Читать книгу Zensur im Dienst des Priesterbildes - Jessica Scheiper - Страница 9
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1. Biografie
1.1 Kindheit und Ausbildung (1919–1940)
Jakob „Jaime“ Crottogini wurde am 9. August 1919 im Haus seiner Eltern in Chur geboren. Er kam als viertes von sieben Kindern zur Welt und wuchs im Kreise seiner Geschwister zunächst unbeschwert auf. Trotz der nachkriegsbedingten37 materiellen Engpässe mangelte es der Familie vergleichsweise an nichts. Der Vater war selbstständiger Maler, spezialisiert auf Kulissenmalerei, und die Familie hatte ein gutes Auskommen.38
Im Sommer 1924 sollte der fünfjährige Jakob einige Wochen auf dem Bergbauernhof der Großeltern im 10 km entfernten Churwalden/Pradaschier verbringen. Kurz nach seiner Ankunft auf dem Bauernhof verunglückte der Vater und starb wenige Tage später. Crottoginis Mutter wurde mit 32 Jahren zur Witwe und blieb mit sieben kleinen Kindern allein zurück.39 Aus den ursprünglich geplanten wenigen Wochen auf dem Bauernhof wurde deshalb ein Aufenthalt von einem Jahr. Von dem Tod seines Vaters erfuhr der Junge vorerst nichts und verbrachte eine schöne Zeit bei seinen Großeltern: „[A]ls Bergbauer hat mir das kolossal gut gefallen.“40 So gut, dass Crottogini später einmal selbst Bergbauer werden wollte.41 Nach einem Jahr kehrte er für die Einschulung zu seiner Mutter und seinen Geschwistern zurück. Auf die Frage nach dem Vater erklärte ihm die Mutter, der Vater sei inzwischen im Himmel.42 Es schien ihn nicht dauerhaft belastet zu haben: „Ich ging in den Kindergarten in Chur und dort haben uns die Schwestern erzählt, im Himmel sei es sehr schön, und sehr interessant, und sehr lustig und da dachte ich, das ist ja wunderschön.“43 Den Betrieb ihres verstorbenen Mannes musste seine Mutter bald verkaufen, um sich und die Kinder versorgen zu können. Finanziell wurde es trotzdem bald schwierig für die Witwe, weshalb „man […] die Kinder verteilen“44 wollte, wogegen sie sich aber wehren konnte. Von den Existenzsorgen und den finanziellen Nöten bekamen die Kinder dennoch kaum etwas mit.45 Im Gegenteil: „Von ihr habe ich das Urvertrauen mitbekommen, das mich auch in den dunklen Stunden nie ganz verlassen hat“46, so Crottogini über seine Mutter.
„Meine Mutter war eine gläubige, aber in keiner Weise bigotte Frau. Sie zeichnete mir ein Kreuz auf die Stirne, bevor ich zur Schule ging. Auch abends hat sie uns mit einem Kreuzzeichen in den Schlaf entlassen. Ihr hart geprüftes Gottvertrauen hat ihr die Kraft gegeben, uns alle durch ihre mit mütterlicher Güte gepaarte Strenge zu tüchtigen, selbständigen Frauen und Männern heranwachsen zu lassen.“47
Ab 1926 besuchte Crottogini die Primarschule (Volksschule) an der katholischen Hofschule in Chur. Unter dem Dach der Hofschule vereinten sich die Primar- und die Sekundarschule. Die katholische Hofschule, so Crottogini, „zählte zu meiner Zeit zirka 700 Schülerinnen und Schüler. Ohne Unterstützung der Stadt musste sie finanziell von den Katholiken allein getragen und darum sehr sparsam geführt werden.“48 Religions- und auch Geschichtsunterricht gaben dort oft die Domherren der Kathedrale von Chur. So war es etwa der Dompfarrer und spätere Bischof von Chur, Christian Caminada, der in Crottoginis Jahrgang Kirchengeschichte unterrichtete.49
In der Sekundarschule kam Crottogini durch einen Lehrer zum ersten Mal mit der Missionsgesellschaft Bethlehem (Societas Missionum Exterarum de Bethlehem in Helvetia)50 (SMB) in Kontakt. Anton, der Sohn eines Lehrers, war als Missionar dieser Missionsgesellschaft in China eingesetzt. Sein Vater berichtete oft und ausführlich von den Tätigkeiten des Sohnes, die die Phantasie der Kinder anregten:
„Im Klassenzimmer hing eine grosse Karte von China. Mit Fähnchen war darauf markiert, wo die einzelnen Missionare aus der Schweiz im Einsatz standen. Der ‚Täta‘ las uns jeden Brief vor, den er […] aus der Mandschurei erhielt. Damals tyrannisierten plündernde Räuberbanden die Bevölkerung dieses nördlichen Landstrichs Chinas. Die dramatischen Berichte aus der Mandschurei faszinierten mich. Sie weckten in mir den Wunsch nach einem ebenso abenteuerlichen Missionarsleben wie jenes von Pater Anton. Im zweiten Sekundarschuljahr erreichte uns die Meldung, Pater Toni sei von einem Banditen erschossen worden. Diese Nachricht hat uns alle erschüttert.“51
Crottogini war dennoch beeindruckt:
„[U]nd ich habe dann […] gedacht, ja, das wäre auch noch glatt einmal [etwas für mich; J. S.] so als Missionar da in China unten, wo es diese Räuberbanden gibt, die aufeinander losgehen. [S]o eine richtige Romantik habe ich mir gepflegt. Dann habe ich dann mal, schüchtern, ich sagte niemandem was, meinen Religionslehrer gefragt, der uns Kirchengeschichte lehrte, was muss man denn machen, wenn man Missionar werden will. Dann sagte er: ‚Dann geht man nach Bethlehem‘, da dachte ich ‚Ohalätz, jetzt muss ich noch auf Palästina‘“52.
Das Missverständnis ließ sich klären, sodass er nicht nach Palästina reiste, sondern an das etwa 120 km entfernte Gymnasium Bethlehem der SMB in Immensee wechselte.53 Ab 1934 war Crottogini dort als Internatsschüler untergebracht. „Die Ausbildung [zum Missionar; J. S.] […] beginnt schon am ersten Tage der Gymnasialjahre, wo der Knabe, beseelt vom Wunsche, Missionar zu werden, den ersten Schritt auf dem langen Weg tut, der ihn zum Primizaltar führen soll“54. Die strenge Internatsordnung mit all ihren Auflagen wie tägliche Messbesuche, Meditationen und Gebete waren Crottogini lästig, aber er betrachtete sie als unabdingbare Voraussetzungen für die angestrebte Missionstätigkeit.55 Er hielt an seinem Wunsch fest, Missionar zu werden.
