Читать книгу Das Licht in uns - Jiddu Krishnamurti - Страница 7

Das Wunder der Aufmerksamkeit

Оглавление

Können wir alle Vorstellungen, Konzepte und Theorien beiseite lassen und für uns selbst herausfinden, ob es etwas Heiliges gibt – ich meine nicht das Wort, denn das Wort ist nicht das Tatsächliche, die Beschreibung ist nicht das Beschriebene –, können wir sehen, ob es etwas Echtes, Wirkliches gibt, kein Phantasiegebilde, nichts Illusionäres, Eingebildetes, keinen Mythos, sondern eine Wirklichkeit, die niemals zerstört werden kann, eine ewige Wahrheit?

Um das herauszufinden, es zu entdecken, muss jede Autorität gleich welcher Art, besonders die spirituelle, völlig außer Acht gelassen werden, denn Autorität bedeutet Anpassung, Gehorsam und Übernahme eines bestimmten Denkmusters.

Der Geist muss fähig sein, für sich allein zu stehen, sich selbst ein Licht zu sein. Einem anderen Menschen zu folgen, einer Gruppe anzugehören, von einer Autorität festgelegte Meditationstechniken zu praktizieren, ist ohne jede Bedeutung für einen Menschen, der die Frage untersucht, ob es etwas Ewiges, Zeitloses, etwas für das Denken nicht Ermessbares gibt, das in unserem täglichen Leben wirkt. Wenn das Ewige, Zeitlose nicht Teil unseres Alltagslebens ist, dann ist Meditation eine Flucht und absolut nutzlos. All das bedeutet, dass man selbstständig sein muss.

Es gibt einen Unterschied zwischen Isolierung und Alleinsein, zwischen Einsamkeit und der Fähigkeit, alleine dazustehen, völlig klar, unbeirrt und unverdorben.

Wir sind am ganzen Leben interessiert, nicht an einem Ausschnitt, einem Fragment des Lebens, sondern an allem, was Sie tun, was Sie denken, was Sie fühlen, wie Sie sich verhalten. Und da es uns um das Leben als Ganzes geht, können wir unmöglich ein Fragment wie das Denken nehmen und damit all unsere Probleme lösen. Auch wenn das Denken sich selbst für befugt hält, all die anderen Bruchstücke zusammenzufügen, ist dies nicht möglich, hat doch das Denken diese Bruchstücke selbst geschaffen.

Wir sind darauf konditioniert, im Sinne von Fortschritt, von allmählichem Erreichen eines Zieles zu denken. Die Menschen glauben an eine geistige Entwicklung, aber gibt es so etwas wie das »Ich«, das psychisch irgendetwas anderes erreichen kann als Projektionen oder Vorstellungen des Denkens?

Um herauszufinden, ob es etwas gibt, das keine Projektion des Denkens, keine Illusion, kein Mythos ist, müssen wir uns fragen, ob das Denken kontrolliert, in Schach gehalten, unterdrückt werden kann, so dass der Geist völlig still ist. Kontrolle bedeutet doch, dass es einen Kontrollierenden gibt sowie etwas, das kontrolliert wird, nicht wahr? Wer ist der Kontrollierende? Wird er nicht auch vom Denken erschaffen, ist er nicht auch eines der Fragmente des Denkens, das sich als der Kontrollierende Autorität angeeignet hat? Wenn Sie erkennen, dass dies wahr ist, dann ist der Kontrollierende das Kontrollierte, der Erfahrende ist das Erfahrene, der Denkende der Gedanke. Sie sind nicht voneinander getrennt. Wenn Sie das verstehen, besteht keine Notwendigkeit, etwas zu kontrollieren.

Was geschieht, wenn kein Kontrollierender da ist, weil der Kontrollierende und das Kontrollierte eins sind? Wenn eine Trennung zwischen dem Kontrollierenden und dem Kontrollierten besteht, gibt es einen Konflikt, es wird Energie verschwendet. Sind der Kontrollierende und das Kontrollierte eins, findet keine Energieverschwendung statt. Dann sammelt sich die ganze Energie an, die zuvor durch die Trennung zwischen dem Kontrollierenden und dem Kontrollierten in Unterdrückung und Widerstand vergeudet wurde. Wenn keine Trennung existiert, haben Sie diese ganze Energie zur Verfügung, um über das hinauszugehen, was Sie glaubten, kontrollieren zu müssen.

