Читать книгу Herzen der Nacht 2 - Jill Korbman - Страница 4

Kapitel 1: Ellie

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Mein Herz klopfte wie wild. Sie waren hier, ich konnte sie bereits hören. Meine Hände wurden feucht und ich atmete schneller. Was sollte ich jetzt nur tun?

Panisch sah ich mich um, doch es gab keinen Ort, wo ich mich vor ihnen hätte verstecken können. Ich wusste, dass es völlig zwecklos war. Sie würden mich finden, das war ganz sicher.

Als die dichte Wolkendecke aufriss, fiel das fahle Mondlicht auf den nahen Waldrand, und plötzlich konnte ich die großen, muskulösen Körper von Wölfen erkennen. Immer mehr Tiere lösten sich aus dem Dunkel des Waldes und kamen geradewegs auf mich zu. Sie waren einfach überall. Ich hätte sie noch nicht einmal zählen können, wenn ich es gewollt hätte, so viele waren es.

Die Wölfe hatten ihre furchteinflößenden Augen starr auf mich gerichtet, als gäbe es auf meiner Stirn eine leuchtende Zielscheibe, die nur sie wahrnehmen konnten.

Ganz langsam, Schritt für Schritt, wich ich zurück, bis ich die kühlen Mauersteine von Greyborough Castle in meinem Rücken spüren konnte.

Ich fluchte innerlich und fragte mich, wo Colin, Mirja und Drake steckten. Warum ließen sie mich im Stich? Wussten sie denn nicht, dass ich in Gefahr war?

Ich musste an meine Mutter und an meinen Vater denken. Auch sie waren unter tragischen Umständen ums Leben gekommen, die nie vollständig geklärt worden waren. Ich bedauerte, dass ich nun keine Chance mehr haben würde, hinter ihr Geheimnis zu kommen.

Die Tränen stiegen mir in die Augen. Ich vermisste Colin so sehr. Zusammen mit ihm wäre es möglich gewesen, das Amulett zu aktivieren und die Bestien zu vertreiben.

Aber er war nicht da, und so wie es aussah, würde dies auch so bleiben. Alleine konnte ich den Stein unmöglich zum Leben erwecken, weshalb ich der Meute hilflos ausgeliefert war.

Ohne Vorwarnung fletschte der Leitwolf plötzlich die Zähne, legte den Kopf nach hinten und stieß dann ein schauriges Heulen aus, das mich erstarren ließ. Die anderen Tiere taten es ihm nach.

Es war offensichtlich, dass die Wölfe mich gleich angreifen würden. Ich wollte mich bewegen, wollte weglaufen, aber es funktionierte nicht. Meine Beine fühlten sich an, als wären sie festgewachsen. So sehr ich auch an ihnen riss und zerrte, ich konnte meine Füße keinen Millimeter vom Boden anheben.

Erneut stieg Verzweiflung in mir auf und ich verspürte ein Gefühl der Hilflosigkeit.

Der Leitwolf fixierte mich mit einem Blick, der geprägt war von Hass und Wut. Warum hegten diese Tiere einen solchen Groll gegen mich? Was hatte ich ihnen denn getan? Während ich noch darüber nachdachte, setzte das Tier ohne weitere Vorwarnung zum Sprung an.

Schreiend erwachte ich aus meinem Traum. Mein Gesicht war nass, offenbar von Schweiß und Tränen. Ich brauchte einige Sekunden um zu realisieren, dass ich mich in meinem Bett befand und dass nichts Schlimmeres passiert war. Erleichtert atmete ich mehrmals tief durch und wischte mir mit der Hand über die Augen.

Seit meiner Begegnung mit den Werwölfen vor einigen Wochen hatte ich fortlaufend Angstträume. Bisher war das Rudel zwar nicht mehr in der Gegend gesichtet worden, dennoch rechneten die Vampire täglich mit einem Angriff.

Die dauernde Anspannung war zermürbend und die Nerven aller waren zum Zerreißen gespannt.

In meinem Schlafzimmer war es dunkel und sehr warm. Ich drehte mich herum und tastete nach Colin, doch seine Seite des Bettes war leer. Warum hatte ich nur das Gefühl, dass dies nichts Gutes zu bedeuten hatte?

