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Akademievortrag im Erbacher Hof vom 17.01.2008
ОглавлениеEs ist für mich eine große Erleichterung, dass aus philosophischem Blickwinkel vorgetragen werden soll, denn man wird feststellen, dass ich kein Theologe und erst recht nicht in der kritischen Bibelexegese bewandert bin. Ich werde nun möglichst schnell mit meinen Untersuchungen und Darlegungen anfangen, denn das Buch ist ja erstens ziemlich dick und zweitens ist es auch schwierig. Und zwar schwierig deswegen, weil das eigentliche Problem, das der Papst sich stellt, ist, dass man den historischen Jesus vorbringen will, und zwar als den, der der Sohn Gottes war. Das ist das Entscheidende: Es dreht sich darum, zu sehen, dass er göttlich war. Ich zitiere nun zunächst aus dem Vorwort, da entwickelt der Papst dies alles. Die eigentliche Schwierigkeit der Sache liegt am Anfang. Deswegen lese ich jetzt auf Seite 10 den allerersten Satz:
„Zu dem Jesus-Buch, dessen ersten Teil ich hiermit der Öffentlichkeit vorlege, bin ich lange innerlich unterwegs gewesen.“ Also ungefähr 40 Jahre – „In meiner Jugendzeit – in den 30er und 40er Jahren – hatte es eine Reihe begeisternder Jesus-Bücher gegeben […] In all diesen Büchern war von den Evangelien her das Bild Jesu Christi gezeichnet worden, wie er als Mensch auf Erden lebte, aber – ganz Mensch – doch zugleich Gott zu den Menschen trug, mit dem er als Sohn eins war.“1 Das ist also das eigentliche Problem, das der Papst sich hier stellt, und er sagt jetzt2: Nachdem ich etwas älter geworden war – sagt er von sich selber – wurde ich mit dieser historisch-kritischen Bibelexegese konfrontiert und habe deren verheerende Wirkungen miterlebt. Nun hat es diese historisch-kritische Bibelexegese auch vorher schon gegeben, aber vielleicht hat der Papst sie nach dem Krieg in intensiver Weise zur Kenntnis genommen und dann gefunden, was diese historisch-kritische Bibelexegese angeht (das steht auf Seite 11): „Als gemeinsames Ergebnis all dieser Versuche ist der Eindruck zurückgeblieben, dass wir jedenfalls wenig Sicheres über Jesus wissen und dass der Glaube an seine Gottheit erst nachträglich sein Bild geformt habe.“ Er will nun auf den historischen Jesus zu sprechen kommen, indem er annimmt, dass sich diese kritische Bibelexegese überhaupt nicht wirklich mit dem historischen Jesus beschäftigt, sondern mit etwas, das lediglich der Gegenstand dieser Wissenschaft ist und nicht eigentlich die Sache. Das ist das Entscheidende an diesem Buch, und auch das Schwierige, denn auf welche Weise will man nun zeigen, dass Christus das Göttliche selbst in sich inkarniert? Das ist die eigentliche Schwierigkeit, nicht die historischen Bibelexegesen. Wenn diese keine besonderen Schwierigkeiten gefunden hätten, bliebe immer noch die Frage: Warum ist er denn nun eigentlich Gott? Da zeigt sich die philosophische Einstellung, die dem Ganzen meiner Meinung nach zugrunde liegt, sie ist das Eigentliche, das ihn bewegt: Kann man es wirklich historisch feststellen, dass hier Göttlichkeit stattgefunden hat? Und das kann er bei den historischen Bibelinterpreten nicht finden. Dazu lese ich im Anhang auf der Seite 409 auch wieder den ersten Satz – das Kapitel heißt Literaturhinweise: „Wie im Vorwort ausgeführt, setzt dieses Buch die historisch-kritische Exegese voraus und bedient sich ihrer Erkenntnisse, will aber selbst diese Methode überschreiten auf eine eigentlich theologische Auslegung hin.“ Die theologische Auslegung ist das, was ihm fehlt. Das Entscheidende ist, dass sie theologisch sei. Die andern waren keine wirklichen Theologen, sie waren Historiker, die das Theologische, um das es ging, nicht erkannt haben. Das wird also auf Seite 409 gesagt, und dazu lesen wir im Vorwort auf der Seite 14: „…für den biblischen Glauben ist es wesentlich, dass er sich auf wirklich historisches Geschehen bezieht.“ Das sagt er gegen das vorher Gesagte, dagegen, dass man Jesus das Göttliche nur sekundär, sozusagen als etwas, das diese Exegeten entdeckt haben, zuschreibt: Es findet eine Verkündigung statt, und man lässt den historischen Jesus auf sich beruhen. Im Grunde war er nur ein Mensch, und es gab noch eine Verkündigung. Das ist das, was den Papst ärgert. Zu Recht, nicht!
„…für den biblischen Glauben ist es wesentlich, dass er sich auf wirklich historisches Geschehen bezieht. Er erzählt nicht Geschichte als Symbole über geschichtliche Wahrheiten“ – also dass sie noch eine höhere Einsicht über etwas rein Weltliches haben müssten, das der Theologe, der historisch vorgegangen ist, dann selbst entwirft – „sondern er gründet auf Geschichte, die sich auf dem Boden dieser Erde zugetragen hat. Das Factum historicum ist für ihn nicht eine auswechselbare symbolische Chiffre, sondern konstitutiver Grund: Et incarnatus est.“3 Jesus ist Leib geworden, er ist ein leiblicher Mensch geworden, das ist das, was er sagt: Wir müssen davon ausgehen, dass er leiblich da seiender Mensch ist und dürfen nicht darüber hinweg gehen und sagen: Jetzt behandeln wir den leiblich da seienden Menschen einfach nur als Menschen und nicht als den, der der Sohn Gottes genannt werden kann. Er sagt in seinem Buch, eigentlich hat Jesus von Nazareth sich selbst immer des Menschen Sohn genannt. Sohn Gottes kommt nur im letzten aller Evangelien, dem zeitlich spätesten, nämlich beim Johannes vor. Sonst heißt es: der Menschensohn. Des Menschen Sohn. Des Menschen Sohn. Das ist eine interessante Sache.
