Читать книгу Tod auf der Massagebank - Joachim Bräunig - Страница 7

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Der Himmel zeigte sich an diesem Samstag von seiner besten Seite und strahlte in azurblauer Farbe. Die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen und erhitzte die Luft bereits an diesem frühen Morgen auf zwanzig Grad und es war ein sehr schöner und zugleich sehr warmer Tag von den Meteorologen vorausgesagt worden. Die Menschen waren gut gelaunt und freuten sich auf die freien Stunden am Wochenende bei herrlichem Wetter. Die Vögel hatten ihren morgendlichen Gesang beendet und genossen die leichte Brise des Windes bei ihren Ausflügen. Sie waren mit der Versorgung ihres geschlüpften Nachwuchses beschäftigt und ständig auf der Suche nach Würmern oder Insekten. Das Gewitter, welches vor drei Tagen auf die Landschaft niedergeprasselt war, hatte das Gras zum Sprießen gebracht und die Halme strahlten in sattem Grün. Auf der Wiese, welche sich am Rande des Geländes befand und die bis zum Beginn des Waldrandes führte, schossen die Blumen wie Pilze aus der Erde und gestalteten ein buntes Gebilde, welches das menschliche Auge zum Strahlen brachte. Die Blätter des Mischwaldes hatte der Regen vom Staub befreit und sie glänzten im Sonnenschein. Die gesamte Umgebung bot ein Bild der Harmonie und Eintracht.

Die Bewohner der Siedlung und die Gemeinde waren sich einig, die Natur in ihrem Ursprung zu erhalten und nicht durch künstliche Gestaltung zu beeinflussen. Die leichte Brise war den Menschen willkommen und dämpfte die aufkommende Hitze, wobei die Luft sehr trocken war und die Wärme sich erträglich gestaltete. In einigen Vorgärten verrichteten die Rasensprenger bereits ihre Arbeit und befeuchteten den Rasen, der in allen Vorgärten sehr gepflegt wurde und sich in vorzüglichem Zustand befand. Zum Glück der Anwohner war die Gegend frei von Maulwürfen, welche das Bild der Vorgärten negativ beeinflusst hätte.

An diesem wunderschönen Morgen herrschte zu der frühen Stunde in der Siedlung Ruhe und die meisten der Bewohner richteten den Frühstückstisch in ihren Vorgärten und bereiteten sich auf einen erholsamen Tag vor. In einigen Vorgärten wurden, trotz der bereits hochstehenden Sonne, die Blumen und Pflanzen gewässert und der Rasen gemäht, was bei einigen anscheinend zum Hobby gehörte, denn die Rasenfläche war sehr kurz geschnitten.

Die Familie Geisler, welche am Rande der Siedlung in Wendisch Rietz wohnte, feierte an diesem Wochenende einen runden Geburtstag von Julia Geisler – sie wurde fünfzig Jahre – und ihr Ehemann hatte sich für diesen Tag einige Überraschungen überlegt. Werner Geisler wollte seiner Gattin einen unvergesslichen Tag bereiten und hatte sich dafür mehrere gute Ratschläge von seinen Freunden eingeholt. Nach reiflichen Überlegungen hatte er diese mehr oder weniger guten Ratschläge alle verworfen und war zu seiner ursprünglichen Überraschung zurückgekehrt. Seine Frau spürte bereits seit einigen Tagen eine gewisse Unruhe ihres Gatten und war sich sicher, dass diese auf ihren bevorstehenden Geburtstag zurückzuführen war. Sie freute sich, dass sich ihr Mann für ihren Ehrentag offensichtlich große Mühe gab und ihr etwas Besonderes bieten wollte, denn er war sehr aufgeregt und sagte wiederholt zu seiner Frau, dass er nochmals außer Haus muss, um Besorgungen zu machen.

Werner Geisler hatte ihre beiden Kinder in seine Pläne eingeweiht und sie gebeten, strengstes Stillschweigen gegenüber ihrer Mutter zu wahren. Die Kinder freuten sich gleichfalls auf das Fest und waren mit den Plänen für die große Geburtstagsfeier einverstanden. Werner Geisler hatte für diesen Tag, außer den Kindern weitere gute Bekannte und Freunde eingeladen, wobei er ihnen den Ablauf der Feier nicht mitteilte. Zu diesem engen Freundeskreis gehörten die Ehepaare Eberhard und Christa Lutter sowie Richard und Lucy Weiland. Die Familie Lutter wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft und beide Paare besuchten sich oft, entweder im Haus der Familie Geisler oder bei der Familie Lutter.

Werner Geisler arbeitete als Oberarzt im Helios Klinikum Bad Saarow und war sehr angesehen und beim Personal sehr beliebt. Seine fachliche Kompetenz wurde von niemand angezweifelt und er hatte von der Klinikleitung die Möglichkeit zu privaten Sprechstunden erhalten. Diese waren stets gut besucht, da sich seine fachliche Kompetenz und die Exaktheit seiner Diagnosen weit über die Grenzen des Einzugsgebietes von Bad Saarow herumgesprochen hatten. Seine Frau äußerte gelegentlich, dass er etwas weniger arbeiten sollte, aber Werner Geisler war mit Leib und Seele Arzt, der immer für seine Patienten zur Verfügung stehen wollte. Diese fast ständig währende Bereitschaft ihres Mannes beruflicherseits hatte wiederholt zu Konflikten in ihrer Ehe gesorgt, da nach Meinung von Christa Geisler, ihr Mann zu wenig Zeit mit ihr verbrachte und sie ihn zu wenig sah. Sie wollte mehr gemeinsame Zeit mit ihrem Mann verbringen.

Christa Geisler war gleichfalls berufstätig und besaß eine eigene gutgehende Physiotherapie mit drei Angestellten – zwei Physiotherapeutinnen und ein Masseur. Sie war eine ausgebildete Therapeutin und hatte in den letzten Jahren mehrere Weiterbildungen besucht und sich die neuesten Behandlungsmethoden angeeignet. Dasselbe galt für ihre Mitarbeiter, da sich die Welt der verschiedenen Behandlungsmethoden in den letzten Jahren schnell weiterentwickelte. Sie war jedoch stets bemüht, das Familienleben nicht darunter leiden zu lassen, was jedoch nach ihrer Ansicht in den letzten beiden Jahren der Fall gewesen ist. Die gemeinsamen Unternehmungen des Ehepaares wurden immer seltener und in den wenigen Stunden, welche sie zusammenverbrachten, schwiegen sie sich meistens nur noch an oder unterhielten sich über die Probleme, welche sich zum Großteil auf ihre beruflichen Tätigkeiten bezogen. Infolgedessen gingen beide ein außereheliches Verhältnis ein, wovon der Partner jedoch keine Kenntnis hatte. Beide waren jedoch nicht daran interessiert, die Ehe zu beenden, was sie auch gegenüber ihrem jeweiligen außerehelichen Partner bereits zu Beginn des Verhältnisses unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hatten. Werner und Julia Geisler waren trotz ihrer Verhältnisse noch immer ineinander verliebt und den Grund für ihre Verhältnisse sahen beide in der zu wenig miteinander verbrachten Zeit, wodurch sich beide vernachlässigt fühlten und den Verlockungen eines Verhältnisses nicht wiederstehen konnten.

