Читать книгу degenerama - Jek Hyde - Страница 9
Das geliebte Gegenteil …
ОглавлениеDas war er also? Der asiatische Gemischtwarenladen mit billigen, ausländisch gefertigten Kleidern, Porzellanfiguren und billigem Plastikspielzeug, hinter dem sich die Schönheitschirurgie befand. Pomelos, Äpfel, Ananas, Orangen. Ein einfacher Obststand aus hölzernen Schachteln auf dünnen Metallbeinen, der auf dem Pflaster des breiten Gehwegs vor dem großen Schaufenster stand, das voller einfacher Schaufensterpuppen mit irgendwelchen Trend-Imitationen war. Ein kleiner, älterer Asiat stand am Obststand, auf den Pia nun zielstrebig zuging. Es gab kaum jemanden, der sich für den kleinen Laden interessierte. Draußen standen ebenfalls billige Fahrräder und eine kleine Auswahl an Kleidung.
Der ältere Herr sah zu Pia auf, als würden ihr zerschnittenes Gesicht und ihr flauschiger Iro ihn einschüchtern. Pia lächelte und fragte: „Kennen Sie einen Doktor Steinmann?“
Der kleine, leicht gebeugte Kerl lächelte, was seine ohnehin schon spaltförmigen Augen noch schmaler werden ließ. Er nickte: „Oh ja, oh ja, ich kenne einen Doktor Steinmann. Wenn Sie mit Doktor Steinmann reden wollen, müssen Sie meine Frau fragen. Sie steht drinnen an der Kasse.“
„Danke.“ Pia ging die drei Stufen in den Kasten, den ein Zoll sicherlich gern einmal unter die Lupe nehmen würde, wobei er das Leben der beiden, vielleicht sogar gern, zerstören und ihnen jede Grundlage entziehen würde, nur um die Namen von Firmen zu schützen, die einfach nicht satt wurden, egal, wie viel sie verschlangen.
Drinnen machte sie gleich die ältere Asiatin aus, die an der Kasse stand, und ging zu ihr hinüber. „Kennen Sie …“, und noch bevor Pia aussprechen konnte, fuhr die Frau dazwischen: „Doktor Steinmann?“
Pia nickte. „Ja.“
„Doktor Steinmann ist gerade nicht da.“
Daraufhin begannen Pias Erwartungen zu schmelzen.
„Er wird bald zurück sein, warten Sie einen Moment.“
Sofort richteten sich Pias Erwartungen wieder auf.
„Wie lange wird es denn dauern, bis er zurück ist?“, hakte sie nach.
„Nicht lang. Zehn Minuten“, meinte Frau Wo.
Zehn Minuten konnte Pia ruhig warten, also sagte sie:
„Ich sehe mich solange um“, und ging um das Regal.
Billiges Spielzeug. Blaue Spritzpistolen, Plastikhubschrauber, lauter kleine Zootiere aus Plastik in einem Beutel, auf dessen Pappverschluss ein gemalter Löwe, Zebras, Giraffen und Elefanten gedruckt waren. Pia ging an den billigen Puppen vorbei. Babys aus Plastik, die sie mit ihren blauen Augen aus der Verpackung heraus anstarrten. Schon als Kinder spielten die Mädchen, wie man sich um ein Kind kümmert, fast, als wären sie für nichts anderes da. Und dicht daneben No-Name-Barbies, die sie lächelnd und hübsch geschminkt aus ihren Kisten anstarrten. Alle in hübschen, pinkfarbenen Kleidern. Pia hatte Pink noch nie gemocht oder die Tussen verstanden, die anscheinend im Kleinkindalter stecken geblieben waren, außer, dass ihre Sexualität dazugekommen war.
Überall diese kleinen, perfekten, makellosen Gesichter. Die Imitationen von reeller Perfektion. Und wenn Pia nicht ihre Cuttings und ihre rasierten Schläfen hätte, würde sie wahrscheinlich genauso aussehen mit ihrem strahlenden Lächeln, selbst wenn sie ihre Wangenmuskeln nicht gebrauchte, den perfekt geformten, strahlend blauen Augen und dem von Natur aus so perfekten Blond. Sie wäre so, wie sich ihre Eltern eine perfekte Tochter vorstellen, einfach makellos und schön, ohne jeden Eingriff. Glatte Haut, frei von jeder Spur eines Leberflecks. Keinen einzigen Pickel hatte sie in ihrem ganzen Leben gehabt, nicht einmal Mitesser während der Pubertät. Die Nase war, wie ein Maler sie nicht besser hätte malen können. Sie hatte straffe Brüste mit dem Hauch einer Tropfenform. Selbst die Form ihrer Vagina war sicher vorgeplant.