Ich knipste die kleine Nachttischlampe an, erhob mich und streifte meinen Morgenmantel über. Ein Blick in den antiken Wandspiegel verriet mir, dass ich müde und abgespannt aussah, was aber bei dem Stress der letzten Wochen auch nicht verwunderlich war. Dunkle Augenringe verunstalteten mein Gesicht und meine Haut hatte einen ungesunden, blassen Teint angenommen.

Bestimmt würde ich in absehbarer Zeit auch noch das erste graue Haar auf meinem Kopf entdecken, wenn es so weiterging. Die ständige Angst vor einer erneuten Attacke strapazierte meine Nerven und machte mir gewaltig zu schaffen.

Meine blonde Mähne hatte ich am Vorabend zu einem dicken Zopf geflochten, aus welchem sich nun einige widerspenstige Härchen befreit hatten, die wild um den Kopf herum abstanden.

Mein Versuch, diese mit den Händen wieder an Ort und Stelle zu bringen, scheiterte. Daher löste ich den Zopf ganz und kämmte die Haare einmal gut durch.

Schon besser. Nun sah ich aus wie ein Engel mit gelocktem Haar. Colin gefiel es, wenn ich die Haare so trug, er fand diese Frisur sexy.

Mein Blick fiel auf das Medaillon meiner Mutter, welches ich immer bei mir hatte, auch nachts. Ich nahm es in die Hand und betrachtete es ehrfürchtig.

Der Anhänger war alles, was mir von ihr geblieben war, und zusammen mit ihm hatte sie mir auch jede Menge Geheimnisse vermacht.

Er bestand aus dünnen Silberfäden, die kunstvoll ineinander verschlungen waren und den dunklen Stein in der Mitte umrahmten. Er glänzte matt im schwachen Licht, das von der kleinen Lampe ausging.

Dieses Schmuckstück hatte mich schon einmal vor einem Angriff der Wölfe gerettet und es zu spüren, gab mir ein gewisses Gefühl von Sicherheit, wenngleich ich auch noch immer nicht in der Lage war, die besonderen Kräfte des Steins selbst zu erwecken.

Bisher hatte dies immer nur funktioniert, wenn Colin und ich das Amulett gemeinsam berührt hatten. Niemand wusste genau, warum dies so war, noch nicht einmal der Dunkelrat, welchen wir konsultiert hatten, hatte uns eine Antwort auf diese Frage liefern können.

Also blieb mir keine andere Wahl, als selbst Nachforschungen anzustellen, wobei ich nicht wusste, ob ich jemals eine zufriedenstellende Antwort erhalten würde.

Ein paar geflüsterte Wortfetzen drangen an meine Ohren und ich versuchte zu verstehen, um was es bei dem Gespräch, das draußen im Flur geführt wurde, ging.

Die Tür war nur angelehnt und ich spähte durch den geöffneten Spalt hinaus.

Colin und Drake schienen sich angeregt zu unterhalten und es hatte den Anschein, als würde sich Colin über irgendetwas aufregen. Als ich mich noch weiter näherte, verstummten die beiden plötzlich.

Mist. Bestimmt hatte Colin mit seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten gespürt, dass ich auf dem Weg zu ihnen war.

Er konnte zwar keine Gedanken lesen, aber er war empathisch veranlagt. Deshalb war es ihm auch möglich, die Gefühle anderer Personen in seiner Nähe zu erkennen, und sein Verhalten dementsprechend anzupassen. Die Scharniere knarrten ein wenig, als ich die Tür öffnete und vors Zimmer trat.

„Ellie, warum bist du denn aufgestanden?“ Colin zog mich an sich und streichelte liebevoll meinen Rücken.

„Geh wieder ins Bett, alles ist in Ordnung.“

Er küsste mich aufs Haar und gerne hätte ich seinen Worten Glauben geschenkt.

„Colin, irgendetwas stimmt doch nicht“, erwiderte ich leise, „wenn alles in Ordnung wäre, dann würdest du dich jetzt nicht zu dieser unmenschlichen Uhrzeit hier auf dem Gang herumtreiben und im Flüsterton reden, sondern neben mir im Bett liegen und schlafen.“

Drake stand mir direkt gegenüber und obwohl es mitten in der Nacht war, trug er einen seiner teuren Designeranzüge samt farblich passender Krawatte.

