Читать книгу Nass vor Lust! Erotischer Roman - Jodie Seavers - Страница 4
ОглавлениеKapitel 1
Ich langweilte mich auf einer Vernissage, zu der meine beste Freundin Nata mich mitgeschleppt und auf die ich von Anfang an keine Lust gehabt hatte. Letztendlich hatte sie mich mit dem Argument gekriegt: »Es gibt auch jede Menge Champagner!«
Wir stießen an, als sie sagte: »Früher, da fand ich dich arrogant. Du warst so anders. Dein Aussehen. Deine Art.«
Ich antwortete: »Was? Ich? Arrogant? Du spinnst ja.« Ich konnte mich genau an das erste Zusammentreffen erinnern mit der schönen Natalie, die von ihren Freunden Nata genannt wurde, Tochter aus gutem Hause, beliebt, begabt und einfach großartig. Ich erinnerte mich, wie ich dachte, wie toll es wäre, sie zur Freundin zu haben.
Und obwohl wir uns wenig ähnelten, waren wir sehr schnell unzertrennlich. Wie so oft war mir nicht bewusst gewesen, wie ich auf Menschen wirkte. »Na ja«, sagte ich und schaute dabei in Natas Gesicht mit den Augen, die vor Lebensfreude funkelten, »und nun bist du meine beste Freundin, du blöde Kuh.« Sie lachte und machte eine Kopfbewegung Richtung Bar. Wir standen inmitten der hypermodernen Galerie aus Glas und Beton. Es waren sehr bunte, sehr abstrakte, große Skulpturen ausgestellt, die mich nicht ansprachen. Bei Kunst gab es für mich nur ja oder nein. Dies war ein definitives Nein, aber der Champagner war dafür ein doppeltes Ja.
»Wie findest du den mit den Locken?«
Ich sah sofort, wen sie meinte. Er stand an der Bar und lächelte in unsere Richtung. »Nicht mein Typ. Zu viel Surfer, zu wenig Mann«, antwortete ich. Ich war seit einiger Zeit Single. Ich behauptete gern, aus Überzeugung.
Nata kicherte. »So wird das nichts mit dir und den Männern. Riskier mal was. Ich zum Beispiel bin dann mal weg«, sagte sie und war »schwupps« in Richtung Bar verschwunden. Plötzlich stand ich allein mitten im Raum zwischen der aufdringlichen Kunst, die mir nicht gefiel. Ich bewunderte Nata, die in dieser Minute absolut siegessicher den Surfer-Typen ansprach. Sie nahm die Gelegenheiten beim Schopf. Ich hätte mich selbst nicht als schüchtern beschrieben, aber so draufgängerisch und selbstsicher wie Nata war ich beileibe nicht. Ich sah, wie meine Freundin lachend den Kopf in den Nacken warf und sich offensichtlich prächtig amüsierte. Ich hatte mich noch nicht vom Fleck bewegt. Der Raum war groß, das Stimmengewirr hallte von den kalten Betonwänden wider. Es waren vielleicht einhundertfünfzig Leute da. Ich kannte niemanden. Ich betrachtete das leere Glas in meiner Hand und stellte fest, dass ich gern Nachschub gehabt hätte. Also ging ich widerwillig zur überfüllten Bar und orderte ein weiteres Glas Champagner. Unschlüssig schaute ich mich nach Nata um, die wie vom Erdboden verschluckt schien. Keine Nata, kein Surfer-Typ. Ich beschloss, frische Luft zu schnappen.
Von der Dachterrasse aus hatte man einen fantastischen Blick über die Lichter der Stadt, hieß es. Ich lief die breite Wendeltreppe mit den Stufen aus Riffelblech nach oben und öffnete die schwere Glastür. Als ich hinaustrat, begrüßte mich die Abendkühle und als sich die Tür hinter mir schloss, war es mit einem Mal still. Das hallende Stimmengewirr und der Sound, der wohl chillig sein sollte, mich aber nervte, seit ich ihn das erste Mal wahrgenommen hatte, blieben drinnen. Ich atmete tief durch.
»Langweilig?«, fragte eine Stimme aus der Dunkelheit heraus.
Ich erschrak und zuckte zusammen.
»Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken«, sagte er, trat aus der Dunkelheit hervor und lächelte mich an. Eigentlich hatte ich keine Lust auf Gesellschaft. Aber die Luft tat gut und der Blick war toll. Verloren betrachtete ich das Lichtermeer.
