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Buck Boy und Sir Winston.

Sie waren Tramps. Buck Boy stammte aus dem Süden, während Sir Winston von der vornehmen Ostküste kam. Wie sie richtig hießen, wußten sie beide selbst nicht mehr. Sie waren das ganze Jahr auf Achse. Im Winter waren sie gewöhnlich im Süden und im Sommer im Norden, und die übrige Zeit stritten sie sich darum, ob es nicht irgendwo einmal einen idealen Platz gebe, an dem sie bleiben konnten. Gefunden hatten sie ihn bisher noch nicht.

Vor sechs Monaten hatten sie sich kennengelernt. Buck Boy war gerade auf dem Weg nach Kalifornien gewesen — „ein ideales Land, Bruder. Das ganze Jahr Sonne, Strand und Wellenreiten“ —, während Sir Winston nach Südtexas wollte — „ich habe einen Tip. Da unten gibt’s den besten Schnaps der Vereinigten Staaten. Man braucht sich nur unter das Faß zu legen.“

Sir Winstons Überredungskunst hatte gesiegt, und sie waren nach Süden gefahren. Aber schon an der Grenze hatten sie gemerkt, daß sie in die falsche Jahreszeit geraten waren. Zwar fächelten ihnen die Löcher in ihrer Kleidung ausreichend Kühlung zu, aber trotzdem war ihnen selbst dann noch unerträglich heiß, wenn sie nicht den kleinen Finger bewegten. Natürlich waren sie fest entschlossen, nichts an sich herankommen zu lassen, was nach Arbeit roch, aber wenn ihnen trotzdem der Schweiß in Strömen über das Gesicht lief, fragten sie sich, verdammt noch mal, welchen Sinn das Nichtstun überhaupt noch hatte.

In Santa Christa hatte sie ein Truck mitgenommen, der nach Süden fuhr. Zwölf Meilen lang hatten sie Gegenwind gehabt; dann war der Wind eingeschlafen und der Fahrer hatte spontan gebremst. Ohne Wind könnte er sie nicht mitnehmen; das wäre eine Beleidigung für seinen Geruchssinn. Mit dem Rat, ein Bad zu nahmen, hatte er sie abgesetzt.

„Ein Bad“, sagte Sir Winston angewidert und sah sich um. „Bin froh, daß es hier kein Wasser gibt.“

Sir Winston war klein und hager, während Buck Boy die Figur einer Tonne hatte. Es stand fest, daß Sir Winston die intellektuelle Führung hatte, und Buck Boy lieferte seinen Beitrag zum Gespräch regelmäßig in Form eines Echos, das mit dem Wort „verflucht“ begann und mit dem Wort „Bruder“ aufhörte.

„Verflucht wahr, Bruder“, sagte Buck Boy und starrte wehmütig auf die Staubwolke, die der Truck am Horizont hinterließ. „Ob der Kerl uns beleidigen wollte?“

„Glaube ich nicht“, sagte Sir Winston. „Was kümmert es den Eichbaum, wenn sich der Eber daran schabt?“

„Da hast du verflucht recht“, sagte Buck Boy und rätselte über den Sinn des Gleichnisses nach. „Was machen wir jetzt, Bruder?“

„Tja“, sagte Sir Winston. „Das ist ein Problem!“

Buck Boy setzte probeweise einen Fuß vor den anderen.

„Wir könnten ein Stück zu Fuß gehen.“

„Bruder, wir leben im Jahrhundert des Automobils.“

„Yeah, aber hier ist es verdammt heiß und ungemütlich.“

„Da vorn ist es genauso. Und weiter kämst du nicht. Spätestens da drüben würdest du zerlaufen und nichts als einen großen Fettfleck hinterlassen.“

„Diese Wüste“, sagte Buck Boy und sah sich staunend um. „Wie im Kino. Wie wär’s, wenn wir etwas Schatten suchten?“

„Die Sucher in der Wüste! Ja, so weit werden wir wohl laufen müssen. Da drüben scheint es besser zu sein.“

Sie verließen die Piste und marschierten quer über einen breiten Sandstreifen. Die Luft flimmerte vor Hitze. Als sie den Rand eines Kakteenfeldes erreicht hatten, ließen sie sich stöhnend fallen.

„Wir könnten jetzt in Kalifornien sein“, sagte Buck Boy gequält. „Ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen.“

„Ich find’s hier auch sehr hübsch“, knurrte Sir Winston, der zu seiner Entscheidung stand.

„Verflucht richtig, Bruder, aber überall anderswo ist es hübscher. Wenn’s hier wenigstens eine Kneipe gäbe.“

„Ist deine Flasche leer?“

„Schon seit gestern. Und deine?“

„Nie voll gewesen.“

„Verflucht“, sagte Buck Boy mit Überzeugung.

Dann lagen sie da und rührten sich nicht. Ab und zu fiel ein Schweißtropfen in den Sand, daß es zischte. Irgendwo hinter den Kakteen rasselte eine Klapperschlange. Sonst war Stille, vollkommene Stille, in der nicht das geringste Lüftchen harfte.

Nach zwei Stunden hob Sir Winston den durchlöcherten Sombrero von den Augen.