Die Familie Geisler stand auf guten finanziellen Verhältnissen, wozu beide in den ganzen Jahren ihrer Ehe beigetragen hatten. Die aufgenommenen Kredite zum Erwerb des Grundstückes und zum Bau ihres durchaus als Villa zu bezeichneten Neubaus waren seit längerer Zeit zurückgezahlt und sie hatten sich ein sehr ansehnliches Guthaben angehäuft. Beide waren sich zu Beginn ihrer Ehe einig gewesen, ein gemeinsames Konto zu eröffnen und jederzeit die notwendigen finanziellen Aufwendungen abzusprechen. Diese Vorgehensweise hatten sie bis zum heutigen Tag beibehalten und keiner zeigte Interesse daran, etwas zu ändern. Außer dieses gemeinsamen Kontos, auf das beide Zugriff hatten, waren sie jedoch übereingekommen, zusätzlich noch für jeden ein getrenntes Konto zu eröffnen. Dies war nach der Inbetriebnahme des Therapiestudios von Julia Geisler unumgänglich gewesen und Werner Geisler war sofort damit einverstanden, da er seine Frau bei Leistungen in ihrem Studio in keiner Weise beeinflussen wollte. Er war auf seine Frau und ihre Tätigkeit in ihrem Studio stolz, ohne es ihr direkt zu sagen, aber er unterstützte sie bei der Erledigung dringender Arbeiten, was ihm im Rahmen seiner gering bemessenen Freizeit oft nicht leicht fiel. Und Julia Geisler wusste, dass sie sich jederzeit auf ihren Mann verlassen konnte.

Beide hatten sich vor rund dreißig Jahren bei einem Tanzabend kennengelernt und sich sofort ineinander verliebt. Sie hatten nur sechs Monaten nach ihrem Kennenlernen geheiratet und sich vorgenommen, eine gemeinsame Familie aufzubauen, was ihnen mit der Geburt ihrer zwei Töchter gelungen ist. Während der Zeit des Studiums von Werner hatte Julia als Krankenschwester im Klinikum gearbeitet. Die Erziehung ihrer Töchter lastete zum großen Teil auf ihren Schultern, damit Werner sein Studium erfolgreich beenden konnte.

Die ersten Jahre wohnten sie bei Werners Eltern, welche ein eigenes Haus besitzen und Werner, Julia und deren Töchtern zwei Zimmern zur Verfügung stellen konnten. Auch kümmerten sich die Großeltern gern um ihre Enkelinnen, wenn dies notwendig war. So lebte die junge Familie die ersten Jahre ihrer Ehe sehr bescheiden, aber sie waren sehr ehrgeizig und beschlossen sehr früh, für ihre Familie ein eigenes zu Hause zu schaffen. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten bot sich ihnen die Möglichkeit des Erwerbes ihres jetzigen Grundstückes und beide überlegten nicht lange und nutzten diese günstige Gelegenheit. Der Bau ihres Hauses verzögerte sich mehrmals, auch begründet in ständigen Änderungswünschen ihrerseits, was den verantwortlichen Architekten als auch den Bauleiter des Öfteren die Schweißperlen auf die Stirn trieb. Im Laufe der Bauzeit hatte sich jedoch ein gutes Verhältnis zwischen ihnen aufgebaut, sodass trotz vieler Schwierigkeiten, auch wegen der geänderten Materialwünsche von Werner und Julia das Haus, besser gesagt die Villa, exakt nach den Wünschen von ihnen fertiggestellt werden konnte. Die zeitweise auftretenden finanziellen Schwierigkeiten fingen sie durch eine Erhöhung ihres Kreditrahmens und der Unterstützung beider Eltern ab. Werner und Julia waren nach der Übergabe des Gebäudes durch den Architekten an sie sehr stolz und auch ihre Töchter lebten sich sofort ein. Die Lage nahe dem Waldrand war für die Töchter ein wahres Geschenk und sie verbrachten in ihren Kindertagen viele schöne Stunden im Wald und tobten gemeinsam mit den Nachbarskindern im Wald umher.

Werner und Julia Geisler hatten sich ihren Lebenstraum erfüllt und waren sehr zufrieden. Die anderen Familien in der Siedlung waren fast alle im gleichen Alter, sodass viele Interessen übereinstimmten und sie sich gelegentlich zu gemeinsamen Treffen zusammenfanden. Diese verliefen immer sehr harmonisch.

Werner Geisler hatte im Laufe der Jahre seine Ausbildung zum Facharzt abgeschlossen und Julia ihre Ausbildung zur Physiotherapeutin begonnen und gleichfalls erfolgreich beendet. Werner Geisler war ein gutaussehender Mann mit leicht ergrautem Haar und wirkte auf Grund seiner Statur sehr sportlich und elegant. Er war in der Klinik sehr angesehen und genoss bei allen Kollegen großen Respekt und seine Meinung zu bestimmten medizinischen Problemen war stets gefragt. Bei dem weiblichen Personal fand er großen Zuspruch, aber er versuchte immer eine gewisse Distanz aufzubauen, was ihn bei den Schwestern noch attraktiver machte, da er unerreichbar schien. Julia Geisler war eine Frau von makelloser Ausstrahlung und trotz ihres fortgeschrittenen Alters hatte sie eine tadellose Figur, was auch auf ihre zielgerichtete Ernährung zurückzuführen war. Ihre roten Haare waren ihr Markenzeichen und sie legte großen Wert darauf, weshalb sie wöchentlich ihre Friseuse aufsuchte. Sie hatte rehbraune Augen und ging immer tadellos nach dem neuesten Modetrend gekleidet. Auf Grund ihrer Erscheinung und ihres Erfolges war Julia jedoch nicht bei allen beliebt, was zum Teil auch in ihrem Auftreten begründet war, denn sie stellte an ihre Mitmenschen hohe Anforderungen, was deren Auftreten und ihre allgemeine Erscheinung betraf. Einige ihrer Bekannten bezeichneten sie als hochnäsig, was jedoch, wenn man Julia näher kannte, nicht zutraf.

Die Eheleute Geisler waren vor einigen Jahren dem in der Nähe ansässigen Golfclub beigetreten. Das Gelände des Golfclubs zog sich entlang der Silberberger Chaussee, welche sich direkt entlang des Scharmützelsees von Bad Saarow nach Wendisch Rietz schlängelte. Die Golfplatzanlage, einschließlich der sich anschließenden Tennisplätze, gehörte zu einer der größten Golfanlagen Deutschlands und wurde, außer von den ständigen Clubmitgliedern, auch von Urlaubern, welche sich im angeschlossenen Hotel eingebucht hatten, genutzt. Die Benutzung der Anlage musste bereits Tage voraus beantragt werden, wobei zahlende Clubmitglieder vorrangig behandelt wurden. Sie mussten einen jährlichen nicht geringen Beitrag leisten und konnten dafür kostenlos im Clubrestaurant ihre Mahlzeiten und Getränke zu sich nehmen. Der Clubvorstand entschied einmal jährlich über weitere Aufnahmeanträge, wobei es in letzter Zeit gelegentlich zu Ablehnungen aus unterschiedlichsten Gründen gekommen war. Der Clubvorstand war bemüht, den elenderen Kreis der Mitglieder nicht übermäßig groß werden zu lassen, denn die Clubmitglieder waren nicht an der Aufnahme unbekannter Personen interessiert, sondern wollten den exklusiven Charakter ihres Clubs beibehalten. In Sonderfällen wurden verdienstvolle Bürger zu Ehrenmitgliedern ernannt, was jedoch zumeist mit einer einmaligen größeren Spendensumme verbunden war. Der Vorsitzende des Golfclubs war Wilfried Schutz, welcher streng auf die Einhaltung der Satzung des Clubs achtete. Er übte dieses Amt bereits seit vielen Jahren aus und war bei den letzten Wahlen, die alle zwei Jahre stattfanden, immer wieder gewählt worden. Bei der Wahl im vergangenen Jahr hatte es jedoch nur zu einer knappen Mehrheit für seine Wiederwahl gereicht, da einige Clubmitglieder in letzter Zeit mit seinem Auftreten nicht einverstanden waren. Bezüglich der geschäftlichen und finanziellen Leitung gab es von den Mitgliedern an seiner Person nichts auszusetzen und es wurde allgemein anerkannt, in welcher Form er den Club geleitet hatte. Er hatte in den letzten Jahren Gewinn erzielen können, was zum großen Teil auch in der Durchführung von Benefizveranstaltungen begründet war. Wilfried Schutz war es gelungen, zahlreiche Prominente dafür zu gewinnen und er konnte diese Veranstaltungen auch medial wirksam vermarkten. Die Erlöse wurden zum überwiegenden Teilen für den ausgeschriebenen Zweck der Veranstaltung verwendet, aber eine gewisse Summe hielt Wilfried Schutz für eventuell kurzfristige Maßnahmen zurück, sodass sich der Club immer im finanziellen Plus bewegte. Er wurde als Persönlichkeit für den Club positiv eingeschätzt und niemand zweifelte an seiner Führungskompetenz. Sein Stimmenverlust bei der letzten Vorstandwahl war auf seine in letzter Zeit verstärkt auftretende Arroganz gegenüber neuen Gästen oder Besuchern zurückzuführen. Zudem kursierten Gerüchte über Affären mit Frauen von Mitgliedern, welche aber nicht bewiesen waren. Allerdings hielt seine Frau stets zu ihm und vertraute ihm ohne jeden Zweifel. Und so ahnte niemand in seinem Umfeld etwas von seinem heimlichen Begehren auf Julia Geisler, was ihn bereits einige Zeit beschäftigte, aber Julia hatte seine zunehmenden Annäherungsversuche stets mit kalter Schulter abgewiesen.