Hier ist das Entscheidende für uns: Et incarnatus est. Er ist leiblich da. Incarnatus heißt im Fleische, leiblich anwesend, „– mit diesem Wort bekennen wir uns zu dem tatsächlichen Hereintreten Gottes in die reale Geschichte. Wenn wir diese Geschichte wegschieben, wird der christliche Glaube als solcher aufgehoben…“4 – im christlichen Glauben geht es um das Et incarnatus est – Gott ist Leib geworden, ist als leiblich da seiender Mensch anwesend gewesen. Das wäre das Entscheidende, worum es dem Papst geht – das ist offenbar der geheime Elan, der in dem Buche steckt, und das haben die andern überhaupt nicht gesehen. Vor allem nicht die Verfasser der begeisternden Jesusbücher in seiner Jugend, nicht nur die Kritiker, die doch eine gewisse Forscherintensität gezeigt haben, sondern die Autoren dieser begeisternden Bücher haben es nicht gezeigt. Ich habe einen guten Freund gehabt, der vor einigen Jahren verstorben ist, ein Franzose, der sich mit Philosophie und Religion befasst hat, Edmond Ortigues5 hieß er. Er hat diese Art Bücher tableaux poétiques, dichterische Gemälde genannt. Solche dichterischen Gemälde hatte man da, und Sie sehen, Papst Benedikt geht, ganz mit Recht, auch nicht historisch vor. Das steht nicht in der Einleitung, sondern ist meine philosophische Einsicht. Wenn ich den Herrn in schönen Bildern rhetorisch und schmeichelnd darstelle, dann ist das genauso schlecht wie die historische Exegese auch, wenn sie darüber das Et incarnatus est vergisst. Denn darauf kommt es an, und das macht die Sache so schwierig. Ich will es mir erlauben, mich dazu philosophisch zu äußern, um die Bemerkung durch den philosophischen Blickwinkel zu rechtfertigen (wobei ich annehme, dass die konfessionellen Unterschiede so minimal sind, dass man darüber in Hinsicht auf den Papst überhaupt nicht zu reden braucht. – Das sage ich als Mensch). Philosophisch ist die Sache so: Papst Benedikt ist ein Vertreter der modernen Bewusstseinshaltung. Es ist keineswegs anzunehmen, dass er so wie der Heilige Augustinus oder der Heilige Bernhard denken würde, das findet hier nicht statt. Sondern was stattfindet, ist, dass wir hier jemanden haben aus dem 20. oder 21. Jahrhundert. Und dieses 20. und 21. Jahrhundert, das müsste nun in seiner allgemeinen Bewusstseinshaltung charakterisiert werden. Das versuche ich nun, indem ich mich auf Kant beziehe.
Kant hat gezeigt, dass der reine Religionsglaube ein rein intelligibles Ereignis ist, wie er sich ausdrückte: ein reines Vernunftereignis, das keinerlei Beziehung zu den Geschehnissen in Raum und Zeit hat. Vielmehr sind wir als Menschen so beschaffen und so veranlagt, dass wir in uns diesen intelligiblen Glauben – jedenfalls der Anlage nach – tragen und diesen intelligiblen Glauben als das eigentlich unser Existieren ausmachende Wirkliche erfahren. Alles andere, was nachher noch dazu kommt, was in Raum und Zeit erlebt wird, ist irrelevant. Kant sagt daher: Wenn das Glaubensereignis rein intelligibel ist, dann brauchen wir auch keine göttliche Offenbarung in der Welt, nämlich im Raum und in der Zeit. Hierüber kann ich mich jetzt nicht in extenso äußern. Aber das ist klar: Der intelligible Glaube betrifft die Realität als solche des Menschen, und was wir hier in Raum und Zeit erleben, das ist, was Kant bloße Erscheinung nennt. Erscheinung – das müsste man philosophisch erörtern, was wir hier nicht in extenso machen können – bedeutet für unsere Erkenntnis, dass wir im Grunde immer Skeptiker, Zweifler, misstrauisch in Bezug auf das, was wir erleben und erfahren, sein müssen. Man kann zum Beispiel nicht wirklich zwischen Wahrnehmung und Einbildung unterscheiden, zwischen Traum und Wachsein, oder, wie Goethe meinte, zwischen Wahrheit und Dichtung; wobei das aber bei Kant bedeutet, dass, ganz egal, ob ich von Wahrheit oder von Dichtung rede, alles miteinander unter die Skepsis fällt. Kant hat das in Bezug auf die Welt untersucht: Man weiß nicht, woher die Welt kommt, man weiß nicht, was die Materie ist, man weiß nicht, was Zeit eigentlich ist, dieses Aufeinanderfolgen. Das alles ist unbekannt, aber innerhalb dieses Skeptizismus kann man Wissenschaft betreiben, wenn man sich dessen bewusst ist, dass das Ganze dem Skeptizismus völlig unterworfen bleibt und durch all diese Wissenschaft nicht geändert wird. Das ist eine schöne Einsicht, die der Papst natürlich auch realisiert hat, weil er ein moderner Mensch ist und als moderner Mensch die Kirche führt. Aber er meint nun, der Fehler bei Kant war zu meinen, er könnte die Erscheinung in Raum und Zeit von dem intelligiblen Ereignis, also von dem, was er meinetwegen den reinen Gottesglauben nennt, trennen. Und man könnte sagen, ja, wir haben dieses intelligible Ereignis, aber mit unserm Dasein in Raum und Zeit hat es nichts zu tun. So hört sich das bei Kant in der Tat im Wesentlichen an. Dagegen sagt nun der Papst: Dieses Selbstverständnis, das der Mensch von sich in seinem Verhältnis zu Gott und in seinem Verhältnis zu den andern Menschen hat, dieses Selbstverständnis findet überhaupt nur in der Zeit und im Raum statt. Und zwar so – das macht seine moderne Bewusstseinshaltung aus –, dass es in der Skepsis stattfindet: Man weiß nicht, was das überhaupt ist. Das macht aber nichts – weil das intelligible Ereignis nämlich davon nicht betroffen wird, wenn ich auch jetzt nicht weiß: Wo komme ich her, wo fahre ich hin? Jesus hat ja immer gesagt, wir Menschen sollen uns nicht unnötig mit dem Tod befassen; für ihn selbst galt das nicht, darauf komme ich noch. Das ist also die Situation, die ich hier herausstellen muss: Ich habe den Glauben in einer Welt, von der ich nicht eigentlich weiß, was das ist. Und in dieser Welt, von der ich nicht eigentlich weiß, was das überhaupt ist, in deren Milieu, im Milieu der Skepsis, stelle ich das Et incarnatus est fest. Da war er auch da, genauso erbärmlich wie wir, die wir nämlich über Geburt und Tod gar nichts wissen, und dann doch noch meinen, es wäre alles ganz klar.
Das war also die Seite 14, und nachdem wir das soweit gesehen hätten, können wir auf die Seiten 15 bis 16 zu sprechen kommen. Für Benedikt verhält es sich so: Das Et incarnatus est bleibt. Und das macht gerade die große Schwierigkeit aus: Dass es etwas ist, von dem wir nicht eigentlich wissen, was es ist, das uns aber alle und natürlich den Menschen Jesus auch betrifft. Das möchte ich jetzt behandeln. Da sehen Sie die ganze Schwierigkeit: dass ein Mann 40 Jahre über dieses Problem nachdenkt, nachher zum obersten Hirten der katholischen Kirche erhoben wird und damit nicht aufhört, sondern sagt, ich will dem jede freie Stunde widmen. Das ist schwierig zu verstehen, wenn sie das mit dem Üblichen vergleichen. Das ist ein außergewöhnlicher Mann, das zeigt sich an dem Ernst, mit dem er dieses Buch geschrieben hat und daran, dass er sagt, ich bin damit immer noch nicht fertig. Darauf möchte ich auch noch zu sprechen kommen, was er damit sagen will.
