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13. Leopold I., Joseph I. und der Spanische Erbfolgekrieg

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Die spanische Thronfolge beschäftigte die europäischen Höfe bereits seit den 1650er Jahren.1 Dass der kränkliche Karl II. unerwartet lange lebte, hatte das Thema nur aufgeschoben und die Optionen vervielfacht. Am gewichtigsten waren die Ansprüche Österreichs und Frankreichs. Für Österreich sprach das Prinzip des dynastischen Einheit des Hauses Habsburg und Leopolds erste Ehe mit der Infantin Margarita Theresa, der jüngeren Tochter Philipps IV., für Frankreich die Ehe Ludwigs XIV. mit ihrer älteren Stieftochter Maria Theresia. Ludwig hatte zwar im Ehevertrag offiziell auf das Thronfolgerecht verzichtet, Frankreich konnte aber darauf verweisen, die Vereinbarung sei nichtig, weil Philipp die vertraglich zugesicherte Mitgift nicht bezahlt hatte. Die geheime französisch-österreichische Übereinkunft von 1668 sah eine Teilung vor, wobei Spanien und die norditalienischen Ländereien an die Habsburger fallen sollten und Frankreich die Franche-Comté, Navarre, Neapel und Sizilien sowie die spanischen Gebiete in Nordafrika und den Philippinen bekäme. In den 1690er Jahren distanzierten sich beide von diesem Plan, prinzipiell hatte Österreich jedoch einer Teilung zugestimmt.

In Spanien fand die Idee wenig Gefallen. Bis in die frühen 1690er Jahre neigte Karl II. dazu, das ganze spanische Erbe seinen österreichischen Verwandten zu überlassen, dann kam in Gestalt des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, der die Erzherzogin Maria Antonia, das einzige Kind aus Leopolds spanischer Ehe, geheiratet hatte, eine vielversprechende Kompromisslösung ins Spiel. Dass auch sie auf die spanische Thronfolge verzichtet hatte, dämpfte Max Emanuels Ambitionen nicht. 1691 wurde er zum Statthalter der Spanischen Niederlande ernannt und durch die Geburt seines Sohns Joseph Ferdinand im Oktober 1692 trat ein neuer Anwärter auf die spanische Krone auf den Plan.

Österreichs Beharren auf seinem Recht auf das ungeteilte Erbe machte alle Bemühungen um eine akzeptable Lösung zunichte. Nach dem pfälzischen Krieg kam es 1697 zu einem neuen Einigungsversuch, wobei Wilhelm III. als Vermittler auftrat, um einen weiteren internationalen Konflikt abzuwenden. Selbstlos war sein Einsatz nicht: Spanien und das spanische Westindien waren wichtige Exportmärkte für Großbritannien und die Niederlande, die beide schützen und, wenn möglich, erweitern wollten. Ludwig XIV. war nun ebenfalls kompromissbereit, solange Frankreich in Anerkennung seiner Rechte entschädigt würde. Im Oktober 1698 unterzeichneten Wilhelm III. und Ludwig XIV. den ersten Teilungsvertrag, der die spanische Krone Joseph Ferdinand von Bayern zusprach, Leopolds jüngerem Sohn Karl die spanischen Besitzungen in Italien (Mailand, Neapel, Sizilien, Toskana und das Marquisat von Finale) und Frankreich die spanische Provinz Guipúzcoa südlich der Pyrenäen. Nur vier Monate später machte Joseph Ferdinands Tod diesen Plan hinfällig. Ein zweiter Teilungsvertrag, den England, die Niederlande und Frankreich im Juni 1699 schlossen, schlug Erzherzog Karl das bayerische Erbe zu, überließ Frankreich jedoch zusätzlich zu den Erbansprüchen des Dauphin in Italien auch Mailand. Der Hintergedanke war, Ludwig XIV. könne mit Mailand den Herzog von Lothringen entschädigen, dessen Territorium dann endlich ganz ins französische Königreich eingefügt werden könnte.

Dies war für Wien gänzlich inakzeptabel. Erzherzog Karl hatte Aussichten auf die spanische Krone und Leopold war überzeugt vom Anrecht seines Sohns auf das Erbe, aber sein eigener Interessenschwerpunkt als Herrscher von Österreich lag in Italien. Dort hatte Leopold seit den 1660er Jahren ausgeklügelte Vorbereitungen für die spanische Erbfolgekrise getroffen; überhaupt war er in Italien politisch aktiver als jeder Kaiser seit Rudolf II. in den 1580er Jahren.

