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Der Mann aus Ägypten

Durch das kleine vergitterte Fenster in der Tür des Holzkastens schwappte das Geschrei des enthemmten Pöbels so abstoßend und widerlich wie stinkendes Kloakenwasser.

Bei allen Göttern, wie sehr hasste ich diese Römer! Nicht nur die dreimal verfluchten Lanistas und die reichen Patrizier oder Ritter, die diese Kämpfe, die sie so verharmlosend Spiele nannten, bezahlten, sondern auch den Arena-Mob, der sich an Blut und Tod ergötzte wie normale Menschen an Kunst, gutem Essen, schönen Frauen und gutem Wein.

Wir saßen zu viert in dem schuppenartigen Verschlag, zwei Thraker und zwei Gallier, und wir warteten darauf, dass sich die noch verschlossene Tür, die für die Gladiatoren den einzigen Zugang zu der von Zuschauertribünen umschlossenen Arena bot, öffnen würde.

Das aus Balken und Brettern errichtete Amphitheater - zu dieser Zeit gab es in ganz Italien nur wenige fest gemauerte Arenen - stand sinnigerweise auf dem Forum Boarium, dem Viehmarkt nahe einer alten Tiberfurt, die einst den römischen Hirten als Übergang zu den Weiden außerhalb der Stadt gedient hatte.

Eigentlich war das größere Forum Romanum aus Platzgründen für die Abhaltung der Gladiatorenkämpfe besser geeignet als das Forum Boarium und wurde daher auch meistens dafür genutzt, doch wegen irgendwelcher Baumaßnahmen dort hatten die Veranstalter der Spiele mit dem alten Veranstaltungsort vorliebnehmen müssen.

Als das Geschrei der Zuschauer seinen Höhepunkt erreicht hatte, verdunkelte die Gestalt eines Aufsehers das kleine Fenster, dann schurrte ein Riegel, und gleich darauf wurde die Tür des Holzkastens geöffnet. Einer nach dem anderen betraten wir die mit einer leichten Schicht Sand bedeckte Arena und stellten uns auf.

Zu dieser Zeit wurde noch nicht so viel Aufhebens um unsere Ausrüstung gemacht wie in der heutigen Zeit. Wir kämpften einfach mit den Waffen des Volksstammes, denen man uns zugeordnet hatte. Als Thraker, der ich eigentlich nicht war, trug ich einen ledernen Helm auf dem Kopf, ein Schwert mit einer leicht nach hinten gebogenen Spitze in der rechten und einen runden Schild in der linken Hand. Bekleidet waren wir nur mit dem von den Römern Subligares genannten, von einem schmalen Gürtel gehaltenen Lendenschurz und mit einfachen Sandalen.

Wenn ich heute höre, dass die Thraker in der Arena jetzt mit einer in der Mitte stark abgewinkelten Sica kämpfen, kann ich nur lachen. Niemandem wäre es eingefallen, mit so einer Waffe in einen echten Krieg zu ziehen - ein solches Monstrum kann man ja nicht einmal in eine Scheide stecken, um es vor Schmutz, Nässe und Rost zu schützen!

Der Arenasprecher trat in die Mitte des Platzes, breitete seine Arme in einer theatralischen Geste weit aus und kündigte mich mit weithallender Stimme an: „Bürger von Rom, der edle Dolabella gibt euch Leonidas, Sieger in neun Kämpfen, Thrax!“

Die Zuschauer klatschten und johlten, viele der Frauen auf den Rängen warfen mir Kusshände zu. Durch meine Siege war ich in Rom schon so etwas wie ein Heros, nicht wenige der Römer hatten auf meinen Sieg gewettet.

„Gegen ihn tritt an, Acco, Gallier aus Capua, zwei Siege!“

So hieß also mein Gegner. Wie fast alle Gallier oder Germanen war er ziemlich groß und dazu auch sehr muskulös. Er hielt ein langes Schwert und einen ovalen Schild in den Händen und trug einen Eisenhelm mit Flügeln daran auf dem Kopf.

Auch der andere Gallier, er wurde Brennus genannt, stammte aus dem Ludus von Capua. Ihm stand Philippos gegenüber, der wie ich aus der Schule von Rom kam.

Ich war - und bin es noch heute - ohne mich allzu sehr rühmen zu wollen - sehr geschickt mit dem Schwert, schließlich war ich in Mytilene, der Stadt in der ich geboren und aufgewachsen war, bei einem der besten Fechtmeister in die Lehre gegangen. Von frühester Jugend an hatte ich mich in der Handhabung des griechischen Hoplitenschwertes, des römischen Gladius und des thrakischen Schwertes geübt und es darin - wie ich gewiss behaupten darf - zu einer gewissen Meisterschaft gebracht, nur mit der iberischen Falcata habe ich mich nie richtig anfreunden können.

Leider wurde ich schon allzu bald - ich zählte damals noch nicht einmal siebzehn Jahre – gezwungen, meine Fechtkunst in einem echten Kampf zu erproben, denn die Römer, die meine Heimatstadt dafür züchtigen wollten, dass wir in unverbrüchlicher Treue dem König Mithridates anhingen, bestürmten unsere Mauern. Trotz tapfersten Widerstandes konnten wir ihnen nicht lange standhalten, die Legionäre drangen in die Stadt ein und metzelten die ganze Bevölkerung nieder.

Auch meine gesamte Familie fiel den Bestien zum Opfer. Nur ich konnte entkommen, und da ich nicht wusste, wohin ich gehen und was ich nun tun sollte, heuerte ich schließlich bei den kilikischen Piraten an. Auch dort bestand ich so manchen Seekampf, bis es dem römische Admiral P. Servilius Vatia vier Jahre später gelang, einige unserer Schiffe aufzubringen und viele von uns, auch mich, gefangen zu nehmen.

Normalerweise gab es für gefangene Piraten nur die Todesstrafe, doch ich hatte Glück im Unglück, statt hingerichtet zu werden, wurde ich schon in Ostia durch einen Mittelsmann des schlauen Admirals dem Lanista Marcus Rosanus angeboten und der kaufte mich für seinen Ludus bei Rom.

Mein mir gegenüberstehender gallischer Gegner sah sehr selbstbewusst aus, so als hätte er nicht nur zwei, sondern bereits zwanzig Siege auf seiner Tafel. Gleich nachdem der Ausrufer das Zeichen zum Beginn des Kampfes gegeben hatte, ging er zum Angriff über. Er setzte vor allem auf seine Armkraft und die Wucht, mit der seine Schläge meinen Schild trafen, hätte einen weniger erfahrenen Fechter zermürben und in Angst versetzen können.

Doch mich beeindruckten seine Bemühungen wenig, ich setzte seiner puren Kraft meine Beweglichkeit, Schnelligkeit und die ganze Vielfalt meiner Fechtkunst entgegen, die aus sicheren Paraden, gekonnten Finten, blitzschnellen Angriffen, rechtzeitigem Rückzug und plötzlichen Ausfällen bestand.

Vor allem meine schnellen Gegenangriffe nach der Abwehr seiner Attacken machten dem Gallier zu schaffen, er hatte Mühe, die zielsicheren Stiche zu parieren oder ihnen auszuweichen. Immer wieder brachte ich ihn so in Bedrängnis, bis ich schließlich eine Lücke hart neben seinem Schildrand fand und ihm die Spitze meiner Klinge tief in die Seite stieß.

Der Gallier wankte, dann fiel ihm das Schwert aus der Hand und er sackte tödlich getroffen zu Boden.

Doch bevor er seinen Geist aufgab, öffnete er noch einmal seinen Mund und ich erkannte, dass er mir etwas sagen wollte. Also beugte ich mich zu ihm herab und brachte mein Ohr ganz nah an seinen Mund.

„Wenn du frei sein willst“, flüsterte er mit ersterbender Stimme, „dann suche den Thraker in Capua!“

Ich verstand nicht, was er damit meinte und hatte in diesem Augenblick auch keine Zeit darüber nachzudenken, denn als ich aufblickte, sah ich, dass der Gallier Brennus meinem Ludusgefährten Phillipus schwer zusetzte. Dieser hielt sich nur noch mit Mühe auf den Beinen und schon holte der Gallier aus, um ihm den tödlichen Stoß zu versetzen.

Da ich ihn anders nicht mehr erreichen konnte, stieß ich mein Schwert in die Erde, zog den Schild vom Arm und schleuderte ihn mit der rechten Hand in die Richtung des blonden Galliers.

Obwohl ich es bei der Entfernung von zehn Doppelschritten kaum zu hoffen gewagt hatte, traf der sich wie eine Wurfscheibe drehende Schild die Schwerthand des überraschten Capuaners und warf sie zur Seite, so dass sein Stoß fehlging. Während Phillipus ermattet auf die Knie sank, stürmte ich auf Brennus zu und forderte ihn zum Kampf.

Die Menge auf den Tribünen schrie auf.

Der Gallier wandte sich von Phillipus ab und seinem neuen Gegner zu. Natürlich versuchte er den Vorteil, dass ich ohne Schild war, auszunutzen und deckte mich sofort mit einem Hagel von Schlägen ein. Doch ich stellte mich immer so, dass ich ihm nur meine rechte Seite mit dem Schwertarm bot und wehrte alle Angriffe ab.

Als der Capuaner schließlich erkannte, dass er mir trotz des fehlenden Schildes nicht beikommen konnte, begann er die Geduld zu verlieren und Fehler zu machen. Nachdem er zum dritten Mal versucht hatte, mich mit einem geraden Stich in den Hals oder den Oberarm zu treffen, machte ich einen schnellen Schritt zur Seite, ging etwas in die Knie und stieß ihm die Spitze meines Schwertes in den linken Oberschenkel.

Sofort drang das Blut aus der tiefen Wunde hervor und Brennus wusste, dass er in Kürze verbluten musste, wenn er versuchen würde den Kampf fortzusetzen. Sein Leben konnte nur noch gerettet werden, wenn die heftige Blutung so schnell wie möglich gestoppt werden würde.

Da gab er auf, ließ sich auf sein rechtes Knie nieder, legte das Schwert ab und hob die Hand, um bei den Zuschauern um Gnade zu bitten. Ich stellte mich neben ihn, richtete die Spitze meiner Klinge auf seinen Hals und schaute zu dem dicken, in eine Rittertoga gehüllten Dolabella, der in der ersten Zuschauerreihe saß.

Die Zuschauer zeigten sich gnädig und riefen ziemlich einhellig „mitte“ und „missum“ und so gab schließlich auch Dolabella seine Zustimmung. Schnell eilten zwei der Betreuer aus Capua herbei, banden Brennus getroffenes Bein ab und trugen ihn aus der Arena.

Ich aber lief mit erhobenem Schwert eine Runde an den Tribünen entlang und schrie meinen Triumph in wortlosem Gebrüll heraus, denn ich hatte soeben meinen zehnten und elften Sieg errungen.

Inzwischen hatte sich auch Phillipus wieder erholt und sich, wenn auch noch etwas mühsam, aufgerichtet. Die Römer waren begeistert von dem ungewöhnlichen Kampf, sie jubelten und brüllten, und plötzlich begann sich über den Rängen der Ruf „Freiheit“ zu erheben, „Freiheit für Leonidas!“

Ich erstarrte. Sollte das tatsächlich wahr sein?

Der dicke Dolabella verzog das Gesicht. Offensichtlich mochten die Zuschauer den Ritter trotz seiner gewiss nicht geringen Ausgaben für die Abhaltung dieser Spiele nicht wirklich und wollten seinen Geldbeutel noch ein wenig schmälern, denn schließlich würde er meinem Lanista ein erkleckliches Sümmchen für den durch die Freilassung eines seiner besten Kämpfer verursachten Verlust, zahlen müssen.

Doch da die Rufe nicht abebbten, konnte er nicht umhin, dem Willen des Pöbels nachzugeben. Mit einer herrischen Handbewegung winkte er den Ausrufer zu sich und rief ihm etwas zu, woraufhin der Sprecher in die Mitte der Arena zurückkehrte und verkündete: „Freiheit, Freiheit für den tapferen Leonidas! Der edle Dolabella schenkt Leonidas die Freiheit!“

Während ich noch wie benommen dastand, kam Phillipus zu mir, dankte mir und beglückwünschte mich zur Erlangung meiner Freiheit. Trotz der Aussicht auf einen hochangesetzten Schadenersatz aus der Schatulle Dolabellas gratulierte mir kurz darauf auch mein Lanista Marcus Rosanus, jedoch mit etwas säuerlicher Miene, denn schließlich gab es Kämpfer wie mich nicht wie Sand an den Stränden bei Ostia.

Ich verließ die Arena durch den hölzernen Kasten, gab meine Waffen ab und wusste erst einmal überhaupt nicht, wie es nun weitergehen sollte. Nur eines wusste ich mit Sicherheit, in den Ludus Rosanus brauchte ich nur noch ein einziges Mal zurückzukehren, um mir den Rudis, das hölzerne Schwert, welches den freigelassenen Gladiatoren kennzeichnete, abzuholen.

Auf dem Markt hinter dem Amphitheater drängten sich viele Leute um mich, vor allem Frauen mit lüstern geröteten Gesichtern und flackernden Augen, die mich berühren wollten und danach gierten, von einem siegreichen Gladiator, der doch eigentlich auf der untersten Stufe der römischen Rangordnung stand, gevögelt zu werden.

Doch dann stand plötzlich ein Mann vor mir, mittelgroß, hager, mit schwarzen Haaren, einem spitzen Kinn und der braunen Haut der Bewohner der Länder am südlichen Rand des großen Meeres. Er trug einen weißen, griechischen Chiton und einen Gürtel an dem ein Gladius hing.