Ein Jahr früher als nötig besuchte Crottogini schon 1938 mit einem Großteil seiner Klasse die Rekrutenschule56 in Zürich, um sich anschließend – so zumindest der Plan – auf die Maturaprüfungen konzentrieren zu können. Aber der Plan ging nicht auf: Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges verlängerte sich der Aktivdienst bis Ende des Jahres 1939. Zu den schriftlichen Prüfungen im Frühling 1940 konnten die Schüler antreten, doch unmittelbar danach kam es im Mai 1940 zur Totalmobilmachung und die Schüler mussten zurück in den Aktivdienst. Die mündlichen Prüfungen entfielen, die Schüler bekamen die Zeugnisse mit der Post.57
1.2 Noviziat und Studium (1940–1954)
Noch im selben Jahr trat Crottogini in das Noviziat58 bei der SMB im Bruder-Klausen Seminar, dem Ausbildungsseminar der SMB, in Schöneck ein.59 Für sein Noviziat beantragte er ein Jahr Urlaub vom Aktivdienst.60 Das Noviziat wurde dennoch zweimal durch längere Mobilmachungsaufgebote unterbrochen. Im darauffolgenden Jahr, am 23. September 1941, wurde er zur ersten Promissio zugelassen.61 Aufgrund seiner Abwesenheiten hatte Crottogini allerdings im Probejahr „[s]pirituell […] wenig mitbekommen.“62 In den vorgesehenen zwei Jahren des Philosophiestudiums versuchte er seine spirituellen Defizite wieder auszugleichen. Vor allem Prof. Gebhard Frei SMB beeindruckte Crottogini sehr, wenn er die Studenten „mit den verschiedensten, spannenden Denkmodellen zeitgenössischer Dichter, Philosophen, Psychologen und Schriftstellern“63 konfrontierte.64 Auch an den nüchternen Vorlesungen seines Professors für Naturphilosophie fand der junge Student Gefallen.65
An das Philosophiestudium schloss sich ein vierjähriges Theologiestudium an. Seine Professoren, viele unter ihnen waren aus Hitler-Deutschland geflohene Jesuiten66, schätzte Crottogini, doch hatte er mit dem Studium Schwierigkeiten. Die Professoren etwa sah er „durch amtskirchliche Erlasse zu eingeengt. […] Eine Bibeltheologie, die diesen Namen verdient hätte, gab es damals […] noch nicht.“67 Einzig sein Professor für Moraltheologie, Josef Zürcher SMB, beeindruckte ihn, weil er „seiner Zeit weit voraus war.“68 Auch litt das Studium unter den wiederholten Unterbrechungen durch die Militärdienstzeiten.69 Crottogini empfand es als ein Studium, in dessen Mittelpunkt nur das Bestehen der Examen stand. Für eine „gründliche, persönliche Auseinandersetzung mit den fundamentalen Fragen des Glaubens“70 habe es während des Krieges an Ruhe und Zeit gemangelt. Später nannte er es deshalb selbst ein Studium der „Schmalspurtheologie“71.
Vor der Priesterweihe war mit dem Generaloberen Eduard Blatter72 das nächste Ziel Crottoginis besprochen: China. Er bereitete sich maßgeblich auf dieses Missionsziel vor, indem er sich Wissen über chinesische Philosophie und chinesische Geschichte anlas. Wegen aufkommender politischer Unruhen in China aufgrund des Mao-Vormarsches sandte die SMB allerdings vorerst keine Missionare mehr dorthin aus. Man wollte „keine Märtyrer haben […], sondern lebendige Mitglieder.“73 Alternativ zog man deshalb in Betracht, Crottogini im darauffolgenden Jahr für ein Jahr nach Japan zu schicken, und wartete zunächst seine unmittelbar bevorstehende Priesterweihe ab. Er empfing sie am 30. März 1947 von seinem ehemaligen Lehrer - inzwischen Bischof von Chur – Christian Caminada74 mit fünf weiteren Alumnen in Immensee. Die Primiz feierte er am 7. April 1947 in der Kathedrale von Chur.75
Kurz nach der Weihe bat der Generalobere Crottogini, für ein Jahr – bis zur geplanten Japan-Mission – Schuldienst und damit verbunden die Aufgaben des Präfekten am Progymnasium76 der SMB in Rebstein zu übernehmen. Crottogini willigte ein, aber vor dem Hintergrund, bald in die Mission gehen zu dürfen.
„[D]amals meinte man, wenn einer Philosophie und Theologie studierte, könne er auch Schule geben, aber ich hatte keine Ahnung, was das eigentlich hiess […]. Im ersten und zweiten Gymi [den ersten beiden Gymnasialstufen; J. S. ], dort hatten wir Klassen à sechzig Leute, Doppelklassen à dreissig und dann musste ich noch Deutsch übernehmen und jeden Tag haben wir in der Schule ein Diktat gemacht, damit sie Deutsch lernen. Aus der ganzen Schweiz waren Knaben da, und jede Woche einen Aufsatz. Ich musste da jeden Tag 60 Hefter korrigieren, ich kam meistens gar nicht nach. […] Und noch Präfekt [für die Internatsschüler; J. S.] spielen, da wusste ich auch nicht so recht, was das ist. […] [D]ie mussten gemeinsam ins Bett, gemeinsam aufstehen, und ich in einer Kabine dazwischen, zwischen diesen grossen Schlafsälen. Ich bin jeweils nachts um zwölf todmüde ins Bett gefallen und habe gleich geschlafen.“77
Auf sein erstes Jahr am Gymnasium folgte dann die große Enttäuschung: Crottogini sollte nicht wie ursprünglich vereinbart in die Mission nach Japan geschickt werden. Stattdessen griff man auf Missionare für Japan zurück, die sich bereits in Peking im Sprachstudium und somit schon rein geographisch näher am Missionsland befanden. Crottogini hingegen bat man, ein weiteres Jahr am Gymnasium zu unterrichten. Dort brauche man momentan dringend Lehrer, nach Japan könne er schließlich im Anschluss noch immer.78
Mit seinem Eid hatte sich Crottogini gemäß Art. 2 der Konstitutionen SMB zum Dienst am Missionswerk der Gesellschaft und zum Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Oberen verpflichtet. Crottogini sah darin das Versprechen, sich für einen missionarischen Einsatz zur Verfügung zu stellen, wenn auch nicht geographisch festgelegt. Dazu merkte er an: „Aber man wird normalerweise gefragt, wohin man will.“79 Als er 1949 gebeten wurde, im Schuldienst zu bleiben, lehnte er ab. Doch man ließ ihm keine Wahl. Man erinnerte ihn, er habe letztlich im Gehorsam dem Befehl des Oberen zu folgen.80
Um längerfristig als Lehrer am Gymnasium mit Maturitätsberechtigung eingesetzt zu werden, fehlte Crottogini eine klassische Lehrerausbildung, d. h. ein akademischer Titel, der zum Unterrichten an staatlichen Schulen berechtigte. Von der ursprünglichen Japan-Planung blieb 1949 damit nicht viel übrig: Aus einem Missionseinsatz in Asien sollte ein Hochschulstudium in der Schweiz werden.81 Gegen seinen Wunsch wurde die „China-Destination in ‚Schuldienst in der Heimat‘ umgewandelt, mit der Auflage eines vorgängigen Spezialstudiums, versehen mit dem ‚Trostpflästerchen‘ ein späterer Missionseinsatz bleibe dadurch durchaus offen.“82
Crottogini immatrikulierte sich deshalb zum Wintersemester 1950/51 an der Philosophischen Fakultät der Universität Fribourg. Rückblickend gibt es keine Hinweise darauf, aus welchen Gründen seine Wahl auf die Universität Fribourg fiel. Vielleicht war es die Wahl des Generaloberen gewesen oder eine gemeinsame Entscheidung. Dass die SMB allerdings auch eine Schule in Fribourg unterhielt, und Crottogini somit immerhin schon einen Anlaufpunkt in der Stadt hatte, könnte die Entscheidung begünstigt haben. Die Aussage Crottoginis, man sei normalerweise gefragt worden, wohin bzw. was man wollte, traf für ihn dann zumindest bei der Wahl der Studienfächer zu. Die einzige Auflage war gewesen, einen Abschluss zu erwerben, der ihn als Lehrer qualifizierte.
