Читать книгу Herr Fuchs (86) kauft ein Auto - Joachim Kath - Страница 4

2. Kapitel: Hurra, das Auto ist da!

Оглавление

Zunächst kam schon am nächsten Vormittag eine umfangreiche Mail mit Anhängen vom Auto-Verkäufer. Natürlich im Grunde alles Sachen, die Herr Fuchs schon aus dem Gespräch kannte. Nur der Preis, der wurde schriftlich nicht genannt. Na ja, dachte er sich, die wollen sich nicht festlegen, sondern weiter pokern. Heute will sich niemand mehr festlegen, das kennt man ja. Dann, nur zwei Stunden später, rief der Verkäufer mit der frohen Botschaft an, das Auto gäbe es.

„Wo?“ fragte Herr Fuchs unterkühlt.

„Im Auslieferungslager!“ sagte der Verkäufer.

Einen Moment dachte Herr Fuchs darüber nach, ob er jetzt fragen sollte, in welchem Auslieferungslager. Denn das konnte ja überall sein. Sogar im Ausland. Die bauen schließlich in der ganzen Welt Teile und montieren alles zusammen, wo es wenig kostet. Aber dann dachte er sich, dass es egal wäre und fragte stattdessen: „Wie lange steht es dort schon auf Halde?“

„Ja“, sagte der Verkäufer, da sei er momentan leider überfragt.

„Gut!“ sagte Herr Fuchs, „dann stellen Sie am besten, bevor wir weiterreden, zunächst einmal fest, wann das Auto gebaut wurde, nicht nur in welchem Jahr, sondern in welchem Monat auch. Wenn das nicht zeitnah ist, können wir die Sache komplett vergessen. Denn vom Stehen werden Autos bekanntlich nicht besser und Reifen schon gar nicht. Sollten es aber nur sechs Wochen sein oder so, können Sie mir die Ausstattung per Mail zuschicken. Ich werde dann vergleichen, wie weit sie mit meiner Wunschliste übereinstimmt.“

„Das mache ich gerne!“ sagte der Verkäufer.

„Das Auto, von dem wir reden, ist keine Tageszulassung, sondern hoffentlich eine Neuzulassung?“ fiel Herrn Fuchs noch ein. Denn er wusste, dass die Händler gerne die Rabattrichtlinien der Hersteller unterlaufen, indem sie den Wagen auf sich selbst zulassen. Aber dann wäre er nicht mehr aus erster Hand, wenn er als Kunde ihn später wieder verkaufen will. Außerdem gibt es da noch die ominösen Vorführwagen, jedenfalls wollte Herr Fuchs sich nicht gerne vorführen lassen. Mit den Vorführwagen ist es nämlich so, dass es Autos sein können, die nur in der Ausstellung standen, aber auch solche, die für Probefahrten genutzt wurden. Und mit denen dann auch schon mal Leute herumgegurkt sein können, die nicht besonders pfleglich mit Gegenständen umgehen, die ihnen nicht gehören.

„Selbstverständlich! Absolut brandneu!“ beeilte sich der Verkäufer um Zustimmung.

Wie sich herausstellte, war es offenbar tatsächlich ein Neufahrzeug, auch wenn es 40 Kilometer auf dem Tacho hatte. Na ja, es war eben kein Bestellfahrzeug und sie hatten es irgendwo her besorgen müssen. Da wären kurze Strecken auf den eigenen Rädern üblich. Jedenfalls wurde hoch und heilig versprochen, alles sei perfekt in Ordnung und Garantie gäbe es auch. Nun, der Wagen war ohne Schiebedach, dafür jedoch mit einem Winterpaket, also einem kompletten Satz Winterreifen auf Alu-Felgen und einem Skisack. Eine Sonderaktion, die es jetzt nicht mehr gab. Wenn man großzügig war, konnte man ungefähr von einem Äquivalent sprechen. Doch allzu großzügig, wenn es um sein Portemonnaie ging, wollte Herr Fuchs beim Autokauf nun auch wieder nicht sein. „Okay!“ sagte er deshalb, ich denke wir können preislich zusammenkommen, wenn wir in der Nähe der vorher besprochenen Linie bleiben. Dazu gehört, dass für mein Auto der Preis fixiert wird und dieser Betrag von der Kaufsumme, die ebenfalls festgelegt wird, abzuziehen ist. Ich überweise ihrem Autohaus also nur die Summe, die dann auf der Rechnung steht.“

„Mein Chef meint, wir müssen wegen des anstehenden Service für Ihr Altauto zweihundert Euro von der Ankaufsumme abziehen!“ sagte der Verkäufer gequält.