Das Vorwort gibt den eigentlichen Einblick in das Anliegen, denn er sagt nun: Meine Methode ist die theologische, die theologisch begriffene historische Methode. Und dazu gibt er in großer Bescheidenheit einige methodische Hinweise, in denen er sich gar nicht mit negativen Bemerkungen auf die andern Interpreten bezieht, sondern sagt: Das ist alles sehr nützlich, aber ich will die theologische Auslegung durchführen. Und wie stellt sich das dann dar? Dazu sagt er: „Die historische Methode“ – die er nun hier vertritt – „muss ihrem Wesen nach das Wort in der Vergangenheit belassen.“ – muss ihrem Wesen nach das Wort in der Vergangenheit belassen… „Soweit die historische Methode sich treu bleibt, muss sie das Wort nicht nur als vergangenes aufsuchen, sondern auch im Vergangenen stehen lassen.“ Da würde ich nun sagen, dass es sich hier um philosophische Überlegungen handelt: Vergangenheit. Sehen Sie, häufig wird über die Zeit gesagt: Das ist dieser ewige Fluss, von Moment zu Moment, von Augenblick zu Augenblick, eine unendliche Reihe… Die Vergangenheit stellt das aber nicht dar, die Vergangenheit ist bleibend! Und auf die Weise dieses Bleibenden erfahren wir etwas, was, unabhängig von diesem Fluss, eine Geltung in sich selbst hat. Und das bezieht der Papst nun hier – ich kann wie gesagt nicht alles ausführlich bringen – auf das Entscheidende: „Diese historische Methode setzt die Gleichmäßigkeit des Geschehenszusammenhangs der Geschichte voraus, und deshalb muss sie die ihr vorliegenden Worte als Menschenworte behandeln.“ Das ist also der Punkt zwei, der für uns entscheidend ist: Jesus ist entscheidend als der Sprechende. Sobald ich mittels der historischen Methode dazu komme, dass das keine Worte von Jesus sind, ist das für mich nicht interessant. Aber wenn ich sagen kann: Ja, der, der sich damit befasst hat, dem ging’s um den sprechenden Jesus, um das Wort Jesu, dann ist das die eigentliche Erfüllung der Bedeutung der Vergangenheit. Die angemessene Methode ergibt: Die Vergangenheit bleibt. Während die bloß historische Methode – erst war das und dann das und dann das, das geht dann immer so weiter – den Papst nicht interessiert. Vergangenheit: Gut, davon kann man auch ohne den Glauben handeln. Aber dann kommt das Wort. Das Wort muss auf die Weise dieser Vergangenheit verstanden werden. Und dann kommt das Dritte, das ich hier auch noch bringen will, es muss auf die Weise der Intelligenz verstanden werden, auf die Weise dessen, was er auch die historische Vernunft nennt. Das steht auf Seite 18: „…die christologische Hermeneutik, die in Jesus Christus den Schlüssel des Ganzen sieht und von ihm her die Bibel als Einheit zu verstehen lernt, setzt einen Glaubensentscheid voraus und kann nicht aus purer historischer Methode hervorkommen.“ Das habe ich mich also bemüht, mit der philosophischen Betrachtung zu zeigen: Bei Kant gibt es den reinen intelligiblen Religionsglauben, so wie bei Benedikt auch, bloß dass er sagt: Dieser Glaube muss in der Welt realisiert werden. Dass ich diesen Glaubensentscheid habe, kann ich durch nichts Weltliches erklären, ich kann ihn zum Beispiel nicht anerziehen und sagen: „Du musst schon im Kindergarten… – die Heilige Schrift usw. – kennenlernen, dann in der Schule…“ – das geht immer so weiter – „du wirst immer gläubiger“… – das ist nicht möglich, weil das intelligible Ereignis unabhängig ist von allem, was in Raum und Zeit ist, obwohl es dadurch gefördert werden kann. Aber zuallererst ist es der Glaubensentscheid, der durch die historische Methode nicht erreicht wird. Und in diesem Glaubensentscheid muss ich nun das Wort als das verstehen, was als das Sprechen des Menschen diese Vergangenheit, in der ich es verstehen muss, mit ihrem eigentümlichen theologischen Sinn erfüllt. Sie sehen, da kann man sagen, dass das auch Luthers großes Anliegen gewesen ist: Das Wort sie sollen lassen stahn. (Die Unterschiede zwischen den Konfessionen lassen wir meiner Meinung nach beiseite, das lohnt nicht.) In dieser Situation kommt es allein auf den sprechenden Jesus, der zu den Menschen gesprochen hat, an. Und diesen Glaubensentscheid, den wir da haben, den müssen wir verstehen, und dazu sagt Papst Benedikt: „Dieser Glaubensentscheid trägt Vernunft – historische Vernunft – in sich und ermöglicht es, die innere Einheit der Schrift zu sehen und so auch ihre einzelnen Wegstücke neu zu verstehen, ohne ihnen ihre historische Originalität zu nehmen.“ Wenn Sie also z.B. bei der Bibelkritik Moses haben, dann sehen Sie, dass die ersten Schriften über Moses 500 Jahre, nachdem Moses wirklich gelebt hat, entstanden sind, dass sie ständig überarbeitet wurden usw., dass man gar nichts Sicheres wissen kann. Das ist aber für ihn gar nicht interessant. Denn Jesus unterscheidet sich von Moses, obwohl er sich von Moses her versteht, durch das Wort, durch das Wort spricht sich der sprechende Mensch aus dem intelligiblen Glauben in der Zeit aus. Und auf dieses Wort müssen wir hören. Und wenn wir das Wort als Wort verstehen wollen, dann brauchen wir historische Vernunft, und die folgt aus dem Glaubensentscheid. Und das Wort „historische Vernunft“ ist natürlich ein Zeichen, dass der Autor Kantianer ist. Das ist natürlich für mich eine schöne Entdeckung: Der Papst ist selbst Kantianer. Gar kein Zweifel! Also, er nennt das historische Vernunft, das gibt es bei Kant auch, aber das Entscheidende bei Kant ist das, was dem entsprechen würde, die Seelenschönheit.6 Denn das Intelligible, das vor allem Raum und vor aller Zeit ist, kann den Menschen doch innerlich gestalten, und daraus ergibt sich dann so etwas wie Seelenschönheit, und die zeigt sich auch auf die Weise des Schreibens von Büchern. Auch das ist bei Kant und beim Papst dasselbe, auch Kant ist sozusagen über seinen Schriften gestorben, wobei das Problem immer das des Übergangs ist. Wie komme ich vom Intelligiblen in den Raum und in die Zeit hinein? Beim Papst ist das Entscheidende das Wort Jesu. Das verstehe ich in historischer Vernunft und dadurch in dem großen Zusammenhang der Verheißung, die an das Volk Gottes von Anfang an, nach der Bibel, gerichtet ist. Ich darf vielleicht gleich noch hinzufügen, dass es eine Anstrengung bedeutet, sich in dieser Einstellung zu erhalten; das nennt er hier die Einsicht darein, dass unser historischer Glaube immer den Charakter der Hypothese haben muss. Von Hypothesen hat man natürlich auch sonst bei der Geschichtswissenschaft gesprochen. Hier aber dreht es sich darum: Man muss dieses Unendliche auf die Weise und in dem Material ausdrücken, das an und für sich dem Skeptizismus unterworfen bleibt.