Im vergangenen Jahrhundert hatte sich das Problem nicht verändert. In Italien gab es ein Netzwerk von 250 bis 300 Reichslehen, Überresten des Regnums des Heiligen Römischen Reichs aus seiner Blütezeit im 13. und 14. Jahrhunderts, bei dem es immer wieder zu Überlappungen und Konflikten mit dem feudalen Netzwerk des Heiligen Stuhls gekommen war. Als weitere Komplikation trat hinzu, dass Karl V. seine italienischen Besitzungen 1556 an Spanien abgetreten hatte, wodurch der König von Spanien als kaiserlich Vasall Neapel, Sizilien, Mailand und Genua hielt. Nach dem Zwist zwischen Rudolf II. und Philipp II. über Einflussbereiche in Italien hatten die Österreicher die spanische Präsenz akzeptiert.2 Sie gestanden Spanien zudem die Hauptlast der Verteidigung Italiens gegen Frankreich im Dreißigjährigen Krieg zu. Erst 1678 ernannte Leopold den Statthalter von Mailand zum Generalbevollmächtigten von Italien – ein seit der Herrschaft von Kaiser Matthias nicht mehr vergebenes Amt, dessen Funktionen eher planlos vom Reichshofrat ausgeführt worden waren. Rechtlich standen die italienischen Territorien nach wie vor unter dessen Autorität und viele kleinere Lehen betrachteten Wien weiterhin als ihren Behüter gegen größere Mächte wie den Heiligen Stuhl, Neapel, die Toskana, Mailand und Savoyen.

Der zunehmende Schwund der spanischen Macht und anhaltende französische Einmischung in Norditalien führten zu neuen Versuchen, die österreichische Kontrolle wiederherzustellen. Spanische Beamte legten Listen von Lehen an, 1687 wurde ein neuer Generalbevollmächtigter ernannt. 1690 bis 1691 erhob Prinz Eugen erstmals in Italien Reichssteuern, um den Krieg zu finanzieren.3 1696 befahl ein Edikt allen Vasallen, ihre Belehnungsurkunden vorzuweisen und ihren Lehnseid bei Androhung des Verfalls binnen Jahr und Tag zu erneuern. Gleichzeitig gelang es ein Jahr vor Ende des pfälzischen Kriegs, ohne England und die Niederlande zu konsultieren, Frankreich und Savoyen zur Anerkennung der Neutralität Italiens zu bewegen. Dieser Vertrag erzürnte Wilhelm III., der wollte, dass Leopold den Krieg gegen Frankreich in Italien fortführte. Die Erneuerung der Lehen wiederum ergrimmte den Papst, weil nun einige seiner Vasallen uralte, von Otto IV. oder Karl IV. unterzeichnete Urkunden ausgruben, die sie als Vasallen des Kaisers auswiesen. Noch wichtiger und direkt relevant für die spanische Thronfolge war die Frage vakanter Lehen. In Wien nämlich wuchs die Entschlossenheit, Mailand, das mit dem Tod von Karl II. vakant würde, für die Krone zurückzugewinnen.

Daher lehnte Leopold den zweiten Teilungsvertrag ab und strebte nach einem direkten Abkommen mit Ludwig XIV., das für die Abtretung der italienischen Territorien an Österreich fast alles übrige dem Dauphin überließ. All diese Gedankenspiele warf Karl II. selbst über den Haufen, indem er kurz vor seinem Tod am 1. November 1700 ein geheimes Testament aufsetzte. In Anerkennung der spanischen Haltung, das Königreich müsse ungeteilt und mit sämtlichen abhängigen Territorien vereint bleiben, übergab er alles an Ludwigs Enkel Philipp von Anjou, den zweiten Sohn des Dauphins. Erzherzog Karl kam demnach als Erbe nur infrage, falls Philipp und sein jüngerer Bruder, der Duc de Berry, ohne Nachkommen sterben sollten. Schock und Wut in Wien hielten sich die Waage mit der offensichtlichen Zustimmung anderswo, als der junge Prinz im Februar 1701 als Philipp V. den Thron bestieg.

Bestärkt durch die unerwartete Wende in Spanien ließ sich Ludwig XIV. hinreißen, alle Beteiligten herauszufordern. Er verstieß gegen die Bedingungen des Testaments, das eine Vereinigung Spaniens mit Frankreich untersagte, indem er dem neuen spanischen Monarchen die französische Thronfolge zusagte. Bald darauf vergab Philipp Konzessionen an französische Kaufleute, was Großbritannien und die Niederlande alarmierte, die eine französische Dominanz über den spanischen Binnen- und Kolonialhandel fürchteten. Ludwig ließ seine Truppen gegen die Spanischen Niederlande und Mailand aufmarschieren und erkannte obendrein im September 1701 nach dem Tod von Jakob II. im französischen Exil dessen Sohn James Edward Stuart als König Jakob III. von England an.

Inzwischen hatte sich die Große Allianz gebildet, deren Gründungsabkommen Leopolds italienische Vorrechte respektierte. Philipp V. sollte Spanien behalten dürfen, aber die Spanischen Niederlande und die italienischen Territorien würden an Erzherzog Karl gehen. Großbritannien und die Niederlande wollte man mit Handelskonzessionen von Philipp V. und mit allen Eroberungen im Westen und Westindien entschädigen. 1701 überließ der Allianzvertrag Spanien Philipp V., aber der Kriegseintritt Portugals auf Seiten der Großen Allianz 1703 sorgte für einen Kurswechsel, da König Peter II. auf der Vertreibung der Franzosen bestand. Leopold schlug einen dynastieinternen Teilungsvertrag (pactum mutuase successionis) vor, der Joseph und Karl zu Oberhäuptern zweier neuer Habsburg-Linien mit gegenseitigem Nachfolgerecht machen sollte, wobei Josephs Tochter im Fall des Ausbleibens männlicher Erben Karls Tochter vorgezogen werden sollte. Leopold und Joseph verzichteten auf ihre Ansprüche auf Spanien und seine Subsidiarterritorien, behielten aber Mailand und das Marquisat von Finale als heimgefallene Reichslehen. Nach Abschluss des Abkommens wurde Erzherzog Karl nach Spanien entsandt. Im März 1704 langte er in Portugal an, konnte jedoch erst über ein Jahr später nach Barcelona reisen, von wo er dann die labile Herrschaft über ein Reich ausübte, das tatsächlich nie über Katalonien und Valencia hinausreichte.4

