Читать книгу Kein Filmstar zum Küssen - Jennifer Schreiner - Страница 7

Kapitel 1

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Die Feier ist noch pompöser, als Tom sie mir beschrieben hat. Die Burganlage, extra für diesen Abend angemietet, ist im Stil einer alten römischen Villa hergerichtet worden, jedes Möbelstück ein passendes Unikat, jeder Gast ein Feldherr, ein Senator, ein Imperator. Die Gladiatoren und Sklavinnen sind Kellner, schmückendes Beiwerk oder einfach nur anwesend. So wie ich. Ich bekomme vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu.

Vielleicht hätte ich vor einigen Monaten Toms Jobangebot, als seine Chefsekretärin zu arbeiten, doch nicht einfach ablehnen sollen, überlege ich, obwohl ich mich beim Office-Escort sehr wohlfühle. Wenn man als erfolgreicher Anwalt soviel verdient, um sich solch einen Event für seine Klienten leisten zu können …

Ich schlendere von der philosophischen Geschichtsstunde mit Theateraufführung im Hintergrund weiter zu den offenen Feuern, über denen halbbekleidete Männer und Frauen Essen rösten, braten oder in großen Kesseln rühren. Die mediterranen Gerüche von verschiedenen Speisen reizen den Gaumen und lassen mir vor plötzlichem Hunger das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Sogar das sonst um diese Jahreszeit eher launische Wetter spielt mit. Die leichte Brise scheint direkt vom Meer zu wehen und lässt die luftigen Vorhänge, die extra für den Abend aufgehängt worden sind, im Luftzug wehen. Eine verführerische Kulisse, die einem romantischen Film alle Ehre gemacht hätte.

Trotzdem bin ich froh, dass ich gerade keine Sklavin bin, so dass ich mir tatsächlich ein wenig von dem Fleischspieß gönnen kann und eine Schale erlesener Früchte in Weincreme. Zum Essen lasse ich mich dekadent auf eine der Liegen nieder und freue mich, als sich Tom zu mir gesellt.

»Und?«, erkundigt er sich. »Wie gefällt es dir?«

»Es ist paradiesisch und wenn ich nicht arbeiten müsste, wäre es der Himmel auf Erden.«

»Ein Wort von dir und du musst nicht arbeiten, nie wieder, denn dann bist du mit dem Gastgeber liiert.«

»Du bist ein alter Charmeur, Tom!«, wiegele ich ab. Denn leider finde ich Tom nicht als Lover toll, sondern als Freund. Da allerdings ist er unschlagbar.

Der Staranwalt seufzt schwer. »An manchen Tagen wünschte ich mir, du wärst wirklich eine Sklavin und ich könnte mit dir machen, was ich will.«

Bei der Ernsthaftigkeit in seiner Stimme läuft mir ein Schauder den Rücken hinab. Das ist einer der Gründe, warum Tom nicht zu mir passt: Er ist dominant.

Bin ich auch – meistens. Allerdings mag ich es auch devot, weswegen die Spielchen mit ihm ab und zu in mein Beuteschema passen … aber eben nicht dauerhaft und schon gar nicht für »auf immer und ewig«.

»Was kann ich denn gleich erledigen, um meinen Herrn und Meister zu erfreuen?«, erkundige ich mich mit laszivem Augenaufschlag.

»Hach, ich liebe es, wenn du so schmutzig daherredest«, lacht Tom und deutet in Richtung des Hauptsaals. »Du kannst dir aussuchen, ob du ein wenig für alle tanzen möchtest, oder ob du mit mir ins Kasino willst. Als meine persönliche Sklavin, die ich verspielen darf.«

Sein Blick sagt mir genau, auf was er spekuliert. Und weil mir gerade ebenfalls danach ist, nicke ich. »Wie mein Herr und Meister wünscht, werde ich Option zwei wählen.«

Wieder lacht Tom, dieses Mal lauter und als ich aufstehe, um meinen Teller einem der beinahe-nackten Sklaven zu reichen, versetzt er mir einen Klaps auf den Hintern. Fest genug, um selbst durch den Stoff hindurch weh zu tun.

