Читать книгу Science Fiction Dreierband 3002 - Drei Romane in einem Band! - Jo Zybell - Страница 47
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ОглавлениеRimdener 1 schimmerte silbern im kalten Licht der Korridorbeleuchtung. Der drei Meter lange, einem irdischen Ohrwurm ähnliche Insektoide hatte den vorderen Teil seines Körpers aufgerichtet. Das oberste Extremitätenpaar wurde dadurch frei, das mittlere stabilisierte im Augenblick den Körper nach vorn.
John Bradford trat ihm ungefähr an der Stelle des Schiffs entgegen, an der die geheimnisvollen Rimdener zum ersten Mal an Bord der CAESAR wie aus dem Nichts aufgetaucht waren.
Neben ihm stand Marcus, den er kurz verständigt hatte.
Außerdem wurde John Bradford von zwei Spinnenrobotern begleitet, deren Waffenarme auf den Fremden ausgerichtet waren.
ALGO-DATA hatte darauf bestanden.
John Bradford wollte seinen Autoritätskonflikt mit der Schiffs-KI nicht auf die Spitze treiben. Schon gar nicht vor dem Rimdener, der annehmen sollte, dass Bradford die unumschränkte Befehlsgewalt an Bord der CAESAR hatte.
Sein Blick fiel auf den Gürtel um den Vorderkörper des Silbernen, dessen Beißwerkzeuge ein schabendes Geräusch erzeugten. An diesem Gürtel trug der Rimdener ein Modul, mit dessen Hilfe ein Kraftfeld erzeugt wurde, das eine Reise über sogenannte Gravitationsbahnen ermöglichte.
Innerhalb des Einflussbereichs der neun Schwarzen Sonnen gab es zahllose Gravitationsbahnen. Wie genau der Transfer funktionierte, war bislang ebenso im Unklaren, wie der Grund dafür, dass die Rimdener mit Hilfe ihrer Transporttechnik offenbar sämtliche Schutzschilde der CAESAR problemlos zu überwinden vermochten.
Der Silberne brachte ein paar Laute hervor, die von zischenden Geräuschen der sich unablässig bewegenden Lippentaster untermalt wurden.
„Ich grüße dich, Kommandant“, übersetzte das äußerst leistungsfähige Übersetzer-Modul, das der Rimdener ebenfalls am Gürtel trug. „Bei euch ist es üblich, sich mit einer Individualbezeichnung anzureden“, sagte er anschließend. „Der Mensch mit der Individualbezeichnung Josephine lehrte mich diese Form der Höflichkeit, und ich möchte ihr Andenken ehren, indem ich euren Höflichkeitskodex befolge. Wie lautet deine Individualbezeichnung, Kommandant?“
Die umständliche Art des Rimdener ließ Bradford innerlich kochen.
Er hätte es viel lieber gesehen, wenn der Silberne endlich zur Sache gekommen wäre.
Er zwang sich zur äußerlichen Gelassenheit.
„Ich bin John Bradford“, sagte er.
„John Bradford, die Künstliche Intelligenz deines Schiffs wird dir die Nachricht vom Unfall der beiden Menschen mit den Individualbezeichnungen Josephine und Otlej bereits übermittelt haben.“
„Was ist genau passiert?“, verlangte John Bradford zu wissen.
„Otlej und Josephine sind zusammen mit ihren jeweiligen Lotsen bei dem letzten Transferversuch verschwunden. Wir wissen nicht, wo sie sich befinden, nur dass sie ihren Zielort nicht erreicht haben.“
„Dann sind sie nicht tot, sondern nur verschollen!“, entfuhr es John Bradford.
„Das dürfte in diesem Fall auf dasselbe hinauslaufen. Wir vermuten eine Fehlfunktion der Module, mit deren Hilfe wir über die Gravobahnen reisen. Es ist möglich, dass sie irgendwo im All materialisiert sind, wahrscheinlich sogar inmitten einer der neun Schwarzen Sonnen, die uns alle hier im Sonnenhof gefangen halten.“
Rimdener 1 erzeugte ein raschelndes Geräusch mit seinen Lippentastern, das von einem gurgelnden Grummeln begleitet wurde. Letzteres entstand irgendwo in der Tiefe seines Schlundes und diente wohl dem Zweck, den Worten des Rimdener das nötige Gewicht zu verleihen. „Wir wissen um die theoretische Möglichkeit, dass es zu derartigen Fehlern beim Transfer kommen kann. Unseren Simulationen nach wird dann der Gravo-Läufer tatsächlich von einer der Schwarzen Sonnen angezogen und auf Werte beschleunigt, die auch unser Vorstellungsvermögen überschreiten. Es tut mir leid, dass wir für die Menschen mit den Individualbezeichnungen Josephine und Otlej nichts mehr tun konnten. Immerhin wird ihr Tod nicht schmerzhaft gewesen sein. Die Gravitationskraft einer Schwarzen Sonne wird sie sofort getötet haben.“
„Ein schwacher Trost“, meinte Marcus sarkastisch.