Leopold hatte beschlossen, in den Krieg zu ziehen, und die Strategie festgelegt. Deren Umsetzung verdankte sich indes zum großen Teil der Energie seines Erben Joseph. Zu Beginn der spanischen Krise war zwar die österreichische Reaktion klar, Verkrustungen in den entscheidenden Kreisen um den Kaiser, administrative und fiskalische Inkompetenz und die allgemeine Ansicht, es werde schon alles gut gehen, standen ihr jedoch im Weg.

Erst das Scheitern der ersten militärischen Initiative von Prinz Eugen in Italien 1701/02 und der Beginn eines Feldzugs in den Niederlanden und entlang dem Rhein riefen eine Gruppe auf den Plan, die energische Reformen und entschiedenes Handeln vorantrieb. Joseph war der anerkannte Führer dieses »jungen Hofs« und Leopold ernannte ihn zum Leiter einer Mitteldeputation, die Geld für neue Kriegsbemühungen aufbringen sollte. Im Sommer 1704 erlitten die Reformer einen Rückschlag; Joseph wurde von den Sitzungen des Kriegskonzils ausgeschlossen und bei allen politischen Entscheidungen übergangen. Als er im Mai 1705 seinem Vater auf den Thron folgte, sammelte er jedoch ein Kabinett führender Reformer um sich, dem er als Erster unter Gleichen vorsaß.5

Die steuerlichen und administrativen Reformen der ersten Monate von Josephs Herrschaft stellten keine revolutionäre Modernisierung des Habsburger-Systems dar, zudem starb er vor ihrer Vollendung. Zweifellos aber trugen sie entscheidend dazu bei, eine Katastrophe abzuwenden, ehe der kriegsbedingte Aufschwung neue Einkünfte aus Italien und anderswo brachte.6 Derweil ermöglichten es die Reformen Joseph und seinen Beratern, an den diversen Fronten koordiniert vorzugehen. Die Kriegsgeschehnisse in Italien, Spanien und den Spanischen Niederlanden verschärften sich 1703 durch einen Volksaufstand in Ungarn und den Angriff des bayerischen Kurfürsten auf Österreich. Art und Ausmaß des österreichischen Engagements auf den verschiedenen Schauplätzen waren unterschiedlich, und was die Bedeutung Deutschlands und des Reichs betrifft – gemessen an Österreichs Interessen als Großmacht –, sind sich die Gelehrten sehr uneins.7 Josephs früher Tod 1711 im Alter von dreiunddreißig Jahren schließt eine definitive Bewertung aus, da er das Reich nie zu Friedenszeiten regierte. Die Konstruktion eines Gegensatzes von Österreich und dem Reich führt wohl in die Irre. Josephs Herrschaft war geprägt von einem energischeren Herangehen an die Regierungsarbeit, nicht von schwindendem Interesse.

Josephs Bündnispartner haben seine Politik häufig kritisiert. Die maritimen Mächte hielten im Großen und Ganzen an den ursprünglichen Kriegszielen in Frankreich und Spanien fest. Joseph war wiederholt durch andere Belange abgelenkt und kam in ihren Augen manchmal seinen Verpflichtungen gegenüber der Großen Allianz nicht nach. Aus Wiener Sicht indes stellte jeder Kriegsschauplatz eigene Anforderungen. Das Reich war nur eine von mehreren Fronten.

Die wichtigste war Italien.8 Dort unternahm Prinz Eugen 1701/02 seinen ersten erfolgreichen Feldzug. Als dieser mangels Nachschub ins Stocken geriet, richtete sich die Aufmerksamkeit auf deutsche Probleme im Norden. Die Lage in Italien besserte sich im November 1703, als Herzog Viktor Amadeus von Savoyen gegen umfangreiche Gebietsgewinne die Seiten wechselte und ein Bündnis mit dem Kaiser schloss. Neue Probleme in Deutschland ermöglichten es Philipp V. jedoch, Mailand und Neapel in seine Hand zu bekommen. Nötig war nun eine große Gegenoffensive. Im September 1706 nahm Prinz Eugen Turin ein und bis März 1707 wurden die bourbonischen Truppen aus ganz Norditalien vertrieben, mit Ausnahme von Savoyen, das die Franzosen bis Kriegsende hielten. Nach dem Fall von Turin drängten die Seemächte Joseph, Toulon anzugreifen, Wien zögerte jedoch, da der Kaiser darauf beharrte, ein umfangreiches Kontingent für den Sturm auf Neapel abzustellen.

