Читать книгу Herzen der Nacht 3 - Jill Korbman - Страница 3
Kapitel 1: Ellie
ОглавлениеEin Schloss. Ein Vampir. Eine neue Zukunft… Die Suche nach dem Verräter aus den Reihen der Vampire geht weiter. Wird es Colin gelingen, ihn zu entlarven? Und wird Ellie es schaffen, das Geheimnis ihrer Herkunft zu lüften? „Herzen der Nacht 3“ ist der letzte Teil der spannenden Geschichte aus dem Bereich Fantasy-Romance.
„Was?“, rief ich entsetzt. „Das kann er doch nicht einfach machen? Wo ist er hin?“
Ich stand auf dem Gelände des Vergnügungsparks am Pier und konnte einfach nicht glauben, was ich sah.
Das Zelt des großen Hexenmeisters Primor, welches sich noch wenige Stunden vorher genau an dieser Stelle befunden hatte, war weg, wie vom Erdboden verschluckt. Nichts deutete darauf hin, dass hier überhaupt jemals ein Zelt gestanden hätte, sogar die Befestigungshaken waren aus dem Boden entfernt worden. Offensichtlich hatte hier jemand ganze Arbeit geleistet.
Colin starrte ebenfalls auf die leere Stelle vor seinen Füßen.
„So ein verdammter Mist.“ Er lief einige Schritte hin und her und nahm dann meine Hand. „Komm, lass uns von hier verschwinden.“
Zügig überquerten wir den Festplatz, der noch in morgendlicher Ruhe lag. Es hatte in der Nacht geregnet und nun war es neblig. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke höher, doch ich fröstelte nicht nur aufgrund des ungemütlichen Wetters.
Außer Colin und mir war offenbar niemand sonst unterwegs, lediglich auf der anderen Seite des Geländes konnte ich einen älteren Mann sehen, der seinen Hund ausführte.
Den ganzen Weg zurück bis zum Auto sprach Colin nicht mit mir, und auch als wir bereits im Wagen saßen und den Rückweg nach Greyborough Castle angetreten hatten, blickte er noch immer stur geradeaus auf die Straße.
Sein Verhalten bereitete mir Sorgen.
„Colin? Alles in Ordnung?“ Als ich ihm diese Frage stellte, schien er wie aus einer Trance zu erwachen. Er schaute mich an und schüttelte den Kopf.
„Bitte entschuldige, aber ich frage mich die ganze Zeit über, warum Primor ausgerechnet jetzt seine Zelte hier abgebrochen hat, und das nicht nur sprichwörtlich.“
„Es ist in Ordnung, Colin“, erklärte ich beschwichtigend, „dann ist er eben weg. Du hast doch selbst gesagt, dass Hexenmeister generell komische Zeitgenossen sind. Wer weiß schon, welche Pläne er verfolgt? Vielleicht hat sein Verschwinden ja am Ende gar nichts mit uns zu tun?“
Colin schnaubte missmutig. „Ich halte es sogar für absolut wahrscheinlich, dass es etwas mit uns zu tun hat, genaugenommen mit dem Tagebuch deiner Mutter.“
Ich erstarrte. „Du meinst, er hatte Angst davor, es zu entschlüsseln?“
Primor hatte sich am Abend vorher noch dazu bereit erklärt, den Zauber, der offenbar auf dem Buch lag, aufzuheben. Dass er nun quasi über Nacht verschwunden war, war tatsächlich zutiefst beunruhigend.
Wenn selbst ein Hexenmeister sich davor fürchtete, die Geheimnisse dieses Buches zu lüften, was konnten wir dann überhaupt noch ausrichten? Ich seufzte.
„Dies bedeutet dann wohl, dass wir wieder genauso schlau sind wie vorher.“
Irgendwie kamen wir einfach nicht weiter. Noch immer wurden in der Nähe von Greyborough Castle Leichen gefunden und es war nicht klar, wer die Menschen getötet hatte.
Laurelio, der Anführer der Werwölfe, hatte mir gegenüber mehrmals beteuert, dass sein Rudel nichts damit zu tun hatte, und ich glaubte ihm. Es gab auch Hinweise darauf, dass eventuell ein Vampir in den Fall verwickelt war, aber hier herrschte Unklarheit bezüglich des Motivs. Kurz gesagt, wir tappten noch immer im Dunkeln.
Das Tagebuch meiner Mutter lag auf meinem Schoß und ich konnte dem Drang nicht widerstehen, die verschnörkelten Linien auf dem Einband mit dem Finger nachzuzeichnen.
Die Gedanken an sie überrollten mich wie eine Woge und ich vermisste sie noch immer sehr, wenngleich ich mich auch nicht mehr genau an ihr Gesicht erinnern konnte.
Bisher war ich immer davon ausgegangen, dass meine Kindheit sehr harmonisch verlaufen war, aber dies hatte sich als unwahr herausgestellt. Der Hexenmeister Primor hatte längst vergessene Erinnerungen in mir geweckt, und diese hatten mich regelrecht verstört.