John Bradford warf ihm einen kurzen Blick zu, schüttelte dabei den Kopf.
Irgend etwas stimmte hier nicht, glaubte John.
Aber auf der anderen Seite waren die Rimdener die einzige Informationsquelle, die sie besaßen. Darüber hinaus hatten sie das Monopol auf Fortbewegung innerhalb des Sonnenhofs. Die CAESAR schwebte ebenso bewegungsunfähig im Raum zwischen den Schwarzen Sonnen wie all die anderen gestrandeten Schiffe im Sonnenhof, deren Bewohner nach den Angaben der Rimdener bereits vor langer Zeit umgekommen waren.
„Warum gehst du dieses Risiko ein, dem Josephine und Otlej doch offensichtlich zum Opfer gefallen sind“, stellte John dann fest.
Der Rimdener drehte leicht den Kopf. Seine Facettenaugen wirkten blicklos und kalt.
„Wir hielten die Möglichkeit derartiger Fehlfunktionen bislang für so gering, dass man das Risiko vertreten konnte. Schließlich gibt es innerhalb des Sonnenhofs keine andere Transportmöglichkeit, die funktioniert, wie ihr sicher inzwischen selbst festgestellt habt.“
„Das ist richtig. Aber zwei solcher Fälle, die beide Mitglieder meiner Besatzung betreffen! Das scheint mir sehr ungewöhnlich zu sein.“
„Du misstraust uns, John Bradford.“
„Ich verlange Erklärungen.“
„Und mein Anliegen ist es, dass unsere gerade begonnene Kooperation unter diesem Vorfall nicht leidet. Unsere Schiffsbesatzungen befinden sich in derselben ausweglosen Situation. Wir sind Gefangene dieser gigantischen Raumfalle. Für uns Rimdener war es nicht leicht, bis jetzt zu überleben, und auch ihr werdet noch vor Herausforderungen gestellt werden, von denen ihr jetzt noch nichts ahnt. Aber gemeinsam finden wir vielleicht einen Weg, um unsere Schiffe aus dem Bann der Schwarzen Sonnen zu befreien.“
John Bradford atmete tief durch.
Was will er wirklich?, ging es ihm durch den Kopf. Bradford hatte das Gefühl, dass sein Gegenüber etwas vor ihm verbarg. Andererseits scheint die Fortsetzung unserer Zusammenarbeit bei den Rimdenern sehr hohe Priorität zu genießen. Andernfalls hätten sie nicht ihren ranghöchsten Vertreter geschickt, um die schlechte Nachricht von dem Unfall zu überbringen.
„Ich bin auch dafür, dass wir unsere Zusammenarbeit fortsetzen“, erklärte Bradford schließlich nach einer kurzen Pause. „Allerdings möchte ich genau wissen, was mit Josephine und Otlej geschehen ist.“
„Die genaue Ursache dieser Fehlfunktion konnten wir bislang noch nicht identifizieren. Es gibt lediglich Hypothesen. Allerdings kann ich euch über den Fortschritt unserer Erkenntnisse auf dem Laufenden halten!“
„Das ist das Mindeste!“, erklärte Bradford.
„Sei versichert, dass wir alles in unserer Macht stehende tun, um das Schicksal eurer Besatzungsmitglieder aufzuklären.“
„Ich würde gerne an Bord des Rimdener-Schiffs gehen“, sagte Marcus. „Vielleicht kann ich Klarheit in die Sache bringen.“
Bradford nickte.
Er wandte sich Rimdener 1 zu.
„Mein Besatzungsmitglied Marcus möchte gerne eigene Ermittlungen an Bord eures Schiffes durchführen.“
„Ich denke nicht, dass dazu eine Notwendigkeit besteht“, erwiderte Rimdener 1. Der Silberne senkte den Kopf etwas nach vorn. Dadurch wurden die Lippentaster an den Hals gepresst. Der kleine antennenartige Fortsatz mitten im Gesicht des Rimdener vibrierte leicht. John Bradford hatte keine Ahnung, welchem Zweck dieses Organ diente. Rimdener 1 fügte schließlich noch hinzu: „Ich glaube kaum, dass jemand, der nicht aus unserem Volk stammt, etwas zur Aufklärung beitragen kann. Schließlich kennt sich keiner eurer Besatzungsmitglieder mit der Technik unserer Gravoläufer-Module aus.“
„Mein Besatzungsmitglied Marcus verfügt über besondere kybernetische Fähigkeiten“, wandte Bradford ein. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass er mehr über diesen Unfall herauszufinden vermag. Und das wäre doch auch in eurem eigenen Interesse, wie du gerade gesagt hast!“
Der Silberne zögerte.
Schließlich stimmte er zu.
„Ich bin einverstanden. Dein Besatzungsmitglied Marcus wird mich begleiten. Ansonsten möchte ich den bisher bestehenden Pendelverkehr zu unserem Schiff auf das Nötigste beschränken, solange wir noch nicht die exakte Ursache des Unfalls kennen.“
„Das verstehe ich“, sagte John Bradford.