Ich will vielleicht, damit es sich nicht zu sehr auf mich allein bezieht, noch ein paar Bemerkungen über andere Stellungnahmen hinzufügen, zum Beispiel wird über Stegemann gesagt, dass der Professor für Neues Testament Benedikt XVI. in dem Anliegen unterstütze, nach dem historischen Jesus zu suchen, auf den sich die Christenheit beruft. Das sei schon immer das Anliegen der Jesusforschung gewesen. Allerdings betont Stegemann, dass niemand wisse, wie Jesus wirklich war, auch nicht der Papst. Wie jeder andere Jesus-forscher vor ihm konstruiere auch der Papst lediglich, wie Jesus aus seiner Sicht gewesen sein könnte, er sehe daher nicht, dass das Buch Befreiung von den Nachteilen der Jesusforschung bringe; Jesusbücher seien Konstruktionen ihrer Autoren.7 Stegemann scheint also ein tüchtiger Mann zu sein, ich habe da keine Kenntnis, weil ich nicht in diesem Bereich tätig bin. Da wollen wir vielleicht noch etwas über ihn hören: „Der evangelische Neutestamentler Stegemann kritisiert Josef Ratzingers Behauptung, der historische Jesus sei identisch mit dem Jesus der vier Evangelien. Der Papst behandelt die Evangelien als historisch zuverlässige Quelle über den historischen Jesus.“ Ein anderer, den wir hier haben, heißt Ohlig: Der biblische Kanon biete eine Sammlung unterschiedlicher Texte unterschiedlicher Gattungen und Abfassungszeiten, und divergierender Theorien, die zuerst gewürdigt werden müssten: „Nicht die historisch arbeitenden Exegeten zerstören die Gestalt Jesu, sondern das Problem ist vielmehr die Quellenlage selbst.“8
Also wenn Sie diese Stellungnahmen mit dem vergleichen, was ich vorher gesagt habe, so kommt es darauf überhaupt nicht an. Denn der Skeptizismus bleibt. Wir handeln von uns selber in einem Milieu, das dem Skeptizismus unterworfen ist und in dem wir nicht wissen, woran wir eigentlich sind, und in diesem Rahmen machen wir nun munter darauf los. Es ist also egal, ob die Quellen nun so viel besser sind oder so viel schlechter, das Entscheidende für den Papst ist die Vergangenheit, das Wort Jesu, und die intellektuelle Anstrengung der historischen Vernunft, die nun die Vergangenheit durch das Wort Jesu versteht. Er sagt: In diesem Sinne verstehe ich das, was in der Bibel niedergelegt ist, in diesem Sinne lese ich das.
Nun will ich Ihnen das doch einmal bei der „Hochzeit zu Kana“, von der handeln die Seiten 293–298 des Buches, dokumentieren, damit Sie sehen, wie das von mir, als einem, der nicht eigentlich Theologe ist, verstanden wird. Das Johannesevangelium ist das letzte der Evangelien. Es ist, in zeitlicher Hinsicht, später als die andern, die sogenannten Synoptiker: Matthäus, Markus und Lukas, erschienen. Und da hat Johannes ein Wunder Jesu gefunden, das das erste Wunder Jesu sein soll, und das heißt: Die Hochzeit zu Kana.
Man muss ja unterscheiden zwischen einem gläubigen und einem nicht mehr gläubigen Teil der Bevölkerung. Ihnen wird es ja meistens bekannt sein, was für ein Wunder das hier beschriebene ist. Insofern man das nach historisch-analytischer Methode ernst nehmen kann, möchte ich nur sagen, dass es ganz unwahrscheinlich ist, dass dieses erste Wunder großen Wirbel erzeugt habe, und die Synoptiker, die älter sind und früher dran waren, wüssten davon gar nichts. Die Hochzeit von Kana ist ein späterer Text. Aber das soll jetzt für uns egal sein. Wir sagen: Auch dem Johannes, so müssen wir das verstehen, ging es um das vergangene Dasein Jesu, nach seiner Auferstehung hat er geschrieben, Auferstehung ist auch wieder etwas, das man nicht versteht, aber es sei nachher gewesen, und er hat da Jesus als den Sprechenden aufgefasst. Darum muss es jetzt für uns gehen. Hier habe ich dann also eine Lutherbibel9, um auch einmal das Lutherische zu betonen. Daran hat mich geärgert, dass es heißt Lutherbibel, obwohl ich überall feststelle – das ist mein Sprachgefühl –, dass da Verbesserer dran waren, die das alles besser auszudrücken wussten als das, was Luther ursprünglich geschrieben hat. Merkt man sofort, wie man von dem bedeutenden Mann herabsinkt, zu den Verbesserern. Kann man nichts machen. Also das steht im zweiten Kapitel:
Und am dritten Tag ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen. Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein. Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt nach der Weise der jüdischen Reinigung, und ging in je einen zwei oder drei Maß. – Der Papst teilt mit, dass das so ungefähr 500 Liter je Maß gewesen sind – Jesus spricht zu ihnen: Füllet die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpfet nun und bringet’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s. Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wusste nicht, woher er kam (die Diener aber wussten’s, die das Wasser geschöpft hatten), ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit.10
Also da hätten wir so ein Wunder, das sich besonders zur Untersuchung anbietet. Es ist klar, wenn wir uns innerhalb der Skepsis so ausdrücken, dass es weitgehend ein Produkt der Einbildungskraft ist. Kant hat in solchem Zusammenhang von der produktiven Einbildungskraft gesprochen11, nämlich der, die keine Wahrnehmung braucht, um doch gegenständlich fassen zu können. Das ist interessant, auch bei der Seelenschönheit verhält es sich so, ich brauche keine Wahrnehmung wie zum Beispiel die, dass wir jetzt hier sitzen und miteinander sprechen usw., sondern es gibt auch eine produktive Einbildungskraft, durch die das, was wir im Raum und in der Zeit erleben, so sagt Kant, in Richtung dieser Seelenschönheit, die zugleich moralisch und ästhetisch ist, umgewandelt wird.12
Sie sind jetzt also auf der Hochzeit, und es gibt keinen Wein mehr, die Mutter Jesu spricht: Sie haben nicht Wein. Stellen wir uns doch diese Situation in der Vergangenheit vor: Erstens hat sie der Evangelist Johannes auch schon in der Vergangenheit niedergeschrieben, und wir verstehen das, was in der Vergangenheit geschrieben wurde, noch einmal in der Vergangenheit. Die Mutter sagt, sie haben nicht Wein. Da hätten Sie etwas, was ich sonst bei meiner Lektüre in den Evangelien nicht finde, das ist sozusagen ein Hinweis, der eine Anweisung ist: Sie haben nicht Wein. Und nun müssen wir uns das in dieser Vergangenheit vorstellen, das Sprechen, was ist das Bleibende darin? Nun, da können wir sagen, das, was wir eigentlich so schön besprechen wollten: Der Sohn ist da, Sohn, dieses Bewusstsein von Sohnschaft, die ja hier überhaupt eine besondere Rolle spielt, und hier ist es die Mutter! Die Mutter spricht zu ihrem Sohn: Sie haben nicht Wein. Darauf fährt er sie an und sagt: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Natürlich! Warum? Denn: Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Er hat sich auf diese Hochzeit und diese Feier gar nicht einstellen können, weil ihm seine individuelle Existenz hier auf dieser Hochzeit immer zugleich etwas ganz anderes bedeutet, das ihn, obwohl er einzelner Mensch ist, erfüllt. Und er drückt das dadurch aus, dass er darauf hinweist, dass er bald und zwar sozusagen in Erfüllung des göttlichen Ratschlusses, wird sterben müssen und von anderen Menschen zu Tode gebracht werden. Das ist also die Antwort des Sohnes auf die Mutter. Die Mutter ist nun die Mutter, sie hat das Verhältnis der Mutter zum Kind, der Mutter zum Sohn, der Sohnschaft. Und sie sagt infolgedessen zu den andern, den Dienern: Was er euch sagt, das tut! Sie wusste also genau, dass der Sohn seine Meinung ändern wird. Woran liegt es nun, dass er seine Meinung geändert hat? Weil der Herr, nachdem er als Mensch, als leiblicher, aufgebraust ist, das erkennt: Zum Leben gehört das Feiern, gehört besonders die Hochzeit, speziell im jüdischen Bereich natürlich dieses Erzeugen von Nachkommen, dazu. Das hat die Mutter nun ganz naiv von ihm verlangt und infolgedessen sagt er: Ich tue doch etwas.