„Ja!“ sagte Herr Fuchs, „und mein Chef zu Hause meint, ich brauchte überhaupt kein neues Auto, weil mein altes besser in Schuss wäre als ich. Mit anderen Worten, mein supergepflegter Gebrauchter ist mindestens einen Tausender mehr wert als Sie geboten haben. Also teilen wir uns den Spaß!“

„Das überfordert mich, so kommen wir nicht zusammen!“ sagte der Verkäufer.

„Kann ich mir das Auto, was Sie mir offeriert haben, denn einmal ansehen?“

„Das geht leider nicht, denn es muss erst geholt werden!“

„Ach, es ist immer noch nicht da? Sie wollen also, dass ich die Katze im Sack kaufe, oder? Da fällt mir ein, in ihrer Beschreibung sind die Alcantara-Sitze nur Stoffsitze, das bedeutet einen zusätzlichen Abschlag!“

„An den Seiten haben die körpergerecht geformten Sportsitze, die verbaut sind, Leder! Und elektrisch einstellbare Lordosen-Stützen auf den Vordersitzen haben sie auch. Da kann ich keinen Nachlass gewähren!“ sagte der Verkäufer.

„Der langen Rede kurzer Sinn“, sagte Herr Fuchs, „wir sind uns preislich nahe gekommen, aber wir haben noch eine Differenz von ein paar hundert Euro. Das ist nicht viel, in Relation zum Gesamtpreis, der für einen Haufen Blech horrend ist, aber es ist auch nicht so wenig, dass ich es ignorieren will. Sagen wir mal so: Es gibt ja zwei Reifensets auf Alufelgen, für Sommer und Winter, folglich muss einer eingelagert werden. Ganz nebenbei bemerkt, sind die Winterreifen bestimmt einen Zoll kleiner als die Sommerpneus, aber da der Tacho sowieso nicht genau geht, kann man das noch tolerieren. Früher habe ich den Reifenwechsel komplett selbst gemacht und die schweren Dinger an die Halter in meiner Garage auf- und abgehängt, transportiert oder sogar selbst montiert. Heute mache ich das alles nicht mehr, weil es meinem Rücken wenig behagt und Sie die gewiss gerne umsonst lagern, reinigen und auswuchten. Diese ganzen Spielchen!“

„Das machen wir gar nicht selbst, sondern das macht eine eigene Firma für uns zentral! Und die verlangt eine geringe Gebühr!“

„Aha, zu fein, zu dreckig, kein Platz, was immer. Outsourcing also auch im Autohaus! Und was als Preis gering ist, dabei werden unsere Meinungen sicherlich etwas auseinander sein. Gut, dann bekomme ich diese Lagerung der Pneus, wo immer sie stattfindet, für das erste Jahr kostenlos und dazu noch ein paar Fußmatten und wir sind annähernd quitt. Round about, jedenfalls!“

„Ich glaube schon, dass Sie ein versierter Autokäufer sind, lieber Herr Fuchs, aber sind Sie auch ein genauso versierter Fahrer. Ich meine, ist es nicht doch besser, wenn Sie eine Probefahrt machen, um sich ganz sicher zu sein? Verstehen Sie mich bitte richtig, ich ziehe ihre Fahrkünste nicht in Zweifel, sondern ein solches Auto, wie Sie sich ausgesucht haben, wird statistisch gesehen, eher von jüngeren Käufern bevorzugt!“

„Das Thema, wenn ich mich recht erinnere, hatten wir schon mal. Wenn ich einen Neuwagen kaufe, und ich habe bis auf das erste Mal, und das war während meiner Studentenzeit, als ich knapp bei Kasse war, was schon ein paar Jährchen her ist, als ich einen Gebrauchten direkt am Straßenrand gekauft habe, nie bei dem guten Dutzend neuer Autos, die ich erworben habe, eine Probefahrt gemacht. Ich lasse mich gerne positiv von den talentierten Ingenieuren der internationalen Autoindustrie überraschen. Außerdem bin ich selbst nicht nur lernfähig, sondern auch lernbereit!“

