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Weihnachtsnacht

Julmond 1089

Der stürmisch von Westen wehende Wind heulte wie tausend aus der Hölle entwichene Verdammte. Schneeschwere Wolken eilten über den nachtschwarzen Himmel und verdunkelten das silberne Rund des Mondes.

Der auf dem südlichen Wehrgang der Burg Gleichen stehende, hünenhafte Mann zog den Mantel aus grob zusammengenähten Schaffellen enger um seine Schultern. Die heftigen Böen, mit denen ihn der Sturm in kurzen Abständen überfiel, trafen sein ungeschütztes Gesicht wie mit Peitschenschlägen und zerrten an seinen tiefschwarzen Haaren, die lediglich von einem fleckigen Lederstirnband zusammengehalten wurden.

Die Kleidung, die der einsame Wächter unter seinem Umhang trug war ebenso anspruchslos wie sein Mantel. Sie bestand aus einem abgeschabten, ledernen Wams, Hosen aus brauner Wolle und derben Schuhen, deren lange Riemen kreuzweise um die Waden geschlungen waren. In seiner unbehandschuhten Rechten hielt er den Schaft eines kräftigen, mit breiter, eiserner Spitze versehenen Spießes fest umschlossen. Eine Streitaxt mit langem Stiel und ungefügem Blatt steckte in seinem Gürtel.

Der Hüne beugte sich über die Mauer und schaute nach unten, wo rings um den Fuß des Burgberges herum Dutzende von winzigen Lichtpunkten glimmten - die Lagerfeuer der Kaiserlichen.

Seit vier Monaten wurden die Veste nun schon von den Anhängern des gebannten Königs Heinrich belagert. Ungeachtet der unwirtlichen Jahreszeit hatte der gottlose, mit vielfältigen Sünden beladene Salier seine Heerscharen zur Eroberung der Burg Gleichen ausgesandt, um den stärksten Stützpunkt seines Widersachers Ekbert von Meißen in die Hand zu bekommen, solange dieser noch im Norden, zwischen Saale und Harz, den Grafen Wiprecht von Groitzsch, für dessen Treue zum König zu züchtigen suchte.

Aus der Dunkelheit die über dem Wehrgang lag trat ein Mann in einem, mit eisernen Schuppen besetzten Lederpanzer, zu dem Wächter im Schafspelz.

„Na Aribo, alles ruhig?“

„Alles ruhig, Herr Kastellan.“

„Wird nicht so bleiben“, brummte der Gepanzerte und rieb sich gedankenvoll das stoppelbärtige Kinn. „Spätestens in zwei, drei Tagen werden sie stürmen.“

„Sollen sie kommen!“ Der Großgewachsene lachte dröhnend. „Wir werden ihnen schon tüchtig auf die hohlen Nussschalen hauen!“

Der Kastellan schaute zu dem links von ihm in den Nachthimmel aufragenden, viereckigen Burgturm hinüber, dessen schmale Scharten von einem matten Lichtschein erhellt wurden. „Das werden wir“, erwiderte er ruhig, „aber wir wollen dabei niemals vergessen, dass es Christenmenschen sind, gegen die wir die Waffen erheben.“

Der Hüne Aribo antwortete nicht. Für ihn war es nichts Neues, das er seine Waffen gegen Christen erhob. Im Gegenteil. Von einem kurzen Geplänkel gegen die Wenden abgesehen, gegen die er mit dem alten Grafen von Stade gezogen war, hatte er sein Lebtag lang nur gegen Christen gekämpft und nicht wenige von ihnen niedergestreckt. Das war vielleicht nicht wahrhaft christlich gehandelt, jedoch - so wie die Dinge in dieser Welt nun einmal lagen - unumgänglich. Solange ein Anhänger Jesu nach getaner Arbeit nicht vergaß zur Beichte zu gehen und seine Taten zu bereuen, war auch das Seelenheil nicht in Gefahr. So jedenfalls behaupteten es die Pfaffen, und die mussten es ja schließlich wissen.

Und was nun die Männer dort am Fuße des Burgberges anging, von deren Christlichkeit hatte Aribo ohnehin keine besonders hohe Meinung. Schließlich folgten sie einem gebannten König, dessen Ungehorsam gegenüber der heiligen Mutter Kirche, der Christenheit ebenso zur Schande gereichte wie seine Lüsternheit und seine abgrundtiefe Verderbtheit.

Heriman, der Kastellan, blieb noch einige Augenblicke stehen, dann nickte er dem Großgewachsenen zu, verließ den Wehrgang und schritt quer über den grasbewachsenen Burghof zu dem auf der Ostseite der Burg erbauten Torturm, der auf beiden Seiten von Wohngebäuden flankiert wurde. Dort verschwand er im Dunkel des Torganges.