Das ist die Situation, er macht tatsächlich etwas und spricht: Füllet die Wasserkrüge mit Wasser, füllt sie bis obenan, schöpfet nun und bringt es dem Speisemeister, und sie brachten es. Der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war und wusste nicht woher er kam, die Diener aber wussten es, weil sie es geschöpft hatten. Der Speisemeister ruft den Bräutigam… – die Diener wussten es; ich habe jetzt hier, weil ich mich kurz fassen muss, die Stellen überschlagen, an denen die besondere Würde, die Macht und Vollmacht, mit der Jesus spricht und die von den Leuten erfahren wurde, in den Evangelien beschrieben wird. Es war auch bei diesen Dienern hier so, sie haben da in einer Weise etwas erfahren, dem sie sich gar nicht zu widersetzen getrauten, und sie kamen auch gar nicht auf die Idee, sich dem zu widersetzen. Der Speisemeister war aber nicht dabei gewesen. Der merkt nur, dass die Situation anders ist, dass da irgendwie etwas merkwürdig ist und wendet sich deshalb an den Chef, dem er sagt: Jedermann gibt zuerst den guten Wein, du aber hast den guten Wein bisher behalten. Was wird der Chef wohl dazu gesagt haben? Lass mal jetzt gut sein, es kommt nicht so drauf an! Schluss. Weil der nämlich mit der ganzen Situation nicht in Berührung kommt. Und dann kommt dieser Satz des Johannes: ein außergewöhnliches Wunder.
Jetzt können wir, wenn wir uns in diese Situation versetzen, von der ich die ganze Zeit rede, sagen: Dieses alles ist geschrieben im Sinne der Erinnerung – der Papst redet beim Johannes besonders viel von Erinnerung – Erinnerung – er schreibt auf die Weise der Er-innerung. Aber nach meiner Meinung darf man das nicht positiv sehen, sondern zur Erinnerung gehört, dass es keine Wahrnehmung war. Er erinnert es in dieser produktiven Einbildungskraft, die sich in die Dinge verwandeln kann, die deren eigentlichen Sinn herausholt, ohne dass diese deswegen gewisser werden. In dieser Weise hat der Evangelist Johannes also diese Situation gefasst und verstanden, dass dies dem Wort Jesu entspricht, das er nun als Kind zu seiner Mutter sagt, nachdem er vorher sozusagen der Situation entrückt war. Nun aber sagt er: Gut; es ist doch das eigentlich Vernünftige auf Erden, auch zu feiern, sich zu freuen, zu heiraten, Kinder zu haben. So sei es.
Der Papst nun hat hier besondere Schwierigkeiten, dieses Verstehen in der Vergangenheit und das Verstehen des Wortes in der Vergangenheit in der Weise, die die Anstrengung einer Hypothese bedeutet, in der Darstellung durchzuhalten. Denn er führt es doch wieder mehr oder weniger auf die Weise von in der Wahrnehmung vorkommenden Fakten durch. Und deswegen können ihn die historischen Analytiker auch angreifen. Und so haben die Analytiker es auch gemacht. Das Erste, das einem in der Lektüre begegnet, ist, dass er die Wunder fast überhaupt nicht in Frage stellt. Darauf kommt es aber für uns an, zu verstehen, was ein Wunder, in dieser Auslegung des Incarnatus est, eigentlich sein soll. Dazu dürfen wir innerhalb der allgemeinen Skepsis jetzt nicht etwa sagen: Da waren ja gar keine Wahrnehmungen usw. Sondern wir sagen, hier hat die Einbildungskraft, die aus dem intelligiblen Glauben, aus der Glaubensentscheidung vollzogen ist, eine Art und Weise des Verstehens der Realität durch diesen sprechenden Jesus gebracht, von dem man nun also doch, mit einer gewissen Vorsicht, sagen kann: Wir brauchen dieses Wunder nicht zu verbergen, weil wir nämlich gar nicht wissen, was die Realität, die kein Wunder wäre, eigentlich ist. Sondern es ist diese Situation des Menschseins, dass die Einbildungskraft – als produktive Einbildungskraft – ins Spiel kommen kann, und dass dieses durch das Wort Jesu erfüllt, bezeugt werden kann.
Ich will Ihnen gleichwohl sagen, wie der Papst es macht, er macht es etwas anders, auf eine Weise, wie es für Interpreten wie Stegemann und Ohlig angreifbar ist. So sagt er auf Seite 295: „Wenn Jesus zu Maria in diesem Augenblick von seiner Stunde redet, so verbindet er damit den gegenwärtigen Moment mit dem Geheimnis des Kreuzes als seiner Verherrlichung.“ Das glaube ich nicht, das muss ich klar ausdrücken. Das verbindet er nicht, sondern er war, weil er immer unter dem Geheimnis des Kreuzes, wenn wir das so nennen wollen, steht, nicht dazu angetan, sich in dieser Stunde in Kana darauf einzulassen, dass kein Wein mehr da ist. Sondern er war immer in gewisser Weise dem, was die andern interessiert hat, entrückt, das werden wir auch bei andern Gelegenheiten noch sehen, wenn wir noch Zeit haben. Also: „Wenn Jesus zu Maria in diesem Augenblick von seiner Stunde redet, so verbindet er damit den gegenwärtigen Moment mit dem Geheimnis des Kreuzes als seiner Verherrlichung. Und dennoch hat Jesus die Macht, diese Stunde zeichenhaft geheimnisvoll vorauszunehmen. Das Kana-Wunder ist damit als Antizipation der Stunde gekennzeichnet…“ – als Antizipation der Stunde des Herrn, also Tod und Auferstehung – „…gekennzeichnet und von innen her an diese gebunden.“ Das ist eben, was man ein tableau poétique nennt. So war es nicht. Unter dieser Stunde steht er immer. Und deswegen hat er kein Interesse an Hochzeiten. Und wenn die Mutter kommt – die Mutter! – und er ist das Kind, ändert sich die Sache, und dadurch tritt er in eine ganz andere Beurteilung ein. Wenn man das alles sieht, dann kann man die Einbildungskraft, von der ich geredet habe, sehr wohl als solche gelten lassen, auch, wenn sie so sagen wollen, realiter, so dass die Diener wirklich nicht wussten, wie sie Einbildung und Wahrnehmung eigentlich unterscheiden sollen. Das gilt aber immer nur für den, der darauf als auf etwas Vergangenes hinblickt. Der kann eine solche Einsicht haben. Das kommt dem Menschen ja oft vor, dass er nicht weiß, ob etwas Einbildung oder Wahrnehmung war. Hier wird gesagt, in dieser Erscheinung, in der sie da stehen, in dieser Gegenwart Jesu, da scheint ihnen das als ganz normal, als die eigentliche Realisierung dieser Situation, und wenn ich das jetzt mit irgendwelchen Geräten gemessen hätte, um zu sehen, dass das Wasser immer noch dieselbe Zusammensetzung hat, dann würde das auch gelten, dass das so sein kann. Das ist alles. Ich bin kein Freund von diesen historischen Exegesen, das kann ich Ihnen offen sagen, man wirft es meist den Evangelischen vor, dass sie da besonders tüchtig sind. Aber das führt zu nichts. Denn ob ich da jetzt irgendetwas nehme, das auf der Hand liegt oder etwas, das nicht auf der Hand liegt, die Göttlichkeit geht doch niemals daraus hervor, denn ich muss mich fragen, worin die eigentlich liegt! Und wenn das, wie bei Benedikt, das eigentliche Problem ist, dann sind im Grunde diese Fragwürdigkeiten in der Überlieferung ein sekundäres Problem.