„Ich heiße Achillas“, sagte er kurz und bündig, „mein Herr, der Ägypter Plotinos will dich sprechen.“

In alter Gewohnheit warf ich einen fragenden Blick auf Marcus Rosanus und der nickte zustimmend. Und da der Lanista stets sehr neugierig war, schloss er sich Achillas und mir an.

Der edle Plotinos, saß in einer Sänfte die von acht bedauernswerten Männern getragen wurde, denn der Ägypter erfreute sich einer mehr als beachtlichen Leibesfülle. Er mochte gut und gern fünf Kenenarion wiegen, hatte ein ausgeprägtes Doppelkinn und trug eine schwarze Perücke auf dem wohl glattrasierten Schädel. Auch seine runden, in Fettpolster eingebetteten Schweinsäuglein, seine knubblige Nase und die rotgefärbten Lippen machten ihn nicht ansehenswerter.

„Tapferer Leonidas“, begann er in salbungsvollem Ton, „ich habe dich eben kämpfen sehen und du hast mir gefallen. Und da ich einen neuen Leibwächter benötige, weil sich einer meiner beiden Beschützer bei einer Tavernenschlägerei hat abstechen lassen, will ich dich in meinen Dienst nehmen, insofern du keine anderen Vorhaben hast. Du bekommst zwanzig Denare im Monat, dazu freies Essen und freie Unterkunft.“

Obwohl ich nicht allzu viel darüber wusste, was diese zwanzig Denare in Rom wert waren - schließlich war ich ja als Sklave hierhergebracht worden - hörte sich das von dem Ägypter Gesagte doch alles in allem nach einem passablen Angebot an.

„Zuerst reisen wir auf der Via Appia nach Pompeji, dann mit dem Schiff nach Brindisi und weiter nach Alexandria“, fuhr Plotinus fort, während sich sein scharfer Blick in meine Augen bohrte. „Also, gilt der Handel?“

„Er gilt!“, stimmte ich ohne zu zögern zu. Die Aussicht, nach so langer Zeit endlich wieder einmal mit einem Schiff über das große Meer fahren zu können, war allzu verlockend für mich.

Der Ägypter griff unter eines der Kissen, mit denen seine Sänfte verschwenderisch ausgestattet war, holte einen seidenen Beutel, in dem es metallisch klimperte, hervor und warf ihn mir zu.

„Kauf dir ein Schwert und etwas zum Anziehen“, sagte er gönnerhaft. „Und sei morgen bei Sonnenaufgang an der Porta Capena.“

Dann gab er seinen Trägern einen Befehl in einer Sprache die ich nicht verstand und entschwand.

Am kommenden Morgen stand ich noch vor dem Hellwerden am Capenischen Tor. Ich trug eine neue weiße Tunika, einen breiten Ledergürtel, an dem ein römischer Gladius in roter Scheide hing und in dem der Rudis steckte. Diesen hatte mir Rosanus ausgehändigt, allerdings nicht ohne den Versuch zu machen, Plotinos zu überbieten und mich als freien bezahlten Kämpfer für seinen Ludus zu gewinnen, was ich dankend abgelehnt hatte.

Die Sänfte meines neuen Dienstherrn erschien erst eine Stunde später, was mir Gelegenheit gab, mit den Torwächtern einen kleinen Schwatz über die Götter und die Welt zu halten. Neben Plotinos, dem Leibwächter Achillas und den acht Sänftenträgern gehörte nun auch noch Anippe, ein blutjunges, schlankes Mädchen, das wie Plotinos und Achillas aus Ägypten stammte, zu unserer kleinen Reisegesellschaft. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit dunkelbraunen Augen, lange schwarze Haare, schmale Hüften und flache, fast knabenhafte Brüste. Während der Reise ging sie stets links neben der Sänfte, fächelte Plotinos Luft zu und wischte ihm mit parfümierten Tüchern den reichlich vergossenen Schweiß vom Gesicht.

Die acht Sänftenträger hatten keine Namen, nur Nummern. Die Eins ging vorne links, die Acht hinten rechts. Sie waren allesamt kräftig gebaut, was sie bei dem Gewicht, das sie Tag für Tag zu tragen hatten, auch sein mussten, und nie sprach einer von ihnen ein Wort, so dass ich schon befürchtete, man habe ihnen die Zungen herausgeschnitten.

Als wir Rom verließen, erzählte mir Achillas, dass wir bis zu unserem Ziel Pompeji gut hundertzwanzig Meilen zurücklegen mussten, für die wir etwa zwölf Tage benötigen würden. Da die Träger ein besonderes, gleichmäßiges Schrittmaß hatten, mit dem sie das Tempo unserer Reise bestimmten, liefen Achillas und ich die meiste Zeit hinter der Sänfte her, was uns die Gelegenheit gab, uns besser kennenzulernen.

Auf den ersten Meilen wurde die Via Appia, die am Capenischen Tor ihren Anfang nahm, auf beiden Seiten von schattenspendenden Zypressen, Pinien und Eichen, sowie einer Vielzahl von mehr oder weniger prächtigen Grabmälern gesäumt. Danach führte sie durch ein flaches ländliches Gebiet, in dem vor allem Wein, Obst und Oliven angebaut wurden, geradewegs auf die sich südlich von Rom erhebenden Albanerberge zu.

Wenn man den Römern für etwas Bewunderung zollen will, dann sind es ihre Straßen. Bessere und haltbarere gibt es - über solche Entfernungen - wohl nirgends auf der Welt. Das trifft natürlich auch auf die Via Appia zu, doch trotz der landschaftlichen Schönheit, die sie auf ihrem langen Weg umgibt, kann ich bis heute - ob der sechstausend dort ans Kreuz geschlagenen Gefährten - nur mit Grausen an sie denken.

Während der ganzen Reise übernachteten wir zumeist in Gasthäusern, bei deren Auswahl Plotinos eine seltsame Neigung zur Heruntergekommenheit, ja, Verkommenheit entwickelte. Je schäbiger die Behausung war, desto besser erschien sie ihm.

Mir machte das nichts aus, ich war viel Schlimmeres gewohnt, doch ich wunderte mich, dass ein in so feine seidene Kleider gehüllter Mann keine der durchaus vorhandenen luxuriösen Unterkünfte, auswählte.

An den Abenden, sobald es dunkel geworden war, musste dann immer Anippe in das Zimmer des Dicken kommen und schon nach kurzer Zeit hörten wir ihn grunzen und auf wollüstige Weise stöhnen.

„Was treibt er denn da mit ihr?“, fragte ich Achillas, mit dem ich mich bereits angefreundet hatte, noch am ersten Tag, „Der fette Kerl muss das arme Mädchen doch erdrücken!“

„Sie muss auf ihm reiten bis es ihm kommt“, gab der Ägypter zurück. „Und wenn sie ihre Blutungen hat, dann muss sie ihn mit der Hand oder dem Mund befriedigen.“ An dem bitteren Ton seiner Stimme und seinem zwischen Traurigkeit und Grimm wechselnden Mienenspiel erkannte ich, dass auch ihm selbst das Mädchen nicht gleichgültig war.

Danach erzählte er mir, dass er und Anippe, deren Namen „Tochter des Nils“ bedeutete, wie Plotinos aus Alexandria stammten. Er hatte als Enomotarch in der ägyptischen Armee gedient, bis er entlassen wurde, weil er einen Lochagos der Unterschleife beschuldigt hatte. Dieser jedoch war der Lieblingsneffe eines Polemarchen, weshalb nicht der von Achillas Beschuldigte, sondern er selbst, die Truppe in Unehren verlassen musste und schließlich als Leibwächter bei Plotinos anheuerte. Anippe dagegen war schon als Kind von ihren eigenen Eltern in die Sklaverei verkauft worden und auf verschlungenen Wegen als Lustsklavin zu dem Dicken gekommen.

„Wie kam es eigentlich dazu“, fragte ich, vor allem um ihn von den Gedanken an die kleine Anippe abzulenken, „dass Plotinus ausgerechnet mich als Leibwächter ausgewählt hat?“

„Nachdem Pawero, dein Vorgänger, in einer Taverne hinterrücks erstochen worden war, hatte Plotinos den Einfall, die Spiele zu besuchen und den besten der dort auftretenden Schwertkämpfer zu kaufen. Und dann hat er gesehen, dass du gefochten hast wie dein Namensvetter bei den Thermopylen und sofort den Entschluss gefasst, dich zu kaufen. Doch nachdem das Volk deine Freilassung erwirkt hatte, schickte er mich sofort zu dir, um dich für ihn anzuwerben.“

„Hoho!“, rief ich, „Den Besten wollte er kaufen! Solche Männer sind aber nicht billig!“

Achillas zuckte mit den Schultern. „Nun, der Dicke ist stinkreich, viele Talente schwer. Ich denke, dass er viele der römischen Senatoren locker in die Tasche steckt!“

Am zweiten Tag unserer Reise erreichten wir Velletri, eine in einem Tal der Albanerberge liegende Stadt, die sich rühmte, einmal größer und bedeutender als Rom gewesen zu sein. Heute aber diente sie vor allem den reichen Römern, die im Sommer der Hitze und der stickigen Luft in ihrer Stadt entfliehen wollten, als Ort, in dem sie sich vom Geld raffen, Kriege anzetteln und dem Zusehen blutiger Spiele erholen, Orgien feiern oder Ausflüge zu dem nahegelegenen Albanersee und dem Nemisee unternehmen konnten.

Manchmal, wenn auch selten, hatte ich während unserer Reise Gelegenheit, mit Anippe ein paar Worte zu wechseln. Recht freimütig erzählte sie mir, dass Plotinos über eine beachtliche Schwanzlänge verfügte, was es ihr erleichterte, sich auf ihn zu schwingen und ihn zu reiten.

Ihre Eltern, die mit weit mehr Kindern als Einkommen gesegnet waren, hatten sie schon mit sechs Jahren an einen Landbesitzer verkauft, bei dem sie auf den Feldern und in den Dattelhainen hatte arbeiten müssen. Als sie elf war, hatte sie der vorbeireisende Plotinos gesehen und sofort gekauft, und eine ältere Frau, ihre Vorgängerin, hatte sie in die Verrichtungen eingeweiht, die nötig waren, um es ihrem neuen Herrn ordentlich zu besorgen.

Seitdem folgte sie Plotinos auf seinen vielen Reisen und sorgte nahezu jeden Abend für die Befriedigung des Dicken.

Hinter Velletri verlief die Straße wieder, wie an der Schnur gezogen, durch eine breite Ebene mit großen Landgütern und kleinen, von Getreide- und Gemüsefeldern oder Obstbaum- und Olivenhainen umgebenen Bauernhöfen. Auf dem ganzen Weg begleiteten uns auf der Sonnenaufgangsseite langgestreckte Bergzüge, während ein stetig wehender, frischer Wind von der Nähe des nur einige Meilen entfernten Meeres zeugte.

Gegen Mittag belebte sich die Straße zusehends mit Karren und Wagen, die Waren aus dem Land in die Städte und die größeren Orte brachte.

Nach gut sechzig Meilen, die wir in vier Tagen zurücklegten, erreichten wir das - zwischen dem Tyrrhenischen Meer und den Aurunker-Bergen mit ihren weißgrauen, mit grünen Tupfern übersäten Hängen - schön gelegene Formia. Wie schon Velletri war auch Formia bei den wohlhabenden Römern sehr beliebt, von denen viele hier prächtige Villen besaßen.

Zum ersten Mal seit man mich in Ostia als Sklaven verkauft hatte, stand ich hier wieder am Gestade des Meeres, ließ mir den frischen Seewind ins Gesicht wehen, sog den Geruch von Salz und Tang in die Nase und ließ meine Füße von dem in weißgekrönten Wellen heranrollenden Meerwasser umspülen. Herrlich!

Von Formia bis zur Grenze zwischen Latium und Kampanien folgte der Weg dem nach Osten gerichteten Verlauf der Küste, dann entfernte er sich vom Meer und bog nach Südosten ins Landesinnere ab.

Am zweiten Tag nach unserem Aufbruch von Formia erreichten wir Capua. Die immer noch bedeutendste und reichste Stadt Kampaniens lag inmitten einer vom Volturnus durchströmten großen Ebene, die im Osten von den hohen, dicht bewaldeten Tifatabergen begrenzt wurde. Lange Zeit konnte Capua in Italia selbst mit Rom wetteifern, und auch heute noch vermochten die Capuaner vom Getreideanbau, der Parfümherstellung und der Bronzeschmiedekunst gut zu leben.

Doch ihre Unabhängigkeit hatte die Stadt längst eingebüßt. Von dem vernichtenden Sieg des großen Hannibals über die Römer bei Cannae verführt, hatten die Capuaner das Lager gewechselt und waren zu dem siegreichen Punier übergegangen.

Später behaupteten die Leute, dass das punische Heer, welches in Capua Winterquartiere bezog, aufgrund der dort vorherrschenden prunksüchtigen, verweichlichten Lebensweise seine einzigartige Kampfkraft verloren hätte. Einige Jahre danach umschlossen die Römer dann das abtrünnige Capua und die Stadt musste nach langer Belagerung kapitulieren. Die Sieger erlegten den Capuanern einen hohen Tribut auf und ersetzten ihre selbständige Stadtregierung durch römische Verwalter.

Beim Anblick der Stadt mit dem großen, sich vor den nördlichen Wehrmauern erhebenden, steinernen Amphitheater kamen mir wieder die Worte des Galliers Accos in den Sinn: „Wenn du frei sein willst, dann suche den Thraker in Capua!“

Was oder wen er wohl damit gemeint hatte? Gab es in Capua tatsächlich einen besonderen Mann, der in der Lage war, anderen Gladiatoren die Freiheit zu geben? Wenn dies der Wahrheit entsprach, dann musste dieser Thraker allem Anschein nach auf irgendeine Weise mit einer der Gladiatorenschulen in Capua in Verbindung stehen, sei es als Lanista, Ausbilder oder Kämpfer.