„Viel zu weich, Ihr seid viel zu weich, Herr Kastellan“, brummte der Hüne. „Ein guter Mann, zweifellos, und ein großer Krieger, aber viel zu weich und viel zu fromm.“ Er schüttelte den Kopf und richtete seinen Blick wieder auf den westlich der Burg emporsteigenden Kaffberg, an dessen südlicher Flanke sich die Zelte der Belagerer wie eine Herde von Schafen drängten. „Diese da, diese dreimal verfluchten Salierknechte, die haben keine solchen Gewissensbisse. Die denken keinen Wimpernschlag lang an ein gutchristliches Schaftum, wenn sie dir ihre Schwerter in die Eingeweide bohren.“ Wütend stieß er den Schaft seines Spießes auf den steinernen Boden des Wehrgangs, dass es laut widerhallte. „Möge Allvater sie dafür strafen!“

*

Zur selben Stunde saßen in einem der Zelte der Kaiserlichen sechs Männer an einem wackligen Tisch und gaben sich - der feuchten Kälte, die in den Planen nistete, zum Trotz - mit Leidenschaft dem Würfelspiel hin.

Zwischen dem Tisch und den mit Fellen bedeckten Strohsäcken der Brüder Gottfried und Gunthard von Falkenburg, die im hinteren Teil der zugigen, klammen Feldunterkunft lagen, hing an einem eisernen Dreibein ein rußgeschwärzter Kupferkessel über einem knisternden Feuer, dem der verführerische Duft von heißem, mit Honig und würzigen Kräutern versetztem Wein entstieg.

Ein immerhin noch zu beinahe Dreivierteln gefülltes Fass des zwar sauren, aber doch trinkbaren Tropfens hatten die Brüder bei ihrem letzten Beutezug aus dem Keller eines Pfarrhauses mitgehen lassen, ungeachtet der heftigen Proteste seines früheren Besitzers. Da die Gegend um die Burg Gleichen von dem unersättlichen Heer der Belagerer bereits bis zur Gänze ausgesogen worden war, hatten sie für diesen seltenen Fang schon bis an den Rand des im Süden emporwachsenden Waldgebirges reiten müssen, was aber ihrer Freude über die gewonnene Beute keinen Abbruch tat.

„Was denkt ihr? Wann wird der Kaiser stürmen lassen?“, warf ein kleingewachsener Mann mit zotteligem Bart und kleinen, in Fettpolstern schwimmenden Kugelaugen in die Runde, während er den Würfelbecher schüttelte.

„Hast wohl Angst, Rudolf, dass du es die Leiter nicht hinauf schaffst“, spöttelte Gunthard von Falkenburg, ein drahtiger Aschblonder, der seinem noch spärlichen Bartwuchs zufolge, bestenfalls Anfang der Zwanzig sein mochte und schon etwas angetrunken war. „So eine Mauer besteigt sich viel weniger einfach als das fette Trossweib, hinter dem du seit Beginn der Belagerung her schnüffelst.“

Mit einer heftigen Bewegung knallte der Rudolf genannte Mann den Becher auf den Tisch. „Was weißt du Naseweis schon vom Besteigen einer Burgmauer, geschweige denn von dem eines lüsternen Weibes! Riech du erst mal überall dahin, wo ich schon hingefurzt habe, bevor du dich mit Erwachsenen anlegst, kleiner Falkenburger.“

Er hob den Becher und seine Augen funkelten in hämischer Freude. „Einmal die Fünf, einmal die Sechs! Macht zusammen elf“, lachte er und strich die auf dem Tisch liegenden Münzen mit einer schnellen Handbewegung ein.

Sie spielten „Doppelte Sechs mit Glück“, eine vereinfachte Abart der bekannten Zwölferjagd, ein Spiel, bei dem man der hohen Einsätze wegen, schnell eine beachtliche Summe verlieren konnte, wenn man nicht höllisch aufpasste.

Gunthard ärgerte der erneute Verlust des Geldes sichtlich und er legte nach: „Wie viel musst du deinem schwabbligem Trampel eigentlich dafür bezahlen, dass sie dich auf sich erträgt und dich nicht so abwirft, wie neulich dein alter Klappergaul!“

„Das „neulich“ ist bereits mehr als zwei Jahre her und lag nur daran, dass den Braunen eine Bremse gestochen hat“, entgegnete Rudolf, der seiner geringen Größe wegen von den anderen meist „Winzling“ oder auch „Winzel“ genannt wurde. „Und was die Bertha, meine kleine, griffige Metze angeht, so kann ich dir flüstern, dass du froh sein könntest, wenn dich so ein richtiges Weib wie sie, mal ordentlich rannehmen würde, du Milchbart!“

„Seid friedlich, ihr beiden“, erklang es von der hinteren Längsseite des Tisches, an dem Heinrich von Spatenburg, ein Kriegsmann mit blonden, glatten Haaren und grauen Augen, auf einem Schemel hockte. „Unter Nachbarn sollte man sich nicht streiten. Habt ihr übrigens schon gehört, dass man uns in Franken und Schwaben jetzt Ritter nennt?!“

„So so, Ritter also“, wiederholte Gottfried, der ältere Bruder Gunthards, gedehnt. „Ich meine …“

„Uns?“, fiel ihm da der erfolglose Würfelspieler mit schwerer Zunge ins Wort. „Wen meinst du damit, Heinrich?“