„Wirklich, verstehen Sie so viel von Technik?“

„Ich bin technikaffin, ohne das Geringste von Technik zu verstehen. Technik ist das Eine, Design das Andere. Ich bin ein leidenschaftlicher Anhänger der Mischung von Wissenschaft und Kunst. Ich kaufe kein neues Auto, das ich noch nicht mit eigenen Augen mehrmals und von allen Seiten auf der Straße stehend und fahrend gesehen habe. Dann weiß ich zumindest, dass es den Praxistest bestanden hat und mir optisch gefällt. Für mich ist gutes Design, wenn man nichts mehr weglassen kann.“

„Also gut, Sie überweisen die Restsumme und kommen mit Ihrem Altwagen, samt Brief und Schein um 10 Uhr hierher. Ich habe dann den Neuwagen vorbereiten lassen und nehme mir zwei Stunden Zeit, Ihnen alles im Detail zu erklären. Außerdem schicke ich Ihnen per Mail noch die Code-Nummer für Ihre Kfz-Versicherung, damit die alles ausstellen kann. Es reicht, wenn Sie die Unterlagen mitbringen, und ich kann dann gleich an dem Morgen das Fahrzeug zulassen.“

„10 Uhr ist gut! Morgens wird weniger gelogen als abends!

„Woher wissen Sie das?“

„Es gibt Studien, dass die Moral nach 17 Uhr dramatisch sinkt, nicht nur die Arbeitsmoral!“

„Also, wir sehen uns dann wie besprochen, Herr Fuchs!

„Moment, junger Mann. Ich will meine jetzige Autonummer behalten!“

„Ja, die Schilder montiere ich dann ab!“

„Genau, aber ich will neues Blech für das neue Blech!“

„Ist klar, nicht die alten Schilder, nur die alte Nummer! Alles in ein paar Minuten zu erledigen! Die Zulassungsstelle ist ja gleich gegenüber!“

„Wissen Sie übrigens, dass die Schildermacher oft Mieter der Zulassungsbehörden sind, oder auch umgekehrt. Genauso wie die Ärzte oft Mieter der Apotheker sind. Fällt mir nur gerade so ein!“

„Ja, und was ist schon dabei?“, fragte der smarte Verkäufer.

„Na ja, solche unsäglichen Verquickungen kann ich nicht leiden. Wenn ich so in der Presse lese, dass rund 90 Zulassungsstellen in Deutschland Mieter bei Schilderfirmen sind, dann fange ich an, mir Gedanken zu machen. Beispielsweise über den Wettbewerb und so“, sagte Herr Fuchs.

„Der Wettbewerb auf dem Automarkt ist jedenfalls beinhart!“ sagte der Verkäufer.

„Kein Wunder, es gibt in Europa erhebliche Überkapazitäten bei manchen Autobauern. Ich will Sie ja nicht langweilen, aber das Wachstum einzelner Marken in Ihrer Branche basiert auf unserem Kontinent ausschließlich auf der Verdrängung anderer Marken. Wachstum findet bei Autos nur noch woanders auf der Welt statt. Vor allem in Asien.“

„Die Besten setzen sich eben durch!“ sagte der Verkäufer.

„Das kann ich mir gut vorstellen, dass Sie auf Ihren Schulungen immer zu hören bekommen, dass Sie die Besten sind! Survival of the Fittest, das hat schon Darwin erkannt, und der Kapitalismus braucht die wenigen Reichen und die vielen Armen, um überhaupt zu funktionieren. Vermutlich nicht auf Dauer, wenn das soziale Ungleichgewicht nicht immer wieder irgendwie ausbalanciert wird. Unser Gesellschaftssystem hängt von der permanenten Steigerung ab – eine Sackgasse, wie vielleicht nicht mehr ich, aber vermutlich Sie noch erleben werden!“

„Mit Hartz IV-Empfängern und sozialen Randgruppen haben wir hier im Autohaus gar keinen Kontakt. Wohl aber gelegentlich mit Betrügern, Einbrechern und Dieben, die sich vorstellen können, Wertvolles zu erbeuten“, sagte der Verkäufer.

„Sie leben in Ihrem Glaskasten im Grunde in einer Luxuswelt. Dieser Glamour verführt jedoch manche Leute dazu, sich Karossen zu leisten, die sie gar nicht bezahlen können. Und dann leasen sie eben einfach, statt Verzicht zu üben.“

„Rund 60 Prozent unserer Kunden sind Leasingkunden“, sagte der Verkäufer.