Nun, ich war jetzt frei, auch wenn ich in den Diensten eines reichen Mannes stand, und ich würde das Geheimnis des seltsamen Thrakers nicht lüften müssen.

Sobald wir Capua nach einem Tag Aufenthalt wieder verließen, wuchs aus der Ebene, die vor uns lag, ein gewaltiger Bergkegel in die Höhe, der weithin zu sehen war.

„Das ist der Vesuv“, erklärte mir Achillas, „ein Berg des Gottes Vulcanus, der früher einmal Feuer gespien und rotglühendes Gestein ausgeworfen hat. Doch jetzt hat er schon seit vielen hundert Jahren Ruhe gegeben.“

Wenn mir damals jemand erzählt hätte, dass ich beinahe denselben Weg, den wir jetzt beschritten, schon in wenigen Wochen noch einmal zurücklegen würde, und dass dabei auch der geheimnisvolle Thraker einen nicht unbedeutenden Anteil daran hatte, ich hätte ihn ausgelacht.

Als wir am übernächsten Tag den Fuß des dicht mit grünem Buschwerk und dichtem Wald bedeckten Berges erreichten, erzählte uns Plotinos, dass sich rechts von uns die Phlegräischen Felder, eine unwirtliche, verbrannte, nach Schwefel stinkende Landschaft mit vielen rauchenden Kratern erstreckte, von der sich die Menschen besser fernhalten sollten.

Von hier aus war es nicht mehr weit bis Pompeji und ich muss sagen, dass ich heilfroh über unsere Ankunft dort war, denn ich war so langes Laufen nicht gewohnt. Schließlich bin ich ja viele Jahre Seefahrer gewesen und auch als Gladiator hatte ich nie lange Wege zurücklegen müssen. Meine Beine schmerzten und auch meine Füße waren schon in einem wesentlich besseren Zustand gewesen.

Wir betraten Pompeji durch das Vesuv-Tor und Plotinos, der sich hier offensichtlich gut auskannte, ließ uns gleich bei der ersten Straßenkreuzung nach links in den nördlichen Stadtteil abbiegen, in dem sich eine Vielzahl von großen Villen aneinanderreihte.

Vor einer der Villen, sie stand fast am Ende der Straße, hielten wir an und Achillas klopfte an das zweiflüglige Portal.

Neben der Eingangstür wurde die schmale Vorderfront des Hauses nur von je einem winzigen Fenster zur linken und zur rechten der Pforte durchbrochen. Der untere Teil der Außenwände der Villa war rot, der obere gelb angestrichen, die Dächer waren mit roten Ziegeln gedeckt.

Ein Haussklave mit schütterem grauen Haar öffnete die Tür und fragte nach unserem Begehr.

„Der edle Plotinos wünscht den edlen Publius Secundus Maius zu sprechen!“, gab Achillas Auskunft.

„Ich werde euch sogleich anmelden“, erwiderte der Türöffner, neigte sein Haupt und verschwand im Inneren des Hauses.

Inzwischen hatte sich Plotinos aus der abgestellten Sänfte gewuchtet und war in den Schatten des Eingangs getreten. Fast im selben Augenblick erschien auch schon der Hausherr, ein etwa vierzigjähriger drahtiger Mann mit dunklen Haaren und dunklem Bart, um den Ägypter wie einen alten Bekannten zu begrüßen und ihn zu bitten, ihm in sein bescheidenes Heim zu folgen. Zuvor aber gab er dem Türsklaven noch die Anweisung, unsere Sänftenträger mitsamt ihrem Tragestuhl zu einem Gelass unweit des Hauses zu bringen, wo sie bleiben sollten, bis der Ägypter wieder nach ihnen rufen lassen würde. Das alles sah mir stark danach aus, dass dies nicht der erste Besuch des Alexandriners bei Publius Maius war.

Durch einen schmalen Innenflur, an den sich links die Kammer des Türöffners und rechts ein kleiner Aufenthaltsraum für wartende Clienten anschloss, betraten wir das Atrium, einen großen Raum, um den sich eine Reihe von anderen, meist deutlich kleineren Räumen gruppierten. In der Mitte dieses Raumes war das Impluvium, ein quadratisches Regenwasserauffangbecken, in den Fußboden eingelassen worden, über dem es eine Dachöffnung mit nach innen geneigten Dachschrägen in der Größe des Beckens gab, durch die Licht und Regen in die Halle eindringen konnten.

Die Säulen, die an den vier Ecken des Impluviums standen und das Dach stützten, waren aus kostbarem weißen Marmor gefertigt. Am Boden des halbvoll mit Wasser gefüllten Beckens war ein Mosaik zu erkennen, das einen Delphin und mehrere andere Fische zeigte.

Der Fußboden des Atriums war zum Teil mit großen Marmorplatten, zum Teil mit buntgefärbten Terrakottafliesen ausgelegt, während die ebenfalls marmorverkleideten Wände mit Weinranken und anderen üppig wachsenden Pflanzen bemalt waren.

Auf der linken Seite schlossen sich an die große Empfangshalle zuerst ein kleinerer Schlafraum, dann die große Küche, aus der es verführerisch nach gebratenem Fleisch und Fisch duftete, und das Triklinium, der Speiseraum der Hausbewohner und ihrer Gäste, an. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich zwei weitere kleinere Räume, zwischen denen der Hausaltar mit kleinen Götterstatuen stand und ein Treppenaufgang, der zu den im oberen Stockwerk befindlichen Schlafräumen führte.

In der Mitte zwischen dem Triklinium und der Treppe öffnete sich das Tablinum, das als Durchgang zum Peristyl, jedoch auch als Besprechungsraum diente. Vom Tablinum konnte man bis in das von einem Säulengang umgebene Peristyl schauen, in dessen Mitte einige kurzgehaltene Buchsbaumhecken, kleine Lorbeerbäume und verschiedenartige Blumen wuchsen.

Zum Atrium hin war das Tablinum, in dem einige aus Weidenruten geflochtene Sessel und ein kleines rundes Tischchen standen, nur durch einen Vorhang abgeteilt.

Während sich Plotinos und Maius auf den Sesseln niederließen - der Sessel des Ägypters ächzte und knarrte erbärmlich, hielt der auf ihm ruhenden Last aber stand - schickte man mich, Achillas und Anippe zunächst in den Clientenwarteraum, wo wir von den Küchensklaven mit Speise und Trank gut versorgt und ansonsten von unserem Herrn in Ruhe gelassen wurden. So verging der Tag für uns in weitgehender Ereignislosigkeit.

Erst am Abend wurde die Eintönigkeit plötzlich durchbrochen, als zwei weitere Gäste vor dem Haus von P. Maius erschienen. Von unserem Aufenthaltsraum aus hörten wir, wie Maius den einen mit der Anrede: „Mein sehr geehrter Diotoros“ und den anderen mit: „Mein sehr geehrter Aeneas“ begrüßte.

Nur mäßig neugierig schaute ich zur Tür, doch als ich gleich darauf den einen der beiden neuen Gäste durch den Flur schreiten sah, riss ich erstaunt die Augen auf.

Diesen Mann kannte ich!

Auch wenn er, ebenso wie sein Begleiter, in prachtvolle Gewänder gehüllt war, wie man sie an den Höfen der Könige von Pontus und Armenien trug, so war er doch ein Kilikier, ein Pirat, wie ich einer gewesen war!

Zwar gehörte dieser Aeneas nicht zu den Männern, die selbst mit dem Schwert oder dem Beil in der Hand auf den Schiffsplanken standen, doch auch so war er Teil unserer Gemeinschaft, denn er diente uns als Unterhändler, Spion und Verkäufer unserer Beute.

Doch was um alles in der Welt hatte er ausgerechnet hier zu suchen?

Nun, ich brauchte nicht lange zu überlegen um mir einen ungefähren Reim auf das Zusammentreffen dieser Männer machen zu können. Da der andere Gast, Diotoros, aussah wie ein pontischer Adliger, lag es nahe, dass es hier um irgendwelche unsauberen Geschäfte zwischen einem Abgesandten des Königs Mithridates von Pontus, den kilikischen Piraten und einem Händler aus Pompeji ging.

Neugierig geworden spitzte ich die Ohren und versuchte, einiges von den Gesprächen der vier Männer aufzuschnappen, doch vergebens. An diesem Abend wurde nicht über Geschäfte geredet. Stattdessen ertönte bei Einbruch der Nacht erneut ein lautes Klopfen an der Pforte und nachdem der Türsklave geöffnet hatte, betraten ein kleingewachsener Pompejaner in einer zitronengelben Tunika, ein muskulöser Schwarzer mit grimmig verzogener Miene und sechs junge Frauen das Atrium, welche sich vor dem Impluvium in einer Reihe aufstellten. „Mein lieber Plotinos, mein lieber Diotoros, mein lieber Aeneas, da ich es als meine Pflicht als pater familias ansehe, alles erdenklich Gute für euer Wohlbefinden zu tun, habe ich euch von unserem, in allen Liebesdingen erfahrenen Afranius die besten Lupas seines in ganz Kampanien bekannten Hauses bringen lassen, damit ihr mit ihnen eine leidenschaftliche Nacht verbringen könnt“, sprach Maius in salbungsvollem Ton, „Möget ihr nun eure Auswahl treffen. Afranius, stell uns deine Freudenspenderinnen vor!“

Der Kleine verneigte sich und gab den sechs Frauen ein Zeichen, woraufhin sie ihre Überwürfe ablegten, unter denen sie bis auf die aus durchsichtigem Flor bestehenden Brustbänder und die eng geschnittenen Subligares nichts anderes trugen. Sogleich erfüllte der Duft von schwerem Parfüm das Atrium.

„Diese hier heißt Kallipygos“, begann Afranius und wies auf die ganz links in der Reihe stehende Frau, „Sie ist Griechin und wie es ihr Name bereits sagt, mit einem besonders prachtvollen Hinterteil ausgestattet.“

Ohne von ihrem Besitzer dazu aufgefordert werden zu müssen, drehte sich die Griechin sogleich um und bot den Männern einen Blick auf ihr gepriesenes Körperteil, welches wirklich ganz entzückend aussah.

Die zweite Lupa war eine Jüdin namens Rebecca, die dritte hieß Rega und kam aus Iberien - auch diese beiden stellten ihre Körper auf aufreizende Weise zur Schau. Dann folgten die schwarzhäutige Malissa, die blonde, vollbusige Germanin Guta und als Letzte in der Reihe eine junge Frau, die Afranius als „Laodica, die Blume von Kreta“ vorstellte.

Ich starrte die junge Lupa an, wie die gerade dem Schaum des Meeres entstiegene Aphrodite. Sie war vielleicht sechzehn Jahre alt und hatte ein wunderschönes herzförmiges Gesicht mit feinen Zügen, dunkelbraunen Augen, vollen roten Lippen und blauschwarzen, in zierliche Locken gelegten Haaren, deren Farbe in auffälligem Widerstreit mit ihrer sehr hellen Haut stand.

Aber auch ihre Figur war von einer Art, die Männer um ihren Verstand bringen kann. Ihre langen wohlgeformten Beine, die sanft geschwungenen Hüften und die schmale Taille fügten sich ebenso selbstverständlich und mühelos, wie ihre herrlich gerundeten Brüste, deren Fülle und Spannkraft einer Göttin zur Ehre gereicht hätten, in das Bild einer Frau, der eine besondere Gnade der Venus zuteilgeworden war.

Während sich meine bewundernden Blicke noch immer nicht von der jungen Kreterin lösen konnten, hatte sich der Kilikier Aeneas bereits für die vollbusige Germanin und Diotoros für die hübsche Jüdin entschieden. Plotinos Wahl aber fiel, nach einer eingehenden Musterung der sechs Lupas, ausgerechnet auf die schöne Laodica, was in mir, so unsinnig das auch war, ein eifersüchtiges Gefühl aufkommen ließ.

Ohne weitere Worte von sich zu geben, stiegen Diotoros und Aeneas gleich darauf mit ihren Beischläferinnen die Treppe zum Obergeschoss hinauf, während Plotinos Laodica zu einem der kleinen Zimmer neben dem Hausaltar zog. Das alles erschien mir so, als ob sich die drei Männer hier bestens auskannten und nicht zum ersten Mal die Gesellschaft und die Dienste der Frauen aus dem Hause des Afranius genossen.

Doch dann änderte sich für mich alles, denn noch in der Tür des Zimmers drehte sich Plotinos plötzlich wieder um, kam zu uns - wir hatten die ganze Zeit im Flur gestanden und dem seltsamen Schauspiel zugesehen - und sagte: „Ich nehme doch lieber meine kleine Anippe, nimm du die schöne Kreterin, mein treuer Leonidas, und geh mit ihr in das kleine Zimmer dort neben der Küche. Du hast doch bestimmt schon seit Wochen bei keinem Weib mehr gelegen.“

Als er Achillas säuerliche Miene sah - mein Freund konnte seine Gefühle für Anippe immer schwerer verbergen - befahl er ihm: „Und du, mein Achillas, geh zum Hafen und sieh nach, ob unser Schiff bereits dort vor Anker liegt! Danach hast du frei bis morgen früh.“

Er zog einen Golddenar aus einem Beutel, den er am Gürtel trug und drückte ihm dem Alexandriner in die Hand. „Amüsiere dich nach Kräften, in den Hafenschenken gibt es guten Wein, gutes Essen und willige Weiber.“

Ich weiß nicht, aus welcher Laune heraus er gerade mir Laodica überließ, aber ich war dem Dicken in diesem Augenblick aus tiefstem Herzen dankbar.