Es muss völlig klar sein, dass es in der Meditation keine Kontrolle und keine Disziplinierung des Denkens gibt, denn derjenige, der das Denken diszipliniert, ist selbst ein Fragment des Denkens; derjenige, der das Denken kontrolliert, ist ein Bruchstück des Denkens. Wenn Sie erkennen, dass dies wahr ist, steht Ihnen die ganze Energie zur Verfügung, die zuvor durch Vergleichen, durch Kontrolle und Unterdrückung vergeudet wurde, und Sie können über das, was tatsächlich ist, hinausgehen.

Wir fragen uns, ob der Geist absolut still sein kann, denn das, was still ist, hat viel Energie. Es ist die Ansammlung der Energie. Kann der Geist – der unablässig plappert, der immer in Bewegung ist, der als Denken ständig zurückschaut, sich erinnert, Wissen ansammelt, sich ständig verändert – vollkommen still sein? Haben Sie je herauszufinden versucht, ob das Denken zum Stillstand kommen kann? Wie werden Sie herausfinden, auf welche Weise diese Stille des Denkens zustande kommen kann? Denken ist Zeit, und Zeit ist Bewegung, Zeit hat mit Messen zu tun. Im täglichen Leben messen und vergleichen Sie materielle, physische und auch psychische Dinge. Das alles ist Messen. Vergleichen bedeutet messen.

Können Sie im täglichen Leben ohne Vergleichen auskommen? Können Sie ganz und gar aufhören zu vergleichen, nicht in der Meditation, sondern im täglichen Leben? Natürlich vergleichen Sie, wenn Sie zwischen zwei Materialien wählen müssen, zwischen diesem und jenem Stoff, wenn Sie zwei Autos vergleichen oder Wissen. Aber psychisch, im Inneren, vergleichen wir uns mit anderen. Können wir, wenn dieses Vergleichen aufhört – und es muss aufhören –, können wir dann vollkommen allein dastehen? Das gehört dazu, wenn kein Vergleichen mehr stattfindet – was nicht heißt, dass man nur noch vor sich hin vegetiert.

Können Sie also im Alltag, ohne zu vergleichen, leben? Tun Sie es einmal, und Sie werden feststellen, was es mit sich bringt. Sie werfen eine ungeheure Last ab. Und wenn Sie eine unnötige Last abwerfen, steht Ihnen Energie zur Verfügung.

Haben Sie schon einmal irgendeiner Sache Ihre ganze Aufmerksamkeit gewidmet? Widmen Sie dem, was der Redner sagt, Ihre ganze Aufmerksamkeit? Oder hören Sie mit einem vergleichenden Geist zu, der bereits ein bestimmtes Wissen erworben hat und das Gesagte damit vergleicht? Interpretieren Sie das Gesagte gemäß Ihres eigenen Wissens, Ihrer eigenen Neigungen und Vorurteile? Das hat nichts mit Aufmerksamkeit zu tun, nicht wahr? Wenn Sie völlig aufmerksam sind, mit Ihrem ganzen Körper, Ihrem Nervensystem, Ihren Augen, Ihren Ohren, Ihrem Geist, mit Ihrem ganzen Wesen, dann gibt es kein Zentrum, von dem aus Sie aufmerksam sind. Dann gibt es nur noch die Aufmerksamkeit. Diese Aufmerksamkeit ist völlige Stille.

In dieser Aufmerksamkeit gibt es keine Grenze, keine Begrenzungen, und deshalb wird sie nicht gelenkt. Es gibt nur Aufmerksamkeit. Es gibt kein Ich und kein Du, keine Dualität, weder den Beobachter noch das Beobachtete. Das ist nicht möglich, wenn der Geist sich in eine bestimmte Richtung bewegt.

Wir werden dazu erzogen und konditioniert, uns in bestimmte Richtungen zu bewegen – von hier nach dort. Wir haben eine Idee, einen Glauben, eine Vorstellung, ein Rezept, dass es eine andere Wirklichkeit gibt, eine Glückseligkeit, irgendetwas jenseits des Denkens, und wir fixieren das als Ideal, als Ziel, und gehen in diese Richtung. Wenn Sie in eine Richtung gehen, gibt es keinen Raum. Wenn Sie sich konzentrieren und in eine bestimmte Richtung gehen oder denken, ist in Ihrem Geist kein Raum. Sie haben keinen inneren Raum, wenn Ihr Geist gefüllt ist mit Dingen, an denen Sie hängen, mit Ängsten, mit der Jagd nach Vergnügungen, mit dem Verlangen nach Macht und Ansehen. Dann ist Ihr Geist übervoll und ohne Raum. Raum ist notwendig, und wo Aufmerksamkeit herrscht, gibt es keine Richtung, sondern nur noch Raum.