Unverwandt griff sie in ihre Tasche und zog den Schlüsselbund heraus, an dem ein Barbiekopf baumelte. Er hatte einen Irokesenschnitt wie sie und die gleichen Narben, die sie mit einem Messer in das glatte Plastik geritzt, geradezu gemeißelt hatte. Sie wollte wissen, wie sie aussehen würde.
Fast träumerisch dachte sie an den Tag, an dem sie ihre Narben mit einem roten Filzstift vorgezeichnet hatte, fast wie ein echter Chirurg vor der Operation. Wie sie nackt vor dem Spiegel gestanden hatte und das Blut über ihr Gesicht gelaufen war. Wie sie es immer wieder abgewaschen hatte, um die feinen und nach dem dritten Waschen verblassenden Filzstiftlinien zu sehen. Wie schmerzhaft, aber auch befriedigend es gewesen war. Wie ihr ganzes Bad voller Blutspritzer gewesen war.
Geburten sind immer schmerzhaft, hatte Pia gedacht. Und gerade eben habe ich mich selbst neu geboren. Ich habe mich entschieden, niemand sonst.
Kann man bei einem Spermium, das immer in Richtung Eizelle strebt, von einem unbedingten Willen zum Leben ausgehen oder muss man es als natürlichen Reflex sehen?
Pia fuhr ihre Narben mit den Fingern nach, sie kamen ihr noch so groß vor, dabei waren sie fast verheilt und bald würden sie kaum noch zu sehen sein, so, als würde sich ihr Gesicht, egal was sie damit anstellte, immer zu dem Barbiegesicht zurückverwandeln.
Zufällig sah sie zur Tür, wo ein asiatisches Mädchen, das ungefähr in ihrem Alter war, hineingelaufen kam – Pia vermutete ganz richtig, dass es die Tochter der beiden war –, gefolgt von einem dünnen Mann mit ausdruckslosem Gesicht, der etwas von dem berechnenden Wesen eines entlassenen Mathelehrers hatte.
Noch während genau diese Gedanken hinter ihrem vernarbten Gesicht entlangglitten, rief Frau Wo: „Doktor Steinmann ist jetzt da!“
Pia stopfte ihren Schlüssel im Gehen in die Tasche zurück und ging auf David zu. „Sie sind Doktor Steinmann?“, fragte sie etwas nervös.
Er sah sie abschätzend an und Pia konnte nicht sagen, was in seinem Kopf vorging, dann sagte er ruhig: „Ja. Was kann ich für Sie tun?“
„Ich habe gehört, dass Sie hier Ihre Praxis haben“, erwiderte Pia leise.
„Ja, ich nehme an, Sie wollen sie sehen?“
„Ja.“
„Kommen Sie mit“, meinte David und zog an ihr vorüber.
Pia durchströmte eine gewisse Vorfreude, während sie ihm durch die Hintertür folgte, wo sie in einem dunklen Treppenhaus mit einer alten Holztreppe landeten. Obwohl die Wände weiß gestrichen waren, wirkte es durch die klobige, dunkle Treppe finster. Sie gingen an ihr vorüber und David schloss die hinterste Tür auf. Dahinter befand sich ein einfacher, weiß gefliester Raum. Die Fliesen wirkten alt, als würden sie hier schon lange hängen. Im Boden war ein eingelassener Abfluss und ein alter Zahnarztstuhl stand in der Mitte mit einem runden Hocker daneben. Ein kleiner, alter Schrank befand sich an der Wand und auf der mit dem Stuhl verbundenen Ablage lagen Instrumente, die von einem grünen Tuch bedeckt waren.
„Das ist es“, meinte er. „Ich nehme an, Sie wissen bereits, was Sie wollen?“
„Woher wissen Sie, dass ich kein Bulle bin?“, meinte Pia; es war ihr einfach in den Sinn gekommen.