Nachdem Achillas sich wortlos dem Ausgang zugewandt hatte, betraten Laodica und ich den kleinen Schlafraum, in dem ansonsten wohl nur ausgewählte Gäste des Hausherrn eine Ruhestätte fanden. Der geringen Größe des Zimmers entsprechend fand sich darin außer dem Bett nur noch ein dreibeiniger runder Tisch, auf den die ansonsten fast unsichtbaren Haussklaven während der Vorstellung der sechs Lupas einen Krug mit Wein und zwei Becher sowie eine brennende Öllampe gestellt hatten, deren leicht flackerndes Licht den Raum mit einer unsteten Helligkeit erfüllte.

Ich hatte kaum den Vorhang, der das Zimmer vom Atrium abtrennte, hinter uns zugezogen, als Laodica auch schon ganz geschäftsmäßig ihr Brustband löste, ihr Subligar abstreifte, ihre Sandalen von den Füßen schüttelte und sich mit leicht gespreizten Beinen auf das Bett legte.

„Warte, warte“, sagte ich, während ich mich neben sie legte, „wir brauchen nichts übereilen, wir haben die ganze Nacht Zeit.“

Sie sah mich etwas merkwürdig an, überlegte einen Moment lang, dann sagte sie: „Wie du willst. Die meisten Freier wollen immer gleich zur Sache kommen, und auch Afranius und seine Rausschmeißer sorgen stets dafür, dass sich die Böcke nicht lange bei uns aufhalten, damit der nächste zahlungskräftige Freier seine Asse und seinen Samen bei uns loswerden können.“

„Wie viele Freier hast du denn heute schon gehabt?“, fragte ich, nur um irgendetwas zu sagen, obwohl ich gerade das eigentlich gar nicht wissen wollte.

„Nur drei“, erwiderte sie gelassen. „War ein ruhiger Tag. Sonst sind es sieben oder acht.“

„Du bist so schön“, versetzte ich mit rauer Stimme, „sicher wollen alle Männer immer nur zu dir.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, nein, ich entspreche eigentlich nicht der Art von Frau, die hier am meisten verlangt wird. Die Böcke wollen lieber Lupas mit großen dicken Ärschen und kleinen Titten, so wie Kallipygos. Die ist die Königin in unserem Haus, die hat oft zehn oder mehr Freier am Tag.“

„Und wenn du mit den Freiern schläfst“, erkundigte ich mich neugierig, „hast du dann auch immer einen orgasmós?“

„Du meinst das schöne Gefühl?“

„Ja.“

„Manchmal, aber nur sehr selten.“

„Wie lange bist du schon bei Afranius?“

„Vor fünf Sommern - ich war damals zehn oder elf Jahre alt - haben die verfluchten Seeräuber mein Dorf an der Südküste von Kreta überfallen und mich geraubt und versklavt. Ein Händler brachte mich hierher und Afranius kaufte mich für sein Lupanar. Zuerst war ich Haussklavin, habe die Kammern saubergemacht, die Wäsche gewaschen und beim Kochen geholfen. Dann, so etwa vor drei Jahren, als ich meine ersten Blutungen hatte und meine Brüste anfingen zu wachsen, versteigerte Afranius meine Jungfernschaft für fünfundzwanzig Denare an einen Getreidemühlenbesitzer aus Herculaneum. Und seitdem bin ich eine Lupa.“

Bei der Erwähnung der Piraten überkam mich ein ungutes Gefühl. Schließlich hatte ich ja auch mehrere Jahre zu den Kilikiern gehört, und was wir dort getan hatten, war ganz gewiss nicht immer alles besonders ehrenhaft gewesen. Doch das verschwieg ich ihr vorerst lieber …

Um meine Verlegenheit zu verbergen, stand ich auf, füllte mit dem Wein aus dem Krug die beiden Becher und reichte ihr einen davon.

„Wir müssen das nicht machen“, erklärte ich, nachdem wir getrunken hatten, so als könnte ich damit eine Schuld gutmachen, „nur weil uns die Laune meines Herrn zusammengeführt hat.“

Das ein Mann ihre Liebesdienste nicht in Anspruch nehmen wollte, schien Laodica etwas völlig Neues zu sein. Sie sah mich nachdenklich an und fragte: „Also stimmt es nicht, was der dicke Herr gesagt hat, dass du seit Wochen keine Frau gehabt hast?!“

Ich setzte mich auf das Bett und antwortete: „Nun ja, ich war ein Gladiator und dort schickte man uns manchmal Sklavinnen in unsere Zellen. Und am Abend des Tages, an dem ich freigelassen wurde und Plotinos mich in seinen Dienst nahm, habe ich in einer Taverne mit einem der Schankmädchen geschlafen. Es ist also nur eine paar Tage her, dass ich …“

Plötzlich kicherte sie. „Ich hatte schon Angst, dass der Dicke sich auf mich legt, der hätte mich breitgedrückt wie ein Fladenbrot. Aber dann war ich wirklich froh, dass er mich dir gegeben hat, du … du bist nämlich auch sehr schön.“

„Ich?“

„Ja!“

Ich hatte mir bis dahin nur selten Gedanken über mein Äußeres gemacht. Gut, ich bin vier Cubitus groß und habe einen athletischen Körper, der mittlerweile schon mit einigen Narben geschmückt ist. Meine Haare und mein Bart waren schwarz, meine Augen braun und meine Nase schmal und leicht gebogen. Aber so sahen die meisten Griechen, zu denen wir Mytilener uns zählen, auch aus.

„Nur verstehe ich trotzdem nicht, warum du es nicht tun willst!“, hakte meine schöne Laodica noch einmal nach und ich meinte aus ihren Worten ein wenig Enttäuschung herauszuhören.

„Beim Barte des Zeus, ich will es, sehr gern sogar, denn du gefällst mir ausgenommen gut!“, rief ich leise und zum Beweis dessen legte ich meine Kleidung ab. „Aber ich möchte es mit dir anders machen, als du es sonst machst. So, als ob du meine Geliebte und keine Lupa wärst.“

Damit konnte sie schon eher etwas anfangen. Viele Männer wollten, dass sie ihnen während der Vereinigung irgendetwas vorspielte, sei es, dass sie so tat, als ob sie noch unberührt war oder dass sie eine zur Erde hinabgestiegene Göttin oder eine befehlsgewohnte Königin aus dem Osten wäre.

„Aber ich bin doch nun einmal eine Lupa und keine Geliebte. Das war ich noch nie. Ich weiß nicht, was ich da machen soll“, gab sie zu bedenken.

„Ich werde es dir zeigen“, erwiderte ich und war voller Mitleid und Zorn darüber, was Afranius - und die Sklaverei überhaupt - aus diesem Mädchen gemacht hatten.

Wir lagen eng beieinander und ich streichelte, so sanft wie es mir möglich war, ihre Brüste, ihre Schultern, ihre Arme, ihre Hüften und ihre Schenkel. Sie ließ es - etwas misstrauisch noch - geschehen, immer in der Erwartung irgendeiner kommenden Abartigkeit, von der sie nicht wusste, ob sie sie zulassen musste. Doch nach und nach fasste sie Vertrauen und begann sogar Gefallen daran zu finden.

Schließlich beugte ich mich über sie und küsste sie auf den Mund.

„Was machst du da?“, fragte sie überrascht.

„Dich küssen“, gab ich etwas erstaunt zur Antwort.

Obwohl sie es schon mit mehreren hundert Männern getrieben haben musste, war sie erstaunlicherweise noch ganz unerfahren im Küssen. Aber war das wirklich erstaunlich? Beim Verkehr mit den Lupas wird nicht geküsst, soviel wusste ich auch. Da geht es nur darum, den Schwanz in die Frau zu stecken und zu rammeln, bis es einem kommt.

„Ich hab das schon gesehen, dass Menschen das machen“, bemerkte Laodica schließlich. „Zwei Lupas bei uns, die Kallipygos, die vorhin auch mit hier war, und die Allona, die treffen sich heimlich in der Zeit, wenn keine Freier kommen und machen das, was du mit mir machst, was sehr schön ist. Aber Afranius darf es nicht sehen, sonst bekommen sie beide die Peitsche zu spüren.“

Irgendwann versuchte es Laodica auch und streichelte nun ihrerseits meine Oberarme, meine Brust, meinen Rücken, während ich mich immer näher an ihren Hügel der Venus heranwagte. Und dann wurde die Erregung in uns beiden so groß, dass es kein Halten mehr gab.

Beschwingt griff Laodica nach meinem Liebesstab, der sich inzwischen kräftig aufgerichtet hatte, schloss ihre Finger darum und ließ ihre Hand spielerisch einige Male auf- und abgleiten, bis ich vor Wollust stöhnte.

„Komm“, flüsterte sie und dann zog sie mich mit sanfter Gewalt auf sich und ich folgte nur zu gern ihrem Willen.

Obwohl ich vor mächtig angestauter, drängender Lust fast zu platzen drohte, bemühte ich mich noch um Zurückhaltung und Verzögerung, die nach meinen Erfahrungen den meisten Frauen zu Beginn des Beischlafs besser frommt als hastiges Gerammel. So drang ich zuerst ganz tief in sie ein, um meine Arbeit gleich darauf nur einen fingerbreit hinter dem Eingang ihrer Liebesgrotte fortzusetzen, bewegte mich in unstetem Wechsel mal schneller und mal langsamer in ihr, bis ich mich schließlich selbst nicht mehr beherrschen konnte und mit schnellen Stößen dem Höhepunkt zustrebte. Da sah ich, wie auch ihr Atem schneller ging, wie ihre Hüften zuckten, wie sie sich aufbäumte, mir entgegenkam, mich umarmte, umklammerte, stöhnte und jauchzte gleichzeitig.

Es überkam uns beide zur selben Zeit, das Glücksgefühl, das Gefühl der höchsten Lust, dann sanken wir, bebend und schweißnass, auf das Bett.

„Was ist mit mir geschehen?“, fragte sie kopfschüttelnd und ein wenig besorgt, nachdem wir beide wieder zu Atem gekommen waren, „Du hast mich als Lupa ganz unbrauchbar gemacht. Wie soll ich je wieder einen Mann auf oder in mir ertragen, nachdem ich jetzt weiß, wie schön es sein kann?! Wie schön es mit dir war!“

Zum einen hörte ich ihre Worte natürlich gern, doch zum anderen wurde mir auch schlagartig überdeutlich klar, dass diese Nacht sehr wahrscheinlich unsere einzige bleiben würde, denn Laodica würde schon bald wieder in ihr Lupanar zurückmüssen und ich würde dem Dicken nach Ägypten folgen. Dann würde ich sie wohl niemals wiedersehen.

Oder sollte ich Plotinos verlassen und in Pompeji bleiben? Aber was würde sich dadurch ändern, außer dass ich sie dann ab und zu in ihrem Lupanar aufsuchen konnte? Denn Laodica würde auch weiterhin die Sklavin des Afranius bleiben müssen, da ich nicht die Mittel hatte sie freizukaufen.

Geblendet von ihrer Schönheit und überrumpelt von der mir so überraschend gebotenen Gelegenheit, mit ihr zusammen zu sein, hatte ich nur daran gedacht, es für uns beide so schön wie möglich zu machen, ohne daran zu denken, wie es ihr danach gehen würde.

„Es tut mir leid“, sagte ich völlig verwirrt „ich …“

„Ist schon gut“, entgegnete sie achselzuckend, „Was geschehen ist, ist geschehen. Das lässt sich nicht mehr ändern. Also lass es mich wenigstens noch einmal erleben, das schöne Gefühl, oder auch zweimal oder dreimal …“

Das war eine Aufforderung, die ich nicht missachten konnte und so liebten wir uns noch ein - zwei - oder dreimal, bis der Morgen anbrach.

Nachdem es im Haus lebendig geworden war, wurden wir von Maius wieder in den Raum für die Clienten geschickt, um dort neue Anweisungen zu erwarten.

Neben Achillas, der von dem außerhalb der Stadtmauern gelegenen Hafen schon kurz vor dem Sonnenaufgang zurückgekehrt war und dessen Miene sich nur mäßig aufgehellt hatte, Anippe und mir, hatten sich auch Laodica, Rebecca und Guta zu uns gesellt, die noch den ganzen Tag hier im Haus bleiben sollten, um den Gästen des Maius bei Bedarf zur Verfügung zu stehen.

Während Achillas und Anippe schweigend auf ihrer Bank saßen und Laodica und ich nur gelegentlich ein Lächeln oder einen verschwörerischen Blick austauschten, unterhielten sich die Jüdin und die Germanin ganz angeregt über ihre nächtlichen Erlebnisse mit Aeneas und Diotoros.

Die recht ausschweifenden Berichte wurden erst beendet, als uns eine Küchensklavin das aus Fladenbrot, gekochten Eiern, Käse, Kräuterquark, Äpfeln, blauen Trauben und Feigen bestehende Frühmahl brachte. Dazu gab es Milch und kühles Essigwasser.

Kurz darauf verließen Maius, Diotoros und Aeneas das Haus, ohne uns zu beachten. Da niemand nach ihnen verlangte, verdrückten sich Guta und Rebecca in das kleine Schlafzimmer, in dem ich die Nacht mit Laodica verbracht hatte, um den versäumten Schlaf nachzuholen. Auch wir hatten so gut wie gar nicht geschlafen, doch um nichts in der Welt hätte ich die wenigen Stunden mit Laodica, die mir noch blieben, freiwillig schmälern wollen.

Eine Stunde vor dem Mittag erwachte endlich auch Plotinos, der immer etwas länger schlief, vor allem wenn er dem Wein ein wenig zu sehr zugesprochen hatte.