„Na uns eben“, entgegnete der Gefragte mit einer alle Insassen des Zeltes umfassenden Geste. „Alle Miles wie mich und Rudolf, dich und Gottfried und wie unsere Vettern Lothar und Dietmar.“ Er wies auf die beiden anderen noch mit am Tisch sitzenden Männer, die sowohl durch ihre roten Haare als auch durch ihre Schweigsamkeit auffielen. „Wir alle, die wir freigeborene, zu Pferde streitende Kriegsleute sind, tragen seid Neuesten die ehrenvolle Bezeichnung „Ritter“.“

„Was Ritter?“, schnauzte Gunthard. „Was wir alle? Wir, die Falkenburger, sind edelfreie, auf unserem eigenen Besitz hausende Herren, und ihr seid nichts weiter als Ministerialen; Dienstleute des Bischofs von Mainz, die eine seiner vielen Burgen verwalten. Ihr seid uns - Ritter hin oder her - niemals ebenbürtig!“

„Und ihr“, fuhr Rudolf von Spatenburg auf, „seid nichts weiter als törichte Schwätzer und Eselsficker!“

Wie von einer Natter gebissen schnellte Gunthard in die Höhe und riss sein Kurzschwert aus der Scheide. „Na warte, du fettes Schwein, dich will ich Mores lehren!“

„Schluss!“, brüllte Gottfried und stieß seinen jüngeren Bruder unsanft auf die Bank zurück. „Seid ihr verrückt geworden? Was soll dieser Unfug! Wenn euch der Wein oder das Würfelspiel zu Kopfe steigen, dann lasst gefälligst die Finger von beidem!“

Die Spatenburger standen auf und sofort erhoben sich auch ihre rothaarigen Vettern Lothar und Dietmar. „Wir gehen“, erklärte Heinrich in eiskaltem Ton. „Aber das lasst euch gesagt sein, die heute ausgesprochenen Beleidigungen werden wir euch niemals vergessen.“

„Dann geht doch“, rief Gunthard den Hinausgehenden mit holpriger Zunge hinterher, „ihr könnt sowieso nichts anderes, als beim Würfeln bescheißen.“

„War das nötig?“, fuhr Gottfried seinen Bruder an, nachdem die anderen Vier das Zelt verlassen hatten „Musstest du uns die Spatenburger mit Macht zu Feinden machen!“

„Ach, die kriegen sich schon wieder ein“, brummte Gunthard und ging schwankend zu seinem Lager. „Und wenn nicht - was schert es mich.“

Er ließ sich schwer auf sein Bärenfell fallen und nur wenig später zeugte ein lautes Schnarchen davon, dass er eingeschlafen war.

*

Der kommende Vormittag fand das Lager der Kaiserlichen in emsiger Bewegung. Bewaffnet und in voller Rüstung kamen die Krieger aus ihren Zelten und sammelten sich am Fuße des Burgberges in mehreren Haufen. Hörner gellten und hell schmetterten Trompeten.

Über den von eisernen Helmen und ledernen Hauben bedeckten Köpfen der Männer schwankten lange Leitern und mit Fellen bezogene Schutzdächer. Speerspitzen blitzten und die metallischen Beschläge an den Schilden und Schwertscheiden flimmerten. Farbige Wimpel hingen träge an den Lanzenschäften herab.

Eine Gruppe von zwanzig Fußknechten schleppte einen dicken, grob angespitzten Baumstamm heran, der als Rammbock zum Eindrücken des Burgtores verwendet werden sollte.

Da der Burgberg im Süden und Westen vom Wasser eines großen Sees umspült wurde, ordneten der Kaiser und seine Bischöfe das Heer auf dem freien Feld nördlich der Veste. Sobald die erste Kolonne bereit war, setzte sie sich in Marsch und stieg den schmalen Burgstieg hinauf. Ein zweiter Haufen von wenigstens vierhundert Kriegern, der sich wie der Erste aus Bogenschützen, Fußkriegern und abgesessenen Reitern zusammensetzte, folgte in geringem Abstand, ein Dritter blieb am Fuße des Burgbergs als Reserve zurück. Eine Truppe von Leichtbewaffneten kletterte unterdessen den abschüssigen Berghang im Osten hinauf.

Gottfried und Gunthard von Falkenburg waren dem Banner des Bischofs Liemar von Bremen zugeteilt, das an der Spitze der zweiten Sturmkolonne mit dem Aufstieg begann. Die Brüder trugen spitzkeglige Helme mit breiter Nasenschiene und mit eisernen Plättchen und großen Nieten verstärkte Rindslederpanzer. An ihren Gürteln hing neben dem langen - „Spatha“ genannten - Schlachtschwert, auch der kurze Sax, die berüchtigte Waffe, die dem Stamm der Sachsen seinen Namen gegeben hatte. Über den linken Arm gezogen, trugen sie die blattförmigen, normannischen Schilde, die mit einem Geflecht aus breiten Lederriemen bespannt waren.

Nur wenige Schritte hinter den beiden liefen die Spatenburger, die ihre Nachbarn mit verächtlichen Blicken und eisigem Schweigen bedachten, als diese ihnen die Tageszeit boten.