Das halte ich für eine wichtige Sache: Dass man sich mit der Göttlichkeit Jesu überhaupt nicht mehr befasst, sondern dass, davon ausgehend, dass die Lage der Dokumente verworren ist, niemand auf den Gedanken kommt, dass es sich darum dreht, die Göttlichkeit Jesu zu verstehen. Hier drückt sich das Wort Jesu aus, und zwar meiner Meinung nach in einer ganz stringenten Weise: Er ist beschäftigt mit dieser Last, die auf ihm liegt, seinen Tod meint, einen Tod, den Gott selber will. Und dann sagt er, ich muss mich aber, weil meine Mutter das will, doch jetzt mit dieser Hochzeit, dieser Freude und dieser Feier befassen, und siehe da, sie sehen plötzlich, dass Wein kommt. Wir dürfen uns nicht täuschen, indem wir das Ganze vernebeln. Dann kann man sich innerhalb des Skeptizismus so äußern, dass man sagt: Wir wissen gar nicht, was unsere Situation ist. Was sich uns zeigt, ist insgesamt dem Skeptizismus unterworfen Aber durch die Lektüre in der Vergangenheit der Worte Jesu kommen wir der Sache im Glaubensentscheid, wie der Papst sich ausdrückt, näher.
Aus Zeitgründen gehe ich nun zu Matthäus 25 über, worüber der Papst sich auf den Seiten 377–78 äußert. Zuvor führt er aus, dass „Sohn“ der eigentliche Titel für Jesus gewesen ist, und dass auch er selbst sich den Menschensohn genannt hat. Also niemals den Sohn Gottes, das gibt es in seinem Munde nicht, und wenn man das einigermaßen verinnerlicht, dann sieht man auch, dass das ganz richtig ist. Sohnschaft geht hervor. Man begreift, was Sohnsein, was Lebendigsein ist, das ist in Jesus herabgekommen. Während man bei uns das Lebendigsein nicht begreift, man begreift immer nur das materielle Vorliegen: Das Kindchen ist jetzt da, das wird eben festgestellt, so wie wir uns immer nur leiblich anwesend feststellen; was hingegen Jesus darin fand, das war ursprüngliches Lebendigsein. Und aus diesem Lebendigsein spricht er jetzt zu den Menschen. Und dazu wollen wir dieses Kapitel aus Matthäus 25 betrachten. Jesus redet über die Zeit des Jüngsten Gerichtes, und spricht zu ihnen in Bezug auf sein Dasein jetzt in der Welt:
Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit […] Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dich gespeist? oder durstig und haben dich getränkt? Wann haben wir dich als einen Gast gesehen und beherbergt? oder nackt und dich bekleidet? Wann haben wir dich krank oder gefangen gesehen und sind zu dir gekommen? Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: Wahrlich ich sage euch: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.13
Das ist eine ganz bedeutende Stelle – eine bekannte Stelle, die Ihnen vor Augen steht, nehme ich an. Was besagt das also? Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, bis hin zu dem, der im Gefängnis sitzt, was ihr getan habt einem unter meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Das sagt doch gar nichts anderes, als: Dieser Einzelne, der da im Gefängnis sitzt, der bin ich selbst. Ich selbst bin dieser Gefangene. Oder umgekehrt ausgedrückt: Der Gefangene ist ich selbst. Der hungert und dürstet, der leidet, der krank ist, das alles ist Jesus selbst. Sehen Sie mal, da kommt eben heraus, das flechte ich jetzt so ein vor diesem ehrwürdigen Kreise: Einen Unterschied zwischen Theologie und Philosophie kann es ja gar nicht geben. Hier ist das Entscheidende, das ich Ihnen hier sage, und das ist eben das Neue Testament, dass der Herr jeder von uns selbst ist. Er selbst ist diese einzelnen Menschen. Das ist von dem Alten Testament völlig unterschieden. Da gab es das Volk Gottes, das Volk Gottes wiederum hat einen König, und der König wird wiederum bemüht, um Söhne zu erzeugen. Dann geht das durch die Geschlechter hindurch und dann hätten wir das Individuum. Wir haben das Individuum und die Art und dann vielleicht noch darüber die Menschheit als Ganze. Und das ist etwas, woran die Philosophie, die Theologie bis heute klebt: an der Unterscheidung zwischen Individuum, Art und Gattung! Dann ist es so, dass die Art immer nur durch die Individuen begreifbar ist. König David zum Beispiel, der erzeugte den und der erzeugte den und das geht immer so weiter bis auf Josef. Das ist völlig unterschieden von Jesus, und das macht die Bedeutung der Auferstehung aus. Dass er sagt: Diese sündigen Menschen, das bin ich selbst. Ich habe die Sünde auf die Weise dieser Menschen, die ich selber bin, inkarniert: Et incarnatus est. Und das ist das ganz Entscheidende, dass das hier stattfindet: Er ist selbst diese Menschen und diese Menschen sind er.
Deswegen habe ich mich in einer besonderen Weise erquickt gefühlt: Ich glaube, in der letzten Nummer, hier in diesen Monumenten, die von der Deutschen Gesellschaft für Denkmalschutz herausgegeben wird, ist eine Kirche zu Gischow14 besprochen. In diesem Heft steht: „Gott beim Wort genommen. Daher umgab er nicht die Wohltäter, sondern die Armen mit dem Heiligenschein. Gott beim Wort genommen, so einfach wie ergreifend.“ Das hat mich in der Tat auch ergriffen, dass diese Autorin das so schön sagt: Es dreht sich hier um eine Dorfkirche mit der Darstellung eines unbekannten Dorfmalers. Spätgotisch. Spätgotischer Altar, da unten ist die sogenannte Predella, da sind diese ganzen Leute, der Gefangene, der Kranke, der Krüppel, alle mit dem Heiligenschein umgeben, weil sie der Herr selber sind. Ja, Leute, wie dieser Maler, die standen im Glauben. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich das ändert: Wir sind in der Reflexion bestimmt viel weiter fortgeschritten als dieser Maler, aber in der Glaubenseinsicht vielleicht nicht so sehr. Das ist wirklich erstaunlich, wenn man das hier sieht: Der eine sitzt im Gefängnis, der andere hat keine Beine mehr, alle mit dem Heiligenschein, sie sind der Herr selbst. Das steht hier, das kann man in der Bibel lesen, und das ist das Entscheidende, dass Jesus das alles, weil das der Wille Gottes war, übernommen und ausgetragen hat.