In seinem ersten Semester an der Universität Fribourg besuchte Crottogini Veranstaltungen in verschiedenen Fachbereichen, bevor er sich im zweiten Semester auf seine Hauptfächer festlegte. Aus Interesse wählte er Pädagogische Psychologie/Berufspsychologie und Heilpädagogik zu seinen Hauptfächern.83 Als Nebenfächer belegte er Deutsche Literatur und Geschichte, um auch Schulfächer abzudecken. Entgegen seiner anfänglichen Lustlosigkeit am Studium war er aber nach wenigen Monaten von seinen Studienfächern – vor allem von der Berufspsychologie – fasziniert.84 Das Studium verlief problemlos und unspektakulär.85
Mit der Wahl der Hauptfächer fand er auf Anregung einer seiner Professoren auch schon im zweiten Semester sein Dissertationsthema.86 Léon Walther87, Professor für Arbeits- und Berufspsychologie am Pädagogischen Institut der Universität Fribourg, gab Crottogini den „ersten Anstoß und wertvolle Anregungen“88, im Bereich der Berufsgenese von Priestern zu promovieren und half ihm bei der Ausarbeitung. Walther hatte zuvor selbst eine Arbeit über die Berufsmotivation reformierter Pfarrer verfasst und befasste sich seinerzeit mit den Motivationen angehender Ordensschwestern. In diesem Kontext kam Crottogini „die Idee, eine ähnliche Untersuchung für Priesteramtskandidaten durchzuführen. Mich interessierte allerdings dabei nicht nur ihre Berufsmotivation, ich wollte vielmehr auch den Einflussbedingungen der Genese ihres Berufswunsches nachspüren.“89
Zum Wintersemester 1952/53 begann er mit den empirischen Erhebungen für sein Dissertationsprojekt. Hierfür musste er viel reisen, um anhand eines von ihm entwickelten Fragebogens in der Schweiz, in Deutschland und auch in Randgebieten Frankreichs Seminaristen zu ihrer Berufsmotivation zu befragen. „Das Hauptanliegen [der Dissertation; J. S.] ist die Erforschung der empirisch faßbaren Faktoren, die bei der Wahl des Priesterberufes von Bedeutung sind.“90 Aber auch nach seiner Rückkehr war sein Projekt noch immer sehr arbeitsintensiv. So arbeitete Crottogini „[n]achts […] damals […] bis morgens 02.00 Uhr durch[] und [feierte] um 06.00 Uhr schon wieder mit den Schwestern des Kantonsspitals die Frühmesse“91.
Schließlich reichte er seine Dissertation mit dem Titel Die Wahl des Priesterberufes als psychologisch-pädagogisches Problem im Frühjahr 1954 bei dem katholischen Erstgutachter Prof. Eduard Montalta92 ein, weil es Walther als Protestant am „letzte[n] Verständnis für [die] tiefere Wirklichkeit des Priesterberufes“93 gefehlt habe. Bei Montalta hatte Crottogini zuvor Vorlesungen in der Heilpädagogik und der Kinder- und Jugendpsychologie gehört.94 Seine letzte Prüfung an der Universität legte Crottogini am 15. Mai 1954 ab. Über den Abschluss seines Studiums berichtete er seinem Generaloberen Blatter: „Es ist alles weit besser gegangen, als ich zu hoffen wagte. Sowohl für die schriftliche wie mündliche Arbeit erhielt ich ein Summa cum laude.“95 Nachdem die Anzahl der Pflichtexemplare erst von 50 auf 30 reduziert worden war96, hatte der Fakultätsrat der Philosophischen Fakultät Crottogini 1956 von der Ablieferung der Pflichtexemplare ausnahmsweise gänzlich befreit.97 Die Exemplare waren zwar bereits gedruckt, durften aber aufgrund eines Publikationsverbots vom Hl. Stuhl nicht verbreitet werden. Der Abschluss des Promotionsverfahrens verzögerte sich entsprechend, weshalb er seine offizielle Doktorurkunde erst im Sommer 1956 erhielt.
1.3 Gymnasiallehrer und Novizenmeister (1954–1967)
Nach seinen Prüfungen kehrte Crottogini im Herbst an das Progymnasium Rebstein zurück, wo er erneut als Lehrer und Präfekt eingesetzt wurde. Er übernahm die Aufgabe im Gehorsam, ließ seinen Oberen aber wissen, dass weiterhin die Mission sein Ziel war:
„Ich freue mich, wieder eine konkretere Arbeit leisten zu dürfen. Noch lieber als Rebstein wäre ich nach Japan gezogen. Sie wissen ja darum. Denken Sie bitte daran, wenn sich diesbezüglich in Japan plötzlich eine dringende Notwendigkeit ergeben sollte. Augenblicklich würde ich mich für einen solchen Wechsel noch für fähig halten. In zwei, drei Jahren wird das kaum mehr der Fall sein.“98
Über sein Empfinden am Gymnasium berichtete er dem Verleger seiner Dissertation Oscar Bettschart: „Ich habe hier in Rebstein als Präfekt über hundert Boys im besten Flegelalter zu bändigen und das ist neben der Schule und den vielen Aushilfen eine so ermüdende Angelegenheit, dass ich vorderhand zu gar nichts mehr komme, geschweige denn zu einer soliden wissenschaftlichen Arbeit.“99 In den nächsten beiden Jahren änderte sich daran nichts, vielmehr berichtete Crottogini im April 1956: „Gegenwärtig haben wir 124 Boys hier. Damit ist das Haus bis auf den letzten Platz besetzt.“100 Eine Änderung war für Crottogini erst absehbar, als er Josef Böhler, den bisherigen Novizenmeister, im Missionsseminar der SMB in Schöneck ablösen sollte.