Der Aufstieg brachte die gerüsteten Männer trotz der kalten Novemberluft ordentlich ins Schwitzen. Rudolf, der dicke Winzel, keuchte und schnaufte wie ein Schmiedeblasebalg und auch der Bischof von Bremen, der den Haufen anführte, rang schwer nach Luft und musste einige Male erschöpft innehalten.

Als sie sich den Mauern der Burg bis auf Bogenschussweite näherten, ließ der Kirchenfürst die Männer nach links ausschwärmen und sich in langen Reihen auf der abschüssigen Bergflanke verteilen.

Mit in den Nacken gelegtem Kopf und zusammengekniffenen Augen betrachtete Gottfried von Falkenburg die dicht besetzten Wehrgänge über ihnen. Auch die Mienen seines Bruders und der ihnen folgenden Knechte, die eine Sturmleiter trugen, sahen bedenklich aus.

Doch zum Glück ließen ihnen die Anführer keine lange Zeit zum Überlegen. Ein dumpfer, an den Wutschrei eines urzeitlichen Tieres gemahnender Hornruf gellte auf.

„Vorwärts, zum Angriff! Mit Gott und für unseren Kaiser Heinrich“, rief Liemar, der Bischof, mit Donnerstimme und schwang kampfeslustig seine Streitaxt.

Die Kaiserlichen stürmten mit lautem Geschrei, ihre Wimpel und Banner hoch erhoben, vorwärts. Als die Spitze der ersten Sturmschar den Rand des Halsgrabens vor dem Burgtor erreichte, ließen die Verteidiger ihre Bogensehnen sirren und warfen die ersten Speere.

Unbeirrt von dem heftigen Geschosshagel warfen die Angreifer eine Behelfsbrücke über den Graben und von zwei großen Schutzdächern beschirmt, schleppten die dafür ausgewählten Männer den Rammbaum heran und begannen, ihn gegen das Tor donnern zu lassen.

In dem Augenblick, in dem das Angriffssignal gegeben wurde, hatte Gottfried von Falkenburg sein Schwert aus der Scheide gezogen und es hoch über den Kopf erhoben. „Also dann, Männer, auf geht’s. Für den Kaiser, für das Reich! Mir nach!“

Mit klopfenden Herzen hasteten die Männer den kahlen Berghang hinauf. Tief unter ihre Schilde geduckt, den Blick auf die Spitzen ihrer Stiefel und den rötlichbraunen Boden gerichtet, unterliefen die Kaiserlichen den dichten, von der Mauer herabstürzenden Pfeilregen der Burgmannen. Einer der Pfeile zischte links an Gottfried vorbei, ein anderer schlug mit dumpfem Knall in seinen Schild ein. Neben ihm stieß ein Fußknecht einen kurzen Schmerzensschrei aus, richtete sich auf, drehte sich um die eigene Achse und rollte den Hang hinab.

Dann hatten sie den Fuß der Mauer erreicht.

„Die Leiter her!“, schrie Gottfried und winkte den Knechten, die sich unter der Last des klobigen Steiggeräts mühselig den steilen Burgberg herauf kämpften, mit der blanken Klinge ungeduldig zu. Sobald die Männer nahe genug herangekommen waren, ließen sie die Sturmleiter mit dem vorderen Ende gegen die Mauer fallen und schoben sie ruckweise höher. Zwei besonders kräftige Burschen standen unter der Leiter und griffen mit einer Stange, an deren Spitze eine zweizinkige Gabel saß, in die Sprossen, um sie im Takt der Schübe nach oben zu drücken. Einige Schritte zurück hatte eine Handvoll Bogenschützen Aufstellung genommen, die versuchten, die Verteidiger auf dem Wehrgang mit ihren Pfeilen in Deckung zu zwingen.

Als das obere Ende der Sturmleiter die Mauerkrone erreicht hatte, stießen die Männer ein wildes Triumphgeheul aus. Mit einem Satz sprang Gottfried auf die Leiter, doch er hatte seinen Fuß kaum auf die erste Sprosse gesetzt, als ein Stein von der Größe eines kleinen Kürbisses seinen über den Kopf gehobenen Schild traf und ihn zurücktaumeln ließ. Sofort wurde seine Stelle von einem der Knechte eingenommen, der es immerhin bis zur halben Höhe der Mauer schaffte, ehe er, von einem Schwall kochend heißen Wassers verbrüht, wieder zur Erde fiel.

Inzwischen setzten die Kaiserlichen überall an der Mauer die Sturmleitern an und begannen, sie zu erklettern. Die Verteidiger warfen Steine und mit eisernen Spitzen gespickte Balken auf sie herab, und als die Köpfe der ersten Angreifer über dem Mauerkranz auftauchten, wurden sie mit heftigen Hieben von Schwertern, Äxten und Keulen empfangen.

Schon bald krümmten sich Dutzende von Getroffenen am Fuße der Mauern. Der Tag war von wildem Kampfgeschrei, von gellenden Schmerzensrufen und leisem Wimmern, vom Lärm der Waffen und dem Klang der Hörner und Trompeten erfüllt.

Nachdem sich Gottfried von Falkenburg von dem Treffer erholt hatte, stieg er zornig wieder auf die Leiter; unmittelbar gefolgt von seinem Bruder Gunthard. Diesmal kam der Miles fast unbehelligt bis unter den Rand des Wehrganges.

