Читать книгу Science Fiction Dreierband 3002 - Drei Romane in einem Band! - Jo Zybell - Страница 45
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John Bradford betrat das Behandlungszimmer, in dem sein Vater untergebracht war. Inzwischen hatte sich Nathan Bradfords Zustand zumindest physisch stark verbessert. Nachdem der katzenhafte Katzanen-Krieger Riugerob ihn aus dem Stase-Schlaf geweckt und auf seine Flucht vor den Herren des Schiffs in die hintersten Winkel der alten Marsstation mitgenommen hatte, war der verwirrte, ohnehin schon in einer körperlich vollkommen desolaten Verfassung befindliche Nathan an den Rand des physischen Zusammenbruchs gekommen.
John Bradford wusste inzwischen, dass dies niemals in Riugerobs Absicht gelegen hatte.
Der barbarische Katzane hatte einen Gefährten für seine Flucht gebraucht. Dass es kaum eine Möglichkeit gab, diesen geschwächten Gefährten auch zu versorgen, war ihm erst später klar geworden.
Namenlose Angst hatte Riugerob beherrscht.
Und das nicht einmal ohne Grund, ging es John durch den Kopf, während sein Blick auf dem geschwächten, ausgemergelten Mann ruhte, der erschöpft auf seinem Lager schlief. Die Augen waren geschlossen. Nathan Bradford atmete tief und regelmäßig. Das Energiefeld, mit dem ALGO-DATA ihn lange umgeben hatte, war nicht mehr vorhanden. Sein Körper brauchte die intensivmedizinische Behandlung durch die Schiffs-KI nicht mehr. Tage hatte es gedauert, bis Nathan Bradford sich einigermaßen erholt hatte.
Allerdings galt das nur für seinen Körper.
Sein mentaler Zustand war nach wie vor besorgniserregend. Nathan Bradford redete wirres Zeug. Er schien sich auch an die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit nur sehr bruchstückhaft erinnern zu können.
Es war gut möglich, dass es sich um irreparable neurologische Nachwirkungen des Stase-Schlafs handelte. Gut zweihundert Jahre hatte Nathan Bradford, seines Zeichens Teilnehmer der ersten irdischen Mars-Expedition, fixiert in einem Stase-Block aus einem kunstharzähnlichen Material zugebracht. Er war das gewesen, was der Noroofe Ozobeq eine Probe genannt hatte.
Dieser Ausdruck war zynisch.
Er spiegelte die ganze Überheblichkeit wider, die Ozobeq und Oziroona dem Rest des Universums entgegenbrachten.
Aber er war durchaus passend gewesen.
Wie in Bernstein erstarrte Insekten hatte es in der inzwischen von ALGO-DATA an Bord geholten Marsstation Hunderte von Menschen aus allen geschichtlichen Epochen gegeben. Offenbar hatten die Erbauer der Station die Menschheit schon seit Langem genau beobachtet.
Zu welchem Zweck auch immer.
„Dad“, flüsterte John unwillkürlich.
Völlig sinnloser Weise.
Ein heiseres Krächzen, das Ausdruck seiner emotionalen Betroffenheit war. Die Gefühle seinem Vater gegenüber waren zwiespältig. Einerseits hatte er ihm als Junge insgeheim vorgeworfen, einfach verschwunden zu ein. Andererseits war die Tatsache, dass Nathan Bradford auf dem Mars verschollen war, ganz gewiss eine starke Motivation für John gewesen, ebenfalls diesen Planeten erreichen zu wollen.
Im Augenblick herrschte in Johns Innerem nichts als Chaos.
Du darfst dich nicht zu stark deinen Gefühlen hingeben, dachte er. Gleichgültig, welche es auch sein mögen.
Er musste sich darauf konzentrieren, die Macht auf der CAESAR II/ALGO-DATA wiederzuerlangen.
Diesmal endgültig.
Ozobeq und Oziroona lagen in einem komaähnlichen Zustand. ALGO-DATA bemühte sich zwar darum, die beiden Noroofen wieder physisch zu rehabilitieren, aber allein die Zeitspanne, die inzwischen vergangen war, sprach Bände. ALGO-DATAs Erfolg schien nicht gerade überwältigend zu sein.
