Читать книгу Das Buch der Macht - Jivako . - Страница 8

Оглавление

3. Spiegelwelt

Es gab eine Zeit, da dachte ich, ich müsse das Leben nehmen, wie es ist. Niemand hatte mir beigebracht, dass ich es selbst bestimmen kann. So kam es, dass ich für viele Jahre in dem Glauben an eine Geschichte lebte, die mir von anderen vorgeschrieben worden war. Hierüber war ich mir allerdings nicht bewusst. Dies begann sich zu ändern, als ich meinem ersten geistigen Lehrer begegnete und seine Erklärungen in die Tat umzusetzen begann.

Als junger Mann wollte ich Rockstar werden und mein Leben auf einer endlosen Konzerttour verbringen. Das erschien mir als die beste Möglichkeit, in relativer Freiheit von gesellschaftlichen Konventionen leben zu können. Mit Spiritualität hatte ich indessen nichts zu tun. Meine Religion hieß Rock and Roll und meine favorisierten Prediger hießen Jerry Lee Lewis, Chuck Berry und Lemmy Kilmister.

Was mich schlussendlich doch dazu bewog, den spirituellen Weg zu gehen, war nicht die Sehnsucht nach Erleuchtung oder nach einem bewussteren Lebensstil, sondern ein gut platzierter Kopfstoß, der mich zwei Schneidezähne kostete und mir zu einer unerwarteten „Schau“ verhalf.

In jenem denkwürdigen Moment, als der Schädel des anderen, knapp unterhalb meiner Nase auf meiner Oberlippe aufschlug, kam mir ein Bild zu Bewusstsein. Der Aufprall hatte es aus dem Regal meiner Erinnerungen geschleudert. Es war der Schnappschuss eines Mannes, der in hohem Bogen durch die Luft flog.

Tatsächlich hatte ich zehn Jahre zuvor vor einem Plakat gestanden, auf dem genau dieses Bild zu sehen war. Irgendjemand hatte es an die Eingangstür zur Turnhalle meiner alten Schule gehängt. Jetzt war das Bild wieder da und bewog mich dazu, nach einer Kampfsportschule zu suchen. Damals war ich zweiundzwanzig Jahre alt.

Ich erinnere mich noch gut an meine erste Trainingsstunde in dieser Schule. Sie wurde zum Beginn eines neuen Lebens und so will ich erzählen, was damals geschah.

Nachdem ich in der Schule, die ich in einem Telefonbuch gefunden hatte, angekommen war und durch den kreisrunden Eingang in die Trainingshalle gestiegen war, setzte ich mich an den Boden und wartete. Langsam begann sich die Halle mit Menschen in schwarzen Kampfanzügen zu füllen, die sich sodann, einer nach dem anderen, mit den Gesichtern zu den Wänden auf den Boden setzten und in anhaltendem Schweigen verharrten. Ich beobachtet das Geschehen.

Schließlich betrat der Meister den Raum. Er fiel mir gleich durch seine aufrechte Körperhaltung und seinen würdevollen Gang auf. Ich fand ihn auf Anhieb „cool“. Wie alle anderen, setzte auch er sich mit dem Gesicht zur Wand auf den Boden und schwieg. Nach ein paar Minuten allgemeiner Stille gab er ein Zeichen, woraufhin sich alle in einer bestimmten, anscheinend streng geregelten Weise im Raum aufzustellen begannen.

Da ich neu und ohne „Rang“ war, wurde mir ein Platz in der äußersten Ecke des Raumes zugewiesen. Andere Länder, andere Sitten, dachte ich. Wieder setzten sich alle auf den Boden, doch diesmal dem Meister zugewandt. Das Training begann wortlos und mit einer Meditation. Da ich zu dieser Zeit noch nicht wusste, was Meditation bedeutet, tat ich einfach das, was ich bei den anderen sah, also nichts. Dann geschah etwas Unerwartetes.

Mit einem Mal wurde ich von einer inneren Bewegung ergriffen. Alles was gerade eben noch fest gewesen war, begann sich nun von innen heraus in einer Art subtilen Vibration zu lösen. Meine Gesichtsmuskulatur bebte und mein Herz überschlug sich. Ich konnte absolut nichts dagegen tun. Schließlich liefen mir die Tränen in Strömen. Währenddessen blickte ich in das Gesicht des Meisters, der in schweigender Vertiefung am oberen Ende des Raumes saß. Dann bemerkte ich, dass es größer und größer wurde und schließlich erkannte ich, dass es das Gesicht jenes Mannes war, den ich als zwölfjähriger Junge auf dem Plakat gesehen hatte. Nun bebte jede Zelle meines Körpers und die Zeit schien still zu stehen. Währenddessen hörte ich eine deutliche Stimme in meinem Kopf, die sagte, dass ich die nächsten Jahre mit diesem Herrn verbringen würde. Ich war fassungslos!

Die folgenden sieben Jahre verbrachte ich in unmittelbarer Nähe meines Lehrers und lernte von ihm. Meine vorerst letzte körperliche Begegnung mit Sonsanim, das ist sein Titel, hatte ich im Jahre 2013. Bei dieser Gelegenheit erklärte er mir, dass unsere Verbindung jenseits der Grenzen von Zeit und Raum begründet sei und dass wir infolgedessen dauerhaft verbunden seien. Für mich sind das keine leeren Worte, sondern es ist meine lebendige Erfahrung.

Das Buch der Macht

Подняться наверх