»Um das Tanzen wirst du trotzdem nicht herumkommen!« Er mustert mich von oben bis unten und ich kann nur mühsam einen Fluch schlucken. Etwas, was er zu bemerken scheint, denn sein Grinsen wächst in die Breite und wird deutlich zufriedener.

Beinahe genauso zufrieden blicke ich, als ich mich bei ihm einhake und in Richtung des Saales führen lasse. Dabei betrachte ich die Gäste. Eine ganze Menge von ihnen kenne ich. Darunter auch Darri, den unglaublich heißen, engelsgesichtigen Bruder meines Chefs. Ungelogen jede Frau, die ihn sieht, verfällt ihm – selbst die, die normalerweise auf die harten Kerle stehen oder auf Muskeln. Darri fällt mit seiner schlanken, wohlproportionierten Form in ein anderes Jagdprofil, aber es ist seine Ausstrahlung, die die Frauen trotzdem anlockt – und spätestens bei einem Blick aus seinen blauen Augen würden selbst die meisten dominanten Frauen vor ihm auf die Knie gehen.

»Du fängst gleich an zu sabbern«, murmelt Tom und reißt mich in die Wirklichkeit zurück.

»Verdammt!«, fluche ich genauso leise. Dabei habe ich mir doch geschworen, mich nie wieder von Darri ablenken zu lassen.

»Da kann ich ja froh sein, dass wenigstens Isaac nicht hier ist.« Tom verdreht die Augen. »Das wäre echt nicht gut für mein Ego.«

»Aber es liegt ausschließlich daran, dass du dir so unglaublich viel Mühe gibst, nicht gut auszusehen«, erkläre ich. Und es stimmt. Tom legt überaus viel Wert auf sein Äußeres – und versucht zu verbergen, wie jung er ist und wie attraktiv. Warum? Damit ihn die Mandanten ernst nehmen und die Kollegen unterschätzen. Sein Erfolg gibt ihm Recht.

»Na toll!«, Tom drückt mich spaßeshalber fester an sich. »Hat mich gerade die Frau, auf die ich abfahre, als ‚nicht attraktiv‘ gebrandmarkt?«

»Du weißt, dass ich dich süß finde, oder?«

»Ja, Violet.« Tom seufzt leise. »Leider weiß ich es.«

Ich stoße ihn spielerisch an und er wechselt das Thema. »Guck mal, das ist Aaron. Er hat letztes Jahr einen Oskar bekommen.« Er deutet unauffällig in eine Richtung und ich meine mich dunkel an den gut aussehenden Dunkelhaarigen erinnern zu können. »Er braucht eine Auszeit.«

So wie ich das sehe, sind die meisten Gäste Schauspieler oder Musiker, die gerade eine Auszeit benötigen.

Die brauche ich auch, denke ich, als ich auf die Uhr sehe. So langsam werde ich zu alt für diesen Job. Innerlich muss ich ob des Gedankens schmunzeln. Nein, ich werde nicht zu alt, ich fühle mich nur zu alt. Zumindest wenn ich mich daran erinnere, dass zu Hause zwei Kinder auf mich warten. Die anderen Office-Escort-Damen haben hier einen unschlagbaren Vorteil, wenn sie abends arbeiten müssen: Sie können ausschlafen. Die meisten wenigstens und die, die es nicht können, wie Mina, arbeiten freiwillig oder können sich ihre Freizeit einteilen. Ich hingegen falle direkt von der Arbeit ins Frühstück, bis die Kids im Kindergarten sind.

Immerhin kann ich mich – alt wie ich bin – hinter der Maske verstecken, die mir Tom reicht. Sie ist sehr hübsch und so verziert, dass mich selbst mein eigener Bruder nicht erkennen würde. Nur die untere Gesichtshälfte ist zu sehen – mein Mund und mein Kinn und natürlich die Augen, die durch die Maske hervorgehoben werden.