Es ist wichtig, wir müssen den Papst ernst nehmen, die Sache ist nach meiner Meinung von erstaunlicher Bedeutung, dass er gesehen hat, man muss das Historische auf die Weise der in Vergangenheit gemeinten Gegenwart Jesu im Wort verstehen. Dabei ist das Schwierige, und deswegen will er dann auch von dieser Thematik nicht ablassen, dass er das eigentlich Entscheidende, nämlich den Tod und die Auferstehung und auch die Kindheit, die Geburt Jesu, bisher nicht hat behandeln können. So dass er also sagt, sofern mir die Kraft erhalten bleibt, will ich das noch nachtragen. Und dazu sage ich Ihnen nun, damit wir das in diesem Zusammenhang noch wenigstens anreißen: Von der Auferstehung ist in der Bibel überhaupt nicht die Rede, sondern es ist nur vom Auferstandenen die Rede, und dieser wird vorgestellt auf die Art und Weise wie der Herr, der noch nicht gekreuzigt war. Das heißt, ich stelle ihn jetzt mit denselben Reden wie vorher auch vor, vor allem, dass er mit den Jüngern isset, um zu zeigen, dass er wieder lebendig ist, und das alles, nachdem er – um Gottes willen – den Tod gestorben ist zur Erlösung der Sünder. Also, das Problem ist, und das geht aus dem, was ich bisher gesagt habe, in etwa hervor: Die Evangelisten waren in einer völligen Unfähigkeit, diese Göttlichkeit angemessen in Gedanken des gewöhnlichen Sterblichen auszudrücken. Und das gilt ja vielleicht bis heute noch, mit der Anwesenheit Jesu, die dieser Maler auf die Weise des Malens gesehen hat: Das sehen die heutigen Wissenschaftler nicht, da geht’s immer noch nach Gattung, Art, und Individuum. Wenn der Herr ein Individuum ist, dann heißt das, dass dieses ganze Verfahren mit der Art und mit den Königen, die sich durch viele Geschlechter fortpflanzen, natürlich nicht die Herrlichkeit, die dieser Messias bringen sollte, sein konnte. Es ist also diese völlige Verwandlung eingetreten. Und das konnte man nicht angemessen ausdrücken, obwohl die Sache als solche eingetreten ist. Und deswegen hat sich unmittelbar nach der Auferstehung – wenn man das überhaupt so versteht, (aber ich meine, der dritte Tag, das ist ja die große Frage, ob ich das einfach wieder auf die Weise der Zeit verstehen darf) ergeben, dass da, wo vorher nur ein Glaube gewesen war, jetzt zweierlei Glaube entstand. Nämlich die, die sich weiter nach der alten Verheißung des Alten Testaments orientiert haben, und die, die sagten: Mit Christus ist etwas ganz Neues geschehen, wir müssen uns aus der Auferstehung verstehen. Das ist das Neue, das mit dieser Situation auf die Menschen zukam und dem sie in der Reflexion nicht entsprechen konnten. Deswegen ging es in der Partikularität unter. Wenn sie da zum Beispiel das Pfingstwunder nehmen; da hörten die Apostel – einige, die vom Herrn berufen waren, die Auferstehung und Erlösung zu verkündigen – in allen Sprachen reden, jeder hörte seine Muttersprache usw., und die andern haben dazu gesagt, sie sind voll süßen Weines. Das waren diejenigen, die beim jüdischen Glauben blieben, und die andern waren dann die sogenannten Judenchristen, die unter dem Einfluss, wenn ich das so sagen darf, des Apostels Paulus forciert wurden, gegen das Verbleiben im Judentum eine eigene Weise des für sich selbst bestehenden Gottesglaubens zu institutionalisieren. Der Apostel Paulus ist ganz maßgeblich wirksam geworden, so dass aus der Einheit, die Jesus gemeint hat und die der Papst meint, eine Zweiheit des jüdischen und des christlichen Glaubens geworden ist. Und daran leidet er und will das mit seinem Buch überwinden, will zumindest helfen, es zu überwinden. Zu zeigen: Wenn wir die Auferstehung richtig verstehen, dann tritt eine ganz neue Weise ein, den Menschen zu verstehen, und wir sagen: Die frühere Weise war die durch David und Moses bestimmte, und die neue Weise ist die aus der Auferstehung. Aber die Art und Weise zu denken hat dem nicht entsprochen.
Aus dem Judenchristentum hat der Papst eine Schrift hervorgehoben, den Hebräerbrief. Der Verfasser ist unbekannt, stammt aber ganz ohne Zweifel aus dem Judentum. Dieser hat als Reflexion auf die Auferstehung, auf Christus, im Kapitel 9, ich beginne jetzt bei Vers 15, gesagt:
Und darum ist er auch ein Mittler des neuen Testaments, auf daß durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Testament waren, die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. Denn wo ein Testament ist, da muß der Tod geschehen des, der das Testament machte. Denn ein Testament wird fest durch den Tod; es hat noch nicht Kraft, wenn der noch lebt, der es gemacht hat. […] Denn Christus ist nicht eingegangen in das Heilige, so mit Händen gemacht ist, sondern in den Himmel selbst, nun zu erscheinen vor dem Angesicht Gottes für uns. […] Nun aber, am Ende der Welt, ist er einmal erschienen, durch sein eigen Opfer die Sünde aufzuheben.15
Da, meine Damen und Herren, habe ich also den Eindruck, dass man mit Ernst auf das, was der Tod und die Auferstehung bedeuten, reflektiert hat. Und das nachher unter einem Haufen von Normen, Riten, Dogmen usw. untergegangen ist und man dafür gesorgt hat, dass diese Spaltung des Alten und des Neuen Testamentes bis heute fort gilt. In dieser Situation beruft sich der Papst, das haben andere auch bemerkt, weil es so offenkundig ist, auf einen jüdischen Rabbi namens Jacob Neusner, der ein Buch geschrieben hat: Ein Rabbi spricht mit Jesus, das 1993 in Amerika erschienen ist, 1997 hier in Deutschland, wieder neu aufgelegt jetzt 2007. Und dazu wird gesagt, in ein paar Zeilen im Verlagsprospekt16 zusammengefasst: „Im Jesusbuch von Benedikt XVI nimmt dieses aus dem Jahre 1993 unter dem Titel Ein Rabbi spricht mit Jesus erschienene Buch eine wichtige Rolle ein. Mehrmals nimmt der Papst darauf Bezug, bezeichnet das Werk des jüdischen Religionswissenschaftlers, Judaisten und Rabbiners Jacob Neusner als das bei weitem wichtigste Buch für den jüdisch-christlichen Dialog, das in den letzten Jahren veröffentlicht worden ist. Nun ist das fiktive Gespräch, das Neusner als gläubiger Jude mit Jesus führt, neu aufgelegt worden.“