Der Generalobere Blatter hatte ihn schon früher zu einer Einwilligung gedrängt, dieses Amt zu übernehmen, doch hatte Crottogini ursprünglich noch ein paar Bedingungen aushandeln können: Er hatte gefordert, ihm zur Vorbereitung vorab „ein Jahr zur spirituellen Vertiefung in Bibeltheologie und Katechetik“101 zuzugestehen. Ein solches Studienjahr, das er in München oder Paris hatte verbringen wollen, wurde ihm zunächst auch zugesagt.102 Gründe für eine abrupte Übergabe des Amtes nannte Crottogini keine, doch beschrieb er, „[v]öllig überrascht musste ich von einem Tag auf den anderen P. Josef Böhler […] ablösen.“103 Das vereinbarte Jahr zur Vertiefung seiner Studien trat Crottogini so nie an. Nur knapp eine Woche nachdem er seinem ehemaligen Lehrer Bischof Caminada noch von seinen Plänen berichtet hatte, gratulierte ihm bereits sein Mitbruder Fridolin Stöckli zu seiner neuen Aufgabe als Novizenmeister.104
Crottogini war über seine neue Tätigkeit hingegen nicht glücklich. Bis 1967 war er schließlich als Novizenmeister tätig und von „Jahr zu Jahr hat [ihn] diese Verantwortung mehr belastet.“105 Seine als defizitär empfundene eigene theologische und auch spirituelle Ausbildung sorgte ihn, aber auch die festgefahrenen Strukturen in der Ausbildung und im Umgang mit den Novizen waren ihm zuwider. Aus psychologischer Sicht sei ihm die reglementierte Tagesordnung wie ein „Kindergartenprogramm“106 vorgekommen:
„Die jungen Männer, die sich nach der Matura oder nach einer abgeschlossenen Berufslehre für die SMB interessierten, wurden mit dem Eintritt ins Noviziat von den gefährlichen Einflüssen des Weltgeschehens ausserhalb des Seminars fast hermetisch abgeschirmt. Offiziell gab es für sie keine Zeitungen, kein Radio, keine TV. In der für sie zugänglichen Hausbibliothek gab es keine Belletristik, nur harmlose theologische und aszetische Literatur. Der persönliche Kontakt mit Außenstehenden, vor allem mit Frauen, wurde auf ein Minimum reduziert. Die kleinste Änderung dieser Tradition stiess anfänglich bei der Seminarleitung […] auf harte Kritik. […] Von Jahr zu Jahr wurden die persönlichen, religiösen und beruflichen Probleme der jungen Männer drängender. Die Berufsentscheidung, zu der sie im Laufe des Jahres und dann vor allem während der Grossen Exerzitien herausgefordert wurden, belastete sie und mich enorm. Rund die Hälfte der SMB-Aspiranten entschied sich in diesen Wochen für eine andere Berufslaufbahn. Der Abschied vom angestrebten Priester- oder Missionsberuf ist diesen Kandidaten, den im Seminar zurückbleibenden Novizen und auch mir alles andere als leicht gefallen.“107
Um diesem Druck zu entgehen, bot Crottogini seinem Oberen den Verzicht auf sein Amt an. Sein Oberer lehnte aber ab.108 Kurz vor Ostern 1966, nur wenige Monate nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils im Dezember 1965, hatte Crottogini einen Motorradunfall. Seine Verletzungen waren so schwer, dass er vier Monate im Krankenhaus gepflegt werden musste. Gerade in den ersten Tagen waren die Schmerzen sogar so stark, dass er Gott bat, zu sterben.109 Als er nach dem Krankenhausaufenthalt und anschließender Rehabilitation ins Missionsseminar zurückkehrte, stand schon bald das erste Generalkapitel nach dem Konzil an.
1.4 Generalvikar (1967–1981)
Im Rahmen des Generalkapitels wurde Crottogini 1967 für eine Amtsperiode von sieben Jahren zum Generalvikar110 und sein Mitbruder Josef Amstutz zum Generaloberen gewählt.111 Für Crottogini bedeutete auch dieses Amt wieder einen Neuanfang, denn erstmalig wurden ihm keine Lehrtätigkeiten, sondern Leitungsaufgaben übertragen. Und auch für Amstutz waren die Aufgaben eines Generaloberen neu. Plötzlich waren sie es, die „hauptamtlich diese Missionsgesellschaft führten und verantworteten.“112 Doch die beiden Männer nutzen ihre Chance und wollten die SMB in eine neue Richtung lenken. In Anknüpfung an das gerade beendete Konzil wollten sie das Verständnis von Mission erneuern und bedürfnisorientierter vorgehen. Wie
„man bisher in Lateinamerika und Afrika Mission verstanden hat, da irgendwo ins Nirgends einen Pfarrer zu schicken, das bringt nichts, das kann nicht unsere Aufgabe sein. Wir müssen also hingehen und zuerst mal schauen, was brauchen diese Leute und wie kann man sie zur Selbständigkeit bringen, dass sie aus ihrem Elend, aus ihrer Armut allmählich rausfinden. Was sind die Grundursachen für die bestehende Armut“113?
