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Kapitel 2

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Als ich zu Hause ankomme, bin ich wie immer gut gelaunt. Was will man nach so einer wunderbaren Massage bei Susi auch anderes erwarten? Wenn zu Beginn der Massage meine Stimmung im Keller ist, ist sie danach fast im dreißigsten Stock. Und das Gute daran ist, dass sie nicht mehr so leicht fällt. Das schafft Susi nicht nur mit ihren Händen, sondern mit ihrem ganzen Auftreten. Sie ist einfach eine Muntermachfrau.

Jedoch sorgt nicht nur Susi oder ein erfolgreicher Tag für meine gute Laune, sondern auch meine Frau Petra. Jeden Abend, wenn ich nach Hause komme, steht das Essen schon auf dem Tisch.

Während ich zur Arbeit gehe, danach trainiere und mich im Anschluss ordentlich bei Susi entspanne, kümmert sich Petra nicht nur um den ganzen Haushalt, sondern auch um unsere Kinder, besonders um unsere jüngste Tochter Lilli, die gerade voll in der Pubertät ist.

Ich weiß das alles, ich nehme es auch wahr, aber irgendwie will ich mich damit nicht beschäftigen. Ich weiß, dass Lilli im Moment kein einfaches Kind ist. Die Pubertät ist nun einmal nicht leicht. Meine kleine Tochter ist mit sich, mit uns, ach eigentlich mit der ganzen Welt gerade überhaupt nicht zufrieden.

Was man zu ihr sagt oder was man tut, ist grundsätzlich falsch. So entstehen schon das ein oder andere Mal sehr laute Auseinandersetzungen, die hoffentlich die Nachbarn niemals zu Gehör bekommen. Und wenn doch, ist es eigentlich auch egal. Das geht schließlich niemanden etwas an.

Aber an mir geht das alles irgendwie vorbei. Viel zu gerne denke ich an meine Arbeit und an die Zeit danach. Niemals könnte ich es mir vorstellen nach der Arbeit gleich nach Hause zu fahren und mich mit meiner Familie zu beschäftigen. Ich liebe meine Frau und meine Kinder über alles, aber ein gewisser und gesunder Abstand hat noch keiner Beziehung geschadet. Also sind meine Gedanken schon wieder bei meinem nächsten Arbeitstag, beim Training danach und ganz wichtig bei der Massage von Susi.

Als ich mein trautes Heim betrete, höre ich im Flur schon, dass Petra und Lilli in der Küche wieder über irgendetwas diskutieren. Genervt verdrehe ich die Augen und wäre am liebsten rückwärts wieder aus dem Haus gerannt, um diese Sache nicht klären zu müssen. Aber das kann ich Petra nicht antun, schließlich muss sie sich den ganzen Tag mit unserer Tochter herumärgern.

Achtlos werfe ich meine Schuhe, meine Jacke und die Arbeitstasche auf das Sofa und begebe mich in die Höhle des Löwen. Um von unserem großen und modern eingerichteten Wohnzimmer in die Küche zu gelangen, muss ich erst einmal durch das Esszimmer gehen. Der Anblick des reichlich gedeckten Tisches zaubert mir ein Lächeln auf die Lippen. Dieses wird aber gleich wieder getrübt, als ich bemerke, dass es in der Küche nun heiß hergeht.

„Ach Mama. Warum denn nicht? Die anderen dürfen auch dahin gehen“, höre ich Lillis kindliche, aber sehr laute Stimme.

„Du bist dafür viel zu jung, Lilli“, erwidert Petra, danach hört es sich so an, als würde sie einen Deckel auf einen Topf knallen.

Als ich in der Küche ankomme, steht Petra hinter dem Herd an der Kochinsel und Lilli sitzt ihr Gegenüber auf einem der Küchenstühle. „Hallo“, begrüße ich meine Familie freundlich, gehe um die Kochinsel herum und gebe Petra einen Kuss.

„Hallo Toni“, erwidert sie genervt und atmet tief durch. „Das Essen ist gleich fertig. Es hat heute etwas länger gedauert.“ Heute hat sie ihr rotes Haar zu einem Zopf nach hinten gebunden, was sie etwas streng wirken lässt. Aber ihre liebevollen und blauen Augen machen das gleich wieder wett. Sie steckt in einer weißen Bluse und einer engen schwarzen Jeans, dazu trägt sie ihre geliebten Hausschuhe, die eigentlich gar nicht zu ihrem Outfit passen.

„Hallo Papa“, meldet sich auch Lilli zu Wort und nimmt einen Schluck von ihrer Limo.

