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Versuch über das Einkommen

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In dem Werk „Zwei Grundprobleme des 20. Jahrhunderts“ von Wilhelm Schmundt findet sich im 2. Teil (Der soziale Organismus und sein Krankheitszustand) unter IV. „Die drei Probleme“ eine Untersuchung der Einkommensordnung, eine Untersuchung, die nicht nur für Wilfried Heidt in Achberg, sondern auch für Joseph Beuys und die Beuysianer bestimmend geworden ist. Bevor ich kritisch auf diese Untersuchung eingehe, möchte ich hier die Ausführungen von Wilhelm Schmundt kurz folgen lassen. Und so lesen wir:

„Wir beginnen mit dem Problem der Einkommensordnung. - Im Besinnen darauf, dass grundsätzlich an keinem Arbeitsplatz gesagt werden kann, es sei das Erarbeitete allein dort gefertigt worden, so kann der Wert des dort Erarbeiteten nicht Maßstab für das Einkommen des dort Tätigen sein. Vielmehr kann sich das Einkommen allein ergeben aus dem Recht auf ein solches, das jedem Zugehörigen des Arbeitsfeldes zusteht, weil er Mitglied der assoziativen Gesamtgemeinschaft ist. Dabei mag durchaus eine gewisse Abstufung der Einkommenshöhe mit der Gewichtung des Arbeitsplatzes verbunden sein, oder auch mit der Forderung, die der Einzelne im Abschätzen seiner Fähigkeiten im Vergleich mit anderen stellt.“ (Wilhelm Schmundt)

Was Wilhelm Schmundt also indirekt fordert, das ist eine „Trennung von Arbeit und Einkommen“, wie sie auch von Beuys gefordert wurde. Diesen Schmundtschen Überlegungen

liegt zunächst die These von Eugen Löbl, einem der Theoretiker des Prager Frühlings zugrunde, dass wir in einem „Integralen System“ leben, bei dem nahezu die gesamte Menschheit an der Produktion beteiligt ist (was auch richtig ist) und deswegen könne, so Löbl, der Anteil eines Einzelnen an der Gesamtproduktion oder am Bruttosozialprodukt nicht mehr ermittelt werden. Dies ist aber ein Irrtum Löbls. Der Anteil eines Einzelnen an der Gesamtproduktion lässt sich nämlich sehr wohl ermitteln, nämlich quantifiziert als Arbeitszeit.

Von Karl Marx wissen wir, dass alle Produkte und Waren vergegenständlichte Arbeit sind. Maßgeblich für den Wert von Preis und Lohn ist ausschließlich die geleistete Arbeit, gemessen in Zeiteinheiten. Arbeit ist immer das Ursprüngliche, das Originäre, Preis und Lohn sind davon abgeleitete Größen, die sich gegenseitig bedingen. Die Arbeitszeit eines jeden einzelnen Arbeiters lässt sich aber genau bestimmen, und damit die Höhe seines Einkommens

grundsätzlich berechnen, wenn man vorher festgelegt hat, wie viel eine Stunde Arbeit kostet. Eugen Löbl hat hingegen recht, wenn er ausschließt, dass es jemals einen objektiven Maßstab für die Entlohnung einer Arbeitsstunde geben könne. Dies bleibt grundsätzlich Vereinbarungssache zwischen den Mitarbeitern oder den Gewerkschaften und dem Unternehmen. Maßgeblich für die Höhe der Entlohnung kann nur das Prinzip der „sozialen Gerechtigkeit“ sein. Noch einmal: Arbeit ist immer das Originäre, das Ursprüngliche, Lohn und Preis sind davon abgeleitete Größen. Kennt man den relativen Wert einer Arbeitsstunde, kann man ohne weiteres von der geleisteten Arbeit (in Zeiteinheiten) auf den Lohn schließen.

Bei vielen Beuysianern, aber auch bei manschen Anthroposophen, geht die Forderung nach Trennung von Arbeit und Einkommen unmittelbar mit einer Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen einher. Doch wir haben schon eine soziale Grundsicherung. Viele Menschen beziehen als Sozialrentner eine soziale Grundsicherung. Aber auch wenn man Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II (Harz IV) bezieht, beträgt der Regelsatz z.Z. einheitlich 364,- Euro im Monat. Worüber wir uns verständigen können, ist eine Erhöhung der sozialen Grundsicherung, nicht aber ihre Einführung. Es gibt sie bereits.

Joachim Stiller Münster, 2006

Versuche über den sozialen Organismus

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