Zum Frühmahl vertilgte er einen Berg speziell für ihn zubereiteter Wacholderdrosseln nebst einem Haufen feinen Gebäcks und trank einen großen Krug Wein leer. Dann erkundigte er sich bei Achillas, ob sein Schiff aus Ostia bereits im Hafen lag und nachdem ihm mein Freund berichtet hatte, dass der Segler schon vorgestern Abend in Pompeji eingetroffen war, befahl er einem der Haussklaven seine Sänfte zu holen, da er sich zu dem Besuch einer der hiesigen Thermen entschlossen hatte.

Die Therme, zu der Achillas und ich den Dicken begleiten mussten, erhob sich unweit der Stelle, an der sich die Ost-West-Straße und die vom Vesuvtor kommende Nord-Süd-Straße Pompejis kreuzten. Durch den Haupteingang an der Ost-West-Straße gelangte man zunächst auf eine ausgedehnte Palästra, die auf drei Seiten von einem Säulengang umgeben war und in der es auch ein großes Schwimmbecken gab.

Die Bäder, sowohl für die Männer als auch für die Frauen, befanden sich an der Ostseite der Anlage, im hinteren nordwestlichen Teil gab es auch eine Reihe von Einzelkabinen mit Badewannen und Latrinen.

Der Umkleideraum, dessen Wände mit verschiedenartigen Bildern bemalt worden waren, hatte ein großes, mit Stuck verziertes Tonnengewölbe. Hier zogen wir uns aus und verstauten unsere Kleidung in den dafür vorgesehenen kleinen Nischen. Da ich zum ersten Mal eine römische Therme besuchte, hielt ich mich an Achillas und Plotinos und folgte ihnen in allem, was sie taten.

Als erstes kühlten wir uns im Frigidarium, dem Kaltbaderaum, ab, dann stiegen wir in einer anschließenden Halle in ein Becken mit lauwarmem Wasser. Danach wechselten wir erneut den Raum und betraten das Warmbad mit seinem Heißwasserbecken. Da die Fußböden hier durch die Hypokaustenheizung sehr heiß waren, zogen wir uns die am Eingang des Caldariums bereitstehenden Holzschuhe an.

Die ungewohnte Hitze setzte mir zunächst ziemlich zu und es dauerte eine Weile, bis ich mich an sie gewöhnt hatte. Doch Zeus sei Dank, gab es in einer der vielen Nischen auch einen Bronzebrunnen, aus dem kühles Wasser sprudelte, mit dem ich mich erfrischen und meinen Durst stillen konnte.

Nach der langen Reise von Rom bis hierher und nicht zuletzt nach der vergangenen schweißtreibenden Nacht genoss ich die nicht zu leugnenden Annehmlichkeiten des römischen Bades nach Kräften, auch wenn mir der unschöne Anblick der schwabbelnden Fettmassen Plotinos einen Gutteil des Wohlbefindens vergällte.

Zur Cena kehrten wir wieder in die Villa von P. Maius zurück. Inzwischen waren dort noch zwei weitere römisch gekleidete Gäste eingetroffen, die, wie ich aus deren Gesprächen mit Maius, Diotoros, Aeneas und Plotinos erfuhr, Rufus und Celer hießen.

Die Hauptmahlzeit des Tages nahmen Maius und seine nun auf fünf Männer angewachsene Gästeschar im Triklinium ein und wie üblich zog sich das Essen ziemlich lange hin.

Nach dem Mahl begaben sich die sechs in das Tablinum und ließen sich auf den dort stehenden Korbsesseln nieder. Ein Diener schloss den Vorhang zum Atrium.

Angestachelt von einer nicht zu bezähmenden Neugier hätte ich allzu gern erfahren, worüber diese seltsame Ansammlung von so unterschiedlichen Herren beriet, doch von der Tür des Clientenwarteraums konnte ich die Worte von Maius, Plotinos und den anderen kaum verstehen. Also beschloss ich, mich an der Küche, deren Eingang jetzt ebenfalls mit einem Vorhang verhängt war, vorbei bis zum Eingang des Tablinums zu schleichen, um von dort aus die Gespräche der Versammelten zu belauschen. Als ich jedoch Miene machte, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, hielt mich Laodica am Ellenbogen fest. Sie hatte meine Neugier bemerkt und meine Absicht erraten und schüttelte heftig den Kopf.

„Lass das lieber sein! Von den Küchensklaven kann jederzeit einer herauskommen und dich bemerken und dich dann bei seiner Herrschaft als Lauscher anzeigen“, wisperte sie, „Es ist besser, wir schleichen uns beide wieder in unser kleines Zimmer, von dort aus kannst du die sechs Böcke bestimmt auch schon ganz gut hören. Und wenn sie uns dort erwischen, dann tun wir so, als ob wir noch einmal rammeln wollten, das ist ungefährlicher als lauschen. Im schlimmsten Falle lässt mir Afranius ein paar Peitschenhiebe aufzählen, weil ich mich dir ohne Bezahlung hingeben wollte.“

Ich nahm ihren Vorschlag gerne an - auch wenn ich natürlich nicht wollte, dass sie ausgepeitscht würde - und tatsächlich konnte ich von dem - inzwischen von Guta und Rebecca wieder geräumten Zimmer - recht mühelos den Gesprächen im Tablinum folgen, denn die sechs Männer redeten, ohne ihre Stimmen auch nur um ein geringes Maß zu senken. Vor allem Plotinos kräftiges Organ war deutlich zu vernehmen.

Die Herren machten sich offensichtlich keine Sorgen darüber, dass sie belauscht werden könnten, denn von draußen konnte sie keiner hören und in der Villa befanden sich nur die Haussklaven, Achillas, Rebecca, Guta, Anippe, Laodica und ich. Und von uns nahm niemand an, dass wir irgendwem irgendetwas verraten würden, denn schließlich waren selbst Achillas und ich ja auch nur so etwas Ähnliches wie Sklaven.

Obwohl ich nicht alles ganz genau verstand, da mein Latein noch recht ungeschliffen war, so entnahm ich doch aus den Gesprächen, dass es bei diesem Zusammentreffen um nichts mehr und nichts weniger ging, als um eine ausgewachsene Verschwörung gegen Rom.

Publius Secundus Maius gehörte wohl zu den heimlichen Anhängern des alten Generals Marius, die man auch Popularen nannte und erwies sich ebenso als ein Unterstützer des in Hispania gegen den römischen Senat kämpfenden Sertorius, wie der aus Rom gekommene Rufus. Plotinos vertrat die Interessen Ägyptens, Aeneas die der kilikischen Piraten. Diotoros sprach für seinen König Mithridates, während der wohl aus Capua stammende Celer die Krieger des Sertorius und des Mithridates, aber auch die Kilikier mit Waffen beliefern sollte.

Im Gegenzug für die Waffenlieferungen, deren Bezahlung vor allem Plotinos und seine alexandrinischen Hintermänner übernahmen, sollten die Piraten mit Überfällen, auf die den Hafen von Ostia anlaufenden Getreideschiffe aus Ägypten, die Versorgung Roms untergraben und im besten Falle Hunger und Angst auslösen.

Was genau Plotinos dazu bewog, insbesondere die Schiffe seiner Landsleute angreifen zu lassen, blieb mir verborgen, doch ich vermutete wohl nicht zu Unrecht, dass er mit den Überfällen irgendwelche Handelskonkurrenten in den Ruin treiben wollte.

Darüber hinaus sollten die Kilikier von Celer und Rufus Hinweise erhalten, welche Villen entlang der latinischen und kampanischen Küste Anhängern der Senatspartei gehörten und wann diese dort anwesend waren, so dass sich ein Überfall wegen des zu erwartenden Lösegeldes für die gefangengenommenen Senatoren besonders lohnte.

Der Verbindungsmann der Piraten hieß Hanno und war der Wirt einer Schenke in einem Dorf an der Küste, in dessen Nähe die Villa eines gewissen Gaius Vinicius, eines neureichen Ritters, stand. Das Kennwort für den Austausch der Nachrichten lautete „Mithridates und Sertorius“. Dies war zwar nicht unbedingt sehr einfallsreich, dafür aber leicht zu behalten.

An sich war der Plan, Rom mit einer Phalanx aus Sertorius im Westen, Mithridates im Osten, Ägypten im Süden und den Kilikiern auf dem Meer zu schwächen oder gar in die Knie zu zwingen, nicht von der Hand zu weisen, doch eine Gewähr für einen Erfolg gab es selbst bei einer solchen Mächteverteilung nicht, denn die römische Republik verfügte über schier unerschöpfliche Kraftquellen.

Als das Gespräch der Verschwörer sich anderen, alltäglicheren Dingen zuwandte, zogen Laodica und ich uns wieder vorsichtig in das Clientenzimmer zurück und taten auch gegenüber Guta und Rebecca so, als ob wir noch einmal miteinander geschlafen hatten.

Nach einer weiteren halben Stunde war die Besprechung vorbei. Während Rufus und Celer das Haus, ohne sich noch lange aufzuhalten, wieder verließen, verlangten Diotoros und Aeneas nach Rebecca und Guta, doch diesmal wechselten sie ihre Beischläferinnen.

Plotinos aber, dieser fette Patron, befahl Laodica und Anippe zu sich.

„Du wirst mir einen blasen, Schöne“, beschied er Laodica mit breitem Grinsen, „und du, Tochter des Nils, kommst mit und zeigst ihr, wie sie es machen soll.“

Bei allen Göttern des Olymps, ich hätte den gemeinen Kerl erwürgen können, obwohl mir natürlich bewusst war, dass solche Gedanken völlig unsinnig waren. Denn Laodica war nun einmal eine Lupa und eine Sklavin, die für Geld oder auf Befehl ihres Herrn jeden Mann, der sie wollte, zu befriedigen hatte. Plotinos war nicht der Erste und würde auch nicht der Letzte sein, der sie benutzte, wie es ihm gefiel.

Und doch, die wenigen Stunden mit ihr hatten in mir ein Gefühl der Eifersucht entstehen lassen, welches ich nur sehr mühsam unterdrücken konnte. Achillas, der genau verstand, was in mir vorging, legte mir beruhigend seine Hand auf den Arm, um mich von einer nicht wieder gut zu machenden Dummheit abzuhalten und das war auch besser so, denn wahrlich, es hatte nicht viel gefehlt und ich wäre dem Dicken an die Gurgel gegangen.

Eine halbe Stunde später schlüpften die beiden jungen Frauen auf leisen Sohlen wieder aus dem Zimmer, gefolgt von dem sägenden Geräusch von Plotinos Schnarchen.

Sofort kam Laodica zu mir, denn da der Ägypter schlief, hatte sie den noch sehr langen Rest der Nacht frei und gedachte ihn mit mir zu verbringen. Ohne meine verkniffene Miene zu bemerken, nahm sie mich an der Hand und zog mich in unser kleines Schlafzimmer. Dort drückte sie sich an mich und wollte mich küssen, aber zur Unzeit musste ich daran denken, dass gerade eben noch der stinkende Schwanz des Dicken zwischen diesen vollen roten Lippen gesteckt hatte und dass sein Samen in ihren Mund gespritzt war und der Widerwillen vor dieser Vorstellung ließ mich den Kopf zur Seite drehen.

„Was ist mit dir?“, fragte sie beunruhigt. „Stimmt etwas nicht?“

„Doch, doch“, druckste ich herum, „Aber lass uns zuvor noch etwas trinken.“

Ich füllte die beiden Becher, setzte einen davon an die Lippen und rollte den goldgelben Wein absichtlich lange im Mund hin und her.

„Hmm“, brummte ich, „Kein schlechter Tropfen!“ Doch in Wahrheit dachte ich nur daran, wie ich sie - unauffällig - dazu bringen könnte, sich den Mund zu reinigen.

Da begriff sie, was für eine Laus mir über die Leber gelaufen war.

„Ach so, es ist wegen dem Ding von dem Dicken“, sagte sie verständnisvoll, „Deswegen magst du mich nicht küssen. Warte, ich spüle mir den Mund aus.“

Sie nahm einen Schluck, ließ den Wein, so wie ich zuvor, durch den Mund rollen und spie ihn auf den Fußboden. Zusätzlich wischte sie sich noch mit einem Zipfel des Betttuchs über die Lippen.

„So besser?“, fragte sie und da riss ich sie beschämt an mich und küsste sie mit wilder Leidenschaft.

In dieser Nacht liebten wir uns bis zur Erschöpfung.

Irgendwann vor der Morgendämmerung schlief Laodica ein, doch ich fand auch dann noch keinen Schlaf. Meine Gedanken schwirrten durcheinander wie ein Schwarm aufgeregter Waldbienen. Mal wälzte ich finstere Rachepläne gegen Plotinos, mal versank ich in Selbstmitleid und Abschiedsschmerz, mal dachte ich daran, Laodica aus dem Lupanar zu entführen, doch ich wusste, dass all diese Überlegungen nichtig waren.

Als das erste Licht des beginnenden Tages durch das Impluvium in das Atrium fiel, erhoben wir uns schließlich von der Liegestatt, küssten uns noch ein letztes Mal und verließen schweigend und mit gesenktem Blick unser Elysium.

Gleich nach dem Frühmahl stand dann auch schon der Schwarze vor der Villa, um Laodica, Rebecca und Guta abzuholen. Als sie gingen, wandte sich Laodica noch einmal kurz um und zwinkerte mir zu. Dann schloss sich die Haustür hinter ihr und ich stand mit kraftlos herabhängenden Armen da, einsam und verlassen.

Ich glaubte, dass ich Laodica nie wiedersehen würde.