Der Blick seiner leicht zusammengekniffenen Augen war fest auf den über ihm lauernden Burgmann gerichtet, der seine mit eisernen Stacheln gespickte Keule über dem Kopf schwang. Als die gefährliche Waffe auf ihn niederzuckte, bog sich Gottfried zur Seite und entging dem verheerenden Hieb um Haaresbreite. Noch im selben Augenblick schnellte er vor und stieß dem Gegner die Spitze seines Schwertes in den Bauch.

Während der Getroffene seine Keule fallenließ und sich laut schreiend seine Hände auf die heftig blutende Wunde presste, erfasste der Falkenburger mit einem Gefühl des Triumphes den Rand der Mauerkrone, um sich mit einem Satz auf den Wehrgang zu schwingen.

Ein wilder Urschrei drang an Gottfrieds Ohren, noch ehe er den von rechts wie ein Sturmwind heranstürmenden, hünenhaften Krieger sah. Mit einer Streitaxt - die ihrem Aussehen nach auch die Waffe eines Riesen hätte sein können - drosch der wild ausschauende Recke auf den erbleichenden Falkenburger ein. Obwohl Gottfried den Hieb mit seinem Schild auffangen konnte, war die Gewalt des Schlages so groß, dass seine Fußspitzen von der Sprosse glitten und er bäuchlings an der Leiter hinabzurutschen begann. Sein unter ihm ausharrender Bruder konnte den plötzlichen Fall nicht aufhalten, und wie zwei Hafersäcke auf einer Rutsche sausten die beiden abwärts.

Zu ihrem Glück bewahrten die am Fuße der Leiter stehenden Männer ihre Geistesgegenwart und bremsten den Sturz der beiden Gewappneten mit ihren hochgehaltenen Schilden, doch der Aufprall war so stark, dass alle gemeinsam in einem Knäuel von Menschenleibern den Berghang hinunter kollerten.

Aribo, der Hüne, schickte ihnen ein dröhnendes Lachen hinterher und unbekümmert um die an ihm vorbei zischenden Pfeile, beugte er sich weit über den Mauerrand und zerschlug die Leiter der Falkenburger mit zermalmenden Hieben. Dann setzte er seinen Weg entlang des Wehrganges fort und überall dort, wo sein starker Arm benötigt wurde, fegte er die Kaiserlichen mit scheinbarer Leichtigkeit von den Leitern.

Mit schweren Prellungen und Beulen versehen, aber ohne ernsthaftere Verletzungen, traten die Falkenburger den Rückzug an. Als sie eine gute Stunde später vor ihrem Zelt saßen und sich von Hademar, ihrem Heilkundigen, die blauen Flecken mit übelriechenden Salben einstreichen ließen, kam der zwar noch gerüstete, aber offensichtlich völlig unversehrt aus dem Kampf zurückgekehrte Rudolf von Spatenburg lässig und wie von ungefähr herangeschlendert. Er pfiff ein munteres Liedchen und auf seinem runden Gesicht lag ein hämisches Grinsen. Als der Spatenburger, ohne sie eines Blickes zu würdigen, an den Sitzenden vorüberging, brummte er leise, aber doch hörbar: „Hochmut kommt vor dem Fall, ihr Gimpel. Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden!“

Die Hand Gunthards zuckte zur linken Hüfte, doch da er sein Wehrgehänge nach seiner Rückkehr ins Lager - gemeinsam mit dem Helm und der Rüstung - abgelegt hatte, musste er sich zähneknirschend damit begnügen, dem Frechling ein paar deftige Beschimpfungen nachzurufen.

*

Nach dem gescheiterten Angriff gab Kaiser Heinrich die Hoffnung, die Burg im Sturm nehmen zu können, auf und verlegte sich wieder auf die Belagerung.

Die Stimmung seiner Krieger verschlechterte sich mit jedem Tag, der in der tristen Herbstwitterung versank, was zu einer spürbaren Zunahme von Zuchtlosigkeiten und Gehorsamsverweigerungen, führte. Auch die Fälle von Fahnenflucht, begannen besorgniserregende Ausmaße anzunehmen. Unter dem Eindruck der abfallenden Moral und in der Gewissheit, dass sich der Widersacher Ekbert weit im Norden befand, entließ der Salier zur Adventszeit einen Teil seines Heeres in einen auf drei Wochen bemessenen Urlaub. Sollten die Männer das Weihnachtsfest ruhig daheim auf ihren Burgen und in ihren Höfen feiern und neue Kräfte sammeln.

Um die Dagebliebenen - zu denen auch die Falkenburger und die Spatenburger gehörten - bei Laune zu halten, wurden auf Befehl des Kaisers aus den letzten noch vorhandenen Vorräten größere Mengen an Fleisch, Brot und Wein an das ausharrende Kriegsvolk ausgeteilt.

Am Nachmittag vor der Heiligen Nacht versammelte sich das Heer auf dem freien Feld bei Wandersleben, und die Bischöfe hielten die Vorabendmesse ab, die diesmal kürzer ausfiel als üblich. Danach verkrochen sich die Kaiserlichen wieder in ihren Zelten und trösteten sich mit warmem Gewürzwein.