„Glaube ich sofort! Heute will niemand mehr warten. Doch für Privatpersonen lohnt es sich nicht. In wenigen Schritten zum Traumwagen, kann in den Abgrund führen. Außerdem bekommt man bei seriösen Unternehmen keinen Leasingvertrag ohne Bonitätsprüfung. Es gibt zwar genug Anbieter am Markt, die angeblich jedem Interessenten sein Auto vor die Tür stellen. Doch erstens muss man das nicht glauben und zweites gibt es nicht so etwas wie ein kostenloses Mittagessen. Irgendjemand bezahlt immer, und der Dumme im Zweifel zu viel.“

Für Sie trifft das doch alles nicht zu, Herr Fuchs! Oder habe ich Sie missverstanden und Sie wollen gar nicht bar kaufen. Ich bin aber bei meiner Preiskalkulation von cash ausgegangen!“

„Keine Sorge! Mich interessieren nur die Geschehnisse über den Tellerrand hinaus. So ein Autokauf mag für Sie alltäglich sein, für mich kommt er bestenfalls alle paar Jahre vor und da weiß man gerne mehr über die Hintergründe.“

„Das finde ich auch ganz toll, Herr Fuchs! Das Sie sich für alles interessieren!

Wissen Sie, ich fahre gar nicht gerne Auto, aber wenn ich schon etwas ungern tue, dann wenigstens auf relativ hohem Niveau. Das ist wahrscheinlich dekadent und objektiv wäre es besser zu Fuß zu gehen, aber weiter als sieben Kilometer mag ich im Flachland nicht mehr laufen. Bis zu Ihrem Autohaus sind es jedoch 15 Kilometer, da komme ich ja nur knapp bis zur Hälfte.“

„Ja, Sie können aber mit der S-Bahn fahren oder ein Taxi nehmen!“

„Genau, das könnte ich, falls das Auto einmal zu einem Service muss, auf den man nicht warten kann, was jedoch niemals vorkommt, wie Sie mir sicherlich sofort versichern werden.“

„Nun, soweit würde ich nicht gehen, dass Autos niemals in die Werkstatt müssten, denn sonst hätten wir keine. Und den Teileverkauf brauchten wir auch nicht. Bei einem Neuwagen, wie Sie Ihn kaufen wollen, ist die Wahrscheinlichkeit schon relativ gering, dass Sie damit gleich eine Panne haben.“

„Ich weiß, die anderen Autos haben Pannen, aber Ihre Autos haben schlimmstenfalls Irritationen oder Vermissungserlebnisse. Oder wie nennen Sie das intern?“

„Wir sagen gerne außerordentliche Vorkommnisse!“

„Und die kommen selbstverständlich außerordentlich selten vor. Ich muss mir also nicht unbedingt ein OBD2-Diagnosegerät anschaffen, das zur Schnittstelle passt, oder? Die Dinger sind ja inzwischen erschwinglich, aber dass man damit auch die elektronische Wegfahrsperre aushebeln können soll, finde ich nun wieder nicht so lustig!“

„Was Sie alles wissen“, sagte der Verkäufer.

„Wusste ich es doch, dass Ihre Nobelmarke eine eigene Sprache kultiviert. Ist Ihnen bewusst, dass diese Sprachkultur dazu dient, keine Worte zu benutzen, die Kunden erschrecken könnten? Deshalb sind die Texte in der Automobilwerbung auch so nichtssagend und rund geschliffen. Das sind alles nur noch glatte Kieselsteine. Da ist davon die Rede, dass ich mobil lebe und denke. Was heißt das überhaupt? Und woher wissen die das? Vielleicht will ich das Auto nur besitzen und in die Garage stellen, weil ich eine habe und sie nicht leer stehen lassen möchte. Da wird davon gesprochen, dass mich meine Persönlichkeit auszeichnet. Ja, was denn sonst? Mein Aussehen etwa? Und das es schön ist zu wissen, dass man könnte, wenn man wollte, beispielsweise ins Gelände zu fahren. Ich will aber gar nicht, sondern finde es blöd, staubig, holprig und unbequem.“