Nachdem Plotinos in der dritten Morgenstunde erwacht war und im Tablinum sein ausgedehntes Morgenmahl eingenommen hatte, ließ er seine Sänfte holen und sich durch die Stadt zum Hafen tragen, um nach seiner Großbarke zu sehen, mit der er am nächsten Tag die Rückfahrt nach Ägypten anzutreten gedachte.

Der Hafen Pompejis lag außerhalb der nach Süden zeigenden Stadtmauern, am Fuße einer recht steil abfallenden Felswand. Unweit von hier mündete der kleine Fluss Sarno in das nur hundert Schritte entfernte Meer. Im Laufe der Jahre war am Ufer des Flusses eine regelrechte Hafenstadt entstanden, mit Lagerhäusern, Hütten, Schuppen und natürlich auch etlichen Tavernen.

Eigentlich gelangte man durch die Porta Marina dorthin, doch da vor einiger Zeit bei einem Erdbeben ein Teil der Südmauer den Hang hinabgerutscht war, und die Stadtoberen diesen Schaden, aus welchen Gründen auch immer, noch nicht wieder hatten ausbessern lassen, benutzten die Städter und die Seeleute zumeist einen durch die Bresche führenden Weg zum Hafen, da er kaum überwacht wurde.

Das Schiff des Ägypters, das sicher vertäut an der hölzernen Kaimauer lag, war ein schnittiger, schlanker Schnellsegler mit einem viereckigen Segel und einem hochgezogenen Hintersteven, der in der Form einer Papyruspflanze auslief. Gleich hinter dem Mast stand ein geräumiger Pavillon, dessen Seiten mit feingewebten bunten Tüchern verschlossen waren.

Besonders bemerkenswert war ein an der Mastspitze befestigter blauweißblauer Wimpel, denn der zeigte dem Kundigen an, dass der Herr des Schiffes ein heimlicher Verbündeter und Schützling der kilikischen Seeräuber war.

Die Besatzung, so erfuhr ich von Achillas, bestand nur aus dem Kapitän und zwei Matrosen, doch wurden die acht Sänftenträger bei Bedarf auch als Ruderer eingesetzt.

Plotinos stieg an Bord und sprach kurz mit dem Kapitän. Dann rief er Anippe zu sich und verschwand mit ihr für einige Zeit in dem Pavillon, um seine verschwitzte Kleidung gegen eine neue flammendrote Tunika zu wechseln.

Am Abend dieses Tages blieben wir Vier allein in der Villa, denn einer seiner Magistratskollegen hatte Maius und seine Frau zu einem Gastmahl eingeladen. Zwar hatte der Hausherr für Plotinos ein opulentes Mahl vorbereiten lassen, doch nachdem dieser die letzte Auster geschlürft hatte, begann er sich schon bald zu langweilen und als es draußen zu dunkeln begann, verkündete er plötzlich: „Männer, macht euch für einen nächtlichen Ausflug bereit und auch du Anippe kommst mit! Wir gehen in das Lupanar von diesem Afranius. Ich muss noch mal zu dieser Kreterin, die gestern hier war. Bei Osiris, die hat mir einen geblasen, da habe ich die Götter Ägyptens und die des Olymps im Chor singen hören!“

Die Worte des Dicken trafen mich ins Mark und ich hätte ihm am liebsten seine Kehle durchgeschnitten, doch andererseits freute ich mich auch darauf, Laodica so schnell wiederzusehen. Und vielleicht, so hoffte ich insgeheim, ergab sich ja noch einmal die Gelegenheit, mit ihr allein zu sein.

Da die Nächte in Pompeji, wie die in jeder anderen Stadt, nicht ungefährlich waren, bewaffneten Achillas und ich uns mit unseren Schwertern und unterrichteten die acht Sänftenträger von dem plötzlichen Entschluss des Ägypters.

Wenn ihn seine Lüsternheit trieb, dann konnte es Plotinos zumeist nicht schnell genug gehen. Nachdem er noch einen letzten Becher des kräftigen Weins von den Hängen des Vesuvs hinuntergestürzt hatte, stampfte er, so schnell es seine dicken Beine zuließen, aus dem Haus und stieg in seine bereits vor dem Eingang der Villa wartende Sänfte.

Da wir den Weg zu dem Lupanar des Afranius nicht kannten, führte uns einer der Sklaven des Maius mit einer Laterne durch die nachtdunklen Gassen der Stadt, bis wir zu einem großen zweistöckigen Gebäude mit rosafarbenen Wänden kamen.

Das Freudenhaus, in dem Laodica ihr halbes Leben verbracht hatte, war von seinen Erbauern hart zwischen zwei spitzwinklig zusammentreffende Gassen gequetscht worden, so dass es einen Grundriss in der Form eines schmalen Trapezes hatte. Zu den Straßen hin überragte das obere Stockwerk das Erdgeschoss um gut eineinhalb Ellen, was zur Folge hatte, dass die ohnehin die meiste Zeit im Schatten liegenden Gassen noch schummriger wirkten.

Mit dem Schmiergeld das Afranius, der das Bordell an der Stelle einer heruntergekommenen Mietskaserne errichtet hatte, für die behördentliche Genehmigung dieser Baumaßnahme vermutlich hatte zahlen müssen, hätte man in dem steinernen Amphitheater der Stadt wohl mindestens fünf Gladiatorenpaare gegeneinander antreten lassen können.

Der Empfangsraum des Lupanars unterschied sich kaum vom Inneren einer gewöhnlichen Schenke. Auch hier gab es Tische, Bänke und einen Tresen, hinter dem eine bleichgesichtige, fettleibige Frau, die ihre besten Jahre schon weit hinter sich gelassen hatte, mit einem triefenden Lappen Becher auswischte.

Unweit des Tresens lümmelte sich der muskelbepackte Schwarze, der ganz offensichtlich das verantwortungsvolle Amt des Rausschmeißers innehatte, auf einem breiten Schemel. Sein von kurzem Kraushaar bedeckter Kopf war ihm allerdings auf die Brust gesunken und ein kräftiges Schnarchen ließ die Luft um ihn herum erzittern.

Ein aufdringlicher, unverwechselbarer Geruch nach billigem Parfüm, menschlichen Ausdünstungen, Wein und überlagertem Fisch stieg uns in die Nase und ich hätte nicht entscheiden mögen, ob der hiesige Mief dem einer Gladiatorenzelle vorzuziehen wäre.

Der Eingangstür gegenüber führte eine schmale steile Stiege in das obere Geschoss, in dem sich die Hurenkammern befanden.

„Ich bin Plotinos aus Alexandria“ „gab der Dicke der Wirtin Bescheid. Und als diese seinen Gruß mit einem herablassenden Neigen des Kopfes, welches, gebremst durch das beachtliche Doppelkinn der Frau, recht spärlich ausfiel, erwidert hatte, fügte er hinzu: „Wir wollen zu Afranius!“

„Ist oben“, knarzte die Vettel und deutete mit dem Kopf auf die Treppe. „Ganz hinten.“

Vom oberen Ende der Stiege, die der Dicke nur mühsam und schnaufend erklomm, gelangte man in einen langen, von kleinen Öllampen erleuchteten Gang, in dem sich eine Reihe von winzigen Kammern aneinander reihten wie Perlen an einer Schnur. Die Vorhänge, mit denen die Zimmer verschlossen werden konnten, waren fast alle zugezogen und die Geräusche, die aus den Zellen drangen, deuteten auf einen regen Betrieb hin.

Über den Türen hingen weiße Holztafeln, auf denen die Namen der Liebesdienerinnen und ihre Preise in Assen zu lesen waren. Wesentlich anregender erschienen mir da schon die farbigen Bilder neben den Preisschildern, auf denen Männer und Frauen, die in den verschiedensten Stellungen miteinander verkehrten, dargestellt waren und die Hinweise darauf gaben, welche Liebesdienste die Kammerbewohnerinnen anboten.

Langsamen Schrittes durchquerten wir den Flur und studierten die vielfältigen Angebote eingehend. Da wurde es im Liegen und im Stehen getrieben, Brust an Brust oder Brust an Rücken, da wälzten sich Liebende mit angezogenen oder ausgestreckten Beinen in kaum zu entwirrenden Knäuels, da ritten prallärschige Frauen vorwärts oder rückwärts, auf liegenden oder sitzenden Männern, da knieten die willigen Dirnen mit hochgeregtem Steiß vor ebenfalls knienden Männern, die ihre Hüften eng an deren gehobene Becken gepresst hatten, da wurde Mann mit der Hand oder dem Mund befriedigt, da konnte er sogar zwischen den Brüsten der Frauen oder ihren Fußsohlen zum Höhepunkt kommen.

Als wir das Ende des Ganges erreicht hatten, kam Afranius mit einem fast nackten, noch knabenhaften Jüngling aus einer der hintersten Kammern. Er schien nicht besonders begeistert zu sein, den Dicken hier zu sehen, bemühte sich aber um eine liebenswürdige Miene und als er Plotinos Wunsch hörte, geleitete er uns zu einem größeren Raum in dem Stockwerk darüber, der im Allgemeinen wohl für bessere Gäste freigehalten wurde. Danach schickte der Hausherr den Knaben, den er Ganymed nannte, zu den Kammern der Lupas, um Laodica zu holen, sobald sie frei wäre; entschuldigte sich aber gleich darauf, da er sich noch zu dieser Stunde mit einem eben erst in Pompeji eingetroffenen Sklavenhändler treffen wollte. Wenn wir etwas bräuchten, sollten wir uns vertrauensvoll an Ganymed, den Schwarzen oder die alte Wirtin wenden.

Der fensterlose Raum, den er uns zugewiesen hatte, war etwa viermal so groß wie die gewöhnlichen Hurenkammern und anstelle der sonst üblichen, mit einer Matratze bedeckten gemauerten Liegestatt stand dort ein bequemes hölzernes Bett. Dazu gab es noch einen Sessel mit Fußbank und zwei kleine runde Tische. Auf dem einen der beiden Tischchen standen ein Krug mit Wein und zwei Becher, auf dem zweiten eine Waschschüssel mit parfümiertem Wasser.

Wir brauchten nicht lange zu warten, bis Laodica zu uns kam. Sie war vollkommen nackt. Zwischen ihren Brüsten und auf ihrem straffen Bauch glitzerten kleine Schweißtröpfchen und auch ihre Haare waren schweißdurchfeuchtet. Und war da am Eingang ihrer Venusgrotte nicht etwas Weißliches, Klebriges zu erkennen …?

Als sie uns sah, spiegelten sich auf ihrem geröteten Antlitz in schneller Folge Überraschung, Freude, Abscheu und … Scham wider. Verstört schaute sie erst mich an, dann Plotinos, dann Anippe und dann wieder Plotinos.

Unsicher neigte sie dann ihr Haupt vor Plotinos und fragte: „Was ist euer Begehr, Herr?“

„Dass du mir wieder so einen bläst wie gestern Abend, meine Schöne“, säuselte der Ägypter mit honigsüßem Gesicht. „Ich werde dich auch reich belohnen!“

Doch zu unser aller Überraschung antwortete Laodica: „Verzeiht Herr, aber ich bin keine Fellatrix, dafür haben wir hier besonders geschulte Frauen.“

Das feiste Gesicht des Dicken verzerrte sich. Widerspruch war er nicht gewöhnt, schon gar nicht von einer Sklavin!

„Du dreckige Votze“, zischte er wie eine ägyptische Schlange, „du tust was ich dir befehle!“

Doch Laodica sah Plotinos fest in die Augen und sagte mit hoch erhobenem Kopf: „Wenn du willst, Herr, dann hole ich die Calypso, unsere neue Fellatrix, die wird es dir viel besser machen als ich es kann.“

„Lutsche auf der Stelle meinen Schwanz!“, brüllte Plotinus, während ich zähneknirschend nach meinem Schwertgriff tastete, und da Laodica nur stumm, aber entschieden den Kopf schüttelte, schlug der Dicke ihr in rasender Wut mit der Faust ins Gesicht. Der heftige Schlag warf Laodica gegen die Wand, während der Ägypter wie irre schrie: „Du dreckige Nutte, ich lasse dich …“

Dann verstummte er plötzlich. Und das war auch kein Wunder, denn die meisten Menschen hören auf zu reden oder zu brüllen, wenn sich ihnen eine Schwertspitze tief in das Herz gebohrt hat.

Der Körper des Dicken erbebte, dann sank er so langsam nach vorn wie ein Getreidesack, dem man einen leichten Stoß gegeben hat.

Die anderen drei starrten mich entsetzt an. Anippe schlug die Hand vor den Mund, Achillas war weiß wie ein Leinentuch und Laodica flüsterte tonlos: „Bist du verrückt geworden?! Dafür werden wir alle ans Kreuz geschlagen!“

Ich zog das Schwert aus dem Rücken des Toten, sprang zur Tür und schaute hinaus.

„Keiner da!“, sagte ich in bemüht gelassenem Tonfall, „Alles ruhig …“

Dann ging ich zu Plotinos, drehte ihn um und goss ihm die ganze Kanne Wein ins Gesicht und über die Brust.

„Los, fass mit an“, fuhr ich den wie erstarrt dastehenden Achillas an, „Wir bringen ihn zum Schiff!“

„Und dann?“, fragte er verständnislos.

„Dann legen wir ihn in sein Bett und sagen der Mannschaft, dass er betrunken ist und dass sie am Morgen auslaufen sollen, ohne ihn zu wecken“, gab ich heftig zurück.

„Aber irgendwann werden sie merken, dass er tot ist“, warf Laodica ein.

„Ja“, versetzte ich, „und wenn sie schlau sind, sagen sie niemandem etwas davon, sondern werfen den Leichnam auf See über Bord. Sonst werden sie selbst verdächtigt und verurteilt und ihre schöne Barke wird von den Behörden beschlagnahmt und verkauft.“

Die anderen schwiegen, schienen wohl noch immer nicht an die Durchführbarkeit meines, in Windeseile ersonnenen Planes, zu glauben.