Im Augenblick gestand ALGO-DATA John Bradford so etwas wie eingeschränkte und vorläufige Kommandogewalt zu.
Aber John gab sich keinerlei Illusionen darüber hin, dass ihm diese Autorität vermutlich sofort wieder entzogen wurde, sobald Ozobeq oder Oziroona erneut in der Lage waren, die Befehlsgewalt auszuüben.
Plötzlich schlug Nathan Bradford die Augen auf.
Er wandte den Kopf in Johns Richtung.
Nathan richtete sich auf, seine Augen waren schreckgeweitet. Er starrte John wie entgeistert an und wich vor ihm zurück.
„Du brauchst keine Angst zu haben!“, sagte John. „Hier geschieht dir nichts.“
„Nein!“
„Alles ist in Ordnung, Dad!“
„Nein!“
Nathan Bradford kauerte scheu auf seiner Liege. Er zog die Beine an, umfasste sie mit den Händen und zitterte leicht.
„ALGO-DATA, ich will genaue Daten über den physischen Zustand meines Vaters!“, forderte John an die KI des Schiffes gerichtet.
„Sämtliche Parameter liegen innerhalb der Normbereiche, beziehungsweise weichen nur unwesentlich davon ab. Dem Menschen namens Nathan Bradford fehlt nichts. Seine Nährstoffmangellage wurde behoben. Ihm wurden alle nötigen Stoffe in ausreichendem Maß zugeführt.“
Aber offensichtlich arbeitet sein Gehirn nicht mehr einwandfrei, dachte John Bradford. ALGO-DATA fehlen, was die geistige und psychische Verfassung eines Menschen angeht, ganz offensichtlich die Vergleichsdaten ...
John trat vorsichtig näher.
Sein Vater sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
Ein Mann, der zweihundert Jahre in Stase verbracht hatte.
Er ist in meinem Alter gewesen, als er den Mars erreichte und ihm dieses furchtbare Schicksal widerfuhr. In Stase bei vollem Bewusstsein. Jahrhunderte in einer Art Wachkoma, nur begleitet von den eigenen Erinnerungen. Wer sollte da nicht wahnsinnig werden?
Das Eigenartigste aber war die Tatsache, dass Nathan Bradford jetzt etwas dasselbe Alter hatte wie sein Sohn.
Ein aus den Fugen geratenes Universum hat das möglich gemacht.
Es hatte fürs Erste gar keinen Sinn, Nathan erklären zu wollen, was geschehen war.
„Ich bin John!“, sagte John Bradford einfach.
„John“, wiederholte Nathan.
Sein Gesicht veränderte sich nicht. Es hatte denselben, zutiefst entsetzten Ausdruck. „John“, wiederholte er noch einmal. „Wer bist du? John. Du bist John! Nein! Geh weg! Wer bist du? John! Nichts sehen! Nichts mehr sehen. Weg!“
Er schloss die Augen.
Kniff sie regelrecht zusammen.
Er begann zu schreien! Wie von Sinnen.
Dann war er plötzlich still.
John schluckte. Wahrscheinlich habe ich alles falsch gemacht, dachte er.
In diesem Moment trat eine Gestalt durch den Türtransmitter.
Es war Naea.
Nathan Bradford machte eine ruckartige Bewegung, zuckte förmlich zusammen und starrte dann auf das zehnjährige Klon-Mädchen.
Naea erwiderte diesen Blick erstaunlich ruhig und gelassen.
Diese Gelassenheit schien auf Nathan Bradford auszustrahlen. Seine Gesichtszüge entspannten sich etwas. Er atmete tief durch.
„Was machst du hier, Naea?“, fragte John etwas ungehalten.
Naea trat näher.
„Mir war langweilig“, sagte sie. „Otlej kümmert sich überhaupt nicht mehr um mich. Er hat nur noch diesen komischen Wald auf dem Rimdener-Schiff im Kopf.“
Ein mattes, nachsichtiges Lächeln glitt über Johns Gesicht.
„Das kann ich verstehen“, sagte er.