„Hallo, mein Schatz“, sage ich, während ich zu ihr gehe und ihr einen Kuss auf den Haaransatz gebe. „Wo ist denn deine Schwester?“

Lilli verdreht die Augen, obwohl ich schon einhundert Mal zu ihr gesagt habe, dass sie das nicht machen soll. „Melanie ist mit ihren Freundinnen unterwegs. Und das schon den ganzen Tag“, sagt sie mit einer sarkastischen Stimme. „Sie muss nicht pünktlich zum Abendessen hier auftauchen.“

In Gedanken verdrehe ich jetzt die Augen und hole mir aus unserem großen amerikanischen Kühlschrank eine Cola. „Worum geht es hier überhaupt?“, frage ich dann meine Frau, schließe den Kühlschrank und zucke mit den Schultern.

Petra sieht mit großen Augen zu ihrer Tochter und ich kann regelrecht die Spannung zwischen den beiden spüren. „Lilli möchte morgen nach der Schule mit ihren Freundinnen auf eine Party von einem Jungen, den sie und wir nicht kennen. Und niemand weiß, wie lange diese Party geht, wie sie dorthin kommen und wann und wie sie wieder nach Hause kommen“, zählt Petra auf, während sie den Herd ausschaltet.

Ich stelle mich neben Petra und somit auch auf ihre Seite. „Hm“, sage ich und blicke zu Lilli. „Das sind ein paar Informationen zu wenig.“

Mit einem Mal setzt Lilli ein zerknirschtes Gesicht auf und schlägt mit der flachen Hand auf die Arbeitsplatte, dabei füllen sich ihre blauen Augen mit Tränen. „Aber Melanie darf doch auch hin, wo sie möchte. Warum ich nicht?“

Petra stößt ein leises Lachen aus, unterdessen dreht sie den Backofen neben dem Kühlschrank herunter und holt die Glasschale mit den Steaks heraus. Als ich das sehe, läuft mir das Wasser im Mund zusammen. So ein saftiges Steak könnte ich jeden Tag verdrücken. Meine Frau stellt die Glasschale direkt vor mich hin, worauf ich Probleme damit bekomme, mich auf die jetzige Situation zu konzentrieren. Schon allein der Duft macht …

„Deine Schwester“, reißt mich Petra aus meinen Gedanken. Mit den Händen in die Hüfte gestanzt steht sie vor Lilli. „Sie ist ja auch ein paar Jahre älter und vernünftiger als du und auf sie ist wenigstens Verlass.“

Lilli blickt empört drein. „Was soll das denn jetzt heißen?“, spricht sie sehr laut. „Bin ich etwa unvernünftig und unzuverlässig?“

Ja, wäre mir fast herausgerutscht. Aber stattdessen schauen Petra und ich uns fragend an, und an Petras Ausdruck erkenne ich, dass sie sich ihres Fehlers vollkommen bewusst ist. Das hätte sie nicht sagen sollen.

„Nein“, komme ich ihr zu Hilfe und nehme einen Schluck von meiner Cola. „Deine Mutter will damit bestimmt nur sagen, dass du …“ Was soll ich nur sagen? „Dass du eben abenteuerlustiger bist und ab und an vergisst, uns Bescheid zu sagen, wo du hingehst, wo du bist oder wann du nach Hause kommst.“

Lilli presst die Lippen zusammen und senkt den Blick. „Ist das schlimm?“, wird sie auf einmal ziemlich ernst. Anschließend sieht uns so an, als wäre Abenteuerlustigkeit eine ganz schreckliche Krankheit. Ihr entsetzter Blick tut mir schon fast im Herzen weh.

„Natürlich nicht, mein Schatz“, erwidert Petra auf der Stelle in einem einfühlsamen Ton. „Das ist eine ganz tolle Eigenschaft.“

Lilli lächelt nun und diese kleinen Gesten von ihr lassen uns nicht ganz an ihrem derzeitigen Verhalten verzweifeln.

Das Thema ist zwar noch lange nicht geklärt, aber ich bin der Meinung, dass es langsam Zeit wird für heute einen Haken dahinter zu setzen. „Lasst uns essen“, sage ich, stell die Cola beiseite und klatsche in die Hände. „Ich habe einen Bärenhunger.“

***

Als wir gemeinsam am Tisch sitzen und essen, ist die Stimmung recht bedrückt. Jedoch bemerke ich, dass es nicht um die Auseinandersetzung mit Lilli in der Küche geht. Irgendein Gefühl tief in meinem Inneren sagt mir, dass es um etwas anderes geht. Aber um was, kann es mir leider nicht erklären. Die beklemmte Stimmung kommt nämlich nicht von Lilli, sondern von Petra.