Mit dem Fall von Neapel war die österreichische Hegemonie in Italien perfekt. Inzwischen hatte die Reichsregierung bereits Schritte eingeleitet, um ihre Herrschaft in Norditalien auf eine Weise zu festigen, die an die französischen Reunionen der 1680er erinnerte. Alte Rechtsansprüche wurden erneuert, Strafmaßnahmen gegen jene ergriffen, die anfangs zu Philipp V. gestanden hatten. 1708 wurde der Herzog von Mantua wegen Verrats bestraft und sein Land konfisziert, die Territorien anderer geächteter oder des Hochverrats für schuldig befundener Herrscher verkauft. Selbst der Papst blieb nicht verschont: 1708 besetzten kaiserliche Truppen das zum Reichslehen erklärte Comacchio, was zu Feindseligkeiten führte, die bis 1711 anhielten.9

Die italienischen Feldzüge zielten klar darauf ab, Österreichs Macht durch die Schaffung eines territorialen Blocks entlang den Erblanden, Böhmen und Ungarn zu stärken. Die Erneuerung kaiserlicher Vorrechte geschah jedoch auch im Namen des Reichs, die Kurfürsten unterstützten die Neubegründung kaiserlicher Lehen und die Durchsetzung der Autorität des Reichshofrats in Norditalien. Ihre Architekten waren Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn, der österreichische Hofkanzler Seilern und der einflussreiche Obersthofmeister Fürst Salm; ihre aggressive Haltung gegenüber dem Heiligen Stuhl erregte indes den Widerstand der katholischen Kurfürsten und Fürstbischöfe sowie einer Mehrheit der kaiserlichen Räte. Sich auf Reichsrecht und den Krönungseid des Kaisers zu berufen, der ihn verpflichtete, alle abspenstigen Lehen für das Reich zurückzugewinnen, war Vorwand für die Schaffung einer neuen österreichischen Interessensphäre. Andererseits hätte es Österreich als »Großmacht« und Rettungsanker des Deutschen Reichs empfindlich geschwächt, Philipp V. Italien für die Bourbonen zu überlassen.

Viel weniger Bedeutung maß man Spanien und der Zukunft von Erzherzog Karl als Karl III. von Spanien bei. Für Joseph war wichtig, dass sich Karl in Spanien durchsetzte, weil ihm Leopold für den Fall eines Scheiterns Tirol und Vorderösterreich versprochen hatte, womit das alte Problem wettstreitender Dynastien in Österreich in neuer Form die Konsolidierung der habsburgischen Länder behindert hätte. Andererseits überließen Joseph und seine Berater offenbar gern Großbritannien, den Niederlanden und Portugal die Hauptlast der Unterstützung Karls in Spanien. 1707 eroberten sie lieber Neapel, als Karl durch einen Einmarsch in der Provence beizustehen. Josephs Beharren auf der Ernennung des böhmischen Adligen Graf Martinitz zum Vizekönig unter Missachtung von Karls Kandidaten Kardinal Grimani zeigte einmal mehr seine Geringschätzung der Rechte seines Bruders in Süditalien.10

Die österreichische Streitmacht, die unter dem Kommando von Graf Guidobald von Starhemberg schließlich doch nach Spanien entsandt wurde, war zu klein und kam zu spät. Im Januar 1711 hatten französische Truppen Gerona erobert und Katalonien umzingelt.11 Karl rettete nur der Tod seines Bruders, der ihn nach Wien zwang, um sein österreichisches Erbe zu beanspruchen. Ein Jahr später machten britische und niederländische Waffenstillstandsabkommen Starhembergs Position vollends unhaltbar. Im September 1714 kapitulierte Barcelona, womit die Epoche der Habsburgerherrschaft in Spanien endgültig endete.

Manche meinen, die Konzentration auf Italien habe zur Vernachlässigung Deutschlands und des Reichs geführt; Joseph sei es nicht gelungen, dessen Westgrenze zu sichern und an Frankreich verlorenes Gebiet zurückzugewinnen. Das war wohl ohnehin nie eine realistische Option, aber die deutsche Situation war von Anfang an komplizierter. Eine aggressive Politik wie in Italien war hier nicht denkbar: Gegen Frankreich hätte sie nicht viel bewirkt und die deutschen Länder hätten sie sowieso nicht akzeptiert. Viel Aufhebens wurde um den Umgang mit Reichsvizekanzler Friedrich Karl von Schönborn gemacht, dem einundzwanzigjährigen Neffen des Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn, der ihn im Januar 1705 für den Posten nominierte.12 Zunächst verweigerte Leopold seine Ernennung, die Joseph dann doch bestätigte, ihn jedoch schrittweise von allen Entscheidungen ausschloss, die nicht unmittelbar Deutschland betrafen. Schönborns Enttäuschung über die offensichtliche Herabwürdigung seines Amts sollte indes nicht über seinen anhaltenden Einfluss in der deutschen Politik hinwegtäuschen. Auf lange Sicht nahm die Bedeutung der österreichischen und böhmischen Kanzleien sicherlich zu. Während Josephs Herrschaft und zu Beginn der von Karl spielten der Reichsvizekanzler und der Erzkanzler in Mainz aber weiterhin eine entscheidende Rolle.