Zusammen planten sie die ersten missionarischen Equipeneinsätze, die zum festen Bestandteil der SMB wurden: Im Rahmen dieser Einsätze sollten nicht nur Priester in die Mission geschickt werden, sondern auch Vertreter anderer Berufsgruppen, wie etwa Lehrer, Bauern, Krankenschwestern und Sozialarbeiter, um den verschiedenen Bedürfnissen in den verschiedenen Missionsgebieten gerecht zu werden. Die psychologische Vorauswahl der Bewerberinnen und Bewerber und deren Vorbereitung auf den Auslandseinsatz fiel Crottogini zu. Dies kostete ihn „[v]iel Kraft und Zeit […] [neben der] Begleitung von Mitbrüdern, die schwere Zölibatskrisen zu bestehen hatten. Nicht wenige, auf die wir grosse Hoffnungen gesetzt hatten, gaben damals den Priesterberuf auf und schieden dadurch aus der SMB aus.“114 Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Equipeneinsätze, die nicht Mitglieder der SMB waren, sondern sich durch einen Arbeitsvertrag verpflichtet hatten, schieden oft frühzeitig wieder aus. Man habe ihnen zwar von den Schwierigkeiten erzählt, „die es da so gibt im Equipo und im Land, wo sie da hingingen […]. Aber Tatsache war, du kannst den Ernstfall nicht proben, […] in den ersten zehn Jahren sind gut dreissig Prozent frühzeitig wieder nach Hause gekommen von diesen Equipo-Leuten.“115
Gemeinsam mit dem Generaloberen war es als Generalvikar außerdem Crottoginis Aufgabe, zweimal in der siebenjährigen Amtsperiode alle Einsatzgebiete der SMB für Visitationsgespräche zu besuchen. Der Generalobere bereiste überwiegend die (latein-)amerikanischen Gebiete, während Crottogini die Reisen nach Afrika und Asien antrat. Und spätestens dort wurde ihm bewusst, dass es auch für ihn immer noch eine Option war, selbst noch einmal in die Mission zu gehen, denn diese Reisen „liessen [ihn] jedes Mal einen befreienden Abstand zu den oft zu gross geschriebenen Problemen der Heimatregion gewinnen.“116
Im engeren Umfeld Crottoginis gab es vor allem in den früheren Jahren seiner Amtszeit gesundheitliche Sorgenfälle, die ihn sehr belasteten. So starb zwischen Weihnachten und Silvester 1970 zuerst seine Mutter. Ein halbes Jahr später, im Juni 1971, erlitt der Generalobere Amstutz einen Herzinfarkt. Amstutz erholte sich zwar vollständig, doch fiel er bis Ende September aus, sodass die alleinige Verantwortung in dieser Zeit bei Crottogini lag. Nach Visitationsreisen war es schließlich zuletzt im März 1973 Crottogini selbst, der aufgrund eines schweren Skiunfalls für einige Zeit ausfiel.117
1974 wurde Crottogini erneut zum Generalvikar und Amstutz ein weiteres Mal zum Generaloberen gewählt. In dieser zweiten Amtsperiode standen wieder Reisen in die Missionsgebiete an. Und noch immer hatte Crottogini die Idee im Hinterkopf, noch in die Mission zu gehen.118 Alternativ konnte er sich vorstellen, nach seiner Zeit als Generalvikar als Kaplan in die Nähe von Chur zurückzukehren,
„wo ich nichts zu tun habe, ausser am Sonntag einen Gottesdienst zu feiern. […] [W]ährend der Woche […] hätte ich dann die Gelegenheit gehabt, […] eine neue Arbeit über die Berufskrise des höheren Klerus [zu schreiben], vom Bischof aufwärts bis zum Papst […], das hätte ja auch einige Schwierigkeiten ausgelöst.“119
Als schließlich 1981 ein neuer Generalrat gewählt wurde, wurden Crottogini als Generalvikar und Amstutz als Generaloberer abgelöst. Die Ablösung empfand Crottogini als Erleichterung, weil die vergangenen „vierzehn, alle Kräfte herausfordernden Jahre [der] Weiterführung der nachkonziliare[n] Erneuerung der SMB“120 für ihn in dieser verantwortungsvollen Position nun beendet waren.
1.5 Missionseinsätze (1982–1996)
Trotz seiner 63 Jahre hegte Crottogini noch immer den Wunsch, in die Mission zu gehen. Seines Alters und auch der fehlenden Fremdsprachenkenntnisse war er sich sehr wohl bewusst. Aber das Versprechen, das ihm der Generalobere Blatter einst gegeben hatte, Crottogini könne eines Tages noch in den Missionseinsatz gehen, jenes „Trostpflästerchen“121, wollte er eingelöst wissen – und die neue Leitung der SMB stimmte seinem Anliegen zu.
Im April 1982 trat Crottogini seinen ersten Missionseinsatz in Kolumbien an. Er bedauerte, dass er anstelle eines Sprachstudiums zuerst für mehrere Wochen den Pfarrer der deutschsprachigen Pfarrei in Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, vertreten sollte.122 Im Anschluss erst konnte er sich dem Sprachstudium widmen, das er als „hartes Brot“123 bezeichnete. Aber er blieb zuversichtlich und plante, nach seinem Sprachkurs für
„einige Monate auf Wanderschaft [zu] gehen. Das heisst, ich werde bei einigen unserer Equipen eine ‚Schnupperlehre‘ absolvieren. Bei dieser Gelegenheit wird sich zeigen, wie weit ich das bisher Gelernte in der Praxis anwenden kann. Gleichzeitig hoffe ich zu sehen, ob und wo für mich noch ein sinnvoller Einsatz zu leisten ist.“124
Das Erlebte, so schrieb er in einem Rundbrief zum Weihnachtsfest 1982, könne er aber bisher nicht „auch nur einigermassen objektiv einordnen.“125 Weder beschwerte er sich noch brach er den Einsatz frühzeitig ab, doch fielen seine Erfahrungsberichte nüchtern aus:
„Seit meinem Aufenthalt in Kolumbien bin ich zweimal ‚unter die Räuber‘ gekommen. […] Das Schlimme ist nicht der Verlust des Geldes, der Kleider und der andern Utensilien, um die ich und meine Begleiter bei dieser Gelegenheit erleichtert wurden. Weit schlimmer scheint mir die Tatsache zu sein, dass die ‚Ladrones‘ meist sehr junge Leute sind, die keine andere Möglichkeit sehen, als sich durch solche Überfälle die nackte Existenz zu sichern. Die tägliche Konfrontation mit den harten sozialen Gegensätzen hier in Bogotá macht mir mehr Mühe als die Diebereien im Bus“126.
Nach dem Abschluss seines Sprachstudiums und nach Einblicken in die Tätigkeiten verschiedener Equipen in Kolumbien wurde er zu Beginn des Jahres 1984 für einige Monate nach El Rosario/Nariono gebeten. Dort sollte er bei den Vorbereitungen helfen, die dortige Pfarrei in die Selbstständigkeit zu entlassen, die bisher von der SMB betreut worden war.127
Mit zwei SMB-Mitarbeiterinnen aus der Schweiz begann er anschließend mit der Arbeit in einem Armenviertel der karibischen Hafenstadt Cartagena. Hier wurde er über die Jahre Zeuge, wie Leute „Tag für Tag um das nackte Überleben kämpfen“128. Die Hilfe zur Selbsthilfe, die er leisten wollte, war den meisten Bewohnern des Viertels zu abstrakt, in den meisten Fällen erhofften sie sich „Direkthilfe, […] Brot für sich und ihre Familien, […] ärztliche Betreuung der Kranken und Schulunterricht für die Kinder.“129 Crottogini wurde in dieser Zeit sehr „gefordert und das bei einer Temperatur, die nachts noch 30 Grad zählte. Dabei wurden wir mit allem konfrontiert, was es im Leben gibt und, nach europäischen Vorstellungen, nicht geben kann. Rückblickend ist diese Zeit die abwechslungsreichste, intensivste Wegstrecke meines Lebens.“130 Im Mai 1990 wurde er fernab des Ufers auf offenem Meer beim Schwimmen von einem Motorboot erfasst. Seine Verletzungen waren lebensbedrohlich, doch wurde er gerade noch rechtzeitig in ein Krankenhaus gebracht. Infolge des Unfalls musste er für ein Jahr aus dem Dienst ausscheiden und war nun selbst in der Rolle des Hilfsbedürftigen. In dieser Rolle fühlte er sich nicht wohl, schämte sich anfangs sogar, empfand sich aber letztlich als „der von ihnen [den eigentlich Hilfsbedürftigen; J. S.] Beschenkte.“131
Zum Jahresende 1991 flog er für knapp ein Jahr zurück in die Schweiz, wo er mit einer Evaluation der Equipeneinsätze der SMB begann. Diese Arbeit setzte er ab Oktober 1992 in Kolumbien fort. „Um zu erfahren, was von unseren missionarischen Einsätzen vor Ort aus der Sicht der Einheimischen geblieben ist, musste ich auf all diesen Plätzen mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Der ständige Orts- und Klimawechsel war recht ermüdend.“132 Im Rahmen dieser Evaluationsarbeit reiste Crottogini Anfang 1996 außerdem nach Ecuador, Peru und Bolivien.