»Schon okay«, sagte ich und schaute ihn an. Er lehnte jetzt an der Hauswand, rauchte und ließ ebenfalls den Blick schweifen. Ich schätzte ihn auf Mitte dreißig. Mir gefiel, wie er da stand.
»Gefällt dir die Ausstellung?«, fragte er.
»Nein. Gefällt mir überhaupt nicht«, gab ich etwas patziger zurück, als geplant. Er grinste. Leise fragte er: »Aha. Was gefällt dir denn so?«
Ich musste mich räuspern und einen großen Schluck Champagner trinken. »Was meinst du?«, fragte ich zurück, obwohl sein Blick mir ziemlich genau zu verraten schien, was er meinte. Ich bekam weiche Knie in seiner Anwesenheit. Das verwirrte mich. Ihn umgab irgendetwas, das ich nicht greifen, nicht begreifen konnte, aber ich fühlte es. Es nahm mich gefangen, ohne dass ich in der Lage gewesen wäre, mich zu wehren. Wollte ich das überhaupt? Mich wehren? Was war hier los, verdammt? Er erinnerte mich an Zartbitterschokolade, die langsam und glänzend zerfloss, verfeinert mit einem Schuss Sahne und einem Hauch Whiskey vielleicht. Ich wollte das schmecken!
»Schon gut«, sagte er nach einer Weile und riss mich damit aus meiner Schokoladenfantasie. »Ich wollte dich nicht überfallen. Wir haben uns ja auch noch gar nicht bekannt gemacht.« Er kam auf mich zu und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Ich stand dort wie angewurzelt. »Ich bin Tom«, sagte er. Ich glaube, ich machte ein ziemlich doofes Gesicht, als ich sagte: »Hey. Ich bin Patrizia. Aber alle nennen mich Pat.«
»Hey Pat«, flüsterte er beinahe und dabei stand er zum Greifen nah vor mir. »Und, Pat. Worauf stehst du so?«
Mir wurde heiß. Ich sagte: »Ich kann das nicht.« Und rührte mich noch immer nicht vom Fleck. Mein Körper war angespannt. Ich hatte eine Gänsehaut. Ich blickte ihm in die Augen. Sie waren dunkel und in ihnen spiegelten sich die vielen Lichter der Stadt. Ich hätte gern gewusst, wie seine Augen aussahen, kurz bevor er abspritzte. Ich musste den Blick abwenden.
»Was kannst du nicht?«, fragte er. »Mir sagen, worauf du stehst? Macht nichts, dann zeigst du es mir eben.« Und da war schon sein Mund auf meinem, ich fühlte seine Lippen. Ich musste aufpassen, dass meine Knie nicht nachgaben. Mein Herz wollte mir aus meiner Brust springen. Ich hatte Lust. Auf Sex. Auf ihn. Er umarmte mich und ich fühlte seine Hände auf meinem Rücken. Er roch gut. Männlich, herb, potent, gesund, total dreist. Sein Geruch flüsterte ganz leise, dass ich auf meine Kosten kommen würde mit ihm.
Seine Hände waren in meinem Nacken und unvermittelt fasste er in meine Haare und zog meinen Kopf nach hinten. Er küsste mich wild und unbändig. Ich spürte das Ziehen in meinem Unterleib. Plötzlich ließ er von mir ab. Ich war fast ein wenig enttäuscht.
»Worauf stehst du denn so?«, stellte ich die Gegenfrage, um etwas Zeit zu schinden und um wieder zu Atem zu kommen. Es kostete mich ziemliche Überwindung, ihn das zu fragen. Ich hätte mich als offen beschrieben, aber in seiner Gegenwart fühlte ich mich wie ein verklemmtes Mäuschen. Seine Antwort haute mich um.
»Ich würde dich gern lecken. Ich bin sicher, dass dir das gefallen würden.« Er grinste.
Mir blieb die Spucke weg. »Oh«, antwortete ich reflexartig, denn so unverblümt hatte mir das noch nie jemand ins Gesicht gesagt und schon gar nicht, wenn das Kennenlernen erst einige Minuten zurücklag. Aber es war auch nicht meine Art, mit Wildfremden auf Dachterrassen rumzumachen, von daher beschloss ich, dass ich mich in einer Ausnahmesituation befand, in der die Gesetze der realen Welt nicht mehr zählten. Im Nachhinein würde sich diese These als Volltreffer erweisen. Die Dachterrasse war schuld, dachte ich. Oder diese potthässlichen Skulpturen. Ich musste lachen, aus Scham und Aufregung und aus Geilheit.