Der Wein und das am Bratspieß brutzelnde Fleisch bereiteten Gottfried von Falkenburg weit weniger Freude als seinem jüngeren Bruder und den noch treu und ohne zu murren bei ihnen ausharrenden Gefolgsleuten. Die Knechte ließen sich nach dem Festmahl in atemberaubender Schnelligkeit volllaufen und schliefen nun, unter ihren Decken und Fellen versteckt, den Schlaf der Gerechten.

Dabei war auch der Erstgeborene der drei Söhne des vor zwei Jahren an den Folgen einer Jagdverletzung dahingeschiedenen Gernots von Falkenburg kein Kostverächter, wenngleich er zumeist deutlich weniger trank als sein Bruder Gunthard, der selten maßhalten konnte. Doch heute wollte dem Älteren weder der Trunk noch das Mahl schmecken.

Während Gunthard geräuschvoll schnarchte, saß Gottfried noch kurz vor Mitternacht auf seinem Klappstuhl und wälzte schwere Gedanken. Schon längst war ihm die Lust an dem mit so viel Vorfreude begonnenen Kriegszug vergangen. Unter dem Eindruck der allgemeinen Stimmung wäre der älteste Spross der Falkenburger am liebsten schon am kommenden Morgen den bereits Abgezogenen Richtung Heimat gefolgt, denn er war sich mittlerweile sicher, dass aus diesem Unternehmen nichts Gutes mehr für sie erwachsen konnte.

Mit gefurchter Stirn stand er auf und begann im Zelt hin und her zu wandern, wobei er sich mit der rechten Hand seinen Schildarm massierte, der nach dem fürchterlichen Axthieb des hünenhaften Burgverteidigers immer noch schmerzte.

Von Zeit zu Zeit drangen die Geräusche der Außenwelt bruchstückhaft durch die feuchten Wände des Zeltes. Ein Kauz schrie, ein Hund kläffte, bis er von seinem Herrn zur Ruhe gebracht wurde, eine weibliche Stimme verlangte keifend nach ihrem Lohn.

Plötzlich hob Gottfried den Kopf und lauschte. Ein leises, unbestimmtes Grummeln war an seine Ohren gedrungen, das schnell lauter und lauter wurde und sich mit dem Näherkommen zu einem hundertfachen Stampfen und Trommeln wandelte.

Wie von einer Ratte gebissen schnellte Gottfried in die Höhe. „Gunthard“, schrie er mit sich überschlagender Stimme, „hoch mit dir! Ein Nachtangriff der Meißner!“

Der erste schrille Alarmschrei eines der kaiserlichen Wachposten gellte durch die Nacht, unmittelbar gefolgt von einem aus Hunderten Kehlen geschmetterten Schlachtruf der nächtlichen Angreifer: „Hie Meißen!“

Die Brüder warfen sich in aller Eile die Schuppenpanzer über und setzten die Helme auf, dann rissen sie die Schwerter aus den Scheiden und liefen aus dem Zelt.

Die Lagergassen waren vom Licht dutzender Fackeln erfüllt, die von dunklen, an Kentauren erinnernden Wesen geschwungen wurden. Stahl von Schwertern und Speerspitzen blinkte.

Von einem Augenblick zum anderen erwachte in den Zelten und Hütten der Kaiserlichen das Leben. Ungerüstet, oft nur im Hemd und der Bruch, stürzten die Überraschten ins Freie, wo sie bereits von gnadenlos dreinschlagenden Reitern erwartet wurden.

Ein wüstes Gemetzel hob an.

Schreie ertönten, Pferdehufe trommelten, Trompetenrufe und Hörnergeschmetter vermischen sich mit den Flüchen und dem Wutgeheul der Überfallenen.

In wilder Hast rannte, eilte, sprang alles durcheinander; Schatten ballten sich zu dunklen Klumpen, fuhren wieder auseinander.

„Schlagt drein“, erscholl eine dröhnende Stimme, „tötet die Hunde!“

„Reißt die Zelte nieder, steckt sie in Brand!“, schrie es an anderer Stelle.

Zeltstangen krachten und brachen, Leinwand zerriss und fing, wenn auch nur mühsam, Feuer, ätzender Brandgeruch breitete sich aus.

„Die machen uns nieder“, schrie Gottfried und wich mit Mühe dem Speerstoß eines vorbei sprengenden Meißners aus. „Wir müssen hier weg!“

„Und alles hier lassen?“, versetzte sein Bruder zweifelnd.

„Wir haben keine Zeit zum Packen“, zischte der Ältere heftig. „Jetzt geht’s ums nackte Leben!“

„Ihr Herren, was sollen wir tun?“

Ruodlieb, der älteste der Falkenburger Knechte, ungerüstet und mit den gleichen Anzeichen des Entsetzens im Gesicht, wie Hunderte andere Kaiserliche zu dieser Stunde auch, drängte sich zu den Brüdern.

