrum in San Diego eingefunden. Ich war einer der Referenten auf der Konferenz. Meine Frau Kay begleitete mich, und an einem der Abende beschlossen wir, noch zu später Stunde in der Hotelbar einen Schlummertrunk zu uns zu nehmen. Ein paar Pastoren von der Konferenz saßen verstreut in der Bar herum; manche davon in ernste Gespräche über das Leben, die Kirche und das Universum vertieft.

Mir fiel auf, dass die meisten von ihnen Limonade nippten. Ermutigt durch das erste Wunder, von dem Johannes in seinem Evangelium berichtet, bestellten wir uns zwei Gläser Cabernet Sauvignon.

Dann kamen unüberhörbar und in bester Stimmung die drei Männer herein. Sie waren nach einem feucht-fröhlichen Abend weniger betrunken als vielmehr beschwingt und gerade dabei, sich auf eine bevorstehende Hochzeit einzustimmen. Nachdem sie sich etwas zu trinken bestellt hatten, wandten sie sich zu uns und begrüßten uns wie alte Freunde. Unser britischer Akzent machte ihnen sichtlich Freude, und sie erzählten uns von ihrem Abend, ihrem Leben, ihren Berufen und einer Vielzahl weiterer Einzelheiten. Einer von ihnen fragte sogar Kay, wieso eine so schöne Frau wie sie sich entschlossen habe, einen älteren Herrn wie mich zu heiraten.

Wir plauderten eine Zeit lang, und sie schienen uns zu mögen. Nach einer Weile entschuldigte sich einer von ihnen für ihre ausgelassene Stimmung und sagte, wenn wir sie loswerden wollten, würden sie ohne Umschweife gehen, denn sie wollten uns nicht belästigen. Wir baten sie zu bleiben, denn wir hatten unseren Spaß mit ihnen. Auf der Leiterkonferenz hatten wir soeben zwei schöne, aber auch sehr kopflastige Tage lang versucht dahinterzukommen, wie wir die Welt effizienter verändern könnten. Ich war mürbe von der „Tyrannei des Sollens“, die mich auf christlichen Versammlungen oft verfolgt, und auch ein kleines bisschen ungeduldig mit der christlichen Gemeinde, die, wenngleich zu radikaler Veränderung berufen, oft schon zu jammern anfängt, wenn die Gesangbücher ausgetauscht werden. Es war erfrischend, sich zur Abwechslung mal über Dinge zu unterhalten, die nichts mit Kirche zu tun hatten, auch wenn unsere Gesprächspartner schon ein wenig undeutlich sprachen.

Nach langem Hin und Her gab ich mich schließlich als Geistlicher und Vortragsredner zu erkennen. Ich dachte schon, sie würden schlagartig nüchtern werden, sich Knoblauch um die Hälse hängen und die Flucht ergreifen: Pastoren sind nicht bei jedermann beliebt. Doch falls sie über die Anwesenheit eines Geistlichen beunruhigt waren, ließen sie sich nichts davon anmerken. Das war auch besser so, denn schließlich hielten sich zweitausend davon in der Nähe auf. Der künftige Trauzeuge unter ihnen bat mich um ein paar Tipps für seine Hochzeitsansprache, mit denen ich ihm gerne aushalf.

Dann passierte es. Sie entschuldigten sich, gingen hinüber zu der vermaledeiten Karaokemaschine und meldeten sich zu einer Darbietung an. Bevor sie ein paar Minuten später eine fast nicht wiederzuerkennende Version eines Elton-John-Klassikers anstimmten, überraschte uns einer von ihnen, indem er uns das Lied widmete. Er deutete aufs Geratewohl in unsere Richtung:

„Wir möchten dieses Lied unseren Freunden da drüben widmen, Jeff und Kay Lucas … dies ist für euch.“ Ich spürte die Blicke einiger der ernsten, Limonade nippenden Geistlichen in meine Richtung schwenken – oder war das nur Einbildung? Meinerseits starrte ich stur geradeaus und überlegte, ob jetzt alle dachten, ich hätte eine Sause gemacht und mich mit einer betrunkenen Schar von Möchtegern-Nachtclubsängern zusammengetan …

Doch dann musste ich lächeln. Ich war dankbar, dass die fröhlichen drei Gesellen gerne mit uns zusammen waren. Sie waren nicht davongelaufen, als ich sagte, ich sei Pastor. Ohne zu viel Aufhebens um diesen Moment machen zu wollen, hat er mich doch eine Lektion gelehrt.

Ich möchte gerne jemand sein, in dessen Nähe Leute, die Gott nicht kennen, sich wohlfühlen. Das heißt nicht, dass mein Leben sie nie herausfordern sollte. Schließlich sollen wir das Salz der Erde sein, nicht der Zucker. Ich rege nicht an, dass wir uns einschmeichelnd anpassen und uns genauso geben und anhören wie jeder andere, weil wir dazugehören wollen. Manchmal werden die Entscheidungen, die wir treffen, und die Standpunkte, die wir vertreten, für diejenigen, die Christus nicht nachfolgen wollen, eine Herausforderung sein.

Doch die Widmung des Liedes und unsere Unterhaltung an jenem Abend stoßen mich zu dem Gebet an, Gott möge mich auf andere so gewinnend wirken lassen, dass ich zumindest hin und wieder eine unerwartete Einladung bekomme, was ja auch Jesus oft passiert ist. Freilich ist das immer riskant. Dass er sich mit den Unheiligen abgab, brachte mit sich, dass er von den Frommen ständig missverstanden wurde. Dennoch ließ er sich nicht davon abbringen, sich mit den „falschen Leuten“ zu umgeben, die ihn liebten, und nicht nur wegen seiner legendären Fähigkeit, auf Partys für hervorragenden Wein zu sorgen. In seiner Kultur war es weitaus mehr als nur eine Nebensächlichkeit, mit jemandem zusammen zu trinken oder zu essen: Es drückte Akzeptanz und Identifizierung aus. Das Wunder bestand nicht nur darin, dass Jesus gerne Zeit mit Sündern verbrachte, sondern auch darin, dass sie gerne Zeit mit ihm verbrachten. Ganz im Gegensatz zu den abweisend dreinblickenden Pharisäern, die um hartgesottene Sünder einen großen Bogen machten, nahm Jesus sie mit offenen Armen auf. Und dafür rollten sie ihm den roten Teppich aus.

Wer ihm nachfolgt, soll so sein wie er. Und um so zu sein wie er, muss man auch dieselben Risiken eingehen.

Der Lucas ist los!

Подняться наверх