1.6 Rückkehr in die Schweiz (1996–2012)
Im Sommer 1996 kehrte Crottogini endgültig zurück in die Schweiz, wo er zunächst in seiner Heimatstadt und -region Chur in der Seelsorge tätig war.133 Crottogini nannte es selbst den „Beginn einer neuen ‚Missionsarbeit‘“, weil ihm auch kleinere „Diasporagemeinden“134 übertragen wurden. Im darauffolgenden Jahr feierte er den fünfzigsten Jahrestag seiner Priesterweihe in seiner Primizkirche, der Kathedrale von Chur. Im Jahr 2000 wurde er für vier Monate vertreten, um die einst begonnene Evaluationsarbeit abzuschließen.135 Für drei Wochen reiste er zudem noch ein letztes Mal nach Kolumbien. 2001 kehrte er schweren Herzens nach Immensee zurück. Nach der langen Abwesenheit und wegen der vielen freien Zeit ohne konkrete Aufgabe fiel es Crottogini zunächst schwer, sich in Immensee wieder einzuleben. Der Anschluss an Gesprächsgruppen erleichterte ihm die Rückkehr schließlich. Bis auf altersbedingte Krankheiten und einen Unfall im Mai 2002, bei dem er sich am rechten Schultergelenk verletzte, erfreute sich Crottogini guter Gesundheit.136 So hielt er 2002 auch noch einmal schriftlich fest, man möge nach seinem Tod seinen Leichnam „dem Anatomischen Institut der Universität [Fribourg; J. S.] […] zur Verfügung stellen.“137
Schließlich verstarb Jakob Crottogini im Alter von 93 Jahren am 7. Mai 2012 in Immensee. Dort fand am 19. Mai 2012 ein Gedenkgottesdienst für ihn statt. Eine Beerdigung gab es nicht, weil man seinem letzten Wunsch entsprach und seinen Körper der Forschung vermachte.138
37„Obwohl militärisch neutral, war die Schweiz als Exportnation in den Krieg und dessen Folgen voll involviert und zwar mit sehr unterschiedlichen Konsequenzen. […] Im europäischen Vergleich war die Schweiz mehr als glimpflich davongekommen. Doch diese Einschätzung entsprach nicht der Wahrnehmung der kleinen Leute, die sich als Leidtragende der Entwicklung sahen. Sie hatten mit jahrelangem Militärdienst bei minimalem Sold und durch die Verteuerung von Lebensmitteln die Hauptlast des Krieges getragen.“ (REINHARDT, Geschichte, 419).
38 Vgl. StaLu, MEIER u. a., Biographie, 6 und StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 1.
39 Vgl. StaLu, DERS., Chronologie, 1. Crottoginis älteste Schwester war zu diesem Zeitpunkt neun Jahre, die jüngste Schwester war drei Jahre alt (vgl. ebd.).
40 StaLu, MEIER u. a., Biographie, 6.
41 Vgl. ebd. sowie StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 1.
42 Vgl. StaLu, MEIER u. a., Biographie, 6.
43 Ebd.
44 Ebd.
45 „Was sie in dieser Zeit ohne Sozialhilfe, ohne Witwenrente oder anderweitige Unterstützung in der Stadt mit sieben unmündige[n] Kinder[n] durchgemacht hat, von dem hatte ich damals keine Ahnung. Das ist mir erst viel später aufgegangen“, so Crottogini im Alter von 83 Jahren (vgl. StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 1 und StaLu, MEIER u. a., Biographie, 6).
46 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 1.
47 Ebd.
48 StaLu, DERS., In memoriam Caminada, 1.
49 Vgl. ebd., 1f. Christian Caminada (1876–1962) empfing 1900 die Priesterweihe, war seit 1934 Generalvikar und 1941 wählte ihn das Domkapitel zum Bischof von Chur (vgl. SURCHAT, Caminada, 122f. und SAUSER, Caminada, 285). Bei den Kindern, die den hageren Dompfarrer „Plattfuss Indianer“ (StaLu, CROTTOGINI, In memoriam Caminada, 1) nannten, war er beliebt. Dies lag nicht zuletzt an den beiden Vatikanmarken, die der Schüler mit den besten Antworten am Ende einer jeden Unterrichtsstunde bekam. Die Marken seien unter den Schülern begehrt gewesen (vgl. ebd.).
50 Der Grundstein für die SMB wurde 1895 mit der Gründung der Apostolischen Schule Institut Bethlehem in Meggen bei Luzern gelegt. Der Gründer, Pierre Marie Barral, beabsichtigte, mittellosen Familien die Ausbildung der Söhne zu Priestern für Gebiete mit Priestermangel zu ermöglichen, etwa für „arme[] Diözesen, in der Diaspora und den Missionen“ (MEIER, Missionsgesellschaft, 209). Bereits 1896 wurde die Schule nach Immensee verlegt. 1916 wurde der Churer Diözesanarchivar Pietro Bondolfi vom Bischof von Chur zum neuen Institutsdirektor ernannt. 1920 erhielt die Schule das Recht, die staatliche Matura abzunehmen. Mit Dekret v. 30. Mai 1921 wurde die Missionsgesellschaft Bethlehem errichtet und der Jurisdiktion der Sacra Congregatio de propaganda fide unterstellt. So mussten sich zukünftige Schweizer Missionare nicht mehr anderen ausländischen Missionsgemeinschaften anschließen (vgl. ebd., 210). Gemäß den Vorrgaben des CIC/1917 war die Missionsgesellschaft keine religiöse Kongregation mit Gelübden, sondern eine Klerikergemeinschaft. Die Mitglieder verpflichteten sich durch ein öffentliches und eidliches Versprechen vor dem Generaloberen oder dessen Bevollmächtigten zum Dienst am Missionswerk der Gesellschaft und zum Gehorsam gegenüber den rechtmäßigen Oberen. (Vgl. Art. 2 Konstitutionen SMB). Die ersten Missionare der SMB wurden 1924 nach China in die Mandschurei entsandt (vgl. FREI, Bethlehem Mission Immensee, 354 und STOFFEL, Missionsgesellschaften, 312f.).