„Abhauen! Jeder für sich“, befahl Gottfried. „Wer’s kann, der schlägt sich nach Hause durch.“

Die Brüder liefen zur Rückseite ihres Zeltes, wo die Pferde, die unter einem aus Stangen und Zweigen behelfsmäßig errichteten Dach standen, unruhig mit den Hufen stampften und die Köpfe warfen. Ohne sie zu satteln oder zu zäumen schwangen sich die beiden auf die Rücken der Tiere, durchtrennten die Halteseile mit ihren Schwertern und schlugen ihnen die Fersen in die Weichen.

„Gebe Gott, dass wir irgendwie durchschlüpfen“, rief Gottfried, während er sich mit der Linken an der Mähne seines braunen Hengstes festkrallte, „die Hunde wollen uns nicht ungeschoren davonkommen lassen.“

Wie zur unwillkommenen Bestätigung seiner Worte fiel, kaum dass sie die Lagergasse erreicht hatten, eine Schar von fünf Reitern über sie her. Die Falkenburger konnten von Glück reden, dass sie ihre Panzer und Helme angelegt hatten, sonst wären sie dem Hagel der auf sie niederprasselnden Schläge innerhalb weniger Augenblicke zum Opfer gefallen. So blieben die meisten der Hiebe ihrer Gegner wirkungslos und die beiden konnten sich der heftigen Angriffe der Meißner nicht nur erfolgreich erwehren, sondern Gottfried gelang es sogar, einen der Angreifer aus dem Sattel zu hauen.

Als er die dadurch entstandene, winzige Atempause nutzte, um sich nach einem Fluchtweg umzusehen, bemerkte er, dass die Spatenburger nur wenige Klafter von ihnen entfernt auf ihren Gäulen saßen und sich von ihren Knechten ihre prall gefüllten Mantelsäcke hinaufreichen ließen.

„Helft uns“, brüllte Gottfried, zwischen zwei parierten Schlägen, doch die Spatenburger und ihre Vettern wandten sich kaltblütig ab und gaben Fersengeld. Schnell waren sie in der Dunkelheit verschwunden.

„Diese Schweine“, röchelte Gunthard mit zugeschnürter Kehle, „diese dreckigen, feigen Schweine!“

Von einer fürchterlichen Wut beseelt, hieb er einem der markgräflichen Reiter die Klinge so heftig über den Kopf, dass sie tief in die Stirn drang und den Schädel bis zur Nasenwurzel spaltete.

Dieser Schlag entschied den Kampf zugunsten der Falkenburger. Die drei übriggebliebenen Meißner sahen wenig Sinn darin, sich noch weiter mit den beiden Gewappneten herumzuschlagen und ließen von ihnen ab, um sich leichtere Gegner zu suchen oder um sich an der nun einsetzenden Plünderung des eroberten Lagers zu beteiligen.

„Und jetzt nichts wie weg hier“, stieß Gottfried erleichtert hervor, nachdem sich die Meißner davongemacht hatten. Er hieb seinem Braunen die flache Klinge über den Oberschenkel und in wildem Galopp gelangten die Brüder unbehelligt bis zum Rand des Lagers und weiter hinaus aufs freie Feld, wo sie im Schutze der Nacht und des plötzlich einsetzenden Schneefalls untertauchten.

*

Kaiser Heinrich entrann seinen Feinden nur dank der schnellen Beine seines Rosses und der Unerschrockenheit seiner Leibwache, die ihm den Fluchtweg freikämpfte. Die Bischöfe, die ihm in diesem Kampf treu zur Seite gestanden hatten, waren weniger vom Glück gesegnet. Erzbischof Siegwin von Köln zerschmetterte vor seinem Zelt die Streitaxt eines Reiters den Schädel, die Bischöfe Burkhard von Lausanne und Otto von Regensburg gerieten auf ihrer Flucht in Richtung des Dorfes Mühlberg in einen Haufen feindlicher Spießknechte und wurden, da man sie ihrer unvollständigen Kleidung halber nicht erkannte, von den Pferden gestochen. Nur Liemar, der Bischof von Bremen, konnte sein Leben retten. Er fiel den Markgräflichen leicht verwundet in die Hände und durfte hoffen, gegen ein erkleckliches Lösegeld schon bald wieder freigelassen zu werden.

Das Belagerungsheer des Saliers hatte sich in alle Winde zerstreut. Mehr als zweihundert Gefallene und Verwundete blieben am Fuße der Burg Gleichen zurück, und der größte Teil der im Schlaf Überfallenen war in die Gefangenschaft der Meißner geraten.

Markgraf Ekbert, der strahlende Sieger, der schöne, blonde, reckenhafte Abgott der Weiber und Jungfrauen, hielt triumphierend vor dem leeren Zelt des geflohenen Kaisers inne. In diesem Augenblick wähnte sich der ehrgeizige Mann dem Ziel seiner Träume zum Greifen nahe, und sah die Krone des deutschen Königs - für die er seinen, dem Kaiser geschworenen Eid gebrochen hatte - schon über seinem Haupte schweben. Eine kleine Anstrengung noch und er würde endlich den Thron des von Gott verfluchten Saliers einnehmen können!

Und dann würden die Großen des Reiches ihre Knie vor ihm, dem Markgrafen, beugen müssen.