„Manchmal denke ich, dass Pflanzen ihm letztlich doch wichtiger sind als alle Menschen! Und das wiederum kann ich nicht verstehen.“
„Er hat eben eine besondere Verbindung zu Pflanzen. Für ihn sind sie genauso wichtig, wie für uns andere Menschen.“
Naea seufzte. „Ja, ich weiß“, sagte sie. „Aber das ist ja noch nicht alles.“
„Was ist denn noch?“
Sie druckste etwas herum und wollte zuerst nicht so recht heraus mit der Sprache. Schließlich brachte sie es aber doch heraus. „Überall in den Gängen liegen noch die toten Noroofen herum. Das macht mir Angst, auch wenn ich weiß, dass dazu eigentlich kein Grund besteht. Außerdem träume ich von den Toten. Ich bin in die Zentrale gegangen, um mit jemandem zu reden. Niemand war da. Josephine und Otlej sind ja an Bord des Rimdener-Schiffs. Und Marcus ist mit diesem Katzenkrieger beschäftigt, den er seinen Freund nennt ...“
„Riugerob.“
„Ja.“ Sie zuckte die Achseln. „Ob man dem trauen kann, weiß ich nicht.“
„Warum denn nicht?“
Naea ging nicht weiter darauf ein. Sie deutete auf Nathan Bradford. „Was ist mit deinem Vater?“
„Die lange Zeit in der Wach-Stase hat ihn verwirrt“, sagte Bradford. „Kannst du dir vorstellen, für zweihundert Jahre wie ein Stein dazustehen und alles um dich herum mitzubekommen?“
Naea schluckte.
„Das muss grausam sein.“
Sie näherte sich Nathan Bradford noch zwei Schritte.
John hatte eigentlich erwartet, dass sein Vater bei einer derart unerwarteten Bewegung zusammenzuckte und wieder in Wahnvorstellungen verfiel, um sich schlug, schrie oder wirres Zeug redete.
Nichts dergleichen geschah.
Nathan Bradfords Blick war ruhiger geworden.
Er gab seine verkrampfte Haltung auf, setzte sich auf die Kante seiner Liege.
„Ich bin Naea“, sagte sie.
Nathan Bradfords Atem wurde ruhiger.
„Naea“, wiederholte er.
„Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Naea. „Dir kann hier nichts geschehen.“
Eine Pause des Schweigens folgte.
„Ja“, sagte Nathan Bradford dann und wiederholte anschließend ihren Namen. „Naea ...“
„Du scheinst einen beruhigenden Einfluss auf ihn zu haben“, stellte John fest.
„Vielleicht sollte ich mich in Zukunft etwas um ihn kümmern“, meinte sie. „Vielleicht ist das, was er erlebt hat, so schrecklich gewesen, dass er wahnsinnig wurde, um nicht mehr daran denken zu müssen.“
John hob die Augenbrauen. Erstaunlich, wie die Zehnjährige schon in der Lage ist, andere Menschen wahrzunehmen, dachte er. Schon in der Vergangenheit hatte er immer wieder festgestellt, wie erstaunlich reif Naea für ihr Alter schon war.
Naea trat jetzt bis auf zwei Schritte an Nathan Bradford heran, ohne dass dieser tobte oder schrie. So weit habe ich es bislang nicht geschafft, musste John etwas neidvoll feststellen.
Sie hatte offenbar irgend etwas an sich, was ihm das Gefühl von Sicherheit gab. Nathan Bradfords Bewusstsein schien sich wie eine Schnecke angesichts eines furchtbaren Schreckens in ihr Haus zurückgezogen zu haben. Wenn es Naea gelang, ihn daraus wieder hervorzulocken – warum nicht?
Zumindest war ihr erster Versuch weitaus erfolgversprechender als alles, was John bisher unternommen hatte.
ALGO-DATA meldete sich.
„Der Anführer der Rimdener möchte dich sprechen, John Bradford.“
„Ich werde seine Botschaft in der Zentrale entgegennehmen“, antwortete John.
„Es ist keine Funkbotschaft“, korrigierte ALGO-DATA. „Er befindet sich an Bord des Schiffes und möchte dir Einzelheiten über einen Unfall berichten, den Otlej und Josephine erlitten haben.“
„Ein Unfall?“, echote John Bradford.
ALGO-DATAs Auskunft war kalt und nüchtern.
„Offenbar sind Otlej und Josephine tot“, erklärte die Schiffs-KI.