Читать книгу Handbuch IT-Outsourcing - Joachim Schrey - Страница 75

(2) Arbeitsrechtliche Fragen der Integration

Оглавление

189

Zuweilen sind bei der Übernahme bzw. Integration des Joint Ventures/Spin-offs durch den Provider umfassende Restrukturierungsmaßnahmen vorzunehmen, die zum Teil mit betriebsbedingten Kündigungen einhergehen können. So sollen bei der Übernahme der Triaton (Spin-off von der ThyssenKrupp AG) durch HP nach Informationen der IG Metall 336 Triaton-Mitarbeiter entlassen werden. Triaton beschäftigt gegenwärtig 2200 Mitarbeiter, davon gut 1900 in Deutschland.[211]

190

Bei solchen Restrukturierungsmaßnahmen sind folgende wichtige arbeitsrechtliche Punkte zu berücksichtigen:

Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG,
Interessenausgleich,
Sozialplan.

(a) Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG

191

Da i.d.R. Umstrukturierungen mit Maßnahmen verbunden sind, die den Tatbestand des § 111 Satz 3 BetrVG erfüllen, sind die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG zu wahren. Gemäß § 111 BetrVG hat „in einem Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (…) der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können,[212] rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten (. . .)“. Die Anwendbarkeit von § 111 BetrVG wird nicht durch § 613a BGB ausgeschlossen.[213] Das BAG[214] führt dazu in seiner grundlegenden Entscheidung vom 16.6.1987 aus „Es ist kein Grund ersichtlich, der die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen ausschlösse, wenn die Betriebsänderung mit einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang verbunden ist.“ Das bedeutet, dass für eine Anwendbarkeit von § 111 BetrVG bei einem Betriebsinhaberwechsel eine Einwirkung auf das zur Verfolgung eines bestimmten arbeitstechnischen Zwecks bestehende Organisationsgefüge hinzukommen muss.[215]

192

Als Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG gelten:[216]

1. Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2. Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3. Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4. grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

193

Eine Änderung der Betriebsorganisation nach § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG bei der Eingliederung eines Joint Ventures (das ehemalige Spin-off) in den Konzern des Providers liegt nach h.M. immer dann vor, wenn sich die Gliederung des Betriebs, die Zuständigkeitsbereiche oder die Unterstellungsverhältnisse derartig ändern, dass der Leitungsapparat des Betriebs eine andere Struktur erhält. Das ist insbesondere der Fall bei der Dezentralisierung oder bei Zentralisierung eines Betriebs, welche bei der Integration des Joint Ventures in den Konzern des Providers i.d.R. vorliegen. Beim Outsourcing vom Primär- (geringere Fertigungstiefe durch Auslagerung von Produktivschritten) oder Sekundärfunktionen (z.B. Fremdvergabe von Bewachungs-, Verpflegungs- und Reinigungsleistungen), durch Ausgliederung in selbstständige Betriebe oder wenn eine ursprüngliche einheitliche Organisation aufgehoben wird.[217] Eine Änderung ist dann grundlegend, wenn sie wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder für wesentliche Teile der Belegschaft haben kann, insbesondere wenn sich einschneidende Änderungen in der personellen Zusammensetzung der Belegschaft ergeben können.[218] Die bloße Möglichkeit dazu genügt.[219]

(b) Interessenausgleichsverfahren

194

In der Regel kann der Kunde ein Outsourcing-Projekt ohne die Zustimmung des Betriebsrats durchführen, dennoch verlangt das BetrVG, dass der Kunde über den Interessenausgleich zumindest eine Einigung mit dem zuständigen Betriebsrat versucht. Der Zweck des Interessenausgleichs liegt darin, Maßnahmen zwischen den betrieblichen Sozialpartner zu vereinbaren, um wirtschaftliche Nachteile für die vor der geplanten Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Interessenausgleich umschreibt die Umsetzung, ob, wann und in welcher Weise die vorgesehene unternehmerische Maßnahme der geplanten Betriebsänderung durchgeführt werden soll.[220]

195

Dabei ist der Interessenausgleich mehr als ein bloßes Unterrichten und Beraten i.S.v. § 111 Satz 1 BetrVG, da er eine Willensübereinstimmung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat voraussetzt. Bei einer Einigung über einen Interessenausgleich entsteht eine Kollektivvereinbarung besonderer Art, welche nach h.M. keine Betriebsvereinbarung darstellt.[221] Kommt zwischen Unternehmern (Kunden) und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser gem. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben. Der Interessenausgleich enthält keine Normwirkung und kann daher nicht ordentlich gekündigt werden.[222] Ferner kann der Betriebsrat nicht auf die Erfüllung bestehen.[223]

196

Nach der Rechtsprechung werden strenge Anforderungen an die Inhalte eines Interessenausgleichs gestellt.[224] Dabei müssen konkret geplante Maßnahmen mit dem Betriebsrat verhandelt und schon eine Einigung über das „ob“ und „wie“ angestrebt werden. Der Interessenausgleich ist von seiner Natur her auf einen Einzelfall bezogen und schließt daher nach Auffassung des BAG eine Regelung für künftige, in ihren Einzelheiten noch nicht absehbare Maßnahmen aus.[225]

197

Ein Interessenausgleich sollte gem. § 95 BetrVG die Auswahlrichtlinien beinhalten, die für die eventuell im Rahmen des Outsourcing-Projekts zu versetzenden oder zu kündigen Mitarbeiter relevant sind.[226] Ferner sollte ein Interessenausgleich daher Auskunft geben können, welcher Bereich (z.B. Stilllegung eines RZ-Standorts im Rahmen einer Rechenzentrumskonsolidierung) zu einem bestimmten Zeitpunkt stillgelegt und welcher Bereich (anderes Rechenzentrum) die entsprechenden Aufgaben mit übernimmt. Folgende Gliederung kann für einen Interessenausgleich verwendet werden:[227]