Tom wiederum war noch nicht fertig mit seiner Ausführung. Er sagte: »Ich würde gern deine Haut auf meiner spüren. Und ich würde dich liebend gern stöhnen hören, wenn du kommst.«
Du liebe Güte, ich war baff. Er sagte es mit einer Selbstverständlichkeit, mit einer Sicherheit, mit fester Stimme. Die Art, wie er es sagte, ließ mich erschaudern und ich war sicher, dass ich sehr laut stöhnen würde, wenn er es mir besorgte. Ich fühlte mich klein und unerfahren. Und ich wollte ihn. Ich wollte wissen, ob er bluffte.
»Gibst du mir deine Nummer?«, riss er mich aus meinen Gedanken, in denen ich soeben mit meinen Fingern durch seine langen Haare fuhr. Ich gab sie ihm. Und dann flog die Tür auf, und Nata kreischte: »Da bist du ja. Ich hab dich schon überall gesucht. Alle doof hier, nichts wie weg.« Sie riss mich an der Hand mit sich und ich drehte mich noch um, kurz bevor die Tür hinter uns zufiel, konnte ihn aber in der Dunkelheit nicht mehr ausmachen. Nata erzählte vom Surfer-Typen, der sich als schön und total doof entpuppt hatte. Ich war mir sicher, dass sie Tom gar nicht bemerkt hatte. Sie quasselte den ganzen Weg von der Galerie zu meiner Wohnung und als wir schon fast angekommen waren, fragte sie: »Sag mal, hörst du mir überhaupt zu? Und warum grinst du die ganze Zeit so bescheuert?«
***
Die nächsten Tage schwamm ich in einem Wechselbad der Gefühle. Ich versuchte, mir einzureden, dass der »Vorfall« nichts zu bedeuten gehabt hatte. Aber wenn ich ehrlich war, wusste ich es besser. Er hatte mich fasziniert. Mit seiner Offenheit, mit der er mich so geplättet hatte. Ihn hatte eine Aura umgeben, die ich gern genauer erkundet hätte. Er war so schön frech gewesen. Ich musste lächeln, wenn ich daran dachte, und ärgerte mich, dass ich nicht schlagfertiger gewesen war. Ich neigte etwas zur Tollpatschigkeit und coole Sprüche fielen mir meist dann ein, wenn ein paar Tage vergangen waren. Ich schloss die Augen und dachte an ihn. Daran, wie er gerochen hatte. Wie er mich angesehen hatte. Wie er mich geküsst hatte. Wie außergewöhnlich er gewesen war. Ich lag auf meinem Bett, schaute an die Decke und fühlte mich sehr unbefriedigt. Würde er sich melden? Er hatte etwas in mir berührt. Ich hatte Sex schon immer geliebt, wenngleich ich in meinen Beziehungen gern mehr ausprobiert hätte. Aber wenn ich in der Vergangenheit allen Mut zusammengenommen und darüber gesprochen hatte, was ich mir wünschte, was ich gern anders gemacht oder liebend gern mal ausprobiert hätte, da wurde all das im Keim erstickt. Ich erntete Unverständnis und Kopfschütteln. Ich hatte immer schon eine blühende Fantasie und stellte mir in meinem Kopf die wildesten Dinge vor, die aber, so hatte es mich die Erfahrung gelehrt, dortzubleiben hatten, wo sie hingehörten. In meinem Kopf. Und so kam es, dass ich irgendwann aufgehört hatte zu sprechen, zu fragen, zu versuchen, es geiler zu machen. Ich freundete mich notgedrungen mit der Vorstellung an, dass das, was in meinem Kopf war, es nie und nimmer nach draußen schaffen würde. Und so hatte ich Beziehungen, in denen der Sex sehr schnell von »normal bis gut« in »geht so bis stinklangweilig« abrutschte. Und dann kam so jemand wie Tom daher, die Versuchung in Person, der einfach sprach, ohne Rücksicht auf Verluste. Der so offen, ja so dreist war und mich geküsst hatte, einfach so, ohne zu fragen. War das seine Masche?
***
»Keine Ahnung«, ratlos stand ich vor meinem Kleiderschrank. Nackt. Ich telefonierte mit Nata. Wir wollten ausgehen und stimmten uns soeben in der Klamottenfrage ab.
»Ich hätte Bock auf Jeans und irgendein Top?«
»Ich rufe dich in einer Minute zurück, ich checke schnell meinen Kleiderschrank«, sagte sie und legte auf.