»Hast du überhaupt schon Chips?«, raunze ich Tom zu, da die Spieler, die um die Tische – Blackjack, Roulette, Poker – stehen, sich allesamt setzen.

»Nein, ich wollte dich versetzen«, kontert der Anwalt. »Oder vielleicht einen Strip oder einen Tanz von dir.« Er leckt sich lasziv die Lippen und lässt seinen Blick ungeniert über meinen Körper gleiten. »Was denkst du?«

Ich runzle die Stirn. »Keine Ahnung, wie viel ist denn ein Chip wert?«

»Ich glaube, du schätzt deinen Wert zu gering ein – oder deine Verführungskünste.«

Ich öffne meinen Mund, um zu widersprechen, aber Tom ist schneller. Offensichtlich hat er jemanden erspäht, den er kennt, denn er löst sich von mir.

»Bleib einen Moment hier stehen und sei dekorativ, sehr dekorativ«, meint er und schlägt mir wieder auf den Po. Ich verdrehe die Augen, tue aber was mir befohlen ist, lehne mich an die Säule und strecke meine Hände über dem Kopf aus. Dabei drücke ich meinen Rücken durch, weil ich weiß, dass meine Haltung eine stumme, sinnliche Einladung ist – und meine Vorzüge ins rechte Licht rückt.

Möglichst würdevoll sehe ich zu, wie Tom mit dem Unbekannten spricht, es scheint eine heiße Diskussion zu geben, bis der Anwalt schließlich in meine Richtung deutet. Trotz der Entfernung kann ich erkennen, dass ich abschätzend gemustert werde, bevor die Diskussion wieder beginnt. Sie dauert eindeutig zu lange und so langsam fühle ich mich wie der sprichwörtliche geschenkte Gaul – dem doch ins Maul geschaut wird. Denn dass es bei den Gesten und Worten um mich geht, daran zweifele ich nicht eine Sekunde lang. So wie es aussieht, nötigt mich Tom dem anderen förmlich auf.

Ich versuche meinen grenzdebil einladenden Blick beizubehalten, obwohl ich inzwischen sauer bin. Wer mich nicht will, ist selbst schuld!

Dabei sieht der Mann nicht einmal schlecht aus. Eher im Gegenteil, soweit ich das erkennen kann. Sein Smoking sitzt tadellos und wirkt wie maßgeschneidert, er hat einen gepflegten Vollbart und dunkle Haare, nur sein Gesichtsausdruck ist ein wenig zu finster.

Als er meinen Blick bemerkt, bricht er das Gespräch mit Tom ab und schlendert zu mir. Dabei scheint es ihn deutlich weniger Mühe zu kosten als mich, lasziv zu wirken. Kurz vor mir bleibt er stehen und mustert mich ebenso ungeniert, wie ich es zuvor bei ihm getan habe und immer noch tue. Jetzt kann ich sehen, dass er älter ist als ursprünglich gedacht. In seinen Haaren – und seinem Bart – zeigen sich graue Haare und betonen seine prägnanten Gesichtszüge. Seine Nase ist relativ flach und scheint schon einmal gebrochen gewesen zu sein. Der leichte Knick wirkt aber nicht störend, sondern unterstreicht seine natürliche Eleganz noch und auch die schön geschwungenen Lippen werden hervorgehoben. Er kommt mir vage vertraut vor, aber gut, wahrscheinlich habe ich ihn wirklich schon mal gesehen. Im Theater oder eben in irgendeiner Nebenrolle, einem älteren Film.

Ich schenke ihm ein Lächeln und nehme die Hand, die er mir reicht.