Die meisten deutschen Fürsten hatten sich dem Kaiser angeschlossen, auch wenn sich einige anfangs sträubten, in einen vermeintlich österreichischen Krieg hineingezogen zu werden. Die armierten Fürsten zogen es wie üblich vor, ihre Truppen gegen Subsidien in den Dienst verschiedener Bündnispartner zu stellen. Hannover und Brandenburg schlossen sich in eigenem Namen der Großen Allianz an. Aufgrund der Verleihung der Kurwürde beziehungsweise der Anerkennung des Königstitels in Preußen waren beide dem Kaiser verpflichtet. Zudem wollte Hannover seine Aussichten auf den britischen Thron verbessern, falls Königin Anne ohne Erben stürbe, während Brandenburg zumindest auf einige niederländische und deutsche Ländereien Wilhelms III. hoffte.13 Sachsen war weiterhin mit Polen beschäftigt; um sich dort den Thron zu sichern, unternahm der Kurfürst mehrere Anläufe, die schwedische Macht im Baltikum zu untergraben. 1705 wurde er selbst aus Polen verdrängt und kehrte erst 1709 zurück, woraufhin es noch mehrere Jahre dauerte, das Königreich zu befrieden.14

In Süd- und Mitteldeutschland bildeten die Vorderen Kreise mit dem österreichischen Kreis 1702 die Nördlinger Assoziation, die Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden (den »Türkenlouis«) zu ihrem Kommandeur ernannte und der Großen Allianz beitrat.15 Dieser Bund beruhte auf dem Modell seiner Vorgänger, war jedoch viel umfassender. Sein Hauptziel war die Verteidigung gegen Frankreich, viele traten ihr indes bei, weil sie Schutz vor den Zumutungen der armierten Fürsten suchten. Überhaupt waren viele kleinere Fürsten, die ehedem den armierten Fürsten nacheifern und eine unabhängige militärische Rolle spielen wollten, nun auf Schutz und Sicherheit in einer bewaffneten Allianz aus. Zugleich war von vornherein klar, dass die Assoziation nicht nur militärisch unabhängig sein, sondern auch ihre Interessen in eventuellen Friedensverhandlungen direkt vertreten wollte. So bildeten die kleineren Länder einen Block mit Zielen und Erwartungen ähnlich denen der mächtigeren Fürsten, außer dass ihre Ausrichtung grundsätzlich defensiv und nicht expansiv war. Dies führte zu Spannungen mit dem Kaiser. Während der Bund von Anfang an davon ausging, dass er unter dessen Protektion stand (sub auspiciis caesaris), misstraute er Österreich als Territorialmacht. Dass er sich mit dem Reich und nicht mit dem Kaiser als österreichischem Herrscher identifizierte, unterstrich die Tatsache, dass Kurfürst Lothar Franz von Schönberg de facto als sein Anführer auftrat, wenn auch in seiner Funktion als Fürstbischof von Bamberg und nicht als Reichserzkanzler oder Erzbischof von Mainz.

Wer sich weigerte, am Krieg teilzunehmen, wurde als ebenso bedrohlich wie Frankreich selbst betrachtet. Die Wittelsbacher Kurfürsten Max Emanuel von Bayern und Joseph Clemens von Köln verhandelten mit Frankreich, der katholische Konvertit Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel verweigerte dem Kaiser die Unterstützung, weil er immer noch wütend über die Schaffung einer Kurwürde für seine Verwandten in Hannover war.

Mit Anton-Ulrich wurde Leopold leicht fertig, indem er seinen Vettern Georg Ludwig von Hannover und Georg Wilhelm von Celle gestattete, dessen Länder zu besetzen. Die Wittelsbacher waren gefährlicher. Der Kölner Kurfürst gewährte im Mai 1702 französischen Truppen Zutritt zu Köln und Lüttich, auch um eine Besetzung durch niederländische und norddeutsche Streitkräfte zu verhindern. Dies brachte Max Emanuel von Bayern, der in seiner Funktion als Statthalter der Spanischen Niederlande darauf hoffte, ein Scherflein vom spanischen Erbe aus der Hand Leopolds oder andernfalls Ludwigs XIV. zu ergattern, in Zugzwang. Sein Versuch, Leopold durch die Eroberung einiger schwäbischer Städte im September 1702 unter Druck zu setzen, führte nur dazu, dass sich die Mehrheit der deutschen Länder hinter den Kaiser stellte und der Reichstag Frankreich am 30. September den Krieg erklärte.