Offenbar waren meine Eltern damals über irgendetwas in Streit geraten, und ich wusste nicht, worüber. Meine Mutter war schließlich mit mir geflüchtet und hatte mich in die Obhut meiner Tante gegeben, bei welcher ich dann auch aufgewachsen war.
Durch den Besuch bei Primor war mir klargeworden, dass ich meinen eigenen Erinnerungen nicht trauen konnte. Augenscheinlich wusste ich weniger über meine Eltern, als ich immer angenommen hatte.
Der Hexenmeister hatte sich gestern noch dazu bereit erklärt, das Tagebuch meiner Mutter zu entschlüsseln. Ich hatte mir so unendlich viel davon erhofft, aber nun war Primor weg, einfach verschwunden. Es hatte den Anschein, als würde ich nun nie die Wahrheit über meine Eltern erfahren, und dies machte mich abgrundtief traurig.
Colin schien meine negativen Gefühle gespürt zu haben.
„Wir werden einen anderen Weg finden, das verspreche ich dir“, sprach er mitfühlend, während er auf die Straße abbog, welche zum Castle führte.
Das Wetter war trüb und aus den grauen Wolken fielen ein paar vereinzelte Regentropfen. Gedankenversunken beobachtete ich, wie die Bäume und Büsche am Straßenrand in fliegendem Tempo vorbeizogen.
Die schottische Landschaft war wunderschön, und ich liebte den Anblick der grünen Wiesen. Sogar am stets gegenwärtigen Regen hatte ich inzwischen Gefallen gefunden.
Colin stellte die Limousine auf dem Parkplatz ab und wir stiegen aus. Ich verbarg das Tagebuch meiner Mutter unter meiner Jacke, um es vor der Nässe zu schützen. Wir bewegten uns gerade auf den Eingang zu, als ich hinter mir jemanden rufen hörte.
„Ellie!“ Abrupt blieb ich stehen, denn ich kannte diese Stimme sehr gut. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, während ich mich umdrehte. „Claire?“
Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Meine Freundin war hier?
Sie kam auf mich zugelaufen und drückte mich fest. „Ellie! Es ist so schön, dich zu sehen!“
Ich bemerkte Colins verwirrten Blick und versuchte, mich vorsichtig von Claire zu lösen. „Das ist ja eine Überraschung! Was hat dich denn hierher verschlagen?“
Der Ausdruck in ihrem Gesicht änderte sich.
„Du freust dich nicht, mich zu sehen, habe ich recht? Ich hätte doch besser vorher anrufen sollen…“
„Das ist doch Quatsch, selbstverständlich freue ich mich“, beeilte ich mich zu sagen, „ich… habe dich nur einfach nicht erwartet!“ Erneut umarmte ich sie und mir wurde klar, wie sehr ich sie die ganze Zeit über vermisst hatte.
„Ich habe meinen Vater in Aberhaven besucht. Auf dem Rückweg dachte ich, ich komme einfach mal vorbei und sehe nach dir…“
„Das freut mich sehr, Claire…“ Einen Moment lang wusste ich nicht, was ich sagen sollte. Das abrupte Auftauchen meiner besten Freundin hatte mich gehörig aus dem Konzept gebracht.
Durch sie wurde ich an mein früheres Leben erinnert, das bereits so lange hinter mir lag, dass ich mich fast nicht mehr daran erinnern konnte. Schlagartig wurde mir bewusst, was sich in letzter Zeit alles für mich geändert hatte.
Mein Leben war schöner geworden, da ich nun mit Colin zusammen war. Gleichzeitig war es aber auch gefährlicher geworden, genaugenommen sogar sehr gefährlich.
Ich hatte erfahren, dass ich eine Vampirin war, hatte die Bekanntschaft von Werwölfen und Hexenmeistern gemacht und war gerade dem großen Geheimnis, welches das Tagebuch meiner Mutter barg, auf der Spur. Und in dieses neue Leben schien meine liebe, gutmütige, ahnungslose Freundin Claire auf den ersten Blick nicht mehr hineinzupassen.
Sie durfte auf gar keinen Fall von dem Ganzen hier erfahren, denn sie würde es nicht verstehen. Außerdem konnte ich nicht zulassen, dass sie in Gefahr geriet.
Als ich in ihr Gesicht blickte und das erwartungsvolle Strahlen in ihren Augen bemerkte, brachte ich es einfach nicht über mich, sie sofort wieder wegzuschicken. Claire war und blieb meine beste Freundin und ich hatte ein unglaublich schlechtes Gewissen, dass ich mich so lange nicht mehr bei ihr gemeldet hatte.
„Na, dann komm doch einfach mal mit rein!“
Colin stand noch immer regungslos neben uns und wirkte ein wenig unsicher. Offenbar wusste er nicht, wie er die Situation beurteilen sollte.