Vor drei Jahren hatten sich, auch zur Freude ihrer Töchter, Werner und Julia Geisler eine Bootsjacht zugelegt, welche im Hafen von Wendisch Rietz vor Anker lag. Dieser Entschluss war ziemlich kurzfristig gefasst worden, nachdem auch ihre kleine Tochter das elterliche Haus verlassen hatte. Die Eheleute und ihre Schwiegersöhne hatten gemeinsam den Bootsführerschein erworben, sodass alle die Jacht benutzen konnten. Der Schlüssel dafür war im Haus der Familie an einem festgelegten Ort hinterlegt, wobei sie sich ständig abstimmten, wer sie an welchem Tag nutzen konnte. Auf Grund der unterschiedlichen Arbeitszeiten waren gemeinsame Ausflüge in letzter Zeit selten geworden, aber sie waren bemüht, oft gemeinsame Ausflüge zu unternehmen. Die Eheleute waren sehr stolz auf ihre Töchter, die eine gute berufliche Entwicklung genommen hatten und sich ihr Leben selbstständig aufgebaut hatten. Ihre Ehemänner waren gleichfalls gut ausgebildet und in sicheren Berufen tätig.

An diesem Samstagvormittag, zur Geburtstagsfeier von Julia Geisler, waren die Kinder bereits am frühen Morgen im elterlichen Haus erschienen und freuten sich auf die Feier und waren gespannt , wie ihre Mutter auf die Überraschung ihres Mannes reagieren würde. In der Wohnstube waren die überreichten Geschenke der Kinder und ihres Ehemannes bereits aufgestellt und Julia hatte sich drüber sehr gefreut, wobei ihr ein Gutschein für einen Urlaub nach ihrer Wahl die größte Freude bereitete.

Julia hatte einen kleinen Imbiss vorbereitet, welcher auf der Terrasse mit einigen Getränken aufgebaut worden war. Es war bereits zehn Uhr und Werner Geisler wartete ungeduldig auf das Eintreffen der Familien Lutter und Weiland. Erhard Lutter hatte die Familie Geisler während der Bauphase ihres Hauses kennengelernt. Er war Versicherungsvertreter und beruflich während dieser Bauphase mehrmals mit der Familie Geisler zur Klärung von Sachverhalten zusammengetroffen. Sie hatten ihn als sehr kompetenten und zugänglichen Bearbeiter in Fragen der Klärung von Problemen in Versicherungsangelegenheiten kennen und schätzen gelernt, wobei sich daraus im Laufe der Zeit eine Freundschaft entwickelte. Julia Geisler und Lucy Weiland verstanden sich vom ersten Augenblick an gut, was maßgeblich zur Entwicklung der Freundschaft beigetragen hatte. Die Familie Weiland hatten Werner und Julia im Golfclub kennengelernt. Beide hatten sich im gleichen Zeitraum für die Aufnahme in den erlesenen Kreis beworben und schnell Kontakt zueinander gewonnen. Der glückliche Umstand, dass die Familie Weiland ebenfalls in der neu geschaffenen Siedlung, nur vier Häuser vom Grundstück der Familie Geisler entfernt, wohnte, führte die beiden Familien schnell zu einer Freundschaft zusammen. Die beiden Frauen waren nicht die hochkarätig begeisterten Golfer, aber ihren Männern schien dieser Sport etwas zu bedeuten, weshalb sie nach einer gewissen Anlaufphase gleichfalls Begeisterung dafür entwickelten, auch wenn ihr Ehrgeiz sich zu profilieren in Grenzen hielt. Die Männer entwickelten großen Ehrgeiz für diesen Sport, auch wenn er von vielen ihren Bekannten belächelt wurde, und sie versuchten ständig, ihr Können zu verbessern, wobei beide, nach ihrer eigenen Ansicht, die dafür erforderliche Zeit zu gering war.

Julia Geisler war soeben mit Getränken auf dem Weg zur Terrasse, als sie die Familien Lutter und Weiland auf dem Weg zu ihrem Haus erblickte. Die beiden Familien hatten vereinbart, dass sie gemeinsam zur Feier erscheinen wollten. Julia hatte mit dem frühen Erscheinen der Gäste nicht gerechnet, da sie nichts von der geplanten Überraschung wusste. Werner hatte die Freunde gebeten, bereits gegen zehn Uhr bei ihnen zu erscheinen.

Sie gingen auf Julia zu, die ihnen freudig entgegenlief. „Das ist eine tolle Überraschung, euch schon jetzt zu sehen“, sprach sie.

„Einen solchen Tag soll man mit Freunden begehen“, sagte Lucy

„Wir möchten dir ganz herzlich gratulieren“, ergänzte Christa Lutter.

„Kommt rein und nehmt auf der Terrasse Platz“, bat Julia und zeigte auf den bereits von ihr liebevoll vorbereiteten Imbiss.

„Du hast dich wieder einmal selbst übertroffen“, stellte Lucy mit einem Blick auf den Imbiss fest.

„Erwartest du noch viele Gäste?“, fragte mit einem Lächeln Erhard Lutter.

„Wie kommst du darauf?“

„Wenn ich das Büfett sehe, rechne ich mit hundert Leuten.“

„Das ist nur eine kleine Verkostung“, erwiderte Julia.

Sie ging mit ihren eingetroffenen Gästen zum Haus, wo bereits die Kinder und Werner auf sie warteten. Sie alle strahlten und freuten sich mit der Jubilarin auf das Fest. Julia bat ihre Gäste Platz zu nehmen und Werner setzte sich zu ihnen, während die Kinder die Gläser der Anwesenden mit Sekt als Begrüßungstrunk füllten. Werner bat um Aufmerksamkeit.

„Zuerst möchte ich meiner Gattin zu ihrem heutigen Ehrentag alles Gute und für die weitere Zukunft beste Gesundheit wünschen“, begann er seine Ausführungen und fuhr fort: „Liebe Julia. Wir kennen uns jetzt runde dreißig Jahre und wir haben viele schöne und auch schwere Stunden miteinander verbracht. Wir hatten es anfangs nicht leicht und mussten auf einige Annehmlichkeiten verzichten, aber wir hatten immer ein festes Ziel vor Augen und konnten uns aufeinander verlassen. Ich möchte den heutigen Tag zum Anlass nehmen, mich bei dir für deine Liebe und Treue von ganzem Herzen zu danken. Wir haben gemeinsam zwei tolle Kinder großgezogen, an deren Erziehung du den größeren Anteil hast. Du warst mir stets ein zuverlässiger und treuer Partner und ich konnte mir deiner Zuverlässigkeit immer sicher sein. Ich hoffe, dass ich dir in unserer gemeinsamen Zeit einige schöne Augenblicke bereiten konnte. Der heutige Tag wird noch einige Überraschungen für dich bereithalten, welche ich dir jedoch erst später verraten werde und hoffe, dass ich dir eine kleine Freude bereiten kann. Ich hoffe, dass ich dir mit der Einladung unserer Freunde recht getan habe, denn solch einen Tag soll man im Kreis seiner Freunde verbringen. Die Überraschung beginnt in ungefähr einer Stunde und führt uns vom Haus weg, mehr möchte ich noch nicht verraten. Lasst euch den kleinen Imbiss gut schmecken und jetzt bitte ich euch gemeinsam mit mir auf das Wohl von Julia anzustoßen.“

Alle Anwesenden erhoben sich von ihren Sitzen. Die sichtlich beeindruckte Julia blieb nach den ersten Schlucken Sekt, nachdem alle wieder Platz genommen hatten, stehen und wandte sich mit erhobenem Glas an ihren Mann.