Wenn ich ehrlich bin und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Entschluss, dass Petra schon seit einigen Wochen etwas verändert wirkt. Des Öfteren bemerke ich, dass sie sehr viel nachdenkt und manchmal gar nicht anwesend zu sein scheint. Aber ich kann mir keinen Reim daraus machen, woran es liegt. Und wenn ich noch ehrlicher bin, wollte ich sie die ganze Zeit auch nicht nach dem Grund fragen, weil ich einer Diskussion über irgendetwas aus dem Weg gehen wollte.

Aber jetzt … Es kann ja nicht ewig so weitergehen. Ein kleiner Gedanke schießt mir in den Sinn. Vielleicht sollte ich meine Frau einmal einpacken und für ein paar Tage mit ihr wegfahren. Wohin ist egal, irgendwohin, Hauptsache weg von dem ganzen Stress zu Hause. Uns beiden tut es mit Sicherheit einmal gut, wenn wir dem Alltag entfliehen können.

Kurz schaue ich durch unser großes Panoramafenster nach draußen in den Garten. Es ist schon dunkel, aber die Terrasse wird von den Solarlampen hell erleuchtet. Anschließend richte ich meinen Blick auf Petra, die links von mir sitzt. Wie in Trance stiert sie in die Mitte des Tisches, genau auf die Glasschale mit den Steaks. Dabei stochert sie im Sekundentakt mit der Gabel auf ihrem vollen Teller herum.

Mit gerunzelter Stirn sehe ich nach rechts zu Lilli, die auch meinen Augenkontakt sucht. Wortlos frage ich sie, was mit ihrer Mutter los ist, doch sie zuckt nur mit den Schultern und schüttelt den Kopf.

Ich räuspere mich erst einmal, damit Petra nicht von meiner Stimme erschreckt. „Ist bei dir alles in Ordnung?“, frage ich sie, als ich das Gefühl nicht loswerde, dass sie gerade vollkommen abschaltet und in ihrer eigenen kleinen Welt lebt.

Aber von Petra kommt keine Reaktion. Zugegeben, jetzt mache ich mir ein wenig Gedanken, jedoch nur ein bisschen. Ich lege meine Gabel beiseite und berühre vorsichtig ihre Hand. „Petra?“

Mit einem Mal zuckt sie heftig zusammen und zieht ihre Hand weg. „Was?“, fragt sie verdutzt und sieht desorientiert um sich. „Was … Was hast du gesagt?“ Ich runzele die Stirn und wage wieder einen Blick zu Lilli, die ihre Mutter mit hochgezogenen Augenbrauen und offenem Mund verwundert ansieht.

„Mama?“, sagt sie dann leise und langsam, aus ihrer Stimme höre ich Sorge heraus.

„Ich wollte wissen, ob mit dir alles in Ordnung ist“, sage ich nochmals, nehme meine Gabel wieder in die Hand und warte gespannt auf ihre nächste Reaktion.

Sie lächelt gespielt und winkt locker ab. „Ja, ja, natürlich.“ Sie legt ihr Besteck beiseite und steht auf. Anschließend nimmt sie sich vom Sideboard hinter ihr eine Serviette und nimmt wieder Platz. „Ich war nur in Gedanken“, fügt sie noch hinzu und wischt sich den Mund ab, obwohl sie noch gar keinen Bissen zu sich genommen hat. Auf der Serviette zeichnet sich nun ein wenig von ihrem Lippenstift ab.

Irgendwie muss ich versuchen die Stimmung etwas zu lockern. Also tue ich das auch. „Wie wäre es, wenn wir nächstes Wochenende mal wegfahren?“, frage ich sie einfach so und auch, wenn die Gefahr besteht, dass Lilli uns begleiten möchte. Aber zu meinem Erstaunen sagt sie nichts dazu. Entweder bemerkt sie, dass wir einmal ein bisschen Zeit für uns brauchen oder sie freut sich schon auf eine sturmfreie Bude.

Petra verzieht ihr Gesicht, als hätte ich sie mit Wasser bespritzt. „Nächstes Wochenende?“, fragt Petra im Anschluss so, als würde sie meine Sprache nicht verstehen.

Ich nicke und koste endlich etwas von dem leckeren Steak. „Ja, nächstes Wochenende“, wiederhole ich mit vollem Mund und hätte am liebsten aufgestöhnt, als der perfekte Geschmack meine Geschmacksnerven erreicht.

Petra schüttelt auf der Stelle kräftig den Kopf. „Nein, Toni. Das geht nicht“, entgegnet sie mir mit einem traurigen Tonfall.