»Ich schulde dem Herrn einen Lapdance«, meint Tom, der sich zu uns gesellt hat und kurz bin ich versucht, ihm zu raten, dafür doch einen kurzen Rock anzuziehen oder uns einander wenigstens vorzustellen. Aber ich verkneife mir ganz brav die Bemerkung und lasse mich von meinem neuen Herrn in eines der Separees führen. Tom bleibt draußen und ohne mich aus den Augen zu lassen, rückt der Herr einen der Stühle in die Mitte des Raums und setzt sich.

Zum Glück versucht er nicht ein Gespräch mit mir anzufangen, sondern sieht geduldig zu, wie ich die Musik wähle und einlege. Irgendetwas an ihm gefällt mir nicht, es fühlt sich an, als sei jemand über mein Grab gelaufen – wie eine böse Vorahnung.

Fast erleichtert begrüße ich die ersten Takte der Musik und beginne mich zu ihrem Rhythmus zu bewegen. Dabei versuche ich mit den Gedanken abzudriften. Dann bekomme ich immer diesen Schlafzimmerblick, wie die Männer sagen. Etwas, was ich nicht beurteilen kann, aber es ist auch egal, ich trage ja eine Maske und ob man meinen Blick darunter deuten kann, ist erst recht fraglich.

Außerdem gelingt es mir so immer, mich auf andere Dinge zu konzentrieren, nachdem ich Platz auf seinem Schoß genommen habe. Ich nehme Kleinigkeiten wahr, wie den Geruch, die Ausstrahlung oder das Gefühl eines Mannes, wie fühlt er sich unter mir an? Alt, jung, vertraut? Außerdem hat dieser Mann wirklich schöne Augen und … auch sonst fühlt er sich gut an … vertraut … und … dann erinnere ich mich und gleite mit einer einzigen Bewegung von seinem Schoß. Ich bin versucht ihn anzustarren, aber mein Instinkt hat übernommen. Eine Chance anders zu reagieren habe ich nicht, ich drehe mich auf dem Absatz um und verlasse den Raum.

Erleichterung und Panik schlagen über mir zusammen, als die Tür hinter mir zufällt und ich wieder unter Menschen bin. Ich beginne zu laufen. Nur raus hier. Schnell.

Fast schon am Ausgang, renne ich beinahe in Tom, der gerade einige Gäste willkommen heißt.

Irritiert sieht er mich an und erst jetzt fällt mir auf, dass mich auch die meisten anderen Leute anstarren, an denen ich eben vorbeigehetzt bin.

»Was ist los?« An Toms Augen erkenne ich seine Sorge um mich.

»Alles in Ordnung, ich kann einfach nur nicht für ihn tanzen«, erkläre ich so ehrlich wie möglich.

»Hat er etwas gemacht?« Tom wirkt misstrauisch, aber das ist wahrscheinlich eine Berufskrankheit.

»Nein.«

Ich gehe weitere zwei Schritte, bis mir klar wird, wie blöd mein Verhalten ist. Ich hätte einfach weitermachen sollen. Ich trage ja eine Maske und niemand hätte irgendeinen Verdacht geschöpft. Nicht einmal er. Doch jetzt muss ich die Konsequenzen tragen und Grenzen setzen.

Ich bleibe stehen und erkläre weiter: »Mir ist nur klar geworden, dass ich diesen Job nicht mehr machen kann.« Ich werfe einen letzten Blick zurück und umarme Tom aus einem spontanen Gefühl heraus. »Es tut mir leid, wenn ich die Party gesprengt habe.«

»Ist schon gut, dann haben die Gäste wenigstens was zu tuscheln!« Er schließt seine Arme fester um mich. »Außerdem bin ich stolz, dass du es bei mir gemerkt hast.« Sekunden später korrigiert er sich: »Also nicht bei mir, sondern dass ich dabei sein durfte, wie du erwachsen wirst.«

Ich kann das breite Lächeln auf meinem Gesicht spüren. Trotz allem ist es da, wird wahrscheinlich immer für Tom reserviert sein. »Ich liebe dich!«

»Ja, wie einen Bruder!« Er zwinkert mir zu. »Das hatten wir schon!«

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