„Mein lieber Werner“, begann sie ihre Dankesrede, „vielen herzlichen Dank für deine mich beeindruckenden Worte. Wie du bereits gesagt hast, haben wir in unseren gemeinsamen Jahren viele Höhen und Tiefen erlebt, wobei die Höhen in der Überzahl waren Aber wir wussten beide, dass sich jeder auf den anderen verlassen konnte. Wir haben viele schöne gemeinsame Stunden erlebt und dafür möchte ich mich herzlich bei dir bedanken. Es war, bedingt durch unsere beiderseitige berufliche Tätigkeit, nicht immer einfach, alle Probleme ohne Hindernisse zu bewältigen, aber wir haben stets einen gemeinsamen Weg gefunden. Es ist uns gelungen, auch mit Unterstützung unserer Eltern, unseren Kindern eine sorglose Kindheit zu bieten und ihre Ausbildung zu gewährleisten. Bei unseren Freunden möchte ich mich bedanken und hoffe in Zukunft noch viele gemeinsame Stunden mit euch zu verleben. Ich möchte mich auch für eure Geschenke bedanken und finde den Gutschein für einen gemeinsamen Urlaub, von unseren Kindern, eine gute Idee.“

„Eine Geburtstagsüberraschung kennst du noch nicht“, warf ihr Ehemann ein.

„Du hast mir schon genug geschenkt“, gab Julia zurück.

„Die Überraschung kommt gleich nach dem Verzehr des Imbisses“, schmunzelte Werner.

„Muss ich was Besonderes anziehen?“, fragte Julia.

„Nein, du bist stets perfekt gekleidet, was ich schon immer an dir bewundert habe.“

„Das hast du mir noch nie gesagt“, entgegnete Julia.

„Das gehört mit zu der Überraschung“, lächelte Werner seine Frau an.

„Du bringst mich immer wieder zum Staunen.“

„Deshalb ergänzen wir uns großartig.“

„Ich hoffe, dass diese Überraschungen niemals enden.“

„Das kann ich dir ruhigen Gewissens versprechen.“

„Sag jetzt bitte, welche Überraschung du für uns bereit hältst.“

„Wenn wir mit dem Imbiss fertig sind, gehen wir zu unserem Boot.“

„Und wie geht es weiter?“, fragte Julia gespannt.

„Das ist die Überraschung.“

„Sag wenigstens, wohin die Reise gehen soll“, bat Julia.

„Wenn ich das Ziel verrate, ist es keine Überraschung mehr“, blieb Werner hart.

„Kennt ihr das Ziel?“, fragte Julia ihre Kinder.

„Ja, aber du musst dich gedulden.“

„Ihr habt euch wieder einmal mit eurem Vater verbündet.“

„An deiner Stelle würde ich einfach die Überraschung auf mich zukommen lassen“, sagte Silke, die ältere Tochter.

„Ich freue mich ja, aber wüsste gern, was heute noch geschieht.“

„Da kommt wieder deine Ungeduld zum Ausdruck“, ergänzte die jüngere Tochter ihre Schwester.

„Wir wissen auch nichts vom Fortgang des Tages“, warf Erhard Lutter ein.

„Vielleicht sind wir mit zu dieser Überraschung eingeladen“, fragte lächelnd Lucy Weiland.

„Selbstverständlich bleibt ihr unsere Gäste“, sprach Julia.

„Sind wir für den Anlass entsprechend gekleidet?“, fragte Christa Lutter.

„Du siehst immer toll aus“, erwiderte Werner.

„Danke für das Kompliment, aber ich wüsste auch gern wie es weitergeht.“

„Alles zu seiner Zeit“, schmunzelte Werner.

„Nun spann uns nicht weiter auf die Folter“, sagte energisch Julia.

„Also gut. Ich verrate aber noch nicht die eigentliche Überraschung.“

„Ich bin trotzdem gespannt“, sagte Julia.

„Wir begeben uns jetzt zu unserer Jacht und werden einen kleinen Ausflug unternehmen“, sprach Werner Geisler und schaute fröhlich in die Runde.

„Ich habe es geahnt und gehofft“, strahlte Julia.

„Wohin soll die Reise gehen?“, fragte Erhard.

„Das ist ein Teil der Überraschung.“

„Eigentlich bin ich von Julias Imbiss gesättigt und wir könnten von mir aus starten“, sprach Richard Weiland, welcher im Allgemeinen ruhig und zurückhaltend war.

„Du sagst nicht viel, aber triffst dennoch meist den Nagel auf den Kopf“, sprach Lucy und schaute mit einem verliebten Blick ihren Mann an.

„Ich stimme dir völlig zu“, ergänzte Erhard und schaute zu Richard.

„Also gut, wenn ihr alle gesättigt seid, können wir uns zu unserer Jacht begeben und in See stechen, wobei ich ergänze, dass für Notfälle, betreffs der Verköstigung, an Bord gesorgt ist“, sprach Werner.

Die Gratulanten halfen Julia noch beim Abräumen des Imbisses, der nicht komplett verzehrt worden war.

„Eigentlich könnten wir den Imbiss mit auf die Jacht nehmen“, schlug Lucy vor.

„Das kommt nicht in Frage“, sagte Werner mit strenger Stimme.

„Warum eigentlich nicht?“, fragte Christa.

„An Bord gibt es nichts Gebrauchtes. Wir brauchen nichts mitzunehmen. Ich habe an Bord alles für mögliche Eventualitäten vorbereitet.“

„Davon bin ich überzeugt. Werner überlässt nichts dem Zufall“, sagte Julia.

„Du musst es ja wissen“, schmunzele Christa.

„Schließlich sind die beiden lange genug verheiratet, um sich genau zu kennen“, warf Richard ein.

„Ich hoffe, dass kannst du von uns auch sagen“, lächelte Lucy ihren Mann an.

„Sicher, du bist für mich wie ein offenes Buch.“

„Ich bin mir nicht sicher, ob du alle Seiten gelesen hast“, schmunzelte Lucy Richard an.

Die Anwesenden mussten über den Dialog der Eheleute Weiland lächeln und waren sich bewusst, dass beide ein perfekt harmonisierendes Paar bildeten.