*

Der wolkenverhangene Himmel und der dichte Schneefall ließen die Dunkelheit für Menschenaugen so undurchdringlich erscheinen, dass es fast ausschließlich dem Instinkt ihrer Pferde zu verdankten war, dass Gottfried und Gunthard bei Anbruch des Tages schon einige Meilen zwischen sich und die Stätte des Unglücks gelegt hatten.

Sobald es hell genug wurde, um Weg und Steg zu erkennen, schlichen sich die Falkenburger - alle Ortschaften meidend - auf holprigen Wegen und schmalen Pfaden verstohlen in Richtung Norden.

Eine gute Stunde nach Sonnenuntergang trafen sie bei einer einsam gelegenen Wassermühle auf eine kleine Schar von versprengten Kriegern des geschlagenen kaiserlichen Heeres. Die fünf Männer stammten von der Burg Osterode am Harzgebirge und da es in diesen Zeiten besser war in einer größeren Gruppe zu reiten, beschlossen die Flüchtigen nach kurzer Beratung, ihren Weg in die Heimat gemeinsam fortzusetzen.

Nachdem sie am Nachmittag die mit dichtem Laubwald bedeckte Fahnersche Höhe überquert hatten, erreichten die sieben Männer gegen Abend die im flachen Land liegende Ortschaft Tennstedt. Da ihnen der Hunger spürbar in den Gedärmen wühlte, drangen sie kurz entschlossen in einen am Rande des Dorfes gelegenen Bauernhof ein und erzwangen sich mit blanker Klinge Abendmahl und Nachtlager.

Am nächsten Morgen brachen sie schon früh wieder auf und so tauchten bereits zur Mittagszeit die sanft aus der Ebene emporsteigenden Höhen der Hainleite vor ihnen auf.

Nur einen Bogenschuss voraus zweigte von der zum Sonders-hausener Pass führenden Straße, auf der die Flüchtigen die letzten Meilen geritten waren, ein schmalerer Seitenweg ab, auf dem man zu dem tief in die Berge der Hainleite eingekerbten Schneidtal und weiter zum Dorf Haselbusch und zur Falkenburg gelangte.

Gleich hinter der Weggabelung lag ein kleines Gehölz in der kraftlosen Wintersonne, dessen Äste und Zweige von einer Schicht matschigen Schnees bedeckt waren. Als die Falkenburger und ihre Begleiter näher kamen, erblickten sie am Rande des Wäldchens eine Gruppe von vier Berittenen, die sich dort zur Rast niedergelassen hatten.

Sobald er der Rastenden ansichtig wurde, packte Gunthard seinen neben ihm reitenden Bruder am Arm und stieß mit mühsam beherrschter Stimme hervor: „Das sind sie, die Hunde, die Spatenburger!“

Ohne eine Antwort Gottfrieds abzuwarten, trieb der Jüngere sein Pferd an und sprengte auf die Vier zu. Erst kurz vor den Überraschten brachte er seinen Hengst zum Stehen und ließ sich von dessen ungesatteltem Rücken gleiten. Mit einem maskenhaft verzogenen Gesicht, hinter dem ein unbezähmbarer Jähzorn kochte, trat er unter die Spatenburger, und musterte sie mit verächtlichen Blicken.

„Da seid ihr ja, ihr feigen Lumpen“, knirschte er zwischen den heftig mahlenden Zähnen hindurch, „ihr ehrlosen, hundsgemeinen …“

Die Spatenburger standen auf und langten unentschlossen nach ihren Schwertern.

„Was willst du?“, murrte Rudolf von Spatenburg. „Wir haben mit euch nichts zu schaffen, ihr eitlen Gecken.“

Da sprang Gunthard plötzlich vor und streckte den Winzel mit einem krachenden Faustschlag nieder. Die Nase des Ministerialen brach unter dem heftigen Schlag, sein Blut stürzte auf das lederne Wams nieder.

Augenblicklich zog der Bruder des Geschlagenen blank, doch inzwischen hatten Gottfried und die Osteröder den Lagerplatz erreicht und richteten ihre Schwerter auf die zahlenmäßig unterlegenen Spatenburger.

„Dafür werdet ihr bezahlen, ihr selbstgefälliges Pack“, stöhnte Rudolf, die Hand auf die Nase gepresst.

„Von jetzt an herrscht Fehde zwischen uns“, zischte Heinrich von Spatenburg, „und ich sage euch, dass euch diese Stunde noch gereuen wird.“

„Ich zittere schon vor Angst“, höhnte Gunthard und machte eine obszöne Gebärde in Richtung der Spatenburger.

„Lass sie“, meinte sein Bruder, „sie sind es nicht wert.“

Ohne die von nun an mit ihnen verfeindeten Nachbarn noch eines Blickes zu würdigen, wandte er sich an die Osteröder und bat sie, zum Dank für ihren Beistand, für den Abend und die Nacht seine Gäste auf der Falkenburg zu sein.

Die fünf Männer bedankten sich und nahmen die Einladung gern an. Dann kehrten sie den Spatenburgern den Rücken, gaben ihren Pferden die Zügel frei und trabten gemächlich von dannen.

Die Kreuzfahrer - milites diaboli

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