Die Militäroperationen gegen Frankreich im Westen begannen günstig. Britische und niederländische Streitkräfte nahmen Roermond, Venlo und Lüttich ein, Joseph selbst führte die kaiserlichen Truppen im September 1702 gegen die französische Festung Landau.16 Ansonsten aber bezogen die Kräfte von Ludwig Wilhelms Nördlinger Assoziation Verteidigungsstellungen hinter den Landfestungen und Linien, die ab den 1670er Jahren am Oberrhein errichtet worden waren.17 Finanzielle Probleme, politische Dispute in Wien und der Vorrang anderer Schauplätze zogen die Aufmerksamkeit von Deutschland ab. Als Bayern und Frankreich das ausnutzen wollten, änderte es sich schnell wieder. Im September 1703 überschritten die Franzosen den Rhein, nahmen Breisach ein und schlugen gemeinsam mit Bayern eine kaiserliche Armee bei Schwenningen-Höchstädt an der Donau. Dann eroberte Max Emanuel Augsburg, besetzte Passau und drang bis Linz nach Oberösterreich vor.

Die alliierte Reaktion entschied den Krieg. Marlborough führte eine englischniederländische Armee den Rhein hinab und schloss sich an der Donau den kaiserlichen und Kreistruppen unter dem Befehl von Prinz Eugen und Ludwig Wilhelm von Baden an; gemeinsam schlugen sie die französisch-bayerische Streitmacht am 13. August bei Höchstädt. Max Emanuel floh in die Spanischen Niederlande, die Franzosen zogen aus Deutschland ab und kehrten nur noch zweimal kurz zurück, im Mai 1707 und im September 1713. Bayern fiel unter ein hartes Besatzungsregime, das dem Land so viel Geld und Männer abpresste, dass es 1705 zu einem großen Bauernaufstand kam.18

Der Sieg in Süddeutschland ließ Wien freie Hand, mit einer Rebellion fertigzuwerden, die im Sommer 1703 in Ungarn losgebrochen war.19 Franz II. Rákóczi, der Stiefsohn von Emmerich Thököly, dem Anführer des Kuruzenaufstands der 1670er Jahre, hoffte auf französischen Beistand, um die Ablenkung durch den spanischen Krieg zu nutzen. Nach der Niederlage von Höchstädt konnte weder Ludwig XIV. noch Max Emanuel Hilfe schicken, aber Rákóczi gewann dennoch an Boden. Sein Programm eines toleranten Katholizismus stachelte die gesamte ungarische Opposition auf; es drohte der Verlust von Siebenbürgen sowie Ungarn und 1704 machten ungarische Raubzüge nahe Wien die eilige Errichtungen von Festungen zum Schutz der Vorstädte nötig. Großbritannien und die Niederlande boten Vermittlung an und waren irritiert, als Joseph einen Kompromiss ablehnte. Er teilte zwar den dogmatischen Katholizismus seines Vaters nicht, wollte aber nichts aufgeben, was Leopold erworben hatte, und konnte Rákóczis Forderung nach internationalen Garantien und einem unabhängigen Siebenbürgen keinesfalls akzeptieren.

1707 wurde die Bedrohung einer Abspaltung real, als eine Gruppe aufständischer siebenbürgischer Länder Rákóczi zum Fürsten von Siebenbürgen ernannte, das ungarische Parlament in Ónod Joseph formell absetzte und den ungarischen Thron für vakant erklärte. Die Seemächte und die deutschen protestantischen Fürsten beanstandeten Habsburgs Vorgehen gegen seine protestantischen Untertanen. Hinter Josephs kompromissloser Haltung standen jedoch entscheidende konstitutionelle Aspekte und nicht die Religion, was dadurch unterstrichen wurde, dass er eine Verknüpfung des nordeuropäischen Konflikts mit den Problemen in Ungarn und dem Spanischen Erbfolgekrieg vermied. 1704 hatte Karl XII. von Schweden König August aus Polen in sein Kursachsen vertrieben, Stanislaus Leszczyn ski als polnischen König eingesetzt und war dabei durch Schlesien marschiert. Die ungarischen Rebellen hofften auf ihn, während der Kurfürst von Brandenburg die Chancen einer Allianz von Schweden, Hannover und Brandenburg auslotete.

Joseph wollte kein Risiko eingehen und bestach Karl XII. mit dem zweiten Friedensvertrag von Altranstädt vom 1. September 1707.20 Entscheidend waren seine erheblichen Zugeständnisse an die schlesischen Protestanten, die ihre Rechte aus dem Westfälischen Frieden wiederherstellten und die illegale Rekatholisierung des Landes durch die Habsburger nach 1648 rückgängig machten. Nicht einmal die Türken wollten den ungarischen Rebellen beistehen. Eine vernichtende Niederlage gegen kaiserliche Truppen im August 1708 schwächte Rákóczis Bewegung und schließlich endete der Konflikt 1711, kurz nach Josephs Tod, mit dem Frieden von Szatmár. Um die Erbfolge in Ungarn und Siebenbürgen zu sichern, erklärten sich die Habsburger bereit, die Gesetze des ungarischen Königreichs zu achten.