Ich konnte mich nicht daran erinnern, ihn einmal in ganz normaler Freizeitkleidung gesehen zu haben, seit ich hier war. Colins Cousin legte sehr viel Wert auf ein korrektes Auftreten, auch in der Nacht, falls dies erforderlich sein sollte.

Als Colin mir einen Kuss gab, konnte ich erkennen, dass Drake die Augen verdrehte. Dies tat er immer, wenn er genervt war, insbesondere, wenn Colin mir offen seine Zuneigung zeigte.

Er warf mir einen finsteren Blick zu, welcher ein ungutes Gefühl in mir auslöste.

Drake machte mir manchmal Angst. Ich wusste, dass Colin in ihm einen Vertrauten sah, aber dennoch lief mir in seiner Gegenwart regelmäßig ein kalter Schauer über den Rücken.

Täglich beklagte er sich darüber, dass Colin und ich als Paar zusammenlebten, aber noch nicht offiziell den Ritus vollzogen hatten, der uns zu Gefährten machte. Dies war nach den Vampir-Gesetzen eigentlich streng verboten.

Drake wies uns ständig auf unser vermeintliches Fehlverhalten hin, da er als Familienoberhaupt für die Angehörigen verantwortlich war und dafür Sorge zu tragen hatte, dass sich auch jeder an die strengen Regeln der Vampire hielt.

„Also, was ist los?“ Ich hasste es, wenn alle hier mich so behandelten, als wäre ich gar nicht anwesend. Ständig versuchten die Vampire, etwas vor mir zu verheimlichen, jedenfalls kam es mir so vor. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich nicht für voll nahmen, da ich nur ein Mensch war.

Wobei dies gar nicht endgültig bewiesen war, denn es gab Hinweise darauf, dass meine Mutter ebenfalls ein Vampir gewesen sein könnte. Colin beteuerte stets, dass alle seine Familienangehörigen mich bedingungslos respektierten, aber daran hatte ich manchmal meine Zweifel.

„Nichts ist los, Ellie“, erwiderte Colin, „alles ist gut.“

„Colin?“ Ich warf ihm einen tadelnden Blick zu. „Bitte hör auf, mich anzulügen. Ich bin kein kleines Kind mehr.“

„Du solltest ihr die Wahrheit sagen, sie erfährt es ja am Ende doch.“ Drakes trockener Kommentar überraschte mich. Sonst war er immer derjenige, der mir wichtige Informationen vorenthielt, und nun schlug er sich plötzlich auf meine Seite? Dies war in der Tat sehr ungewöhnlich und ich fragte mich, ob diese Verhaltensänderung einen bestimmten Grund hatte. Vielleicht hatte er aber auch einfach nur Fortschritte im Umgang mit Menschen gemacht.

„Nun gut.“ Colin suchte offenbar nach den richtigen Worten. „Wir haben Berichte erhalten, dass einige Wölfe ins Schloss eingedrungen sein könnten.“

„Was?“ Mein Magen krampfte sich zusammen und ich spürte, wie mir übel wurde. „Werwölfe? Hier im Gebäude? Warum habt ihr mich denn dann nicht geweckt?“, fragte ich aufgekratzt.

Sollte ich vor einigen Sekunden noch in irgendeiner Form schläfrig gewesen sein, so war dies jetzt vorbei. Aufgeregt und hellwach begann ich, im Gang auf und ab zu laufen.

„Wir wollten erst ganz sicher sein, bevor wir dich informieren“, erwiderte Colin beschwichtigend, „das verstehst du doch, oder? Außerdem hat sich die ganze Sache als Fehlinformation herausgestellt. Wir haben alle Zimmer im Gebäude durchsucht, auch die der menschlichen Bediensteten. Wir haben einfach vorgegeben, dass es irgendwo im Haus einen technischen Defekt gibt.“

„Und das haben euch die Angestellten geglaubt?“

„Ja, Mirja hat ein wenig mit ihren Kräften nachgeholfen.“ Mirja war Drakes Gefährtin und hatte die Fähigkeit, Gedanken zu manipulieren. Sie hatte gestanden, diese Technik auch einmal bei mir benutzt zu haben, aber nur ein einziges Mal. Ich hoffte, dass dies auch tatsächlich der Wahrheit entsprach. Auf alle Fälle hatte ich mir ein solches Vorgehen für die Zukunft ausdrücklich verboten.