„Weiß ich nicht“, meinte David. „Sie sehen nicht aus wie ein verdeckter Ermittler.“
„Wie sehe ich denn aus?“, lächelte Pia.
„Wie jemand, der sehr unzufrieden mit seinem Gesicht ist.“
„Und aus dem Grund bin ich hier. Könnten Sie mir die Cuttings professionell nachziehen? Ich meine so, dass sie vernarbt bleiben?“ Spielerisch zeichnete sie mit dem Finger eine ihrer Narben nach.
„Sicher“, sagte er.
Es war ein Gedanke, mit dem Pia schon lange gespielt hatte, aber dessen Selbstdurchführung sie einfach zu sehr ängstigte, und nun sprach sie ihn einfach aus: „Sagen Sie, könnten Sie dafür sorgen, dass die Narben hier offen bleiben?“ Sie deutete mit beiden Zeigefingern auf ihr verlängertes Lächeln.
„Definieren Sie ‚offen blieben‘“, forderte er Pia auf.
„Na ja, dass mein Mund so groß wie die Narben ist?“
„Nein“, meinte David.
„Weil?“, fragte Pia energisch nach.
„Weil ich dabei Muskeln durchtrennen müsste, die ihren Kiefer halten. Er würde Ihnen einfach auf die Brust sacken. Ich bin hier, um Gesichter nach Wünschen zu verändern, nicht sie unbrauchbar zu machen. Es ist wichtig, dass jede Ihrer Eigenschaften erhalten bleibt. Es gibt kein Gesetz gegen das, was ich tue, nicht, solange alle Gesichter nutzbar bleiben.“
„Haben Sie viele Kunden?“
„Hält sich in Grenzen. Vielleicht steht eine neue hier vor mir.“
Amüsiert kicherte Pia. „Sie haben kein Problem damit, Schönheit zu zerstören?“
„Ich verändere. Schönheit ist ein dehnbarer Begriff.“ Pia musste einfach grinsen. Es war, als wäre hier einfach ein Messias ihrer Generation aufgetaucht, der ihnen das abnahm, was sie sonst selbst taten. Ein Künstler in Selbstzerstörung an Fremden.
„Aber die Narben würden Sie nachziehen?“
„Scarifizierung ist einfach. Es ist keine Übung des Könnens, sondern der Ausdauer“, meinte David.
Wenn ihr Vater das wüsste. Wenn er wüsste, dass hinter seinem Rücken ein anderer Chirurg das Gegenteil von ihm tat, Gesichter in Fratzen zu verwandeln, während er so eifrig damit beschäftigt war, Fratzen in Gesichter zu verwandeln. Wenn ihr Vater Gott wäre, dann wäre Doktor Steinmann der Teufel. In ihr brodelte eine tiefe innere Freude, geboren aus der Verehrung einer Leitfigur ihrer Generation.
„Wahnsinn“, sagte Pia.
„Kann gut sein“, erwiderte David.
„Sie verstehen nicht, oder?“
„Nein.“
„Das ist einfach total irre. Sie sind eine Ikone unserer Subkultur, die noch kaum jemand kennt. Sie zerstören Gesichter für uns, das ist einfach irre.“
David regte keine Miene. „Dreißig Euro“, meinte er.
Pia schüttelte den Kopf und lächelte in sich hinein. Sie stand hier jemandem gegenüber, den bald vielleicht viele Amateurchirurgen imitieren würden. Sie war ergriffen von der gleichen Euphorie, die Spade so erfüllt hatte.
Vielleicht war es eine dumme Idee, vielleicht war es die übertriebene Verehrung einer noch unbekannten Ikone, doch so, wie sie die Entscheidung zu ihren Narben innerhalb eines Tages getroffen und auch ihr Haar innerhalb eines Tages abgeschnitten hatte, so sagte sie nun einfach: „Ich gebe Ihnen was Besseres.“
„Ich nehme nur Bares. Ich bin kein Hehler“, gab David kühl von sich.
„Ich kenne keinen Hehler, der mich annimmt.“
Abschätzend sah David sie an. Wahrscheinlich ahnte er, worauf sie hinauswollte.