Obwohl Ungarn einen gewaltigen Aufwand erforderte, ging der Feldzug in Italien unerbittlich voran. Der Schwerpunkt des spanischen Kriegs hatte sich derweil in die Spanischen Niederlande verlagert. Marlboroughs Sieg bei Ramillies im Oktober 1706 beendete Max Emanuels Statthalterschaft. Brabant, Malines und der größte Teil von Flandern waren Ende des Jahres eingenommen. Achtzehn Monate später schlugen Marlborough und Prinz Eugen eine neue französische Gegenoffensive bei Oudenaarde (11. Juli 1708) zurück und eroberten Lille. Ein endgültiger Sieg gegen Frankreich gelang jedoch nicht; ein weiterer Versuch nach dem Abbruch der ersten Friedensverhandlungen endete mit dem alliierten Sieg bei Malplaquet (11. September 1709), der so kostspielig war, dass er die Verhandlungsposition der Allianz eher untergrub.21

Nach Oudenaarde zeigte sich Frankreich jedoch offen für Friedensgespräche, wodurch die widerstreitenden Interessen der Großen Allianz zutage traten.22 Die Franzosen schienen 1709 in La Hague bereit, den kompletten Rückzug aus Spanien, Barrierefestungen zu den Niederlanden, die britische Thronfolge Hannovers und die Ausweisung des Old Pretender aus Frankreich zu akzeptieren, ebenso wie den Rückfall Straßburgs und der während der Reunionen von 1679 bis 1681 besetzten elsässischen Gebiete an das Reich. Die Verpflichtung, militärisch gegen Philipp V. vorzugehen, falls er seine Ländereien nicht aufgeben wollte, lehnten sie jedoch ab.

Eine zweite Verhandlungsrunde in Geertruidenberg kam nicht weiter und bald darauf begann die alliierte Solidarität zu bröckeln, als die neue, friedfertig gesinnte britische Tory-Regierung Marlborough zurückrief und geheime Verhandlungen mit Frankreich aufnahm. Josephs plötzlicher Tod am 17. April 1711 machte alle Kalkulationen hinfällig. Da er nur zwei Töchter hatte, ging sein Erbe an Karl, wodurch das Schreckgespenst einer Vereinigung spanischer und österreichischer Länder zu einem Imperium, größer als das Karls V., aktuell wurde. Der Widerstand von Ludwig XIV., Papst Clemens XI. und den beiden geächteten Wittelsbacher Kurfürsten (die nicht zur Wahl zugelassen wurden) konnte die relativ problemlose Wahl Karls zum Kaiser am 12. Oktober 1711 nicht verhindern. Er war der letzte verbliebene männliche Habsburger; schon das genügte manch einem Kurfürsten, für ihn zu stimmen.

Großbritannien und die Niederlande unterstützten Karls Wahl, betrachteten das mögliche Ausmaß seiner Territorien – von den Westindischen Inseln bis Ungarn und von Spanien und Italien bis zu den Spanischen Niederlanden – jedoch mit großer Besorgnis. Aber die britische Regierung drängte auf Frieden und nach einer verheerenden Niederlage gegen Frankreich bei Denain am 24. Juli 1712 schlossen sich die Niederlande an.

Binnen eines Jahres schlossen Großbritannien, die Niederlande, Savoyen, Portugal und Preußen mit Frankreich in Utrecht Frieden. Entscheidend war dabei die Untermauerung der Herrschaft Philipps V. in Spanien, während die Habsburger in den Spanischen Niederlanden und einem Großteil von Italien bestätigt wurden; lediglich Sizilien ging mit einem Königstitel an Savoyen und Sardinien wurde für Max Emanuel von Bayern reserviert. Britische Handelsinteressen wurden mit Gibraltar und Menorca sowie einem dreißigjährigen Monopol auf den spanischamerikanischen Sklavenhandel befriedigt. Den Niederlanden sagte man Barrierefestungen zu, hauptsächlich auf Kostens Habsburgs, deren genaue Bedingungen jedoch offen blieben. Brandenburg-Preußen erhielt Neuchâtel, Moers, Lingen und einen Teil von Geldern (fortan Oranien genannt). Friedrich Wilhelm I. bekam dazu Titel und Wappen eines Prinzen von Oranien zugesprochen, verzichtete indes auf alle Ansprüche auf Franche-Comte und das französische Fürstentum Oranien selbst. Erfolgreich war auch Frankreichs Forderung nach Sizilien mit einem Königstitel für Savoyen und Wiedereinsetzung der Wittelsbacher in ihre Länder und Titel. Max Emanuel behielt bis dahin Luxemburg, Namur und Charleroi.

Der Kaiser lehnte den Frieden ab, weil die Vereinbarung in Bezug auf Spanien nicht akzeptabel war. Zudem blieben die Anliegen des Reichs unberücksichtigt. Die Forderung nach einer Reichsbarriere zum Schutz gegen Frankreich und das Ersuchen der protestantischen Fürsten nach Widerruf des infamen Artikels 4 des Friedens von Rijswijk wurden ignoriert.23 Eine weitere militärische Auseinandersetzung mit Frankreich, bei der französische Truppen erneut die Verteidigungslinien im Schwarzwald durchbrachen, änderte die Substanz des Abkommens nicht.

