Читать книгу Verliebt-Reihe Gesamtausgabe - Jennifer Lillian - Страница 21
Elf
ОглавлениеVerschlafen öffnete ich die Augen und schielte auf meinen Wecker, der 07:30 Uhr anzeigte. „Verdammt!“, fluchte ich und schwang mich taumelnd aus dem Bett. Heute durfte ich nicht verschlafen, denn ich hatte viel zu erledigen, und es sollte möglichst nichts schiefgehen.
Daph kam endlich wieder nach Hause.
Ich musste noch so viel vorbereiten für die Party, von der sie natürlich nichts ahnte. Sie wusste nur, dass ihr Bruder sie vom Flughafen abholen würde. Der würde sie dann direkt zur Party fahren. Mein Herz klopfte wie wild. Ich war tierisch aufgeregt und freute mich so sehr auf sie. Sie würde Augen machen, wenn sie sah, dass ich weder Brille noch meine typischen Nerdklamotten trug; mich an den Schultern festhalten und an mir herabsehen, wie sie es immer tat, und dieses Mal würde sie eine total veränderte Sally vor sich sehen. Sicherlich hatten wir uns viel zu erzählen, sodass ich auch gegen einen kuscheligen Sofaabend nichts einzuwenden hätte, aber der musste bis morgen warten.
Eilig rannte ich ins Badezimmer, putzte mir die Zähne und zog mich schnell an. Ich hatte einen dringenden Termin, den ich auf keinen Fall verpassen durfte. Es wurde Zeit für einen letzten gefährlichen Schritt und ich hoffte, dass ich mich nicht zu tief in die Schlucht meiner Vergangenheit begab.
***
Mit einem Klemmbrett bewaffnet, marschierte ich durch die Bar von Simon, die übrigens Beer hieß, und hakte meine To-Do-Liste ab. Allmählich bekam ich das Gefühl, als wäre ich die geborene Eventmanagerin. Vielleicht sollte ich meine Berufswahl noch einmal überdenken und das Literaturstudium an den Nagel hängen. Nachdenklich sah ich mir noch einmal jeden einzelnen Punkt an, der auf der Liste stand. Die Getränke waren besorgt, die Tische geschmückt, die Musikanlage aufgebaut und ein kitschiges Welcome Home, Daph hing in großen Lettern über der Theke. Es fehlten nur noch ein paar Blumen, die ich aus dem Abstellraum holen wollte. Weil ich so vertieft in die Vorbereitungen war, bekam ich nicht mit, dass hinter mir ständig jemand brabbelte. Leider hatte ich die Eigenschaft, alles um mich herum auszublenden, wenn ich voll auf etwas konzentriert war.
„Verdammt Sally, ignoriere mich nicht!“, fluchte Brad hinter meiner Schulter und lugte auf meine Liste. Plötzlich entriss er mir meinen Stift.
„Hey!“, rief ich erschrocken. „Brad, komm schon! Kannst du mich bitte heute einmal nicht nerven?“ Flehend sah ich ihn an, doch er hatte nichts Besseres zu tun, als mich blöd anzugrinsen.
„Du musst mir nur sagen, wie ich mich verhalten soll heute Abend. Ist sie eher der offene Typ, auf den ich gleich losstürmen kann oder eher etwas verhaltener? Soll ich mir die Haare nach hinten stylen, steht sie mehr auf Gelackte oder doch eher auf den feurigen, stürmischen und wilden Typen, so wie ich es bin?“
Ich stöhnte. „Ich würde dir raten, nicht gleich wie ein räudiger Hund auf sie zu zulaufen. Da würde jeder Mensch Angst bekommen. Stell dich einfach normal vor und sag, wer du bist“ Hinterhältig krallte ich mir meinen Stift aus seiner Hand und widmete mich wieder meiner Liste. Dennoch spürte ich, wie er hinter mir herum druckste. „Vielleicht stellst du mich einfach als dein Retter vor.“
Entgeistert sah ich ihn an. „Ich werde mich hüten! Manchmal glaube ich, du hältst Dich für Gott.“
„In gewisser Weise …“ Er zuckte lediglich mit den Achseln, während er seine Hände in den Hosentaschen vergrub. „Immerhin … ich meine, sieh dich mal an. Du siehst ja schon ein bisschen anders aus als sonst.“ Ich presste meine Lippen aufeinander. Wenigstens war ihm das aufgefallen. „Ich sehe mal, was ich tun kann, okay?“ Schließlich wusste ich, dass er niemals Ruhe geben würde. Brad war mit Abstand der hartnäckigste, nervigste, sturste und hübscheste Typ, der in dieser Stadt sein Unwesen trieb.
„So, pass auf. Wenn du hier schon rumlungerst, dann kannst du vielleicht schon die Stühle alle gerade an die Tische rücken und hinter der Bar alles schick machen. Ich habe Simon versprochen, alles so weit herzurichten. Ich würde dann gleich nach Hause fahren und mich aufhübschen“, erklärte ich und deutete auf die einzelnen aufgezählten Stellen hier in der Bar.