Lucy Weiland war der aktivere und treibende Partner, während Richard eher den zurückhaltenden Part spielte. Beide hatten vor zwei Jahren ihre Silberhochzeit gefeiert und niemand hegte Zweifel an der tiefen Verbundenheit des Paares. Sie hatten in vielen Angelegenheiten die gleichen Ansichten und jeder ließ dem anderen bezüglich seiner Hobbys den erforderlichen Freiraum, sodass sie sich bestens ergänzten und sich keiner eingeengt fühlte. Richard Weiland war Ingenieur und als Technischer Leiter in einer großen Firma tätig. Er hatte einen durchtrainierten Körper, was im Wesentlichen auf seine sportliche Aktivitäten zurückzuführen war. Er hatte kräftiges dunkles Haar, strahlend weiße Zähne und fast blaue Augen sowie eine makellose Haut, die er ständig pflegte und mehrmals im Monat besuchte er eine Kosmetikerin zu einer Hautbehandlung. Auf Fremde machte er einen eitlen Eindruck, was jedoch nicht stimmte, sondern in seinem zurückhaltenden Auftreten begründet war. Seine Frau liebte besonders an ihm, dass er sich nie in den Vordergrund drängte und sich geschickt zurückhielt. Er sprach wenig, aber seine Bemerkungen waren stets zutreffend und von einer gewissen Leichtigkeit und einem eigenen Humor getragen. Lucy Weiland trug ihr blondes Haar wie immer streng anliegend nach hinten gekämmt und formte das lange Haar zu einem Pferdeschwanz, was sie nach ihrer Auffassung jünger wirken ließ. Sie war nicht auffallend schlank, sondern hatte für ihr Alter eine angemessene gute weibliche Figur und ging gut gekleidet, ohne besonderen Wert auf Schmuck zu legen, was ihr Mann ihr gelegentlich empfahl und ihr wiederholt Schmuckstücke gekauft hatte, die sie jedoch nur zu besonderen Anlässen trug. Sie war eine sehr umgängliche Frau und hatte keine Schwierigkeiten mit ihren Mitmenschen in Kontakt zu kommen. Die Familien Lutter und Weiland hatten nach ihrem ersten gemeinsamen Treffen im Golfclub schnell guten Kontakt zur Familie Geisler aufgenommen und seit diesem Treffen hatte sich eine Freundschaft zwischen den drei Familien entwickelt, was sie in der Vergangenheit zu mehreren gemeinsamen Unternehmungen nutzten, bei denen stets die Belange aller berücksichtigt wurden.

Die Geburtstagsgesellschaft begab sich, nachdem alles im Haus und im Vorgarten aufgeräumt war, in Richtung Hafen. Ihr Weg führte durch die Siedlung, wobei es von den Anwohnern der Nachbarhäuser wiederholt Glückwünsche für Julia Geisler gab, denn ihr rundes Jubiläum war in der Siedlung nicht unbekannt geblieben. Durch diese ständigen Glückwünsche verzögerte sich das Vorankommen zur Jacht erheblich, weshalb Werner nach einiger Zeit bemerkte: „Wenn wir weiter im gleichen Tempo vorankommen, können wir gleich hierbleiben.“

„Ich freue mich über die Glückwünsche, das könntest du auch tun“, erwiderte Julia leicht gereizt.

„Ich freue mich für dich, aber ich habe einen gewissen Zeitplan.“

„Der interessiert mich wenig.“

„Sei nicht böse, aber ich fürchte, deine Überraschung leidet darunter.“

Nach Verlassen des Siedlungsgeländes kam die Gemeinschaft zügig voran. Ihr Weg führte sie am Leuchtturm vorbei, welcher ein Wahrzeichen des Erholungsparks war, und sie erreichten ohne weitere Hindernisse den Hafen. Hier hatte die Gaststätte bereits geöffnet und viele Gäste hatten auf der Terrasse Platz genommen – es war kein freier Tisch mehr verfügbar. Die Gaststätte war nicht besonders groß und bot im Inneren für circa fünfzig Personen Platz, während auf der Freiterrasse lediglich acht Tische zur Verfügung standen. Auf Grund des schönen Wetters und der bereits zu dieser frühen Stunde herrschenden hohen Temperatur, versuchten alle Gäste im Freien Platz zu bekommen, was jedoch nicht möglich war, sodass einige mit dem Innenraum vorliebnehmen mussten.

Am Ufer vor der Gaststätte ankerten drei Hausboote, die in einen sehr guten Eindruck machten und mit dem Nötigsten, was an Sicherheitsforderungen gefordert wurde, ausgestattet war. Der Eigentümer der Boote verhandelte bereits mit mehreren Urlaubern und Gästen, welche eines für den heutigen Tag nutzen wollten. Prinzipiell war der Preis für ein Boot für eine tägliche Nutzung bis in die Abendstunden festgelegt, aber einige Personen versuchten durch zusätzlichen finanziellen Anreiz ein Boot zu erwerben, obwohl alle bereits vergeben waren, was den Eigentümer in Verlegenheit brachte. Zwei Boote waren bereits fest vergeben, doch beim dritten kam es zu Problemen, da sich ein Mann absolut nicht damit abfinden wollte, dass das Boot schon einem anderen versprochen war, und dem Eigentümer eine noch größere Summe anbot. Schließlich musste der Eigentümer Konsequenzen ziehen und verwies den aufdringlichen Mann des Bootssteges, was von den Umstehenden, welche das Auftreten des Mannes beobachtet und widerlich empfanden, mit Beifall beklatscht wurde.

Die Geburtstagsgemeinde ging weiter in Richtung der gegenüberliegenden Anlegestelle der Jacht der Familie Geisler. Die Jacht trug den Namen „Isabell“. Eigentlich wollte Werner die Jacht auf den Namen seiner Frau taufen, aber sie war dagegen, sodass sie sich nach Absprache in der Familie auf den Namen ihrer ältesten Tochter verständigten. Die Jacht war schneeweiß, hatte einen erhöhten Kapitänsaufbau und konnte komplett mittels Segelplanen überdacht werden. Sie bot Platz für mindestens zehn Personen, aber die Familie Geisler hatte bei manchen Ausflügen bereits mehr Personen an Bord gehabt. Die Sitzplätze an den Bordwänden waren mit weißem Leder bezogen und das Geländer der Reling war verchromt, sodass die Jacht einen sehr luxuriösen Eindruck erweckte. Sie bot Übernachtungsmöglichkeiten für vier Personen, wobei sich diese durch verstellbare Wände unterteilen ließen. Die Küche war vollständig und hochwertig ausgestattet. Im hinteren Raum auf der Heckseite war eine kleine Nasszelle eingebaut, welche Möglichkeiten zum Waschen, der kosmetischen Pflege und zur Toilette bot. Sie konnten Jacht damals aufgrund ihres sparsamen Lebensstils von einem Kollegen von Werner erwerben.

Nachdem alle an Bord waren, sagte Werner: „Es ist ein üblicher Brauch auf unserer Jacht, dass wir vor Ablegen gemeinsam einen Schluck Sekt zu uns nehmen, damit uns Neptun wohlgesonnen ist.“

Er gab seinen Töchtern ein Zeichen und beide brachten ein volles Tablett mit Gläsern, in denen der eingeschenkte Sekt bereits sprudelte.

„Lasst uns auf einen schönen Tag anstoßen und besonders auf das Wohl meiner Frau Julia“, sprach Werner Geisler in herzlichen Worten und strahlte seine Frau an.

Die Gäste stießen wiederholt auf das Wohl von Julia an und prosteten ihr zu. Sie bedankte sich mit einem Lächeln und bat danach ihren Mann: „Sag jetzt endlich, wohin die Reise geht!“

„Der Tag ist noch lang, aber ich denke, bis zum Abend werden wir unser Ziel erreichen“, erwidert Werner.

„Aber ein Ziel gibt es?“, fragte Julia.

„Sicher und ich hoffe, dass mir die Überraschung gelingt, aber nun freie Fahrt“, sagte Werner und gab seinem Schwiegersohn auf dem Kapitänssitz ein Zeichen, den Motor anzustellen, während er gemeinsam mit seinen Töchtern die Leinen der Jacht aus den Halterungen an der Anlegestelle löste. Die Jacht verließ den Hafen und fuhr nicht wie von einigen erwartet Richtung Bad Saarow, sondern wendete bei Erreichen des offenen Gewässers Richtung Großer Storkower See. Die Fahrt führte direkt Richtung Storkow. Die Stadt Storkow, ungefähr im Jahre 1200 gegründet, liegt am Ende des Sees. Sie ist eine der ältesten Städte Brandenburgs und ist sehr stolz auf den sehr schön angelegten historischen Stadtkern. Der Storkower See ist mit dem Scharmützelsee verbunden und bildet mit ihm eine V-förmige Figur. Die Umgebung von Storkow bietet ein reichhaltiges Angebot an Ausflugsmöglichkeiten, sowohl zu Wasser wie zu Land. Eine Besonderheit bildet die Burg Storkow, welche sich unmittelbar im Herzen der Stadt befindet und den Besuchern viele Reliquien aus vergangener Zeit zeigt. Ein weiteres besonderes Wahrzeichen ist der Wasserturm der Stadt. Die umliegenden Orte von Storkow haben zum Teil untypische Ortsnamen, wie beispielsweise Philadelphia oder Neu Boston. Diese Namen sind auf die historischen Kolonistendörfer zurückzuführen, die aus der Zeit der Auswandererbewegung um 1748 stammen, als Friedrich II den Bürgern Land zuteilte, damit sie nicht nach Amerika gingen. Es war auch derselbe König, der den neun Kilometer langen Storkower Kanal anlegen ließ, um für die Flößer eine Wasserverbindung über die Dahme nach Berlin zu schaffen.