51 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 2 und vgl. StaLu, MEIER u. a., Biographie, 16. Zu der Mandschurei-Mission der SMB vgl. MEIER, Missionsgesellschaft, 213f.
52 StaLu, MEIER u. a., Biographie, 6f.
53 „Der Nachwuchs für die Gesellschaft ging vorwiegend aus dem zu diesem Zweck in Immensee geführten Gymnasium Bethlehem hervor.“ (SMB, Geschichte, o. S.).
54 MEIER, Missionsgesellschaft, 212.
55 Vgl. StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 2.
56 Bei der Rekrutenschule handelt es sich um eine militärische Grundausbildung (vgl. SENN, Militärische Schulen, 585-587).
57 Vgl. StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 2.
58 In Art. 25 Konstitutionen SMB hieß das Noviziat „annus informationis“ (Probejahr).
59 Vgl. MEIER, Missionsgesellschaft, 211.
60 Pietro Bondolfi, der damalige Generalobere der SMB, hatte kürzlich erst bei dem frisch gewählten General Guisan einen Erlass erwirken können, dass auch Novizen zumindest für ein Jahr vom Aktivdienst befreit werden konnten. Zu Pietro Bondolfi vgl. HEIM, Bondolfi, 560f.
61 Zur Promissio wurde gemäß Art. 30 § 1 Konstitutionen SMB nach Ablauf des Probejahres zugelassen. Die Aufname in die Gesellschaft geschah durch ein feierliches, eidliches Versprechen. (Vgl. ebd., Art. 42). Ferner ergänzte Art. 45 § 1, das eidliche Versprechen sei nach dem Probejahr zunächst auf zwei Jahre, dann bis zum Subdiakonat und schließlich auf immer abzulegen. § 2 gab vor, wer schon höhere Weihen empfangen habe, habe das eidliche Versprechen nach dem Probejahr auf drei Jahre abzulegen; danach würde er gleich zur ewigen Promissio zugelassen.
62 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 3.
63 Ebd.
64 Gebhard Frei SMB (1905–1967) empfing 1931 die Priesterweihe und hatte seit 1933 die Professur für Philosophie und Grenzwissenschaften im Missionsseminar inne. Er gilt als „Pionier der Erforschung von Para- und Tiefenpsychologie aus philosophischer] und theol[ogischer] Sicht“ und pflegte „enge[n] Kontakt mit Carl Gustav Jung“ (HEIM, Frei, 710).
65 Vgl. StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 3.
66 An der Ausbildung des SMB-Nachwuchses wirkten die Jesuiten bereits von 1920 bis 1948 mit, allerdings ursprünglich in kleinerer Zahl (vgl. SCHATZ, Geschichte, 260–262 und DERS., Jesuiten, 6).
67 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 3.
68 Ebd.
69 Auch wenn das Studium litt, hatten die Unterbrechungen ihr Gutes: „[D]er Seminarbetrieb war […], fürchterlich eng gewesen, ich hätte das nicht ausgehalten, wenn ich nicht immer wieder in den Militärdienst hätte gehen können. Ich glaube, ich wäre dann nicht geblieben. Das ist mir […] wie eine Kinderschule vorgekommen“ (StaLu, MEIER u. a., Biographie, 16).
70 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 3.
71 Ebd. Crottogini selbst erwähnte nicht, wann und wie er seinen ewigen Eid abgelegt hat. Gemäß Art. 63 § 1 Konstitutionen SMB sollten die Weihekandidaten vor dem Empfang der höheren Weihe ihren Eid ablegen. Crottogini hat deshalb wahrscheinlich in der Zeit zwischen Studienabschluss und Priesterweihe seinen Eid abgelegt.
72 Eduard Blatter (1901–1991) trat 1923 der SMB bei und empfing 1927 die Priesterweihe. Zunächst blieb ihm auch die Mission verwehrt, erst 1928 durfte er als Missionar nach China reisen. Seit 1947 war er als Generaloberer eingesetzt (vgl. StaLu, CROTTOGINI, Blatter, 3f.).
73 StaLu, MEIER u. a., Biographie, 8.
74 Caminada wurde am 23. Sept. 1941 zum Bischof von Chur gewählt und erhielt am 17. Okt. 1941 die päpstliche Bestätigung. Die Bischofsweihe spendete ihm Nuntius Filippo Bernardini (vgl. SURCHAT, Caminada, 122f.).
75 Vgl. StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 3.
76 Am Progymnasium wurden nur die ersten beiden Gymnasialstufen unterrichtet (vgl. METER, Missionsgesellschaft, 211). Das Gymnasium diente mitunter zur Sicherung des eigenen Nachwuchses.
77 StaLu, METER u. a., Biographie, 8.
78 Vgl. ebd.
79 Ebd.
80 Ebd. IMFELD, Straßen, 176, einst Schüler und später Missionar der SMB, beschrieb diese Vorgehensweise als typisch: „Auch bei der Beichte - und die meisten mussten […] wöchentlich beichten gehen – kam Stolz noch vor Keuschheit in der Liste der Sünden. Unter Stolz wurde alles Außerordentliche verstanden, vor allem wenn es sich um Intellektuelles oder Geistiges handelte. Adam, so wurde uns gesagt, sei letztlich am Wahn, etwas Besonderes zu sein, gescheitert. Die Leitung handelte systematisch nach diesen Tdeen und setzte Missionare bewusst auf Posten, für die sie keine oder nur wenig Begabung hatten. So wurden Talente einfach kaltgestellt, nur um den vermeintlich sündhaften menschlichen Stolz zu vermeiden.“
81 Die zum Weiterstudium an eine Universität Ausgewählten seien aber Privilegierte gewesen, die sich zuvor auf „Herz und Nieren“ (ebd., 177) hätten prüfen lassen müssen. „Die gesamte Stimmung der Oberen der Missionsgesellschaft begann jeweils zu flackern und zittern“, wenn einer zum Weiterstudium ausgewählt werden musste, weil man überzeugt gewesen sei, „dass ein Fachstudium zu schweren Glaubenszweifeln führe und den Betroffenen bis zum Verlust des Glaubens bringen könne“ (ebd.).
82 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 3.
83 Im Bereich der Heilpädagogik steuerte Crottogini schon für die Januar-Ausgabe 1952 der Heilspädagogischen Werkblätter einen Beitrag über den Pastoraltheologen Johann Michael Sailer bei (vgl. DERS., Erziehung, 177–185).