„Warum nicht?“, will ich wissen. „Was hast du denn vor?“ Um nicht nur Fleisch zu mir zu nehmen, spieße ich etwas von dem frischen Gemüse auf und stecke es in meinen Mund. Am liebsten würde ich es gleich schlucken, aber ich zwinge mich dazu, wenigstens ein bisschen zu kauen. „Ich dachte, dass wir …“

„Ich bin schwanger“, verkündet Petra dann mit einer lauten Stimme.

WAS? Keine Sekunde nach ihrer frohen Botschaft, spucke ich fast mein ganzes Essen über den gesamten Tisch. Danach huste ich kräftig und starre Petra mit großen Augen an. „Was?“

„Iiiih“, schreit Lilli und lässt ihre Gabel fallen. „Papa.“

„Schwanger?“, sage ich völlig aufgelöst und traue meinen Ohren nicht. Das sagte sie gerade nicht wirklich, oder? Nein, ich muss mich verhört haben. Mein Blutdruck ist von Null auf Zweihundert und am liebsten würde ich ausrasten, aber das kann ich jetzt nicht bringen.

Meine Augen huschen schnell von links nach rechts und suchen nach einem Ausweg, aber ich finde auf die Schnelle keinen.

„Schwanger?“, sage ich nochmals, lege mein Besteck beiseite und fahre mir überfordert mit der Hand durchs ganze Gesicht. „Petra verdammt, aber wie … Wie … Wie…?“

Petra ist sichtlich schockiert über mein Verhalten. „Das passiert nun einmal, wenn man miteinander schläft und nicht aufpasst“, erläutert sie mir. An ihrem Ausdruck und an ihrer tiefen und ernsten Stimme erkenne ich, dass sie sehr wütend auf mich ist und darauf, wie ich auf diese Neuigkeit reagiere.

Bevor ich dazu etwas sagen kann, meldet sich nun auch Lilli zu Wort. „Wie jetzt?“, fragt sie entsetzt. „Ich bekomme ein Geschwisterchen?“ Wieder einmal verdreht sie die Augen. „Muss ich jetzt etwa mein Zimmer teilen? Darauf habe ich absolut keine Lust“, macht sie uns auf der Stelle klar.

Ich bin total überfordert und weiß nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Wie konnte das nur passieren? Wie konnten wir nur so unvorsichtig sein und noch ein Baby machen? Wir haben uns doch so auf unsere Freiheit gefreut und jetzt das. „Das kann doch nicht wahr sein“, murmele ich und schüttele verständnislos den Kopf.

Petra ist traurig über meine Reaktion, das erkenne ich an jeder Faser ihres Körpers. Aber ich kann ihr jetzt auf keinen Fall fröhlich in die Arme fallen und so tun, als würde ich mich über ein weiteres Baby freuen. Ganz im Gegenteil, wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und das alles rückgängig machen.

„Noch ein Baby“, mache ich weiter, ohne darauf zu achten, was mein selbstloses Verhalten bei meiner Frau auswirkt. Ich denke gerade nur an mich und daran, dass ich die nächsten 18 Jahre weiter gebunden bin und meine neu gewonnene Freiheit an den Nagel hängen kann. Und können wir uns das überhaupt leisten? Wenn noch ein Kind kommt, müssen wir das Haus umbauen, was eine Menge Geld schluckt.

Aber das verlorene Geld in dem Fall schockiert mich nicht so sehr wie meine verlorene Zeit. In mir brodelt es und ich weiß nicht, wie ich meiner Verzweiflung, meiner Wut und meiner Enttäuschung Luft machen soll. „Willst du es denn überhaupt bekommen?“, frage ich gedankenlos heraus und starre Petra mit großen Augen an. Vielleicht besteht die Hoffnung, dass sie es gar nicht will, somit wäre das Problem ja gelöst.

Lilli schnappt nach Luft, worauf ich nicht näher eingehe. „Papa, was ist das für eine Frage?“, sagt sie mit einem fassungslosen Ton. „Es ist auch dein Kind.“

Als ob sie davon eine Ahnung hat.

Petra schluckt schwer, während sich Tränen in ihren Augen sammeln. Ich weiß, normalerweise müsste ich mich jetzt bei ihr für meine Frage entschuldigen, aber im Moment kann ich nur meine egoistische Seite und nicht meine emotionale Seite zeigen. „Wenn du das Kind nicht willst, dann stehe ich voll und ganz hinter dir“, füge ich noch hinzu. „Ich …“

Petra schlägt mit der Faust und mit voller Wucht auf den Tisch. „Bist du total bescheuert“, schreit sie mich an und lässt ihren Tränen freien Lauf.