Ich betrachtete mich im Spiegel. Die Haare fielen mir über meine Brüste. Mein Blick wanderte zu meinem Bauch, zu meinen Hüften. Zu meinen Oberschenkeln. Ich öffnete die Beine und betrachtete mich. Ich streichelte ganz sanft meine Schamlippen und beobachtete, wie das im Spiegel aussah. Mein Gesichtsausdruck veränderte sich. Ich erschrak, als das Handy in meiner anderen Hand zu klingeln anfing.
»Und? Jeans?«, fragte ich.
»Oh, hey. Pat? Ich bin es, Tom.«
»Oh. Ähm. Hey«, sagte ich, als ich meine Stimme wiedergefunden hatte. Zu mehr war ich nicht imstande.
»Also, ich kann noch mal anrufen, wenn es dir jetzt nicht passt.«
»Oh, doch. Schon in Ordnung. Wie geht’s dir?«
»Um ehrlich zu sein, ich würde dich gern wiedersehen. Hast du spontan heute Zeit und Lust?«
»Eigentlich bin ich schon verabredet.«
»Okay, na dann, vielleicht ein anderes Mal?«
»Nein, nein. Ich würde dich auch gern sehen.«
»Schön. Dann um acht? Im Pablos?«
Das Pablos war ein nettes Restaurant, das gerade absolut hipp war. Ich war schon einige Male dort gewesen und mochte die Atmosphäre sehr. Das Essen war ausgezeichnet.
»Ich hab schon einen Tisch reserviert. In der Hoffnung, du hättest Bock.« Ich hörte das triumphierende Grinsen in seiner Stimme. Verdammt, wie hatte er so sicher sein können?
***
Ich rief Nata an und sagte ohne schlechtes Gewissen ab. Wir waren mit den Mädels verabredet und es würde nicht sonderlich auffallen, ob ich dabei wäre oder nicht. Als sie mich fragte, warum ich nicht mitkäme, antwortete ich, ich würde es ihr bei nächster Gelegenheit erzählen. Sie gab sich zufrieden. Die tausend Schmetterlinge in meinem Bauch allerdings gaben sich, nachdem ich aufgelegt hatte, mit überhaupt gar nichts zufrieden. Wie gut, dass ich schon geschminkt war. Meine Hände zitterten. Ich stand noch immer vor meinem Kleiderschrank und blickte ratlos hinein. Ich musste mich beeilen und blieb bei der ursprünglichen Idee, Jeans und Top. Fuck, ich konnte nicht denken. Ich versuchte Ohrringe, entschied mich dagegen. Ich versuchte eine Kette, ließ auch die weg. In Gedanken war ich auf dieser Dachterrasse. Und ich kam nicht umhin, mich zu fragen, ob da noch dieses Knistern sein würde, wenn wir uns wiedersahen. Ich war gespannt und vor Aufregung schon außer Atem, als die Tür hinter mir ins Schloss fiel und ich mich zu Fuß auf den Weg zum Pablos machte. Ich ging zügig und die frische Luft und die Bewegung halfen mir, meine Gefühle, die gerade die Party des Jahres feierten, einigermaßen in den Griff zu bekommen. Als ich um die Ecke bog, wartete er bereits. Er sah gut aus. Verdammt. Warum war mir nicht aufgefallen, wie gut er aussah? Schwarze Lederjacke, Jeans, die dunklen Haare, die strahlend weißen Zähne. Ich hatte das Gefühl, ihn gar nicht richtig angesehen zu haben bei unserem ersten Zusammentreffen und es kam mir vor, als wäre es ewig her. Dass er so attraktiv war, verunsicherte mich sehr. Ich war oft in Anwesenheit von attraktiven Menschen, egal ob Männer oder Frauen, gehemmt. Richtig unsicher. Mich überkam das Gefühl, nicht mithalten zu können. Zu viele Makel zur Schau zu tragen. Aber jetzt, wo er mich anlächelte und ich auf ihn zuging, etwas zögerlich, konnte ich mich nicht wie gewohnt zurückziehen. Die letzten Meter kam er mir entgegen und als er mich sanft am Arm berührte, da überkam mich ein eigenartiges Gefühl. Als ob er seine Ruhe auf mich übertragen hätte mit dieser kleinen, kurzen Berührung. Das Atmen fiel mir leichter und mein Herz beruhigte sich. Es war, als hätte er meine persönliche Entschleunigungstaste gefunden und draufgedrückt. Das Gefühl erinnerte mich an meine Kindheit, es war Sommer, die Grillen zirpten laut und die Sonne brannte vom Himmel herab. Die Luft flirrte, ich saß im Planschbecken und die zähe Zeit wollte einfach nicht vergehen. Als wäre die Erde stehen geblieben. Einfach so. Was für ein irres Gefühl, an das mich seine Berührung erinnerte. Ich lächelte ihn an. »Hey«, sagte ich.