„Wir können davon ausgehen, dass das Schloss sauber ist. Es wurden keine Eindringlinge festgestellt.“ Colin bemühte sich, seine Stimme möglichst gleichgültig klingen zu lassen, um mich zu beruhigen.

Normalerweise hätte diese Taktik auch sicher funktioniert, nur nicht in diesem Augenblick, nicht nach diesem Traum. Die Angst in meinem Inneren wurde auf einmal übermächtig und umklammerte mein Herz mit eisernem Griff. Ich begann zu zittern und als Colin es bemerkte, legte er schützend seine Arme um mich.

„Alles ist in Ordnung, Ellie. Komm, lass uns wieder reingehen.“ Er schob mich vorsichtig durch die Tür und ich ließ es geschehen.

„Drake, vielen Dank für deine Hilfe. Ich schlage vor, dass du dich jetzt auch ein paar Stunden hinlegst. Die Nacht war anstrengend genug.“ Drake nickte ihm kurz zu, dann drehte er sich um und verschwand die Treppe hoch in die Gemächer der Adelsfamilie.

Ich setzte mich auf mein Bett und schlug die Hände vors Gesicht. Langsam wurde mir das Ganze alles zu viel. Colin gesellte sich zu mir und nahm meine Hand in seine.

„Ellie, was ist denn los mit dir? Du bist ja ganz neben der Spur. Mach dir keine Sorgen, wir haben die Situation unter Kontrolle.“ Er schaute mich mitfühlend an. „Da ich weiß, wie sehr dich die Sache mit den Wölfen belastet, dachte ich, ich lasse dich lieber erst einmal schlafen. Außerdem war es ja tatsächlich falscher Alarm.“

„Bist du dir da sicher?“ Ich erschauderte, als ich an mein letztes Zusammentreffen mit den Wölfen dachte.

„Ja, wir haben alles durchsucht. Glaubst du mir etwa nicht?“ Er erhob sich und zog seine Kleidung aus, dann legte er sie zusammengefaltet über den Sessel in der Ecke.

Ich seufzte. „Doch, natürlich… Aber es ist nur… ich habe gerade von ihnen geträumt… von den Wölfen.“

Colin runzelte die Stirn. „Ach ja? Was hast du denn genau geträumt?“

„Sie waren direkt vorm Schloss und hatten mich in die Enge getrieben. Es war alles total realistisch. . . und so furchtbar.“

Ich lehnte meinen Kopf an Colins Schulter. „Ich habe mich so schrecklich hilflos gefühlt… und dann werde ich wach und du erzählst mir, dass es einen Sicherheitsalarm gab. Das ist schon seltsam, findest du nicht?“

Er zögerte kurz, bevor er mir mit fester Stimme antwortete.

„Es war einfach ein Zufall und hat nichts zu bedeuten. Du weißt, Träume sind Schäume. Jetzt beruhige dich und komm ins Bett“, säuselte Colin mir verführerisch ins Ohr. „Du stehst unter großer Anspannung, das kann ich fühlen. Ich glaube, du brauchst dringend etwas Ablenkung.“

Er strich mir die Haare aus dem Nacken und begann, die freie Stelle an meinem Hals, welche sich ihm nun bot, mit kleinen Küssen zu bedecken.

Colins Plan schien zu funktionieren, denn augenblicklich begann ich mich zu entspannen. Mein Körper reagierte sofort auf seine Berührungen und ich bekam eine Gänsehaut, die sich langsam über meinen ganzen Rücken ausbreitete.

Seine Hände streiften meinen Morgenmantel ab und massierten meine verspannten Schultern.

Ich ließ mich voll und ganz auf ihn ein, spürte die geradezu magische Berührung seiner Hände auf meiner Haut.

„So ist es schon besser“, flüsterte er nach einer Weile zufrieden, „und jetzt komm zu mir.“

Blitzschnell zog er mich zu sich aufs Bett, und einen Augenblick später fand ich mich in seinen Armen wieder, tief eingebettet in den weichen Kissen.

Colin beugte sich über mich und begann, mich langsam und zärtlich zu küssen. Ich spürte seine weichen, kühlen Lippen auf den meinen und genoss dieses berauschende Gefühl.

Colin und ich waren zusammen, die Welt um uns herum schien zu verschwimmen. Wir waren dabei, in unser eigenes Universum einzutauchen, in welchem nur zwei Menschen existierten... er und ich.

Herzen der Nacht 2

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