„Und ich soll jetzt alleine hier bleiben und deine Arbeit machen?“, wiederholte er gelangweilt.
„Es ist alles fertig, bis auf diese Kleinigkeiten.“
„Außerdem, was musst du denn großartig an dir aufhübschen?“ Er betonte gekonnt jede einzelne Silbe und deutete auf mich, als wäre ich eine Ware oder ein verwildertes Tier aus dem Heim. Manchmal hatte er die Gabe, mich von einer Sekunde auf die andere total wütend zu machen.
„Was soll das denn heißen?“
„Ach nichts, schon gut.“ Wieder setzte er sein Playboy-Lächeln auf, was bei mir nach all der Zeit, die ich ihn kannte, längst nicht mehr zog. Allerdings schaffte er es immer wieder, dass ich nicht lange auf ihn wütend sein konnte.
„Und wenn ich das hier nicht mache?“, wollte er wissen.
Ich drückte ihm mein Klemmbrett an die Brust und kniff die Augen finster zusammen. „Dann werde ich dich bei Daph als einen kranken Psychopaten oder vielleicht auch als meinen neuen schwulen Freund vorstellen, der am liebsten bei anderen Männern den …“
„Schon gut!“, unterbrach er mich.
Grimmig wartete ich auf einen Beitrag seinerseits. Aber Brad schwieg und musterte mich eingehend. Natürlich merkte ich, dass er dagegen etwas sagen wollte, aber er wusste, dass er sich innerhalb von nur ein paar Sekunden bei Daph alles verspielen konnte. Er verzog nur das Gesicht und wandte sich mitsamt dem Klemmbrett von mir ab und kehrte mir eingeschnappt den Rücken zu. Als ich gerade mit einem triumphierenden Lächeln die Bar verlassen wollte, hörte ich, wie Brad noch etwas hinter mir her rief: „Das hättest du so oder so nicht gemacht!“
Einerseits fand ich es ziemlich lustig und musste mir ein schäbiges Lachen fest verkneifen, aber andererseits versetzte es mir auch einen Stich ins Herz, denn Brad wusste nicht, wozu ich eigentlich in der Lage sein konnte. Was für ein Mensch ich eigentlich war. So sehr ich ihn mochte und so wichtig er mir auch war, er war nach wie vor gefährlich für mich und meine Gedanken. Er war für mich gefährlich in jeder Hinsicht und das spürte ich jedes Mal in seiner Anwesenheit.
***
„Verdammt nochmal!“, fluchte ich, nachdem ich einen Blick auf meine Uhr geworfen hatte. Die Gäste würden demnächst eintreffen, und auch Daph würde bald da sein. Und ich? Ich stand noch vor dem Spiegel und versuchte mir mit dem Glatteisen, Locken zu machen. Auch der Umgang mit der Schminke gestaltete sich als äußerst ungewohnt. Aber ich war sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Allerdings fühlte es sich nicht echt an, weil es ungewohnt war. Dieses Bild im Spiegel hatte ich mittlerweile komplett vergessen oder eher verdrängt. Da war es wieder und lächelte mir wie ein fremdes entgegen.
Aber ich wollte es schließlich so. Ich tat es aus freien Stücken und versuchte die nächsten Schritte in meinem neuen Leben mit denen aus meinem alten Leben zu verbinden.
Nachdem ich Brad kennenlernte, wuchs mein Verlangen danach immer mehr. Es war wie eine Droge, die schon nach dem ersten Mal probieren süchtig machte. Ich hatte keine Chance. Es passierte einfach. Und je mehr ich versuchte, es zu unterdrücken, desto mehr erdrückte es mich. Also ließ ich wenigstens diesen Teil von mir wieder aufleben. Solange ich nur das Aussehen zurücklassen würde, war ja noch nichts passiert.
Nachdem ich mir sicher war, dass ich den anderen so unter die Augen treten wollte, stürmte ich eilig aus dem Haus und raste zu meinem Auto. Mir blieb nicht mehr viel Zeit. Auf dem Weg rief ich hektisch bei Brad an und bat ihn, schon einmal die Gäste in Empfang zu nehmen und wenn es so weit war, das Licht auszuschalten und sich mit all den Leuten bereit zu halten. Daph sollte mit einer großen Überraschung willkommen geheißen werden, und ich hoffte, dabei sein zu können. Er versprach mir die Leute in Schach zu halten und Musik und Licht auszuschalten. Simon würde mir eine Nachricht schicken, wenn er wusste, wann er mit Daph eintreffen würde. Auf Daphs Frage hin, warum ich sie nicht abholen könne, hatte ich ihr nur gesagt, dass ich leider bis abends in der Uni sitzen müsste. Ihre Enttäuschung hatte ich sehr wohl durch das Telefon vernommen und umso heftiger freute ich mich bei dem Gedanken, was sie eigentlich erwartete.