„Aber du kannst trotzdem nicht hierbleiben“, fuhr ich nach kurzem Überlegen, an Laodica gewandt, fort, „denn falls die Männer vom Schiff den Mord an dem Dicken doch bei den Ädilen anzeigen, und die Sänftenträger aussagen, dass wir in dieser Nacht dieses wunderbare Lustrum hier aufgesucht haben, dann werden sich Afranius und Ganymed gewiss daran erinnern, nach wem Plotinos so nachdrücklich verlangt hat und dann wird man dich befragen und foltern, da eine Aussage von Sklaven ohne Folter keine Gültigkeit hat.“

„Also gut“, bemerkte Achillas schließlich, „Wir haben ja eh keine andere Wahl. Lass uns das dicke Schwein hier rausbringen.“

Zu zweit hoben wir den Erstochenen hoch, was fürwahr keine einfache Sache war, schleppten ihn zur Tür und die beiden Treppen hinunter, während Anippe und Laodica, die sich aus ihrer Kammer schnell noch ihre Tunika geholt und übergeworfen hatte, uns mit dem Umhang des Toten folgten.

Jetzt kam der für uns gefährlichste Augenblick, denn wir mussten Plotinos durch den Schankraum bringen, ohne dass jemand bemerkte, dass er bereits in den Hades oder das ägyptische Totenreich eingegangen war.

Doch wir hatten Glück. Die alte Wirtin war gerade nicht anwesend und der Schwarze, der noch immer faul in der Nähe des Tresens saß, schaute nur nachlässig hin, als wir den leblosen Körper mehr hinter uns her zerrten als trugen.

„Der hat genug! Nicht jeder verträgt euren guten Wein“, brummte ich zur Erklärung, was dem Schwarzen nur ein müdes Lächeln entlockte. Zeus sei Dank, konnte er ja nicht wissen, dass der Dicke in der kurzen Zeit, die wir uns im Lupanar aufgehalten hatten, bestenfalls eine Kanne Wein getrunken haben konnte, denn er hatte ja gerade ein Nickerchen gemacht, als wir gekommen waren.

„Und was ist mit ihr?“, fragte der Schwarze und zeigte auf Laodica.

„Ist alles mit Afranius abgemacht“, entgegnete ich so gelassen wie möglich, „Frag ihn.“

„Der kommt erst morgen Mittag von seinen Käfigraufereien wieder“, brummte der Schwarze, doch dann winkte er ab und sagte: „Ist mir auch egal.“

Von den Käfigraufereien hatte ich schon gehört. Da kämpften Männer in irgendwelchen Kellern oder Lagerhäusern auf äußert brutale Weise und ohne jede Art von Regel auf Leben und Tod miteinander und die Zuschauer wetteten große Summen auf die Sieger.

Da uns sonst niemand behelligte, erreichten wir ohne weitere Schwierigkeiten das Freie. Vor dem Haus luden wir Plotinos in seine dort wartende Sänfte und Anippe stieg, all ihren Mut zusammennehmend, zu ihm, um den Toten nötigenfalls festzuhalten, damit er nicht aus dem Tragestuhl fiel.

„Zum Hafen. Er will auf dem Schiff schlafen!“, befahl Achillas den wartenden Trägern. „Außerdem ist er sternhagelvoll!“

Die Männer hoben die Sänfte an und folgten uns auf dem Weg quer durch die Stadt bis zum Hafen, wo das Schiff des Ägypters sanft auf den rollenden Wellen des Hafenwassers schaukelte. Hier setzten sie ihre Last ab und Anippe stieg mit bleichem Gesicht und zitternden Beinen aus der Sänfte. Schnell trat Laodica zu ihr und legte ihren Arm stützend um sie.

Auf dem Deck des Seglers saß ein Matrose mit dem Rücken gegen den Mast gelehnt und summte irgendwelche ägyptischen Lieder vor sich hin. Er schien der einzige Mann an Bord zu sein. Als er Plotinos Sänfte und die ihm bekannten Achillas und Anippe erblickte, erhob er sich, kam zur Reling und legte den Landesteg aus.

„Was macht ihr denn um diese Zeit hier?“, fragte er Achillas leise, damit Plotinos es nicht hören konnte.

Er konnte ja nicht ahnen, dass den Dicken auch das lauteste Geschrei nicht mehr stören konnte.

„Hör zu“, erwiderte ich, ebenso leise, „Der Herr hat ein bisschen viel getrunken und schläft wie ein Toter. Aber als er noch bei Sinnen war, hat er befohlen, dass ihr gleich bei Sonnenaufgang auslaufen sollt, auch wenn er - was wohl der Fall sein wird - noch tief und innig schlafen sollte. “

Der Seemann nickte. Es war wohl nicht das erste Mal, das Plotinos die halbe Seefahrt verschlief. Da mir der Matrose jedoch reichlich neugierig erschien, flüsterte ich Laodica zu: „Lenk ihn ab!“

Sie nickte verstehend und begann - scheinbar gelangweilt - mit wiegenden Hüften ein paar Schritte auf der Kaimauer entlang zu schlendern, wodurch sie dem Matrosen einen langen Blick auf ihre schönen, von der kurzen Tunika fast unbedeckten, Beine gewährte.

Währenddessen ließen wir die Träger die Sänfte an Bord bringen und hinter dem Mast abstellen. Dann zogen Achillas und ich den Toten vorsichtig aus dem Tragestuhl und trugen ihn, von Anippe begleitet, in seinen Pavillon, wo wir ihn auf sein Ruhebett legten und eine Decke über ihn breiteten.

Als ich wieder hinausging hatten sich Nummer Eins bis Nummer Acht bereits auf den nur von dünnen Strohmatten bedeckten Planken schlafen gelegt. Gemächlichen Schrittes begab ich mich zu dem immer noch in den Anblick von Laodicas Beinen versunkenen Matrosen und fragte ihn, mich auffällig umschauend: „Wo sind eigentlich die anderen zwei?“

Etwas missmutig antwortete der Mann: „In der Taverne zur ,Goldenen Muräne‘.“

Ich tat so, als ob ich eine Weile nachdenken würde, dann sagte ich: „Am besten wäre es, wenn du gleich zu deinem Kapitän in die Schenke gehst und ihm sagst, dass er sich heute Nacht nicht so volllaufen lassen soll, damit er Morgen in aller Frühe das Schiff steuern kann!“

„Aber wer hält dann Wache?“, meinte der Seemann bedauernd und aus seinen Worten klang klar heraus, dass auch er lieber in der Hafenkneipe gewesen wäre, als hier auf das Schiff aufzupassen.

„Wir bleiben noch ein Weilchen hier“, beruhigte ich ihn, „und danach wird einer von den Trägern Wache schieben.“

„Ja, wenn das so ist“, brummte der Matrose, den der Wein lockte, „dann werde ich mich mal auf den Weg machen und unserem Kapitän die wichtige Botschaft überbringen.“

„Ach so, noch was“, sagte ich, bevor sich der Mann auf den Weg machen konnte, „Achillas und ich werden morgen früh nicht mitfahren, da wir für den Herrn wichtige Nachrichten nach Neapolis und Rom überbringen sollen. Ihr braucht also nicht auf uns zu warten.“

„Ist recht, ich sag’s dem Käpt‘n“, versprach der durstige Seemann hastig. Dann sprang er mit beachtlicher Geschwindigkeit von Bord und verschwand in einer der in das Hafenviertel führenden Gassen.

Inzwischen hatte Anippe aus einem der in dem Pavillon stehenden Schränkchen einen mit Goldmünzen und losen Edelsteinen gefüllten seidenen Beutel an sich genommen und in ihrer Gürteltasche verschwinden lassen. Dann stellte sie ihre Sandalen vor den Zelteingang, damit die Besatzung glauben sollte, dass sie, wie immer in der Nacht, bei Plotinos wäre.

Bevor wir das Schiff verließen, schaute ich noch einmal zu den Trägern, doch die schliefen alle den Schlaf der Gerechten. Es würde also niemand von den Männern des Ägypters unser Verschwinden bemerken.

„Und was jetzt?“, fragte Achillas.

„Jetzt brauchen wir einen Unterschlupf für die Nacht“, entgegnete ich, „Und morgen verlassen wir Pompeji auf nimmer Wiedersehen!“

Bei der Suche nach einem geeigneten Versteck konnte Laodica helfen. „In der Nähe der Gladiatorenschule gibt es eine Taverne, zu der wir manchmal gegangen sind, wenn wir frei hatten“, schlug sie vor, „Sie heißt ,Zu den Titten der Venus‘. Der Wirt dort fragt niemanden nach dem Woher oder Wohin und ist auch gegenüber den Ädilen stets sehr schweigsam!“

„Das ist ja genau das, was wir jetzt brauchen!“, gab ich gespielt fröhlich zurück. „Dann bring uns sogleich dort hin!“

Doch so unbeschwert, wie ich dabei tat, war ich nicht, denn immerhin hatte ich uns durch mein unbedachtes Handeln in eine Lage gebracht, die für uns alle leicht hätte am Kreuz enden können! Zwar tat es mir um Plotinos nicht leid, aber ich war auch nicht besonders stolz auf das, was ich getan hatte. Sicher, ich hatte schon viele Männer getötet - auf den Mauern von Mytilene, auf See oder als Gladiator - aber der Ägypter war der erste unbewaffnete, wehrlose Mann, den ich hinterrücks erstochen hatte und das, obwohl ich ihn eigentlich hätte beschützen sollen.

Gewiss, er hatte Laodica geschlagen, und wer weiß, was aus seinem Jähzorn noch entstanden wäre, aber einen Mann auf diese Art zu töten ist kein Ruhmesblatt, nicht einmal für einen ehemaligen Gladiatoren.

Doch es war nun einmal geschehen und nicht mehr zu ändern.

Die Taverne, zu der Laodica uns brachte, machte weder von außen noch von innen einen Vertrauen erweckenden Eindruck und auch die Gäste, die sich zu dieser Zeit noch in dem verräucherten, nur von wenigen flackenden Öllampen erhellten Schankraum aufhielten, waren eher der Gattung lichtscheues Gesindel zuzuordnen. Doch das war uns gerade recht.

Zwar gab es von dem einen oder anderen, an den weinfeuchten Tischen lümmelnden, Kerl einige lüsterne Blicke in Richtung unserer beiden Frauen, doch die wurden schnell unterlassen, als die Ganoven unsere Schwerter und mein am Gürtel hängendes Rudi sahen.

Wir suchten uns einen freien Tisch in der hintersten Ecke der Spelunke und bestellten bei dem blutjungen halbnackten Schankmädchen Wein und gebratene Schweinswürste.

In der ersten Zeit, in der wir auf unsere Bestellung warteten, hing jeder seinen Gedanken nach und wohl jeder von uns rief sich noch einmal die Geschehnisse der vergangenen Stunden in Erinnerung.

Doch dann hielt Anippe die Stille nicht mehr aus und fragte mit zitternder Stimme: „Und wie soll es jetzt weiter gehen?“

Das war natürlich eine mehr als berechtigte Frage und da ich die anderen in diese böse Lage mit hineingezogen hatte, sah ich mich zu allererst genötigt zu antworten.

„Wir müssen jetzt zuerst an Laodica denken“, legte ich unserer kleinen Ägypterin dar, was ich mir schon auf dem Weg vom Hafen hierher überlegt hatte, „Nach dir und mir und Achillas fragt hier niemand, aber du, Laodica, könntest durchaus vermisst werden, denn als wir das Lupanar verließen, haben wir dem Schwarzen gesagt, dass es mit Afranius abgesprochen war, dass du mit uns kommst!

Doch leider weiß der gute Afranius nichts von einer Absprache mit Plotinos. Wenn er nun hört, dass du nicht zurückgekommen bist, wird er wohl einen Mann zum Haus von Maius schicken und dort nach Plotinos und dir fragen lassen. Dort aber wird man ihm sagen, dass der Dicke von seinem Ausflug in das Freudenhaus nicht zurückgekommen ist und dass er die Nacht womöglich auf seinem Schiff verbracht hat. Dann wird der Mann des Afranius zum Hafen gehen und dort - wenn alles gut gegangen ist – hören, dass Plotinos bereits abgereist ist.

Vielleicht lässt Afranius die Sache danach auf sich beruhen, vielleicht befragt er aber auch Guta und Rebecca und die werden ihm dann von Laodica und mir erzählen und dann könnte er Verdacht schöpfen und denken, dass du dich mit mir davongemacht hast und nach uns suchen lassen.“

„Aber soll sie etwa hierbleiben?!“, fragte Anippe entsetzt.

„Nein, natürlich nicht!“, wehrte ich ab, „Aber …“, ich unterbrach mich und flüsterte ihr ins Ohr: „Gib mir doch bitte mal den Beutel von Plotinos, aber unter dem Tisch, so dass ihn keiner von den Halsabschneidern hier sieht!“

Sie nickte verstehend, holte das Seidensäckchen aus ihrer Gürteltasche und schob es auf der Sitzbank zu mir hin. Ich öffnete die Verschnürung des Beutels und warf einen kurzen Blick hinein. Allein die Goldmünzen, die sich darin befanden, zählten bestimmt sieben - bis achthundert Denare, die Steine nicht mitgerechnet.