84 Vgl. StaLu, DERS., Skizzen, 4.
85 Crottogini empfand seine Note(n) am Ende sogar als nicht gerecht und sich als zu gut bewertet, weil er glaubte, nicht genügend dafür getan zu haben (vgl. StaLu, DERS. an Blatter, 23. Mai 1954).
86 Vgl. StaLu, DERS., Skizzen, 4.
87 Léon Walther (1889–1963) war seit 1948 Professor in Fribourg im Bereich der Arbeitspsychologie. Einen internationalen Namen hatte er sich mit seiner Dissertation „La technopsychologie du travail industriel“ (Paris 1926) gemacht, auf die weltweite Lehraufträge folgten (vgl. KOHLER, Piaget, 97; PIÉRON, Walther, 593f. und SUDAN, Professeur, 102f.).
88 CROTTOGINI, Priesterberuf, X und vgl. StaLu, DERS. an Frei, 22. Dez. 1957.
89 BÜNKER/HUSISTEIN, Zwischenhalt, 66.
90 CROTTOGINI, Priesterberuf, 6 und vgl. StaLu, DERS., Skizzen, 4.
91 Ebd.
92 Eduard Montalta (1907–1986) lehrte seit 1946/47 Heilpädagogik, Pädagogische Psychologie und seit 1961 Experimentelle Psychologie an der Universität Fribourg (vgl. AA. VV., Montalta, 973).
93 StaLu, CROTTOGINI an Frei, 22. Dez. 1957.
94 Vgl. StaLu, DERS., Manuskript, 351.
95 StaLu, DERS. an Blatter, 23. Mai 1954.
96 Vgl. StaLu, DERS. an die Phil. Fak., 7. Okt. 1954 und StaLu, UTZ an Crottogini, 22. Okt. 1954.
97 Vgl. StaLu, CROTTOGINI an den Kanzler der Universität Fribourg, 6. Juli 1956.
98 StaLu, DERS. an Blatter, 23. Mai 1954.
99 StaLu, CROTTOGINI an Bettschart, 12. Nov. 1954. Oscar Bettschart hatte zuvor in einem Brief an Crottogini die soziologische Arbeit des Franzosen Fernard Boulard thematisiert und angefragt: „Würde Sie dieses Thema nicht reizen?“ (StaLu, BETTSCHART an Crottogini, 11. Nov. 1954). Fernand Boulard hatte eine Arbeit mit dem Titel Essor ou déclin du clergé frangais (Paris - Lyon 1950) veröffentlicht, in der er anhand von zahlreichen Statistiken die Zusammenhänge beschrieb, „die zwischen verschiedenen Merkmalen wie sozialer Schichtung und Urbanisierungsgrad, Schulbildung und familialer Prägung sowie der Zahl der Priesterberufungen in einer bestimmten Region bestanden.“ (ZIEMANN, Kirche, 206).
100 StaLu, CROTTOGINI an einen Professor (Name unbekannt), 16. Apr. 1956.
101 StaLu, DERS., Skizzen, 5.
102 Vgl. StaLu, DERS. an Caminada, 22. Juni 1956.
103 StaLu, DERS., Skizzen, 5.
104 StaLu, STÖCKLI an Crottogini, 3. Juli 1956: „Zunächst meine herzlichste Gratulation zu Ihrer neuen Aufgabe […]. Im Gebete will ich Sie und diese Ihre Aufgabe gewiss nicht vergessen, ist sie doch nicht leicht, aber sehr bedeutungsvoll. Ich bin aber überzeugt, dass Sie das sehr gut machen werden und dass irgendwie eine neue Ära kommen wird. Jedenfalls habe ich verschiedenen Maturi, die etwa ihre Sorgen und Bedenken äusserten wegen des kommenden Noviziats, nur gesagt: sie könnten sich sehr darauf freuen. Da ich ja um den Wechsel wusste.“ Fridolin Stöckli (1918–2006) war seit 1938 Mitglied der SMB, empfing 1944 die Priesterweihe und war nach dem Studium des Kirchenrechts in Löwen und Rom von 1949-1968 Generalsekretär des Ordensoberen (vgl. AA. VV., Nachruf Stöckli, 446). Auch Montalta gratulierte Crottogini schriftlich zur „Beförderung“ (StaLu, MONTALTA an Crottogini, 14. Sept. 1956).
105 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 5.
106 Ebd.
107 Ebd.
108 Vgl. ebd. Crottogini bezog es nicht explizit auf seine Tätigkeit als Novizenmeister, doch sagte er über die Zeit des Konzils: „[D]as war eine gewaltige Umstellung, für uns war das eine grosse Erleichterung. Wir mussten alles wieder neu denken und neu umbestimmen.“ (StaLu, MEIER u. a., Biographie, 10).
109 Vgl. StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 6.
110 Crottogini selbst mochte den Titel nicht, er klang ihm „zu militärisch“ (StaLu, MEIER u. a., Biographie, 10).
111 Vgl. StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 6; StaLu, MEIER u. a., Biographie, 10 und BARGETZI, Crottogini, 2.
112 StaLu, MEIER u. a., Biographie, 10.
113 Ebd. Die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips war allerdings keine Neuerung, die erst das Zweite Vatikanum brachte (vgl. PAPST PIUS XI., Enz. „Quadragesimo Anno“ v. 15. Mai 1931, 177–228).
114 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 6.
115 StaLu, MEIER u. a., Biographie, 10.
116 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 6.
117 StaLu, DERS., Chronologie, 2: „[K]omplizierter Beinbruch benötigt 13 Schrauben. […] Amstutz weilt in Lateinamerika.“
118 Vgl. StaLu, MEIER u. a., Biographie, 11.
119 Ebd.
120 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 7.
121 Ebd., 3 sowie vgl. ebd., 7.
122 Vgl. StaLu, DERS., Rundbrief 1982, 1f.
123 Ebd., 2.
124 Ebd.
125 Ebd., 1.
126 Ebd.
127 Vgl. StaLu, DERS., Skizzen, 7.
128 StaLu, DERS., Rundbrief 1990, 1.
129 Ebd.
130 StaLu, DERS., Skizzen, 7.
131 StaLu, DERS., Rundbrief 1990, 2 und vgl. BARGETZI, Crottogini, 2.
132 StaLu, CROTTOGINI, Skizzen, 8. Erste Ergebnisse publizierte er 1994 (vgl. DERS., Equipeneinsätze, 177–187).
133 Vgl. StaLu, DERS., Skizzen, 9 und AA. VV., Einsatz, 9.
134 StaLu, CROTTOGINI, Chronologie, 4.
135 Das Ergebnis wurde 2001 publiziert (vgl. DERS., Equipen, 129–140).
136 Vgl. StaLu, DERS., Skizzen, 10f.
137 StaLu, DERS., Vorspann, 1.
138 Vgl. AA. VV., Crottogini, 442.