Auf dem Wasser dieses Kanals befand sich zurzeit die Feiergemeinde um die Jubilarin Julia Geisler. Um die Durchfahrt des Kanals zu erreichen, mussten sie mit ihrer Jacht vor der Seilzugbrücke, die zur gleichen Zeit wie die Erbauung des Kanals erfolgte, abwarten bis diese sich nach oben bewegte. Diese Seilzugbrücke bildete die Hauptstraße des Ortes und musste bei der Durchfahrt von Booten, ab einer bestimmten Größe, angehoben werden. Dafür wurde die Straße mittels Schrankenbetrieb für die Zeit der Öffnung gesperrt. Die Anmeldung zur Durchfahrt erfolgte mittels Funkkontakt der Schiffseigner mit der Aufnahmestelle. Nachdem die Brücke passiert war, musste die Geschwindigkeit der Boote gesenkt werden, um den Aufbau von starken Wellen zu vermeiden, da nah an den Ufern des Kanals zahlreiche wunderschöne Häuser, sowohl für Urlauber als auch für Einheimische, errichtet worden waren. Dieses Absenken der Geschwindigkeit im Kanal hatte Werner bei der Berechnung der erforderlichen Fahrzeit bis zum Endziel berücksichtig, wobei er nicht die mögliche Wartezeit an der Seilzugbrücke kalkulieren konnte. Nach einem Blick auf seine Uhr sagte er zu der Gesellschaft: „Wir liegen gut in der Zeit.“

„Jetzt wird es allmählich spannend“, sinnierte Julia.

„Es ist jetzt kurz vor elf Uhr und ich denke, in zwei Stunden haben wir unser Ziel erreicht“, verriet nun Werner.

Durch verschiedene Kanalverbindungen war es allen Bootsfahrern möglich, jedes Gewässer der Berliner Seen rund um die Müritz zu erreichen, was besonders an den Wochenenden von zahlreichen Ausflüglern genutzt wurde. Auf den Seen waren die unterschiedlichsten Bootstypen zu sehen, sowohl was Segelboote als auch Jachten betrafen. Viele Urlauber oder Wochenendausflügler waren auch mit kleineren Kanus oder Paddelbooten unterwegs.

Die Gesellschaft verbrachte ihre Zeit bis zum Eintreffen am Zielort mit Erzählungen von gemeinsamen Erlebnissen oder Anekdoten verschiedener Bekannten, wobei sich die jungen Leute unter Deck in den Schlafraum zurückgezogen hatten, um Karten zu spielen. Die Stimmung war sehr gut und alle rätselten über das Endziel, wobei die Männer, auf Grund der von Werner mitgeteilten Fahrzeit, eine eventuelle Zielortbestimmung durchführten, sich jedoch nicht festlegen wollten, bis ihre Jacht in den Schwielowsee einfuhr. Bis zum Schwielowsee mussten sie mehrere Seen durchfahren, was einige Zeit in Anspruch nahm, aber Werner hatte gut geplant. Die Jacht fuhr zur vorgesehenen Zeit in den Schwielowsee ein und fuhr Richtung der Anlegestelle des Sommerbades „Schwielowsee“. Das Sommerbad war sowohl vom Wasser als auch von Land über die Seilfähre von Caputh erreichbar und von der Anlegestelle der Seilbahn auf der Seite von Geltow war das Bad in circa zehn Minuten Fußweg zu erreichen. Dieses Bad sollte die Atmosphäre einer Karibischen Insel darstellen, was prinzipiell gut gelungen ist.

Der Eingangsbereich ist mit Natursteinmaterial gestaltet worden. Im unmittelbaren Eingangsbereich zu der Badeanlage befand sich ein kleiner Imbiss, welcher mit ortsüblichen Preisen handelte. Der Badestrand ist mit originalem feinstem Ostseestrand aufgeschüttet worden und war zwanzig Meter breit. Für die Badegäste waren mehrere Liegeplätze gestaltet worden, die entweder mit Stoffschirmen oder mit Strohdach versehen waren, sodass sich die Badegäste im Bedarfsfall vor den Sonnenstrahlen schützen konnten. Die gesamte Anlage erweckte einen sehr gepflegten Eindruck und war, bei entsprechendem Wetter, immer gut besucht. Im hinteren Bereich der Anlage wurde eine Anlegestelle für Boote erstellt, der mittels Pfahlaufbau in den See führte. Diese Seebrücke war gleichzeitig als Gaststättenbereich ausgebaut worden. Im vorderen Bereich der Seebrücke waren zwölf Sitzbereiche mittels sternförmiger stoffbezogener Überdachung geschaffen worden, welche Platz für circa vierzig Personen boten. Daneben befand sich ein Pavillon mit Ankermöglichkeiten für Boote, wobei diese nur nach vorheriger Absprache anlegen durften und im Normalfall nach dem Aussteigen der Gäste den Ankerplatz wieder verlassen mussten und im entfernteren Bereich des Sees ankern durften. Die Gaststätte des Pavillons und auch des vorderen Bereiches der Seebrücke wurde von einem privaten Unternehmen betreut und die Speisen wurden meist vor Ort angerichtet, wobei im wesentlichen Fischgerichte im Angebot waren. Die Bedienung ging sehr elegant gekleidet, die Herren bei entsprechenden Anlässen mit Frack und die Frauen in hellen Kostümen. Die Badeanlage zählte in der Umgebung zu den exklusiven Ausflugsmöglichkeiten und dementsprechend war die preisliche Gestaltung, denn bereits der Eintritt befand sich im gehobenen Segment.

Werner Geisler hatte sich mit seinen Gästen bei den Eigentümern und den Betreibern der Badeanlage bereits vor längerer Zeit angemeldet und die Pavillonanlage für vier Stunden gemietet. Längere Zeit wollte Werner nicht am Schwielowsee verweilen, denn er hatte für die späten Abendstunden, nach der Rückfahrt vom See nach Wendisch Rietz eine weitere Überraschung geplant. Ihre Jacht legte zur vereinbarten Zeit am Steg der Seebrücke an und sie wurden in aller Form vom Personal begrüßt. Nachdem alle Geburtstagsgäste von der Jacht gestiegen waren, kam der Chef auf Werner zu und sprach: „Ich begrüße sie und ihre Gäste auf das Herzlichste.“

„Danke, wir haben uns bemüht, zur vereinbarten Zeit anzulegen“, erwiderte Werner.

„Was auf das Vorzüglichste geklappt hat, aber lassen sie mich zunächst der Jubilarin meine herzlichsten Glückwünsche überbringen“, sagte der Betreiber und schritt auf die überrascht wirkende Julia zu. „Ich möchte ihnen, sowohl in meinen eigenen Namen als auch im Namen meiner Mitarbeiter, zu ihren heutigen Ehrentag meine Glückwünsche überbringen und ihnen für ihre weitere Zukunft alles Gute und vor allem beste Gesundheit wünschen. Gleichzeitig hoffe ich, dass wir ihnen in den nächsten Stunden einen angenehmen Aufenthalt in unserer Anlage bieten. Wir werden uns bemühen, Ihnen all ihre Wünsche zu erfüllen“, sprach er mit würdevollem Gesichtsausdruck. Er nahm die von einem seiner Angestellten übergebenen Blumen und überreichte sie mit strahlendem Blick der Jubilarin.

