Читать книгу Karl Jasper: Einführung in die Philosophie - Joachim Stiller - Страница 4

1. Kapitel: Was ist Philosophie

Оглавление

Jaspers ist im Prinzip der Meinung, dass es so viele Definitionen für den Begriff Philosophie gibt, wie es Philosophen gibt. Und in der Tat hat fast jeder Philosoph in der Geschichte seine eigene Definition des Begriffs Philosophie gehabt.

Die historischen Wurzeln des Begriffs reichen meines Wissens zurück bis Pythagoras, der sich zuerst einen "Philosophen" nannte, einen Freund der Weisheit, denn er wollt sich nicht einen Weisen (Sophos) nennen, was damals durchaus üblich war. Und daher wählte er die etwas bescheidenere Form. Philosophie mit Liebe zur Weisheit zu übersetzten, finde ich persönlich absolut sinnenfällig, und ich möchte einmal eine Lanze für diese ursprüngliche Bedeutung des Wortes brechen. Mit "Liebe zur Weisheit" ist eigentlich alles gesagt.

In meinem eigenen Leben ist aber noch eine Weitere Definition wichtig geworden, nämlich die von Rudolf Steiner, der sagte: "Philosophie ist die Kunst der Begriffe." Während ich also in 1. Instanz die ursprüngliche Definition vertrete, so vertrete ich in 2. Instanz die Definition Steiners. Ich kann nur jedem empfehlen, sich solche Definitionen in ganz ähnlicher Weise zurechtzulegen. Sicherlich wären in Bezug auf mein eigenes Denken auch noch eine 3. und eine 4. usw. Definition denkbar, aber leider habe ich persönlich noch keine gefunden:

Der Begriff der Philosophie bei mir:

- in 1. Instanz: Philosophie ist die Liebe zur Weisheit.

- in 2. Instanz: Philosophie ist die Kunst der Begriffe.

- in 3. Instanz: ???

Formen des Wissens

Hier zunächst ein kurzes Zitat von Jaspers:

„Für einen wissenschaftsgläubigen Menschen ist das Schlimmste, dass die Philosophie gar keine allgemeingültigen Ergebnisse hat, etwas, das man wissen und damit besitzen kann. Während die Wissenschaften auf ihren Gebieten zwingend gewisse und allgemein anerkannte Erkenntnisse gewonnen haben, hat die Philosophie dies trotz der Bemühungen der Jahrtausende nicht erreicht. Es ist nicht zu leugnen: in der Philosophie gibt es keine Einmütigkeit des endgültig Erkannten. Was aus zwingenden Gründen von jedermann anerkannt wird, das ist damit eine wissenschaftliche Erkenntnis geworden, ist nicht mehr Philosophie, sondern bezieht sich auf ein besonderes Gebiet des Erkennbaren.“

Ich persönlich unterscheide drei Arten des Wissens:

- metaphysisches (philosophisches) Wissen

- rationales (transzendentales) Wissen

- empirisches (wissenschaftliches) Wissen

Philosophisches Wissen ist tatsächlich auch eine Form von Wissen, aber es ist eben nur metaphysisches Wissen. Trotzdem lässt sich dem metaphysischen Wissen eine bestimmte Wahrheitsqualität eben nicht generell absprechen, wie Kant so radikal tat... Der Mensch, das wusste auch Kant, stellt nun einmal qua seiner Vernunft metaphysische Fragen. Und auch, wenn er diese nicht mit wissenschaftlicher Exaktheit beantworten kann, so soll er sie durchaus an sich herankommen lassen. Philosophie ist dann tatsächlich der subjektivistische Versuch, auf die rein metaphysischen Fragen annehmbare Antworten zu finden...

Kinderphilosophie – Philosophieren mit Kindern

Ich möchte noch eben auf einen weiteren Aspekt des 1. Kapitels eingehen. Jaspers fordert von der Philosophie unbedingte Unmittelbarkeit, und führt dabei die mitunter durchaus philosophischen Gedanken von Kindern ins Feld. Hier ein kurzes Zitat von Jaspers:

„Ein wunderbares Zeichen dafür, dass der Mensch als solcher ursprünglich philosophiert, sind die Fragen der Kinder. Gar nicht selten hört man aus Kindermund, was dem Sinne nach unmittelbar in die Tiefe des Philosophierens geht. Ich erzähle Beispiele:

Ein Kind wundert sich: »Ich versuche immer zu denken, ich sei ein anderer und bin doch immer wieder ich.« Dieser Knabe rührt an einen Ursprung aller Gewissheit, das Seinsbewusstsein im Selbstbewusstsein. Er staunt vor dem Rätsel des Ichseins, diesem aus keinem anderen zu Begreifenden. Er steht fragend vor dieser Grenze.“

Ich selber hatte als Kind genau den gleichen Gedanken. Später habe ich diesen Gedanken in einem Text zu einem Kinderbuch umgesetzt.

Philosophie perennis – Einheit oder Vielheit

Ich möchte nun noch gerne einen vierten Aspekt des ersten Kapitels ansprechen: Den Gedanken der philosophia perennis. Dazu gebe ich eben die letzten Zeilen des 1. Kapitels wieder:

„Philosophie in großem Stil und im systematischen Zusammenhang gibt es seit zweieinhalb Jahrtausenden im Abendland, in China und Indien. Eine große Überlieferung spricht uns an. Die Vielfachheit des Philosophierens, die Widersprüche und die sich gegenseitig ausschließenden Wahrheitsansprüche können nicht verhindern, dass im Grunde ein Eines wirkt, das niemand besitzt und um das jederzeit alle ernsten Bemühungen kreisen: die ewige eine Philosophie, die philosophia perennis. Auf diesen geschichtlichen Grund unseres Denkens sind wir angewiesen, wenn wir mit hellstem Bewusstsein und wesentlich denken wollen.“

Karl Jasper: Einführung in die Philosophie

Подняться наверх