Von dem, was der Papst hier sagt, will ich Ihnen zum Abschluss ein paar Sätze verlesen, damit Sie einen Eindruck von der Intensität bekommen, in der er mit diesem Mann spricht, einem Rabbi, der selber fiktiv mit Jesus spricht und darüber ein Buch geschrieben hat Ich lese: „Neusner, gläubiger Jude und Rabbi, ist in Freundschaft mit katholischen und evangelischen Christen aufgewachsen, lehrt mit christlichen Theologen zusammen an der Universität und steht dem Glauben seiner christlichen Kollegen mit tiefem Respekt gegenüber, bleibt aber doch zutiefst von der Gültigkeit der jüdischen Auslegung der Heiligen Schriften überzeugt. Seine Ehrfurcht vor dem christlichen Glauben und seine Treue zum Judentum haben ihn veranlasst, das Gespräch mit Jesus zu suchen.“17 – Über dieses Gespräch wird jetzt hier nicht weiter geredet, das ist, was in dem Buch eben behandelt wird, was man von Moses her als die Thora, als die Gesetze Gottes gesehen hat usw. – „Der Dialog des Rabbi mit Jesus zeigt, wie der Glaube an das Wort Gottes“ – an das Wort, nicht wahr! – „in den Heiligen Schriften über die Zeiten hin Gleichzeitigkeit schafft.“18 Er sagt also, hier bei Neusner haben wir jemanden, der gemeint hat, mit Jesus sprechen zu können. In der Gleichzeitigkeit des christlichen und des jüdischen Glaubens. „Dann, nachdem das Gespräch beendet ist, berät er sich nochmal mit einem Kollegen, einem andern Rabbi.“ – also ein Gespräch zwischen den beiden: „Und dies, fragte der Meister“, also der Andere, „dies hatte Jesus, der Gelehrte, zu sagen?“ – „Nicht genau, aber ungefähr.“ – „Was hat er weggelassen?“ – „Nichts.“ – „Was hat er denn hinzugefügt?“ – „Sich selbst.“19 Dazu sagt nun Benedikt XVI: „Dies ist der zentrale Punkt des Erschreckens vor Jesu Botschaft für den gläubigen Juden Neusner, und dies ist der zentrale Grund, warum er Jesus nicht folgen will, sondern beim ‚ewigen Israel‘ bleibt: die Zentralität des Ich Jesu in seiner Botschaft.“20
Von dieser Zentralität Jesu in seiner Botschaft habe ich Ihnen also anhand dieser Geschichte hier reden wollen. Das Alte Testament ist leicht. Für jemanden, der daran gewöhnt ist, ist es überhaupt kein Problem, das, was da vorgebracht wird, zu verstehen. Aber das hier ist schwer. Dass ich sage: Dieser Herr, der kurz danach gekreuzigt wurde, der dann auferstehen soll – man weiß nicht, was das ist, das ist in der Bibel nicht angegeben –, der sagt von sich: Jeder von diesen einzelnen Leidenden, Armen, Verfolgten, das bin ich selbst. Und da tritt natürlich eine Unmittelbarkeit, eine Herrschaft, wenn Sie so sagen wollen, auf, die unter dem alten Schema, unter dem wir heute immer noch weiter fortdenken, nicht erreicht werden kann. Und das ist das, was der Papst ganz deutlich gesehen hat, das ist es, wovor Rabbi Neusner als Vertreter des jüdischen Glaubens erschrickt – der Papst dagegen ist von der Einheit dieses Glaubens mit dem christlichen überzeugt. Der christliche Glaube ist kein anderer als der jüdische Glaube, in dem Sinne, wenn wir es so ausdrücken wollen, dass der Sache nach der jüdische Glaube sich im christlichen Glauben vollenden musste, und dass nun wieder in der geschichtlichen Domäne, der Skepsis, es dazu kommen muss, dass diese Einheit des jüdischen und des christlichen Glaubens auch erreicht wird. Und das ist ein Ziel, das es wirklich lohnt, so dass selbst der Papst, soweit wir das also feststellen können, bei diesen immensen Aufgaben, die er bewältigen muss, sagt: Ich lasse von diesem meinem Buche nicht. Ich bleibe dabei, das weiter zu überlegen.
Nun, der Hebräerbrief hat gesagt: Er ist erschienen vor dem Angesicht Gottes für uns, und ich darf dann noch ein allerletztes Wort vom Papst selber Ihnen verlesen, damit schließe ich dann: „Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens nach dem Angesicht des Herrn.“21
1 Joseph Ratzinger Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth. Erster Teil. Von der Taufe im Jordan bis zur Verklärung. Freiburg/Basel/Wien: Herder-Verlag 2007, S. 10.
2 So sinngemäß auf S. 10–11.
3 Joseph Ratzinger Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth, S. 14.
4 Ebenda.
5 Edmond Ortigues (25.5.1917–12.45.2005), frz. Theologe und Philosoph. In Konflikt mit reaktionären Tendenzen der kath. Kirche nach dem 2. Weltkrieg wandte sich Ortigues der Philosophie zu, studierte u.a. bei Merleau-Ponty. 1961 nahm er einen Ruf an die Universität Dakar/Senegal an und gründete das dortige „Département de philosophie“, an dem Joachim Kopper 1965–67 als Gastprofessor tätig war. Ortigues kehrte 1966 nach Frankreich zurück und war bis an sein Lebensende Professor für Philosophie an der Universität Rennes. Insbesondere anhand seiner letzten Publikation, eine Anthologie Sur la philosophie et la religion. Les entretiens de Courances (zusammengestellt von Pierre Le Quellec-Wolff und Marie Tafforeau. Rennes, Presses universitaires de Rennes), würdigte J. Kopper das theologisch-philosophische Denken des Freundes in seinen eigenen Vorlesungen. Zu Ortigues s. auch den Nachruf von Jacqueline Rabain, in: L’Homme. Revue française d’anthropologie, n.175–176, 2005, 451–454.
6 Vgl. I. Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. In: Akad.-Ausgabe, Berlin 1911f., Bd. 7, S. 242.
7 Vgl. dazu Wolfgang Stegemann: „Jüdischer Kyniker oder galiläischer Frommer? Forschen nach dem historischen Jesus heute“. In: Herder Korrespondenz Spezial: Jesus von Nazareth, 2007, 6–10; dieses Heft der Herder Korrespondenz war J. Kopper bekannt, wie zahlreiche andere Rezensionen des ‚Papst-Buches‘. S. dazu auch Rainer Riesner: „Der Papst und die Jesus-Forscher“. In: Theologische Beiträge 39, 2008, 329–345.
8 Karl Heinz Ohlig: „Der Papst schreibt ein theologisches Buch.“ In: „Jesus von Nazareth“ kontrovers: Rückfragen an Joseph Ratzinger. Mit Beiträgen von Karl Kardinal Lehmann, Christoph Kardinal Schönborn u.a. Berlin/Münster 2007, S. 45.
9 Es handelt sich um den Standardtext gemäß der revidierten Ausgabe von 1912. In seinen späteren Schriften und Vorträgen hat Joachim Kopper aus der sog. Halleschen Bibel (1804) zitiert, die der Original-Ausgabe sprachlich nahe steht, im Gegensatz zu den zahlreichen späteren Revisionen der Luther’schen Übersetzung.
10 Johannes 2, 1–11.
11 Vgl. Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, Akademie-Ausgabe VII, S. 177.
12 S. Anm. 6.
13 Matthäus 25,31 40.
14 Gischow ist eine kleine Gemeinde 3 km südlich von Lübz im Landkreis Parchim in Mecklenburg. Bei dem Artikel, auf den der Vortragende verweist, handelt es sich um einen Beitrag von Christiane Rossner: „Eine Bildergeschichte in Gischow. Gott beim Wort genommen.“ In: Momente. Magazin für Denkmalkultur in Deutschland, Heft 6, 2007.
15 Hebräer 9,15 17,24,26.
16 Das Buch ist im Herder-Verlag, Freiburg i. Br., erschienen.
17 Josef Ratzinger: Jesus von Nazareth, S. 134f.
18 Josef Ratzinger: Jesus von Nazareth, S. 135.
19 Josef Ratzinger: Jesus von Nazareth, S. 136.
20 Josef Ratzinger: Jesus von Nazareth, S. 136f.
21 Josef Ratzinger: Jesus von Nazareth, S. 12, unter Hinweis auf Psalm 27,8.