„Gut“, sagte ich schließlich, „Um jeden Verdacht des Afranius zu vermeiden, werde ich gleich morgen früh in das Lupanar gehen und dem Schwarzen oder dem Ganymed oder der Vettel am Tresen sagen, dass Plotinos Laodica zu seinem Vergnügen mit auf sein Schiff genommen hat. Bei seinem nächsten Aufenthalt in Pompeji, der etwa in einem halben Jahr sein wird, bringt er sie wieder zurück. Als Ausgleich für seinen Einnahmeverlust überlässt Plotinos dem Afranius fürs Erste zweihundert Denare. Dann wird Afranius, wenn er von seiner Käfigkampfnacht zurückkommt, keine weiteren Nachforschungen nach dem Verschwinden von Laodica anstellen und wir können Pompeji unangefochten verlassen.

Allerdings müssen wir vorher noch erkunden, ob das Schiff auch wirklich ausgelaufen ist oder ob die Besatzung den Tod des Dicken noch vor dem Ablegen bemerkt und den Hafenbehörden angezeigt hat. Wenn das der Fall ist, kann ich mich ebenso wenig wie ihr irgendwo in der Stadt sehen lassen und wir müssen unsere Flucht auf andere Weise bewerkstelligen.“

„Und wo gehen wir hin, nachdem wir die Stadt verlassen haben?“, fragte Anippe, während sie mir bedeutete, dass ich den Geldbeutel einstecken sollte.

Auch darüber hatte ich schon eine geraume Zeit nachgedacht, bis mir wieder eingefallen war, was der Gallier Acco über den Thraker in Capua und das Frei-Sein gesagt hatte.

„Lasst uns zunächst nach Capua gehen“, schlug ich vor, was bei den Anderen deutlich mehr Erstaunen und Zweifel als Begeisterung auslöste.

„Wieso gerade Capua?“, meinte Achillas, „Wieso nicht weiter weg? Bis Capua sind es nur zwei Tagesmärsche und sicher laufen dort auch einige Pompejaner herum, die uns erkennen könnten!“

Ich lehnte mich zurück und nickte. „Ja, mein Freund, du hast recht, je weiter wir von hier weg sind, desto besser, jedoch … ich muss euch etwas erzählen. Bei meinem letzten Kampf in der Arena in Rom, da ist mir etwas Seltsames geschehen …“ Und dann berichtete ich den Dreien von meinem Sieg über den Gallier Acco und von dessen letzten, kaum verständlichen Worten, die sich mir so nachhaltig ins Gedächtnis eingebrannt hatten.

„Und dieser Thraker, weißt du wer das ist?“, fragte Laodica.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

„Und du meinst, dass er uns die Freiheit bringen kann?“

„Acco hat daran geglaubt …“

Schließlich zuckte Achillas mit den Schultern. „Also gut, wenn du meinst, dann gehen wir eben nach Capua. Und wenn wir deinen Thraker nicht finden, dann können wir ja immer noch weiterziehen. Hauptsache wir bleiben zusammen!“

Wir wurden unterbrochen, weil das halbnackte Mädchen mit einem runden Schankbrett erschien, auf dem vier Becher und vier Teller mit dampfenden Schweinswürstchen standen.

Gleich hinter dem Mädchen kam der Wirt, stellte einen gefüllten Krug auf den Tisch und verlangte für Essen und Wein die sofortige Bezahlung. Er war ein massiger, weitgehend kahlköpfiger Mann mit einer rötlichblau schimmernden Nase und ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass er mit dem Messer, das ohne Scheide in seinem Leibriemen steckte, mehr konnte, als nur einen Schmorbraten schneiden. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er früher ebenfalls ein Gladiator gewesen wäre.

Nachdem ich die von ihm geforderten Asse anstandslos auf den Tisch gelegt und ihm noch ein reichliches Aufgeld gegeben hatte, fragte ich ihn ganz unverblümt, ob er einen flinken vertrauenswürdigen Burschen wüsste, der gegen gute Bezahlung - und ohne viel zu fragen - einen Erkundungsgang für uns erledigen könnte.

„Hmm“, brummte er nur, nachdem er uns mit einem scharfen Blick gemustert hatte, „lässt sich machen.“

Für den Rest der Nacht mieteten wir zwei winzige Kammern unter dem Dach, eine für Anippe und Achillas und eine für Laodica und mich.

Als wir beide allein auf einer schäbigen Wolldecke nebeneinander lagen, wendete sie sich mir zu und fragte: „Wieso hast du das getan? Warum hast du den Dicken umgebracht?“

„Weil er dich geschlagen hat“, antwortete ich und setzte ehrlich hinzu: „Und … weil ich eifersüchtig war … Auf Plotinos und auf den Freier, der gerade auf dir gelegen und dich so zum Schwitzen gebracht hatte …“

„Eifersüchtig?“, fragte sie verständnislos, „Auf eine Lupa?! In deren Grotte schon tausende Männerschwänze waren?!“.

„Tausende?“, fragte ich zweifelnd.

„Ja, gewiss“, erwiderte sie in geschäftsmäßigem Ton, „Rechne fünf oder sechs, manchmal acht Böcke am Tag, und das an zweihundert Tagen im Jahr, das sind schon über Tausend. Und das seit mehr als drei Jahren. Es sind also wenigstens dreitausend Männerschwänze, die in mir waren und ihren Samen in mich gespritzt haben.“

Ja, sie hatte Recht, zu meinem Leidwesen konnte sie sehr gut rechnen. Es waren schier unendlich viele Männer gewesen, die sie von vorn und hinten genommen hatten oder auf denen sie hatte reiten müssen und es waren bestimmt auch hunderte von Schwänzen in diesem Mund mit den wunderschönen vollen Lippen gewesen, an denen sie hatte lutschen müssen, bis es den verfluchten Kerlen gekommen war.

Ich schwieg und die Vorstellung einer Liebesspalte, aus der unaufhörlich der Samen fremder Männer rann wie ein Wasserfall, nahm sosehr von mir Besitz, dass sich mir beinahe der Magen umdrehte.

„Und du hast nie ein Kind bekommen?“, fragte ich schließlich, um überhaupt etwas zu sagen.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, unsere Altlupa, die Dicke, die am Tresen steht, weißt du, passt immer sehr genau auf und zählt die Tage für uns, damit wir nicht schwanger werden und wochenlang fürs Geschäft ausfallen.“

„Die Tage …?“, fragte ich verblüfft.

„Ja, ja“, gab sie mir bereitwillig Auskunft, „wenn man die Tage zwischen den Blutungen richtig zählt, dann kann man sich ausrechnen, in welchen Nächten man keinen Mann in sich eindringen lassen darf, damit man kein Kind empfängt.“

Ich verstand das nicht ganz, aber es war mir jetzt auch nicht sonderlich wichtig. Stattdessen fragte ich sie nun meinerseits: „Aber warum hast du dich geweigert, dem Dicken … na du weißt schon …“

Sie drehte sich auf die Seite, winkelte ihren Arm an und stützte den Kopf mit der Handfläche ab.

„Ich war so überrascht, euch alle vier dort zu sehen und ich musste gleich daran denken, wie sehr du dich vor meinem Mund geekelt hast, nachdem ich ihm gestern Abend einen geblasen habe“, sagte sie schließlich. „In diesem Moment hätte ich mich lieber auspeitschen lassen, als vor deinen Augen den Schwanz des Dicken in den Mund zu nehmen, was sehr dumm von mir war.“

„Aber nein“, widersprach ich hastig, „das war … war sehr … sehr lieb von dir!“.

In dieser Nacht lagen wir nur still nebeneinander. Zu viel war geschehen, zu viel Bedrückendes, Schwerwiegendes lastete auf uns, das nicht rückgängig gemacht werden konnte.

Mir schien es, als ob wir mit einem steuerlosen Schiff fuhren und von einem heftigen Sturm getrieben, auf ein felsenstarrendes Ufer zurasten - ganz so, wie es einst der große Homer geschrieben hatte: „Doch soweit erschallt die rufende Stimme, hört er das brüllende Tosen des Meeres, das die Insel bestürmte. Himmelhoch schlugen dort an des Eilandes Küste die Wogen kochend empor und alles verschwand in der schäumenden Brandung. Keine Bucht war zu sehen, kein Hafen schützend den Schiffen, nur Riffe und Klippen und Schrunden umstarrten das felsige Ufer.“

Würden wir den sicheren Strand des Eilandes erreichen, der tödlichen Gefahr, die uns drohte, entkommen?

Und danach, wie würde es mit mir und Laodica weitergehen? Hatten wir eine gemeinsame Zukunft?

Alles war so schnell gegangen, die Ereignisse der letzten drei Tage hatten uns überrollt wie eine Riesenwelle, noch ehe wir uns richtig klar über unsere Gefühle werden konnten.

War es nur ein Zufall gewesen, der uns zusammengeführt hatte, oder hatte die Göttin Aphrodite ihren Sohn Amor mit seinen Liebespfeilen zu uns geschickt? Oder hatte hier gar nicht die Göttin der Liebe, sondern die hinterlistige Ate, die Herrin der Zwietracht, ihre Hände im Spiel?!

Oh ja, ich mochte Laodica, ich bewunderte ihr anziehendes Äußeres und die Liebe mit ihr war einzigartig, aber würde ich je vergessen können, dass sie schon so viele andere Männer vor mir gehabt hatte?

Und sie? Hatte sie mich ebenfalls gern, obwohl sie, aus eigenem Erleben, wusste, dass ich ein kaltblütiger Mörder war?! Und würde sie mich nicht eines Tages mit irgendeinem Beischläfer vergleichen, einem der es ihr ganz besonders gut besorgt hatte, wie etwa ihrem letzten Freier, der sie so offensichtlich zum Schwitzen gebracht hatte?

Würden wir beide auch in Freiheit ein gemeinsames Leben führen wollen?

Und würde uns der Thraker in Capua dabei helfen können?

Ein Berg von Fragen, so hoch wie das Idagebirge, türmte sich vor mir auf und auf keine wusste ich eine Antwort.

Letztendlich würde uns nur die Zeit klüger werden lassen.

Gleich am kommenden Morgen schickten wir den mageren, aber allem Anschein nach recht aufgeweckten Jungen, den der Wirt an unseren Tisch gebracht hatte, zum Hafen, um zu erforschen, ob die ägyptische Barke des Plotinos schon ausgelaufen war, oder ob es vielleicht irgendwelche Aufregungen gegeben hätte.

Als der Bursche eine knappe Stunde später zurückkehrte und uns berichtete, dass kein Schiff, auf das unsere Beschreibung passte, mehr an der Kaimauer lag und das auch sonst nichts Ungewöhnliches vorgefallen war, konnten wir endlich befreit aufatmen. Die größte Gefahr, die uns von einer vorzeitigen Entdeckung der Ermordung des Ägypters gedroht hätte, war nun gebannt und auch meinem Gang zu dem Lupanar des Afranius stand nichts mehr im Wege.

Da der Hausherr, wie erwartet, noch nicht wieder in seinem Vergnügungstempel erschienen war, ging ich gleich zu der Hauswirtin, legte ihr - im Beisein des jungen Ganymed - eine Handvoll Goldmünzen auf den Tresen und sagte: „Mein Herr, der edle Plotinos, hat es für gut befunden, eure Sklavin Laodica mit auf sein Schiff zu nehmen, da sie ihm ausnehmend gut gefallen habe. In einem halben Jahr, wenn er eurer wunderschönen Stadt einen erneuten Besuch abstattet, wird er sie euch wieder zurückbringen. Für den Verdienstausfall, den ihr dadurch erleidet, gibt er euch, als Anzahlung, zweihundert Denare.“

Schweigend, wie es ihre Art war, sah die Alte die Münzen an, dann mich und dann wieder das vor ihr liegende Geld. Dann strich sie die Denare mit einer schnellen Handbewegung in ein kinderfaustgroßes Loch in der Tischplatte des Tresens, unter dem sich wohl die Tageskasse befand und schnaufte dabei, als hätte sie eine schwere Arbeit vollbracht.

Ich nickte ihr bestätigend zu, doch als ich mich umwenden und zur Tür gehen wollte, wurde sie plötzlich doch noch gesprächig.

„Und du, schöner Mann?“, fragte sie, wobei sie den ihr möglichen Schmelz in ihre Stimme legte, „Willst du mich nicht gleich mal ordentlich durchvögeln?! Ist auch umsonst!“

Ich dankte ihr und meinte, dass ich ihr Angebot sehr wohl zu schätzen wüsste, doch ein weiterer Auftrag meines Herrn dulde leider keinen Aufschub. Dann verabschiedete ich mich und verschwand eiligst, begleitet von einem bedauernden Seufzen der Tresenbeherrscherin.

Gleich nachdem ich in die Taverne zurückgekehrt war, ging ich mit Anippe zu einem Kleiderhändler und erstand für sie und Laodica je ein Paar Schuhe, eine neue Tunika, eine bis zu den Knöcheln reichende Stola mit Gürtel und eine Palla.

Laodica betrachtete die mitgebrachten Sachen zwar mit einem zweifelnden Blick, denn bisher hatte sie ja zumeist nur eine dünne kurze Tunika getragen, doch dann zogen sich unsere Mädchen - nicht ohne Kichern und ohne ironische Bemerkungen über ihr eigenes Aussehen - die neuen Kleider an und sahen nun ganz und gar wie züchtige römische Bürgerinnen aus.

Da aber noch immer die Gefahr bestand, dass Laodica auf dem Weg zum Vesuvtor von einem ihrer ehemaligen Freier erkannt worden wäre - was zu neugierigen Fragen und daraus folgenden Nachforschungen hätte führen können - verdeckte sie, als wir auf die Straße traten, ihr Gesicht mit dem kapuzenartigen Kopfteil der Palla, die ich eigens zu diesem Zweck gekauft hatte.

So blieb sie unerkannt und wir gelangten, ohne behelligt zu werden, aus der Stadt.

Jetzt stand uns der Weg nach Norden frei – der Weg, der nach Capua führte.

Der große Krieg der Gladiatoren

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