„Ja, Herr Fuchs, man darf die Werbung nicht wörtlich nehmen!“

„Habe ich Ihnen schon erzählt, dass ich ein Motorrad habe?“

„Nein, haben Sie nicht - aber Sie fahren doch nicht etwa mit der Maschine, oder doch?“

„Natürlich nicht mehr, sie ist abgemeldet. Obwohl sie dringend darauf wartet, wieder in Gang gesetzt zu werden. Aber bisher bin ich standhaft geblieben und nur deshalb, weil ich Angst vor den vielen Autofahrern habe, die seit Jahren nicht beim Augenarzt waren.“

„Waren Sie denn schon dort?“

„Ja, mit Brille 100 Prozent Sehkraft!“

„Gratuliere!“

„Wenn das zu Ihrer Beruhigung beiträgt, ich fahre über sechs Jahrzehnte unfallfrei, was nur möglich ist, wenn man ausreichend Phantasie hat, sich vorzustellen, dass für Autos die physikalischen Kräfte nach wie vor auch gelten. Selbst mit diesem ganzen elektronischen Assistenzsystemen, die da angeblich eng vernetzt im Hindergrund arbeiten.“

„Glauben Sie etwa nicht daran?“

„Ich denke, Autofahren ist nicht unbedingt eine Sache des Glaubens. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob das für alle sich vermehrt ausbreitenden Gebiete gilt, auf die sich viele Menschen mit ihrer Seele heute bereit sind einzulassen. Denn unsere Seele ist zwar eine faszinierende Idee, aber eben auch nur ein Postulat, um psychische Vorgänge vom körperlichen Geschehen verständlich abzugrenzen.“

„Herr Fuchs, Herr Fuchs – ich habe die Befürchtung, Ihnen schon jetzt nicht ganz folgen zu können. Wie soll das erst werden, wenn ich Ihnen demnächst das neue Auto erklären soll?“

„Wieso, ein Auto ist doch nur ein Auto. Im Vergleich zum Universum und zum menschlichen Wissen geradezu ein äußerst simpel zu erklärendes Objekt auf vier Rädern, das nur einem einzigen Zweck dient. Ich muss es ja auch gar nicht im Detail verstehen, um damit fahren zu können. Wie mein Fernseher genau funktioniert, weiß ich auch nicht und kann trotzdem fernsehen.“

„Ja, das sagen Sie so einfach. Ich weiß nicht, ob Sie sich mit Computern auskennen. Die Vielfalt dessen, was es zu erklären gibt, ist heute beinahe grenzenlos!“

„Lieber Freund, ich war in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts dabei, als wir im Studium die ersten Roboter gebaut haben, die weiter nichts konnten als sich aus dem Weg zu gehen. Ich bin kein Freak oder Nerd, und es ist auch nicht so, dass mich die digitale Welt übermäßig in der Folge interessiert hat, aber ich denke mal, dass ich schon mehr als zehn verschiedene Rechner besaß und auch sogar bedienen konnte. Angefangen zu einer Zeit als so ein klobiger PC von IBM nur bestenfalls halbwegs Textverarbeitung beherrschte und eine Kugelkopfmaschine von derselben Firma genau das eigentlich schneller und sicherer erledigte. Sie haben einen Pionier des IT-Zeitalters vor sich, was schlimm genug ist, aber keine unlösbare Aufgabe.“

„Herr Fuchs, da bin ich mal echt gespannt! So einen wie Sie hatte ich als Kunden noch nicht!“

„Das freut mich, dass Sie mich aus Ihrer Kundschaft herausheben und zur unverwechselbaren Persönlichkeit erklären. Auch wenn ich mir über Ihre Motive nicht vollständig im Klaren bin. Freundlichkeit ist ja überhaupt der Kern jedes Salestrainings. Und sicherlich haben Sie schon mehr als einmal gehört, dass Ihr Erfolg von Ihrem Motivprofil abhängt.“

„Hören Sie auf, Herr Fuchs! Unsere sündteure Verkaufsschulung mit Spitzentrainern ist doch nicht so gemeint, dass die Kunden einem unter die Nase reiben sollen, was mit unserem angelernten Verhalten beabsichtigt ist.“

„Wie abgefahren im wahrsten Sinne des Wortes ist das denn? Verkäufer sollen doch heute gute Psychologen sein, oder habe ich da etwas missverstanden?“

