Читать книгу Arbeit im Wandel - Jeff Schwartz - Страница 16
Wir haben die Wahl
ОглавлениеWährend sich viele Aufgaben teilweise verändern und einige Jobs wohl ganz wegfallen werden, werden sich gleichzeitig neue Aufgaben entwickeln. Als im 19. Jahrhundert die Landwirtschaft mechanisiert wurde, verloren zahlreiche Landarbeiter ihre Arbeit, aber letztendlich verdienten sie dann in den Fabriken umso mehr. Die Automatisierung der industriellen Produktion ersetzte im 20. Jahrhundert wiederum viele Fabrikarbeiter, aber sie wanderten ins Dienstleistungsgeschäft ab. Wir vergessen immer wieder gern, dass eine steigende Produktivität neue Arbeitsplätze schafft. Historisch gesehen führte technischer Fortschritt immer zu mehr und nicht zu weniger Arbeitsplätzen. Und da man für die neuen Jobs oft mehr Fähigkeiten brauchte, wurden sie auch besser bezahlt.
Als Ökonom und Unternehmensberater, der das vergangene Jahrzehnt inmitten der Probleme rund um den Wandel der Arbeit verbrachte, erforsche ich dieses Thema zusammen mit innovativen Denkern und Unternehmensleitern, die mit den Chancen und Herausforderungen kämpfen, die sich in der veränderlichen Landschaft auftun. Ich lebte die eine Hälfte der Zeit in New York und die andere in Delhi und Mumbai und war in ganz Indien und anderen asiatischen Ländern tätig. Ich berate Unternehmen und Regierungsbehörden bei ihrem Versuch, mit den vor uns liegenden Rätseln zurechtzukommen. Und ich bin weiterhin täglich Zeuge der dramatischen Veränderungen, die sich an der vordersten Front einiger der größten und erfolgreichsten Unternehmen in den USA und auf der ganzen Welt ereignen.
Dieses Buch bietet Individuen, Unternehmensführern und Institutionen eine Orientierungshilfe für kluge Entscheidungen. Organisationen sind derzeit im Begriff, das zu formen, was letztendlich die zukünftige Arbeitswelt sein wird. Gleichzeitig stehen die einzelnen Arbeitskräfte vor breitgefächerten Optionen in der Frage, wie und wo sie arbeiten und welche Fähigkeiten sie sich aneignen wollen und sollten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Während wir neue Verbrauchertechnik in unserem Privatleben anscheinend gern willkommen heißen – wir haben uns inzwischen mehr als zehn Betriebssystemversionen von Smartphones (Apple und Android) erfolgreich angeeignet, seit sie in den Jahren 2007 und 2008 erstmals vorgestellt wurden –, fühlen wir uns bei technischen Neuerungen, die letztendlich unsere Arbeit tiefgreifend und sinnvoll verändern werden (wie sieht sie aus, wer erledigt sie und wo findet sie statt), eher unbehaglich.21
Die einzelnen Menschen suchen nach Möglichkeiten, weiterhin ihre Fähigkeiten einzubringen, Wert zu erzeugen und auf dem Markt eine Wirkung zu erzielen. Arbeitgeber stehen vor der wichtigen Entscheidung, ob sie mit den technischen Fortschritten die Effizienz steigern und Kosten reduzieren wollen oder ob sie erforschen wollen, wie sie die Technologie zur Umgestaltung der Arbeitsplätze einsetzen können, sodass sie mehr Wert und Sinn erhalten. Bürger, Lehrende und politische Entscheidungsträger sind aufgerufen, sich zu überlegen, wie man die Menschen auf die Veränderungen am Arbeitsplatz vorbereiten und entsprechend ausbilden könnte und welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, damit sich Personen, die zukünftig länger leben und arbeiten werden, immer wieder weiterbilden, ihre Karriere neu erfinden und neue Kapitel ihres Lebenslaufs aufschlagen können.
Die vielleicht wichtigste Frage in Bezug auf die Zukunft der Arbeitswelt lautet nicht, was wohl passieren wird, sondern was nach unserem Willen passieren soll: Welches Ziel hat der Wandel der Arbeit? Als Louis Hyman, Professor für die Geschichte der Arbeit an der Cornell-Universität, gefragt wurde, wie die Beschäftigungsverhältnisse im Jahr 2030 aussehen werden, traf er mit seiner Antwort den Nagel auf den Kopf: »Es ist schwer, über die Zukunft zu sprechen«, sagte er. »Wir haben schließlich die Wahl.«22 In diesem Jahrhundert stehen wir vor der Herausforderung, zu verstehen, welche Chancen uns die Technologie und die neuen Arbeitsweisen eröffnen. Die Forschung im Center for the Edge bei Deloitte zeigt, dass die meisten Zukunftsanstrengungen sich darauf konzentrieren, Kosten zu reduzieren, Effizienz zu steigern und Arbeitskräfte durch Technologie zu ersetzen.23 Daron Acemoglu, Wirtschaftsprofessor am MIT, bezeichnet dies als die »falsche Art von KI«.24 Die bisher noch weitgehend nicht ausgeschöpften Gelegenheiten liegen in einer Erweiterung unseres Blickwinkels über die Kosten hinaus, denn diese sind zwar wichtig, aber kein Selbstzweck. Wir müssen darüber hinaus Wert für Kunden sowie Sinn und Bedeutung für die Arbeitskräfte und die Gesellschaft erschaffen. Zu diesem Thema werden wir im letzten Abschnitt des Buches zurückkehren.