Auch er lächelte und nahm mich etwas ungelenk in den Arm.
»Hey«, hauchte er mir ins Ohr und küsste mich flüchtig auf die Wange. Gänsehaut.
Er nahm meine Hand in seine, als wir das Restaurant betraten. Sie war warm, trocken, kräftig. Ich fühlte mich gut, ich war noch immer gespannt, aber die Nervosität war verschwunden.
Wir bestellten Wein und als ich die Karte studierte und noch überlegte, was ich gern essen wollte, ich starb nämlich vor Hunger, da riss er mich plötzlich aus meinen Gedanken und sagte: »Alle schauen dich an. Du bist wirklich wunderschön.«
Ich wusste nicht recht, was ich erwidern sollte, und schaute mich stattdessen im Restaurant um. Lauter Paare. Gelangweilt.
»Ich glaube, wir strahlen etwas aus, das die meisten nach kurzer Zeit vermissen«, sagte ich.
»Interesse?«, fragte er.
»Ja. Interesse, Neugierde. Den Wunsch, den anderen zu erfassen. Mit allem was dazu gehört.«
»Da könntest du recht haben. Möchtest du mich denn ›erfassen‹?« Das Lächeln, das seine Mundwinkel umspielte, verlieh ihm einen jungenhaften Ausdruck.
»Auf jeden Fall. Darum bin ich hier«, sagte ich mit einem Selbstbewusstsein, das mich selbst erstaunte.
Das Pablos war berühmt für seine Steaks mit abgefahrenen Soßen-Kreationen. Er entschied sich für Avocado-Minze-Mango und ich wählte Schoko-Chili. Wir aßen, tauschten die Soßen und tranken den vorzüglichen, schweren Rotwein dazu. Mir war warm und der Wein stieg mir langsam zu Kopf. Ich betrachtete ihn und konnte keinen Fehler finden. Er war unterhaltsam, witzig und sah wirklich gut aus. Ich betrachtete seine Hände. Sie gefielen mir. Ich hätte sie gern auf meinem Körper gespürt in diesem Moment. Ich fühlte mich wohl in seiner Gesellschaft und hingezogen zu ihm. Ich hätte ihn gern geküsst, aber mir eher die Zunge abgebissen, als es ihm zu sagen.
»Warum hast du niemanden?«, fragte ich ihn.
»Finde es heraus«, sagte er. Ich war überrascht über die Antwort und sie machte mich ein bisschen konfus. Wir verließen das Restaurant spät, die Zeit war nur so dahingeflogen und er brachte mich nach Hause. Wie schon auf dem Hinweg taten mir die Bewegung und die frische Luft gut. Wir scherzten herum und ich stupste ihn an der Schulter an. Er lachte. Ich hakte mich unter und so gingen wir den Rest des Weges. Ich schwankte nicht, aber meine Gedanken fuhren Karussell. Vor meiner Haustür verabschiedete er sich mit einem Bart-Kitzel-Kuss auf meine Wange.
»Danke für den schönen Abend«, sagte ich.
»Bis bald«, sagte er im Gehen.
»Sehe ich dich wieder?«, fragte ich hinter ihm her.
»Verlass dich darauf«, war seine Antwort. Er sagte es, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Ich betrat meine Wohnung und die Enttäuschung übermannte mich. Ich war kurz vorm Heulen. Hatte er mich nicht gut gefunden? Ich schenkte mir ein weiteres Glas Wein ein und wusste nicht, was ich fühlen sollte. Wir hatten so viel gelacht. Alles in allem ein perfektes Date. Aber warum, zum Teufel, hatte er es nicht zumindest versucht? Ich hatte seine Nähe genossen. Ich hätte gern rumgemacht mit ihm. Geknutscht und ihn angefasst. Ihn gerochen und geschmeckt. Fuck! Was war hier los? Vielleicht fand er mich nicht anziehend, dachte ich schließlich. Ich ging ins Bad und schminkte mich ab. Bürstete meine Haare und betrachtete mich im Spiegel. Da war es, mein Gesicht. Die langen Haare. Meine Brüste. Die Haut, übersät mit Muttermalen. Ich verdrehte die Augen, streckte meinem Spiegelbild die Zunge heraus und ging ins Bett. Ich dachte an ihn und fasste mich an. Aber die Enttäuschung war stärker als die Geilheit und so schlief ich ein mit dem Gefühl, es nicht geschafft zu haben, ihn zu verzaubern.