„Ja, schon! Aber sie sollen nicht als solche gesehen werden, sondern als vertrauenerweckende Autoexperten, die nur das Beste für den Kunden wollen, der sich als König fühlen soll!“

„Das Problem ist dabei, dass ich nicht weiß, wie man sich als König fühlt. Auch wenn es Sie nachhaltig überraschen wird, ich war noch nie König. Noch nicht einmal Prinz. Ich bin überhaupt gegen die Monarchie. Von Ihnen als Autoverkäufer erwarte ich, dass Sie das Auto, das Sie mir verkaufen wollen, besser kennen als ich. Es muss nicht viel besser sein, aber ein bisschen mehr Detailwissen erwarte ich schon. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“

„Das ist mal ein klares Wort und wirklich nicht zu viel verlangt!“

„Der Kauf eines Autos in einer höheren Preisklasse beruht selbstverständlich sehr wesentlich auf einer narzisstischen Störung!

„Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass meine Kundschaft sich damit nur mehr Selbstbewusstsein beschaffen will!“

„Nicht alle, aber annähernd 100 Prozent! Es ist doch eindeutig, dass teuere Autos in unserer Ego-Gesellschaft fast ausschließlich von Narzissten gekauft werden!“

„Und Sie selbst schließen sich da nicht aus?“

„Natürlich nicht! Wenn ich in der Schule versagt hätte, wäre ich vielleicht auch Autoverkäufer geworden. Das Lächerliche meines Verhaltens bei diesem Kaufakt ist doch offenkundig. Oder können Sie mir sagen, wozu ich in meinem Alter diesen fahrbaren Untersatz brauche? Ich bin wirklich hier absolut beratungsresistent!“

„Das würde ich so deutlich jetzt nicht empfinden!“

„Nein, weil Sie es bei Ihren Kunden seit Jahren gewohnt sind! Die alten Säcke kaufen doch alle Autos, die zu ihnen passen wie blutjunge Geliebte. Sie würden doch nicht mit mir ein Schwätzchen am Telefon halten, wenn Sie nicht darauf trainiert wären, mir ein Auto zu verkaufen. Sie wollen mich überzeugen, aber ich bin schon überzeugt.“

„Das ist mein Job!“ sagte der Verkäufer etwas schmallippig.

„Da fällt mir ein: Tanken Sie das Fahrzeug voll, es lohnt sich bei mir noch! Dann brauche ich wenigstens nicht sofort nach ein paar Metern zur nächsten Tankstelle und die Zapfsäule zu ramponieren. Außerdem verwechsle ich dann nicht gleich Diesel mit Benzin.“

„Was rein gehört, steht auf dem Tankdeckel!“

„Ja, wenn man lesen kann! Aber die Benzinpistole passt in den Dieselstutzen, während das umgekehrt nicht der Fall ist. Tanken wird gefährlicher bei diesem Auto!“

„Servus, Herr Fuchs! Wir sehen uns wie besprochen!“ sagte der Verkäufer und legte auf.

„Gut, dass er jetzt nicht cool oder super gesagt hat“, dachte Herr Fuchs. Er mochte nämlich nicht, wenn sich Erwachsene der ultimativen Anbiederung an noch jugendlichere Kreise bedienten, als sie angehörten. Auch wenn er gelegentlich selbst in diese Kiste griff. Nein, man kann wirklich nicht behaupten, dass er in dieser Hinsicht konsequent war. Und hatte er tatsächlich so viel freies, nicht angelegtes Geld, um eine Überweisung in der notwenigen Höhe zu veranlassen? Schließlich hatte er mit einer mehrmonatigen Lieferfrist gerechnet, wollte aber, jetzt wo sein Fast-Wunsch-Auto physisch bereits existierte, auch nicht mehr länger warten. Vielleicht könnte ihm die Bank … nein, die leihen so betagten Leuten nichts mehr, es sei denn, sie brauchten nichts und könnten das wasserdicht nachweisen. Und Privatleute, die anderen Privatleuten Geld leihen, sind zu gutmütig. Solche Dummen kannte er nicht. Irgendwie würde er die Summe von verschiedenen Konten schon zusammenkratzen. Wegen seiner Vorfreude hatte er die Finanzierung völlig aus seinem Blickfeld verloren.

Herr Fuchs (86) kauft ein Auto

Подняться наверх