Julia Geisler war noch immer beeindruckt von der Überraschung ihres Mannes, denn mit einem Essen auf der mondänen Seebrücke im Sommerbad von Caputh hatte sie in keiner Sekunde gerechnet. Sie hatte schon oft von dieser wunderbaren Anlage gehört, aber niemals einen Besuch geplant. Julia war von der Anlage und der Gestaltung des Geburtstagstisches sowie dem Auftreten des Personals tief beeindruckt.

„Ich hoffe, dass sie mit der besonderen Herstellung des Menüs einverstanden sind.“

„Ich lasse mich überraschen“, sagte die angesprochene Julia.

„Ihr Mann hatte einen besonderen Wunsch, welchen wir ihm gern erfüllen werden, denn ihr Mann hofft und ist sich fast sicher, damit ihren Geschmack zu treffen.“

„Wenn ich mich umschaue, bekomme ich das Gefühl, die Überraschung zu ahnen.“

„Wir haben uns größte Mühe gegeben, aber solch eine Überraschung lässt sich nicht verheimlichen. Allerdings entnehme ich ihren Blicken, dass ihr Mann die richtige Wahl getroffen hat.“

Julia Geisler wandte ihren Blick Richtung Anlegestelle und sah dicken Rauch aufsteigen und sie wusste sofort, dass es sich um einen Räucherofen handelte. Sie war begeisterter Freund von Räucherwaren, wobei ihr am besten geräucherter Aal oder Zander mundete und beide Fischarten belebten den Schwielowsee, sodass der Betreiber erst gegen Mittag die Fische einholen ließ und somit völlig fangfrisch in den Räucherofen hängte, was er gegenüber Julia auch zum Ausdruck brachte. „Sie können sicher sein, dass die geräucherte Ware frisch ist“, betonte er.

„Mein lieber Werner, diese Überraschung ist dir gelungen“, sagte Julia begeistert.

„Ich weiß, wie gern du geräucherten Fisch geniest.“

„Wie bist du auf diesen Ort gekommen?“, fragte Julia.

„Auf Empfehlung meines Chefarztes.“

„Wie kommt der zu diesem Ort?“

„Er hat vergangenes Jahr an diesem wunderschönen Ort die silberne Hochzeit gefeiert.“

„Du hast alles gut organisiert“, lobte Julia.

„Ich muss gestehen, dass mir unsere Töchter bei der Organisation geholfen haben“, erwiderte Werner.

Julia schaute mit strahlenden Augen zu ihren Töchtern und sprach: „Ich möchte mich auch bei euch herzlich bedanken.“

Die Töchter lächelten zurück und die große Tochter sagte: „Wir sind glücklich dir eine Freude bereiten zu können, denn du hast uns stets, wie natürlich auch Vati, unterstützt und uns den rechten Weg gewiesen. Wir beide sind sehr stolz auf euch und wünschen euch für eure weitere gemeinsame Zukunft alles Gute und beste Gesundheit.“

Die Geburtstagsgäste hatten alle an dem runden Tisch Platz genommen und der Eigentümer der Anlage servierte zu Beginn der Feier einen kleinen Willkommenstrunk. Er zeigte zum Räucherofen, aus dem bereits der Duft der Räucherware aufstieg und sagte: „Ich denke, in ungefähr dreißig Minuten ist der Fisch zum Verzehr fertig. Unser Servicepersonal wird ihnen bei der Auswahl behilflich sein, wobei jeder von ihnen seine Wünsche äußern kann und den ausgewählten Fisch an seinem Platz serviert bekommt.“

Der Eigentümer zog sich zurück und im Kreis der Gäste entwickelten sich Gespräche. Nach einigen Minuten fragte Erhard die Jubilarin: „Wie habt ihr euch kennengelernt?“

„Unser Kennenlernen erstreckte sich über einen längeren Zeitraum“, erwiderte Julia.

„Das verstehe ich nicht.“

„Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, sprang nicht gleich der Funke über“, lächelte Julia.

„Bei dir nicht“, warf Werner ein.

„Ich war zum damaligen Zeitpunkt bereits anderweitig liiert.“

„Du hast Julia also einem anderen Mann ausgespannt?“, fragte Erhard.

„Ich wusste nichts von ihrer Beziehung.“

„Aber du wolltest Julia unbedingt?“, beharrte Erhard weiter auf einer konkreten Antwort des Paares.

„Ja, ich war vom ersten Augenblick von ihr begeistert.“

„War es bei dir Liebe auf den ersten Blick?“

„Könnte man so sagen“, gab Werner zurück.

„Es dauerte ungefähr zwei Monate bis wir uns zum ersten Mal allein getroffen haben“, nahm Julia die begonnene Erzählung wieder auf. „Werner war damals noch Student und in einem Wohnheim untergebracht. Er wohnte mit zwei Kommilitonen in einer WG und wir mussten uns auswärts treffen, denn ich wohnte noch bei meinen leider viel zu früh verstorbenen Eltern.“

„Ihr habt es euch nicht einfach gemacht“, meldete sich nun Christa zu Wort.

„Das ist richtig, aber es war gut so, denn so konnte sich unsere Liebe allmählich entwickeln und ich glaube, dass ist der Grund für unsere gute Ehe“, schloss Julia den Bericht.

„So, nun aber gut mit den alten Geschichten“, wollte Werner das Gespräch in eine neue Richtung lenken.

„Könnt ihr euch an unseren Urlaub in Zypern erinnern?“, fragte Lucy Weiland.

„Das war ein herrliches Erlebnis“, riefen die drei befreundeten Familien.

„Besonders der Sonnenbrand“, sagte Richard und alle mussten lächeln.

„Dich hat es besonders getroffen.“ Julia schaute Christa Lutter an.

„Daran erinnere mich gar nicht mehr.“

„Dennoch war es ein schöner Urlaub.“

„Es war toll und der Sonnenbrand war nach zwei Tagen völlig vergessen, aber ich wundere mich noch heute darüber, warum niemand von uns gespürt hat, dass es allmählich für unsere Körper zu heiß wurde“, überlegte Christa und schaute fragend in die Runde.

„Wir waren so in die Buddelei vertieft, dass wir hitzeunempfänglich wurden“, sagte Werner.

„Ihr müsst folgendes wissen“, sagte Julia an ihre Kinder gewandt, „in einer Entfernung von ungefähr zwei Kilometern von unserem Hotel befand sich eine stillgelegte Ausgrabungsstätte antiker Gegenstände, von denen es auf Zypern reichlich gibt. Wir wollten unbedingt ein Andenken von dieser Ausgrabungsstätte mit nach Hause nehmen und haben uns mindestens vier, eventuell sogar fünf Stunden in diesem Bereich aufgehalten, wobei wir nicht die Einzigen vor Ort waren. Zudem mussten wir den Heimweg von der Ausgrabungsstätte zum Hotel zu Fuß zurücklegen, da kein Bus fuhr. In Zypern gibt es keinen geregelten Busverkehr, die Busse fahren nach Gefühl, war unser Eindruck. Selbstverständlich waren keine großen Schätze mehr vorhanden, ansonsten wäre die Stätte nicht stillgelegt worden, aber dennoch fanden wir einzelne Scherben von möglichen Krügen oder Ähnlichem, die sich jedoch leider bei genauer Betrachtung durch einen Sachverständigen im Hotel als wertlos erwiesen. Dennoch haben wir einzelne Stücke mit nach Hause genommen und gelegentlich schauen wir diese Scherben wieder an, um uns an den schönen Urlaub zu erinnern. Es war gut, dass wir den Urlaub in unsere Frühjahrsperiode gelegt hatten, denn zu dieser Zeit war es noch einigermaßen erträglich, während in den Sommermonaten der Aufenthalt in Zypern dem Körper alles abverlangt.“

„Zum Sonnenbrand reicht es dennoch“, warf Erhard ein.