Art und Umfang der Betriebsänderung
Geltungsbereich des Interessenausgleichs
Umsetzung des Interessenausgleichs
Weiterbeschäftigung
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Verfahrensgrundsätze
Auswahlrichtlinie – soziale Auswahl – berechtigte betriebliche Interessen

(c) Sozialplan

198

Bei einer Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG hat der Betriebsrat i.d.R. ein erzwingbares und damit ein echtes Mitbestimmungsrecht zur Aufstellung eines Sozialplans, während der Interessenausgleich nicht erzwingbar ist, ist der Sozialplan gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erzwingbar. Dabei ist der Sozialplan unabhängig vom Interessenausgleich. Nach der Auffassung des BAG ist der Sozialplan überwiegend in die Zukunft gerichtet und erfüllt deshalb eine Überbrückungs- und Vorsorgefunktion.[228]

199

Der Sozialplan knüpft an die wirtschaftlichen Nachteile für den Arbeitnehmer aus der Betriebsänderung an.[229] Vorrangiger Sinn und Zweck des Sozialplans ist es, den Ausgleich bzw. die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zu gewährleisten. Hierbei soll die Betriebsänderung möglichst schonungsvoll durchgeführt werden.[230] Dabei soll der Sozialplan keine bloße Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes leisten. Durch den Sozialplan soll eine unternehmerische Entscheidung zur Betriebsänderung mit finanziellen Lasten verbunden sein, die eine Betriebsänderung erschweren, und dabei möglichst geringe wirtschaftliche Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer bieten.[231]

200

Beim Inhalt eines Sozialplans ist zwischen formellen und materiellen Regelungen zu unterscheiden:[232]

Formelle Inhalte – Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs – Vereinbarung von Stichtagen für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit – Festlegung von Berechtigungszeiträumen und Lohn- und Gehaltsarten für die Abfindungsermittelung – Fälligkeitstermine für Leistungen aus dem Sozialplan – Festlegung von Anrechnungsmöglichkeiten anderer Leistungen auf die Sozialplanleistungen – Vereinbarungen über Auskunftspflichten – zeitlicher Geltungsbereich des Sozialplans – Verfallsfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen
Materielle Inhalte – Abfindung für den Verlust den Arbeitsplatzes – Höchstbeträge für Abfindungen – Überbrückungszahlungen für ältere Mitarbeiter – Differenzzahlung im Falle von längerer Arbeitslosigkeit – Ausgleichszahlungen für Lohn- und Gehaltseinbußen – Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung – Jahressonderzahlungen – Rückzahlung von Arbeitgeberdarlehen – Sonstige Aufwandsentschädigungen – Wohnbeschaffungskosten – Bildung und Dotierung eines eigenen Härtefonds – Rückkehrgarantie bzw. Wiedereinstellungsansprüche

201

Mit der Regelung in § 112 Abs. 5 Nr. 2a BetrVG soll bei der Erstellung des Sozialplans insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen werden.[233] In der Praxis wurden hierzu sog. „Transfersozialpläne“ entwickelt. Ziel dieser Transfersozialpläne ist es, den von einem Arbeitsplatzabbau betroffenen Arbeitnehmer Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten und vor allem die Motivation zur eigenverantwortlichen Stellensuche zu fördern.[234] Hierzu werden vor allem Orientierungs- und Existenzgründungsberatung sowie Vermittlungshilfen angeboten.[235] Zur Umsetzung solcher Maßnahmen werden dann sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (sog. „BQG“) gegründet, die mittels der Sozialplanmittel und anderer Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Struktur-Kurzarbeitergeld) eine Weiterqualifizierung der betroffenen Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt aus einer Angestelltensituation heraus betreiben können. Ziel der sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) ist es, im Auftrag von Personal abbauenden Unternehmen wie dem ehemaligen Joint Venture neue Betriebseinheiten zu gründen, in denen strukturelle Kurzarbeit durchgeführt wird und zugleich geeignete Qualifizierungs-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. Die von diesem Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer können nur einvernehmlich in eine solche BQG überführt werden. Ein Zwang zum Wechsel besteht nicht. Der Wechsel erfolgt meist durch einen Aufhebungsvertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber (das Joint Venture) und dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit der BQG.[236]

202

In Fällen einer solchen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) ist die Anwendung des § 613a BGB regelmäßig ausgeschlossen, da i.d.R. keine Betriebsteile auf die BQG übergehen. Es wird lediglich das Personal übernommen (in diesem Fall von Joint Venture), der vorherige Betriebsteil wird aufgelöst. Das Personal wird in der BQG auch nicht den alten Aufgaben nachkommen, sondern sich durch geeignete Maßnahmen, wie Fortbildungen für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Es können somit von der BQG neue und vor allem mit anderen Konditionen versehene Arbeitsverträge von der BQG angeboten werden, weil kein Betriebs- oder Betriebsteilübergang vorliegt.[237]

203

Häufig werden aber auch Mittel aus dem Sozialplan zur Finanzierung von Management-Buy-Out-Projekten (MBO) oder von Personalentwicklungsgesellschaften (Auffanggesellschaften) verwendet. Damit wird das ursprünglich zum Ausgleich für wirtschaftliche Nachteile vorgesehene Sozialplanvolumen zu Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen eingesetzt.[238]

204

Die Erstellung eines Interessenausgleichs bzw. eines Sozialplans sollte von arbeitsrechtlichen Fachleuten übernommen werden, da deren Erstellung als sehr komplex und aufwendig zu betrachten ist.

Handbuch IT-Outsourcing

Подняться наверх