„Willst du uns denn nicht vorstellen, Ellie?“ Es entging mir nicht, dass sie den gutaussehenden jungen Mann an meiner Seite eingehend betrachtete. Oh ja, niemand wusste besser als ich, welche Wirkung er auf Frauen haben konnte.
„Bitte entschuldige, Claire. Das ist Colin, mein… Verlobter.“
Claires Augen weiteten sich.
„Was, ihr seid inzwischen schon verlobt? Mann, das ging aber schnell!“ Nachdem sie ihm die Hand geschüttelt hatte, wandte sie sich mir zu. „Ich will unbedingt alles wissen“, flüsterte sie mir in mein Ohr und ich musste lächeln.
„Ich denke, ihr habt euch bestimmt viel zu erzählen“, sprach Colin sanft, „ich lasse euch dann mal allein.“ Er warf mir einen warnenden Blick zu und ich wusste sofort, was er zu bedeuten hatte.
„Das ist sehr nett von dir, Colin. Ich werde Claire eine Führung durch das Schloss geben, wenn das in Ordnung ist.“
Ich wusste, dass Colin sich um meine Sicherheit sorgte, weshalb ich mit meiner Freundin im Castle bleiben würde, welches schwer bewacht wurde. Hier, im Inneren dieser dicken Mauern, war die Gefahr sehr gering, dass etwas Unvorhergesehenes passierte.
Colin hatte offenbar verstanden. „Das ist eine gute Idee. Ich wünsche euch viel Spaß bei der Besichtigung.“ Er schmunzelte und beugte sich schnell vor, um mir einen zarten Kuss auf die Wange zu hauchen, dann war er auch schon verschwunden.
„Komm, ich zeige dir alles.“
Die Wachen waren nochmal verstärkt worden und an jeder Ecke stand ein als Museumswächter getarnter Vampir, welcher uns beim Vorübergehen zunickte.
Meine Freundin war hellauf begeistert von dem altertümlichen Gebäude. Wir schlenderten durch die weitläufigen Gänge und bewunderten den tollen Ausblick auf den Schlossgarten.
„Meine Güte, hier ist ja alles so romantisch!“, rief sie, als wir den großen Veranstaltungsraum betraten, „dies ist wirklich ein traumhafter Ort für eine Hochzeit!“
„Ja, in der Tat, das ist er!“ Claire drehte sich zu mir um.
„Und jetzt erzähl doch mal, Ellie… Du und Colin, ihr habt euch wirklich schon verlobt? Denkst du denn, dass dies die richtige Entscheidung ist?“ Ich bemerkte ihren besorgten Blick, als sie fortfuhr.
„Ich wundere mich ein wenig. Hast du nicht selbst gesagt, dass dir das mit eurer Beziehung ein wenig zu schnell geht? Versteh‘ mich nicht falsch, dein Colin sieht ja echt heiß aus, er ist ein Adliger und wohnt in einem großartigen Schloss. Ich kann mir vorstellen, dass das alles sehr verführerisch ist. Aber willst du dir denn nicht doch lieber noch ein wenig Zeit lassen mit dem Heiraten?“
Wir blieben stehen, um ein paar antike Gemälde an den Wänden zu betrachten.
„Ja, das mit Colin ging in der Tat sehr schnell, Claire.“
Einen Moment lang hatte ich den Wunsch, ihr alles zu erzählen, aber ich wusste, dass dies nicht möglich war. Meine Freundin war ein Mensch und sie hatte von unseren Vampir-Problemen keine Ahnung. Ich wusste nicht, wie sie auf das Ganze hier reagieren würde, und ganz davon abgesehen, wollte ich sie beschützen. Je weniger sie wusste, desto besser.
„Es ist einfach so schrecklich viel passiert in letzter Zeit. Ich weiß, es hört sich eventuell komisch an… aber ich bin mir absolut sicher, dass Colin der Richtige für mich ist. Ich liebe ihn, und er liebt mich. Die Sache ist eigentlich ganz einfach.“ Claire sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an, sagte aber nichts mehr.
Ich beschloss, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. „Und was ist eigentlich mit deinem Freund? Warum hast du ihn denn nicht mitgebracht?“, fragte ich.
Claire senkte den Kopf und ich spürte sofort, dass ich einen wunden Punkt bei ihr getroffen haben musste.
„Das mit Paul ist vorbei“, gab sie zu, „es hat einfach nicht gepasst…Tja, man kann eben nie wissen, wie lange es hält.“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie offensichtlich nur mühsam zurückhalten konnte. Die Trennung von Paul musste wohl sehr schmerzhaft für sie gewesen sein, und ich hatte mit meinem verliebten Gerede alles nur noch schlimmer gemacht.
„Claire… das tut mir ja so schrecklich leid.“
Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Meine beste Freundin hatte mich gebraucht, und ich war nicht für sie da gewesen. Dies durfte nicht mehr passieren, nie wieder. Ich umarmte sie und drückte sie fest.
„Ich glaube, wir beide haben uns viel zu erzählen“, sprach ich leise.