Die Zeit verging wie im Flug und das Servicepersonal schaute in den Räucherofen und stellte mit großer Genugtuung fest, dass die Räucherware fertig zum Verzehr war und bat die Gäste, sich jeweils ihren gewünschten Fisch auszuwählen.

„Sollen wir das alles essen?“, fragte Richard Wieland ungläubig.

„Selbstverständlich“, antwortete Werner mit einem Lächeln.

„Ich mache seit zwei Wochen eine Diät“, schmunzelte Richard.

„Davon weiß ich aber nichts“, staunte Lucy.

„Musst nicht alles wissen.“

„Wenn ich deinen Appetit in letzter Zeit betrachte, kann das nicht stimmen“, erwiderte Lucy und schaute mit einem energischen Blick in die Runde.

„Ich muss gestehen, du siehst nicht nach einer Diät aus, sondern wohlgenährt“, ergänzte Julia.

„Ich habe nicht gesagt, dass ich hungere.“

„Wir bereiten ihnen den Fisch zum Verspeisen vor und bringen ihn an ihren Platz“, sprach der Chef des Servicepersonals und wies seine Mitarbeiter entsprechend ein.

„Was wird mit dem Fisch, den wir nicht verzehren?“, fragte Richard erneut.

„Sie können sicher sein, dass alles verbraucht wird. Ihr Gastgeber hat alles schon bezahlt und Sie können sich sicher sein, dass alles verzehrt wird.“

„Das glaube ich ungesehen, aber nicht alles von uns“, gab Richard, welcher zuweilen sehr penibel sein konnte, zurück.

„Du kannst manchmal direkt peinlich sein“, sprach Lucy und schaute ihren Mann zurechtweisend an.

Die Geburtstagsfeier von Julia verlief sehr harmonisch und alle Gäste waren bester Stimmung und erzählten von gemeinsamen Erlebnissen beziehungsweise von Erlebnissen der letzten Zeit, sowohl im Berufsleben als auch im privaten Bereich und sie tauschten Zukunftspläne aus.

Nach einiger Zeit erhob sich Werner und sagte: „Ich werde versuchen, einen Fisch zu angeln.“

Die Anwesenden staunten und Julia sprach: „Willst du mit den Fingern angeln, da fängst du keinen Fisch.“

„Lass dies meine Sorge sein“, konterte Werner und lief zur Anlegestelle.

Werner Geisler hatte mit dem Eigentümer des Pavillons vereinbart, dass der eine Angel bereitstellt, ohne dass Werner angeln musste. Die Gäste beobachteten das Treiben von Werner an der Anlegestelle mit der bereitgelegten Angel und konnten sich sein Verhalten nicht erklären, aber sie wollten ihn nicht stören und hatten alle eine gewisse Vorahnung, dass Werner ein bestimmtes Ziel verfolgte. Nach einigen Minuten seines etwas konfus wirkenden Treibens hatte Werner ein Paket an der Angel und rief: „Schaut, was ich geangelt habe.“

Die Anwesenden blickten gebannt auf Werner und waren sich jetzt sicher, dass er für seine Frau eine weitere Überraschung geangelt hatte. Das Paket war nicht besonders groß und er lief damit auf Julia zu und bat sie: „Würdest du das Paket bitte für mich öffnen?“

Julia war völlig überrascht und schaute ihren Mann mit großen fragenden Augen an. Dann ergriff sie das Paket, welches in Silberpapier eingewickelt war. Sie schaute noch immer fragend Werner an, der mit einem Lächeln sagte: „Das Paket haben mir die Fische übergeben.“

Julia entfernte das Papier und hielt ein Schmuckkästchen in der Hand. Sie war von dem ganzen Geschehen dermaßen überrascht, dass ihre Finger zitterten und sie immer wieder zu Werner schaute. Schließlich gelang es ihr, das Kästchen zu öffnen, und der Inhalt versetzte sie in völliges erstaunen und nahm ihr fast den Atem. In dem Schmuckkästchen befand sich ein sehr wertvoller goldener Diamantring. Der große Diamant war in der Fassung von mehreren kleinen Diamanten umgeben. Julia starrte auf den Ring und suchte nach Worten, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, aber ihr fehlten anfangs die Worte. Immer wieder schüttelte sie den Kopf und ihr standen die Tränen in den Augen. Sie hatte schon immer viel Wert auf ihr Äußeres gelegt und sich Schmuck zugelegt, aber stets darauf geachtet, dass es finanziell in ihren Rahmen passte. Dieser Ring übertraf jedoch all ihre Wertvorstellungen. Die Freunde drängten Julia nicht, sondern hatten die Situation schnell begriffen und ließen ihr die erforderliche Zeit, ihr Glück zu begreifen.

Nach einiger Zeit sagte Julia, mit fast tonlosen Worten: „Du bist verrückt“, und starrte Werner an.

„Ich hoffe, dass ich dir eine kleine Freude bereiten kann.“

„Das ist der Wahnsinn.“

„Ich weiß, dass du gern Schmuck trägst, aber immer auf den Preis achtest.“

„Ich kann es kaum fassen.“

„Der Ring soll ein kleines Dankeschön für unsere gemeinsamen Jahre und deine große Aufopferung für unsere ganze Familie sein“, sagte Werner mit freudiger Stimme.

„Damit habe ich niemals gerechnet.“

„Dann habe ich es richtig gemacht“, strahlte Werner.

Plötzlich sprang Julia von ihrem Stuhl hoch, rannte auf ihren Ehemann zu und drückte ihn ganz fest an sich, wobei sie die Tränen nur mühsam verbergen konnte.

„Vielen, vielen Dank. Du bist ein wahrer Schatz und meine ewige Liebe“, flüsterte sie ihm ins Ohr.

„Ich liebe dich auch“, erwiderte Werner.

„Jetzt wird alles gut“, hauchte Julia.

Werner schaute etwas verdutzt und sagte: „Was meinst du?“

„Jeder kann ein kleines Geheimnis haben“, entgegnete Julia.

„Du sprichst in Rätseln.“

„Lass uns den Tag genießen und noch viele schöne gemeinsame Jahre“, lächelte sie Werner an, der noch immer, angesichts dieser rätselhaften Bemerkung von Julia, welche die Gäste nicht mitbekommen hatten, leicht irritiert wirkte, dies sich jedoch vor den Gästen nicht anmerken lassen wollte.

Zu späterer Stunde erhob sich Werner Geisler und sagte zu den Gästen: „Wir müssen jetzt aufbrechen, ansonsten verpassen wir die große Feier meiner Frau.“

„Welche Feier meinst du nun schon wieder?“, fragte Erhard.

„Wir fahren jetzt zurück nach Wendisch Rietz und ich bitte euch alle mit mir und meiner Gattin den schönen Tag im ‚Hotel am Hafen‘ ausklingen zu lassen. Ich hoffe, ihr gebt uns die Ehre.“

„Das Feiern nimmt ja heute überhaupt kein Ende“, warf Lucy ein.

Die Rückfahrt dauerte etwas länger, sodass die Geburtstagsgäste mit leichter Verspätung im Hotel „Seeblick 4“, wo bereits alles vorbereitet war und noch weitere Freunde und Bekannte warteten, eintrafen. Das Hotel war Anfang des Jahres 2000 umgebaut und von Grund auf renoviert worden.

Der Gastraum war für die Feier geschmückt und über der langen Tafel war in goldener Schrift eine 50 befestigt worden. Die Feierlichkeiten zogen sich bis in die späten Nachtstunden, sodass Werner und Julia Geisler, gemeinsam mit ihren Töchtern, erst in den frühen Morgenstunden in ihrem Wohnhaus eintrafen. Eigentlich wollten sie zu Bett gehen, aber alle waren von der Feier sehr aufgewühlt, sodass sie keine Ruhe fanden und beschlossen, einen gemeinsamen Waldspaziergang zu machen.

Tod auf der Massagebank

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