„Fick mich.“
David sah sie noch einen Moment kühl an und fragte schließlich: „Warum sollte ich?“
Pia lachte und drückte ihre Hände gegen ihre Brust: „Ich bin ein Groupie!“ Sie musste einfach lachen, da diese Situation zu irre war.
„Nein“, sagte David. „Ich nehme nur Bares.“
„Ich bin Bares“, entgegnete Pia.
David überlegte.
„Sie verstehen noch immer nicht, oder?“, fragte Pia lächelnd. „Sie sind einfach genial. Wir sind eine Generation, deren Aussehen von den Eltern bestimmt wurde. Wir sind verflucht, perfekt und schön zu sein. Von Wissenschaftlern geschaffen. Und Sie sind so was wie der Teufel und bieten uns etwas an, was wir nie haben sollten. Die Wahl. Mit Ihrer Hilfe können wir unser Aussehen selbst bestimmen.“
„Sie haben Ihr Aussehen bereits selbst gestaltet.“
„Was ist los? Sind Sie schwul? Kommen Sie! Ich stehe hier vor einem genialen Künstler und in Kürze werden Sie wahrscheinlich so was sein, wie Albert Hofmann für Hippies war!“
Ein flüchtiges Lächeln zuckte über Davids schmale Lippen. „Gut.“
„Sie sagen ja?“
„Ich sage gut“, antwortete David und ging voran. „Wir gehen nach oben.“
„Das heißt, Sie ficken mich?“, fragte Pia ungläubig. „Das heißt, ich scarifiziere Ihr Gesicht und wenn Ihnen dann noch danach sein sollte, können Sie gern mit sich bezahlen.“ Er öffnete die Tür und ließ Pia vorangehen. „Die Treppe hoch.“
Die Stufen knarzten und David schloss eine Tür auf. Es war ein verhältnismäßig großer Raum, dessen Wände mit billigen Holzpaneelen bestückt waren. In der Mitte stand ein Sofa und eine Küchenzeile mit einem Kühlschrank neben der Tür befand sich an der Wand. Die Fenster waren nach draußen gerichtet.
„Im Schrank da drüben liegt eine Plastikfolie. Nehmen Sie das.“ Er warf ihr eine Küchenrolle zu, die Pia auffing.
Sie schaute fasziniert zu, was David tat. Er hatte eine Zitrone aus dem Kühlschrank genommen und schnitt sie mit einem Skalpell auf, hielt ein dünnes Sieb aus Metall über eine kleine Schale und presste die Zitrone darüber aus.
„Was tun Sie da?“, fragte Pia.
„Ich mache eine Lösung, die die Wundheilung behindert. Wie es aussieht, haben Sie schon gute Vorarbeit geleistet, aber Sie hätten die Wunde am Heilen hindern müssen.“ Er mischte noch etwas Zucker hinzu und eine klare Flüssigkeit aus einer Tube, Vaseline.
Pia stand da, hinter dem Fernseher und neben dem Sofa mit der Folie und der Küchenrolle in der Hand, während sie David fasziniert dabei zusah, wie er sich die Hände wusch, die weißen Ärmel aufknöpfte und hochschob, aus einer Packung Einweghandschuhe zog und der Schublade ein Skalpell entnahm. David nahm ihr die Folie aus der Hand, setzte sich auf das Sofa, zog seine Schuhe aus und breitete die Folie über seinen Bauch und Unterleib aus. „Legen Sie sich hin. Den Kopf in meinen Schoß“, sagte er und schaltete die Lampe ein, deren Licht warum auch immer grün war.
Pia ging vor sonderbarer Vorfreude kribbelnd zu David, der das Schälchen mit der Lösung auf einen schwarzen Beistelltisch neben dem Sofa stellte und ihn zurechtrückte. Sie platzierte ihren Kopf auf seinem Schoß, während David die Einweghandschuhe anzog und ihr Gesicht so zu sich wandte, dass er sie besser sehen konnte. Sie hielt die Küchentuchrolle wie ein Stofftier an sich gepresst.
„Ziehen Sie schon mal ein paar Tücher ab“, sagte er.
Das tat sie.
„Wie heißen Sie?“, fragte David.