Meditation bedeutet, dass keinerlei Bewegung stattfindet. Das heißt, der Geist ist völlig still, er bewegt sich in gar keine Richtung. Es gibt keine Bewegung. Keine Bewegung, die Zeit ist, keine Bewegung, die Denken ist. Wenn Sie sehen, dass dies wahr ist – nicht die Worte der Beschreibung, sondern die Wahrheit, die nicht beschrieben werden kann –, dann ist dieser ruhige, stille Geist da. Und es ist notwendig, einen ruhigen Geist zu haben – aber nicht, um länger schlafen oder seinen Job besser machen oder mehr Geld verdienen zu können!

Das Leben der meisten Menschen ist leer und armselig. Selbst wenn sie über eine ganze Menge Wissen verfügen, ist ihr Leben armselig, widersprüchlich, nichts Ganzes, unglücklich. All das ist Armut, und sie vergeuden ihr Leben, indem sie versuchen, innerlich reich zu werden, verschiedene Tugenden zu kultivieren und all die anderen unsinnigen Dinge. Nicht, dass Tugend überflüssig wäre – aber Tugend ist Ordnung, und was Ordnung wirklich ist, kann man nur verstehen, wenn man sich die eigene innere Unordnung genau angeschaut hat. Wir führen ein unordentliches Leben. Das ist eine Tatsache. Unordnung ist Widersprüchlichkeit, ist Verwirrung, ist das Durchsetzen der verschiedenen Wünsche. Unordnung bedeutet, das eine zu sagen und etwas anderes zu tun, Ideale zu haben und von diesen Idealen getrennt zu sein. All das ist Unordnung, aber wenn Sie sich dessen bewusst sind und dem Ihre ganze Aufmerksamkeit widmen, dann geht aus dieser Aufmerksamkeit eine Ordnung hervor, die Tugend ist – etwas Lebendiges, nichts Ausgedachtes, nichts, was eingeübt und hässlich wurde.

Meditation im Alltag ist die Transformation des Geistes, eine psychische Revolution, wodurch wir im Alltag ein Leben führen – nicht theoretisch, nicht als Ideal, sondern tatsächlich in jedem Augenblick dieses Lebens –, in dem Mitgefühl und Liebe da sind sowie die Energie, um über die ganze Kleinlichkeit, die geistige Enge und Oberflächlichkeit hinauszugehen.

Wenn der Geist still ist – ich meine wirklich still und nicht mit Verlangen und Willen still gemacht –, dann ist da eine völlig andere Art der Bewegung, die nicht der Zeit entstammt.

Wissen Sie, es wäre absurd, darauf noch weiter einzugehen. Es wäre nur eine Beschreibung mit Worten und deshalb nicht real. Was wichtig ist, ist die Kunst der Meditation. Das Wort »Kunst« bedeutet unter anderem, alles an seinen richtigen Platz zu bringen, dass alles in unserem Leben, in unserem täglichen Leben, den richtigen Platz findet, so dass die Verwirrung ein Ende hat. Und wenn Ordnung herrscht, wenn man sich richtig verhält und der Geist im täglichen Leben völlig still ist, dann wird dieser Geist selbst herausfinden, ob es das Unermessliche gibt oder nicht. Solange Sie die höchste Form von Heiligkeit nicht finden, ist das Leben stumpfsinnig und bedeutungslos. Deshalb ist die richtige Art der Meditation absolut notwendig, damit der Geist jung, frisch, unschuldig wird. »Unschuldig« bedeutet unverletzbar. All das ist in der Meditation enthalten, die nicht von unserem täglichen Leben getrennt ist. Für das Verstehen unseres täglichen Lebens ist Meditation notwendig. Das bedeutet, bei allem, was man tut, völlig aufmerksam zu sein – wenn Sie mit jemandem sprechen, die Art, wie Sie gehen, wie Sie denken, was Sie denken – all dem Ihre Aufmerksamkeit zu widmen ist Teil der Meditation.

Meditation ist keine Flucht. Sie ist auch nichts Mysteriöses. Meditation führt zu einem Leben, das ganz ist, das heilig ist. Und daher behandeln Sie alle Dinge als etwas Heiliges.

Das Licht in uns

Подняться наверх