Im März 1714 setzte Österreich in Rastatt die Rückgabe von Breisach, Freiburg und Kehl sowie die Zerstörung aller französischen Festungen am rechten Rheinufer durch. Karl VI. musste Max Emanuel vollständig wiedereinsetzen, inklusive der Rückgabe der Oberpfalz, die 1706 dem loyalen Pfalz-Neuburger Kurfürsten von der Pfalz übertragen worden war.24 Da Max Emanuel nicht weiter entschädigt werden musste, ging Sardinien an die Habsburger, die Bayern vergaßen jedoch nicht, dass man ihnen damit einen Königstitel vorenthalten hatte. Was die Reichsbarriere und die Bestimmungen von Rijkswijk betraf, gab es keine weiteren Fortschritte; der im September 1714 im schweizerischen Baden mit Frankreich für das Reich geschlossene Vertrag bestätigte nur, was in Utrecht und Rastatt beschlossen worden war.

Übten Joseph und Karl Verrat am Reich, indem sie ihre eigene Erhöhung in Italien und den Spanischen Niederlanden betrieben? Offiziell war das Reich nicht Teil der Großen Allianz, durfte also eigentlich überhaupt keine Forderungen stellen, und 1714 scherte sich international sowieso kaum jemand um die Haltung des Reichstags zum Krieg. Die Nördlinger Assoziation gehörte der Allianz jedoch an und ging als einziges Mitglied ohne Gewinn aus dem Krieg hervor.

In weiterem Umfeld betrachtet, erscheint die österreichische Politik in anderem Licht.25 Im Grunde stimmten Joseph und Karl mit den Niederlanden und der Nördlinger Assoziation überein, dass eine Barriere gegen zukünftige französische Aggressionen von der Nordsee bis zur Schweiz wünschenswert war. Zugleich wollte Österreich die Sicherheit Lothringens garantieren, was nach Meinung mancher nur möglich war, wenn man das Elsass mit Straßburg, aber auch Metz, Toul und Verdun zurückgewann.

Das ging viel weiter als ein bloßes Bestehen auf der Unantastbarkeit des Westfälischen Friedens: Die Bistümer waren seit 1552 in französischer Hand und 1648 offiziell abgetreten worden. Der Herzog von Lothringen erhob sogar Anspruch auf die Franche-Comté und andere Gebiete zur Bildung einer Schutzbarriere gegen französische Angriffe.

Die Nordgrenze war recht unkompliziert. Hier einigten sich Großbritannien und die Niederlande 1709 und 1713 in Verträgen, die im Grunde an eines der Ziele der Großen Allianz von 1701 anknüpften: eine Barriere aus größtenteils spanischniederländischen Gebieten (und teilweise auch von dort finanziert). Es wurde im dritten Barrierevertrag umgesetzt, den die Niederlande und Wien 1715 schlossen und Großbritannien garantierte und der im Gegenzug die Rückgabe der Spanischen Niederlande in habsburgische Hände zuließ.

Pläne für eine Reichsbarriere gab es seit den 1690er Jahren, sie waren jedoch sämtlich extrem kompliziert und setzten die französische Zustimmung zur Rücknahme von Entwicklungen der letzten eineinhalb Jahrhunderte voraus.26 Nichts wäre der kaiserlichen Regierung lieber gewesen als ein Frankreich, umgeben von einem Ring aus Savoyen, Lothringen und den Niederlanden.27 Schönborns Anläufe zu einer Allianz mit den Niederländern erregten unweigerlich den Widerspruch der Reichsregierung, hätten aber wohl sowieso kaum etwas ergeben. Es gab schlicht zu viele gegensätzliche Interessen und Frankreich war zwar vom Krieg erschöpft, aber nicht gänzlich besiegt. Andererseits hatte die Nördlinger Allianz immerhin ihr Hauptkriegsziel erreicht: das Überleben sämtlicher Mitglieder ohne Verluste.28

Für das Reich war das Ergebnis des Spanischen Erbfolgekriegs die Wiederherstellung des Status quo, Österreich konnte hingegen mit den Spanischen Niederlanden, Neapel, Mailand und Sardinien beträchtliche Gewinne verbuchen. Sizilien und andere Teile des Herzogtums Mailand gingen an Savoyen, das 1718 noch Sardinien erhielt. In der Folge mussten den Bourbonen in Italien einige Zugeständnisse gemacht werden, aber im Norden entstand letztlich ein gefestigter Block habsburgischer Territorien. Von direkter Bedeutung für das Reich war der Erwerb der Spanischen Niederlande, und zwar in zweierlei Hinsicht. Sie galten von Anfang an als Aktivposten, den man irgendwann gegen Bayern tauschen konnte, was unter Joseph II. hochaktuell wurde.29 Zudem verschaffte dieser Zugewinn der imperialen Politik einen neuen Blickwinkel und Einfluss im Nordwesten in den 1720er und 1730er Jahren. Nicht zuletzt hatten die Habsburger nun ein ureigenes Interesse am Reich als Transitroute für ihre Streitkräfte zwischen den österreichischen Erblanden und Flandern: Eine »österreichische Straße« ersetzte somit die »spanische Straße«.30

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation und seine Territorien

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