„Pia.“ Sie zog noch ein fünftes Blatt von der Küchenrolle.
„Mein Name ist David Steinmann. Womit zerschnitten Sie Ihr Gesicht, Pia?“
„Mit einem Gemüsemesser“, feixte sie.
„Ich werde Ihre Narben hiermit nachziehen.“ Er hielt ihr das Skalpell vor die Nase und drehte es leicht, wobei die Klinge das schimmernde grüne Licht einfing. „Es wird wehtun. Und es wird noch schlimmer wehtun, wenn ich die Lösung in die Wunde reibe. Ich werde Ihnen eine Zahnbürste mitgeben. Damit können Sie unter der Dusche den Schorf abbürsten. Ich frage Sie nun ein letztes Mal: Wollen Sie, dass ich Ihr Gesicht zerschneide?“
„Ja.“
Er fasste sie leicht am Kinn und zog ihren Kopf hoch. Als Erstes schnitt er die Narben an ihren Wangen auf. Im ersten Moment spürte sie nur, dass etwas sehr Dünnes sie nachfuhr, bis sie ihr heißes Blut aus den Wunden quellen spürte und ihre Wangen zu brennen begannen.
„Geben Sie mir ein Tuch“, forderte David und Pia gab es ihm. Er wischte damit das Blut ab, öffnete die Wunde über ihrer Nase und tupfte wieder ab. „Bewegen Sie sich nicht.“ Er fuhr die an ihren Augen nach. So erwachte ihr Gesicht Stück für Stück zu glühendem Leben, während er immer mehr Tücher benutzte, um ihr Gesicht zu reinigen. Eine Narbe nach der anderen zog er nach und tupfte das Blut von den Wunden. „Gehen Sie ins Bad und duschen Sie sich ab.“
„Kommst du mit, David?“, fragte Pia, deren blutendes Gesicht er in den Händen hielt.
David schwieg.
„Es ist wirklich, wie ich sage: Ich bin einfach ein Groupie.“
„Geh, ich komme gleich. Hinten, rechte Tür“, wies er ihr mit dem Skalpell den Weg und Pia zog noch zwei Blätter ab, die sie gegen den Großteil ihres Gesichtes presste. Sie ging zur rechten Tür und öffnete sie. Ein kleines Bad. Fenster, Toilette, Waschbecken rechts und links eine Dusche. Sie warf die Tücher in die Toilette und zog sich hastig aus, wobei sie darauf achtete, so wenig Blut wie möglich auf ihrer Kleidung zu lassen. Sie war bereits unter der Dusche und spülte das Wundwasser aus den Schnitten, das sich transparent mit dem tiefroten Blut mischte. Ihr flauschiger, voluminöser Iro brach unter dem Gewicht des Wassers in sich zusammen und Pia strich ihn zurück, behutsam darauf achtend, dass kein Haar sich in den Wunden verfing.
Kurz darauf zog David die Tür auf und ihr Gesicht stand in lodernden Flammen, bei jedem Kuss und jedes Mal, wenn sie es verzog, während die Tropfen das Blut immer wieder von ihr und von David wuschen, der sie gegen die Fliesen der Wand drückte.
Ob es nun wirklich Liebe auf den ersten Blick war oder sie bloß ein verblendeter Part einer Subkultur, fremdartig wie Gruftis ihrer Zeit, konnte Pia nicht sagen, aber sie genoss die merkwürdige Mischung des Gefühls in ihr und des brennenden Gesichtes, welches das Wasser immer wieder löschte, kurz bevor es wie Napalm wieder von Neuem erwachte.
Der in ihrem Kopf fast schon transzendente Akt endete recht schnell und eh sie sich versah, stand David draußen und trocknete sich, während sie sich einfach an der Wand hatte herabrutschen lassen und ihre Wunden vorübergehend zu brennen aufhörten.
„Kann ich bleiben oder hast du jemanden?“, fragte Pia.
„Du kannst gern bleiben“, erwiderte David, ging zu ihr hinüber, reichte ihr die Hand, die Pia freudig annahm, und zog sie aus der Dusche. „Ich werde noch ein paar Bettbezüge holen müssen“, fügte er lakonisch hinzu.
„Warum?“
„Wenn du hierbleibst, wirst du alles vollbluten.“