Ich zucke zusammen und entferne mich ein Stück von ihr, indem ich mich zurücklehne. Denn so wütend habe ich sie in all den Jahren unserer Ehe nur selten gesehen. „Ich …“

„Glaubst du im Ernst, dass ich das Kind wegmachen lasse, nur weil es dir gerade nicht in den Kram passt?“, fährt sie mich weiter an. „Wer bist du überhaupt?“ Ihre Augen zeigen mir, dass sie mich in diesem Moment abgrundtief hasst.

„Mama?“, will Lilli sie beschwichtigen, aber auch von ihr bekommt sie keine Beachtung.

In Ordnung. Ich weiß, dass ich vielleicht ein klein wenig zu weit gegangen bin, aber das ist noch lange kein Grund, mich so anzufahren. Gerade als ich Luft holen und zum Gegenschlag ausholen will, hebt sie nur die Hand und sagt mir so, dass ich die Klappe halten soll. Innerlich stampfe ich auf den Boden und knurre wie ein wilder Bär.

Petra nimmt die Servierte und tupft sich die Tränen weg. „Ich werde das Kind bekommen, ob du nun willst oder nicht“, ist sie jetzt etwas ruhiger, dennoch ist ihr Ton so streng und fordernd, dass er fast furchteinflößender klingt als ihr Geschreie. „Ich bin bereits im 6. Monat. Meine Eltern wissen schon Bescheid, sie freuen sich darüber, dass sie wieder Oma und Opa werden.“

Völlig überrumpelt öffne ich meinen Mund und lasse ihn eine Weile offenstehen. Dabei kann ich nicht anderes, als sie so abwertend wie möglich anzusehen. „Wie im 6. Monat?“, entkommt es mir dann mit einer fast peinlich hohen Stimmlage. „Und das sagst du mir erst jetzt?“ Und wieso verdammt, habe ich das nicht gemerkt? Ein Mann muss doch bemerken, wenn seine Frau schwanger ist und vor allem, wenn sich ihr Körper verändert. „Und warum …?

Petra zuckt mit den Schultern und lacht. „Ich habe es selbst erst vor ein paar Wochen erfahren und ich habe noch nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden, um mit dir darüber zu reden.“

Diesmal bin ich es, der lacht. „Aber heute ist der richtige Zeitpunkt, oder was?“ Meine Stimme wird mit jedem Wort lauter, obwohl ich das gar nicht möchte. „Und warum sprichst du eigentlich zuerst mit deinen Eltern darüber und dann erst mit mir?“

Wieder zuckt sie belanglos mit den Schultern, was mir langsam auf den Senkel geht. „Meiner Mutter musste ich es nicht erzählen, sie sah es mir an, im Gegensatz zu dir“, wirft sie mir nun vor.

Nach ihren Worten wird es still im Esszimmer. Ich weiß nicht mehr, was ich dazu sagen soll und will Petra im Moment auch gar nicht mehr ansehen. Ich fühle mich ein wenig hintergangen und freue mich jetzt schon auf die schnippischen Aussagen ihrer lieben Mutter bei unserem nächsten Treffen. Sie fand ja schon immer, dass ich ein unfähiger Ehemann war, und das lässt sie mich auch spüren.

Diese ganzen Vorwürfe bringen uns jetzt jedenfalls nicht weiter. Lilli sitzt wie versteinert auf ihrem Stuhl und stiert ihr mittlerweile kaltes Essen an. Noch nie hat sie so einen heftigen Streit zwischen mir und ihrer Mutter mitbekommen. Wenn Petra und ich in der Vergangenheit stritten, trugen wir das niemals vor unseren Kindern aus. Aber diesmal hielt uns nichts zurück, nicht einmal unsere Tochter.

Mir ist der Appetit auf jeden Fall ebenfalls vergangen. Auf einmal überkommt mich das Gefühl, dass ich weg von Petra will. „Ich habe erst einmal genug“, lasse ich die beiden mit einer tiefen Stimme wissen. Keinen Atemzug später stehe ich schnell auf, sodass der Stuhl beinahe umgefallen wäre. Anschließend flüchte ich nach oben in mein Büro.

Mit den Nerven am Ende, laufe ich auf und ab und fahre mir ständig mit den Händen über den Kopf. „Verdammt“, fluche ich und bin ziemlich wütend. Komischerweise jedoch nicht auf Petra oder auf die Schwangerschaft, sondern mehr auf mich selbst. Denn jetzt wird mir klar, dass meine Reaktion auf diese Neuigkeit völlig daneben war.

Das Ding im Kopf - Pinealiszyste

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