Für ihn selbst bestand ohnehin keine Aussicht, auf das Rimdener-Schiff zu gelangen. ALGO-DATA hatte ihm das Verlassen des Raubvogelschiffs verboten. Es war paradox: Einerseits gestand ihm die KI nicht die volle Autorität über das Schiff zu, andererseits kam es ohne Bradford als Kommandant nicht aus, seit Ozobeq und Oziroona in einen komaähnlichen Zustand gefallen waren.
Marcus wandte sich kurz an Bradford.
„Ich werde sehen, was ich tun kann“, sagte er.
Er trat näher an den Rimdener heran. Zum Überwechseln auf das Rimdener-Schiff war es notwendig, sich im Einflussbereich des Kraftfeldes aufzuhalten, das vom Transfermodul des Silbernen erzeugt wurde. Der Rimdener musterte Marcus’ Amorph-Körper einige Augenblicke lang. Dieser aus Abermilliarden Nano-Teilchen bestehende Amorph-Körper hatte wie üblich eine pseudo-humanoide Gestalt angenommen. Er wirkte wie ein dunkler Schatten, dessen Oberflächenstruktur sich in ständiger Bewegung befand, so als ob wimmelnde Heere winziger Insekten ihn ständig in mehr oder minder chaotisch durcheinander wirbelnden Strömen überliefen. Auch wenn Marcus sich inzwischen einigermaßen mit diesem Körper arrangiert hatte, so beherrschte er ihn nach wie vor noch nicht völlig. Es gab einiges an Möglichkeiten in diesem Nano-Körper, die Marcus noch nicht ausprobiert hatte. Die Flut der verwirrenden Sinneseindrücke war manchmal überwältigend. Sein Bewusstsein gewöhnte sich nur langsam daran, auf eine völlig neue Weise wahrzunehmen, die viel umfassender war, als alles, was man als Mensch kennenlernen konnte.
Manchmal veränderte der Amorph-Körper seine Form, löste sie sogar ganz auf und wurde zu einem Schwarm von Nano-Teilchen. Erst allmählich hatte er gelernt, dass es letztlich seiner Kontrolle bedurfte, um den pseudo-humanoiden Körper beizubehalten. Aber das gelang ihm immer besser.
„Er unterscheidet sich von deinen anderen Artgenossen“, stellte der Rimdener an John Bradford gerichtet fest.
„Das sagte ich ja!“, war Bradfords trockene Antwort.
Das mittlere Extremitätenpaar des Silbernen gab jetzt seine Stützfunktion auf und nahm eines der Apparate vom Gürtel. Einer der Greifer bediente ein kleines Terminal. Offenbar führte er einen Scan durch.
Schließlich ließ er das Gerät sinken.
„Dieser Körper enthält keinerlei organische Bestandteile“, stellte er fest. „Seine Struktur ist höchst ... ungewöhnlich!“
„Wir müssen noch viel über die jeweils andere Seite lernen“, erklärte John Bradford, bevor Marcus etwas sagen konnte.
Rimdener 1 betrachtete Marcus noch einige Augenblicke lang mit seinen kalten, übergroßen Facettenaugen, die einen Großteil des oberen Schädeldrittels ausmachten. Die Beißwerkzeuge schabten geräuschvoll gegeneinander.
„Otlej und Josephine bevorzugten es, mit einem Raumanzug über die Gravobahnen zu reisen, weil es ihnen unmöglich erschien, zwei Minuten die Luft anzuhalten“, meinte der Silberne.
„Ich brauche keinen Raumanzug“, erwiderte Marcus.
Das schabende Geräusch verstummte.
„Das dachte ich mir“, knarrte es aus dem Lautsprecher des Übersetzermoduls heraus.
Der Silberne wandte sich wieder an Bradford.
Er näherte sich mit aufgerichtetem Vorderkörper.
Bis auf einen Meter kam er heran.
Er streckte einen freien Greifer aus. Eine Geste, die universell verständlich war und keinerlei Übersetzung bedurfte. Er will, dass ich ihm irgend etwas gebe, überlegte Bradford.
„Wo ist der Datenträger mit dem gesammelten rimdenischen Wissen über den Sonnenhof, den ich euch überlassen habe?“, fragte der Silberne.
„Ich trage ihn bei mir.“
„Gib ihn mir zurück. Ich nehme an, dass die Daten längst überspielt sind.“
„Das stimmt ...“
„Also spricht nichts dagegen.“
Bradford war etwas verwirrt. Warum war dem Silbernen dieser Datenträger so wichtig – zumal die darauf enthaltenen Dateien mit Sicherheit auch noch anderweitig gespeichert waren. Etwas zögernd nahm Bradford den etwa münzgroßen Datenträger aus einer Tasche seiner Kombination und übergab ihn dem Rimdener.
Wortlos wandte er sich um.
Er trat neben Marcus. „Bleib immer in meiner Nähe“, wies er ihn an und aktivierte das Transfer-Modul.
John Bradford sah Marcus und den Silbernen den Korridor entlang gehen. Noch bevor sie die Wand am Ende erreichten, wurden beide transparent und schienen sich aufzulösen.