„Ich überlege gerade, Amigo, ob den Kakteen wenigstens diese Hitze Spaß macht.“

„Nehme ich doch an. Sonst wären sie nicht alle hier.“

„Ja, das leuchtet mir ein. Da muß irgendwo in der Nähe ein Nest sein. Was meinst du, wie weit es bis zur nächsten Stadt ist?“

„Der Truckfahrer hat gesagt, zwanzig Meilen.“

„Dem Burschen glaube ich kein Wort.“

„Ich auch nicht.“

Dann schwiegen sie wieder. Unmerklich wanderte die Sonne über den Zenit. Es wurde immer heißer, wenn das überhaupt noch möglich war.

„Ob hier jemals ein Auto kommt?“ fragte Sir Winston nach langer Pause.

„Das ist die Frage, Bruder. Wer wird denn so verrückt sein, bei dieser Affenhitze durch die Wüste zu kurven?“

„Verrückte gibt’s mehr, als wir ahnen. Denk nur an die vielen, die arbeiten.“

„Ganz meine Meinung!“

Sir Winston hob plötzlich den Kopf.

„Hörst du nichts, Bruder?“

Buck Boy legte den Kopf schief und lauschte angestrengt.

„Klingt wie Motorengeräusch. Aber weit weg.“

„Unsere Chance, Bruder. Noch ein Weilchen hier, und wir sind durchgeröstet.“

Das Motorengeräusch wurde lauter, aber es schien immer noch sehr weit weg zu sein. Es war ein tiefes, dunkles Brummen.

„Scheint ein Truck zu sein“, meinte Sir Winston. Sie richteten sich auf und spähten angestrengt in die Ferne. Aber da war nur die Piste, flimmernd in der glühenden Luft.

„Wir haben doch keine Halluzinationen“, sagte Sir Winston.

„Hallu — was?“

„Sinnestäuschungen. Gott, bist du ungebildet.“

„Ich komme aus Texas“, knurrte Buck Boy beleidigt. „Bei uns gibt’s so neumodischen Kram nicht.“

Immer lauter wurde das Motorengeräusch. Und plötzlich schien es abzubrechen. Eine Reihe knallender Fehlzündungen war zu hören. Dann setzte es wieder ein, heulte mehrmals auf und setzte sich wieder stotternd fort.

„Da!“ schrie Sir Winston plötzlich und sprang auf. „Ein Flugzeug. Sieh dir das an, Bruder!“

Buck Boy schob die Augenlider in die Höhe. Das Flugzeug tauchte über dem Horizont auf. Es war eine zweimotorige Maschine. Silbrig glänzte der Rumpf in der Sonne. Es flog sehr tief, schien fast die Agaven zu streifen. Deutlich war zu sehen, daß der eine Propeller stand. Der andere Motor war es, der die Fehlzündungen hatte.

Die Tragflächen wackelten. Das Flugzeug schien Bocksprünge in der Luft zu machen. Und plötzlich gab es eine Explosion. Flammen züngelten aus dem mit höchster Umdrehungszahl laufenden Motor. Hinter der Maschine bildete sich ein langer schwarzer Rauchschleier.

Sir Winston hüpfte aufgeregt durch den Sand.

„Sie fällt ’runter. Sieh dir das an, Bruder. Sie fällt ’runter!“

Rasch näherte sich das Flugzeug. Es war deutlich, daß der Pilot versuchte, die Piste zu erreichen und dort eine Notlandung vorzunehmen.

Jetzt raste die Maschine über ihre Köpfe hinweg. So gering war der Abstand, daß sie sich unwillkürlich duckten. Einen Moment war der riesige Vogel über ihnen, dann erreichte sie die dunkle Rauchwolke, hüllte sie mit beißendem, schwarzem Qualm ein. Hustend kämpften sie sich vorwärts.

Und dann ging alles sehr schnell. Der Pilot verlor die Gewalt über das Flugzeug, das über die rechte Tragfläche abschmierte. Sie streifte eine Agave, die sie glatt abschnitt, und verschwand dann über den Kakteen.

Sekunden später erschütterte ein dumpfer Schlag die Erde, gefolgt von dem reißenden Geräusch brechenden Metalls. Eine Saubwolke stieg auf. Dann war wieder Stille.

Sir Winston sah Buck Boy an.

„Auf mein Wort“, sagte er, „das war nichts Alltägliches.“

Sie gingen vorwärts, bis sie den Rand des Kakteenfeldes erreichten. Unsicher sahen sie sich an. Buck Boy trat von einem Fuß auf den anderen. Der Sand war so heiß, daß er durch die Schuhsohlen brannte.

„Da drinnen liegt der Vogel“, sagte Sir Winston und beäugte die mächtigen Kakteen, die eine undurchdringliche Wand bildeten.

„Was sollen wir tun?“ fragte Buck Boy ratlos.

„Weiß nicht, muß nachdenken. Es kann nicht weit sein, höchstens hundert Meter.“

„Wie willst du da durchkommen?“ fragte Buck Boy und wies auf die Kakteen. „Hast du dir mal die Stacheln angesehen. Ganz tückische Apparate sind das.“

„Das ist unser Problem“, knurrte Sir Winston. „Habe Angst, daß du ausläufst, wenn sich einer in dein Hinterteil bohrt. Ganz üble Sache.“

„Ob da drinnen einer lebt?“

„Glaube ich nicht. Wir können ja mal rufen.“ Er hob die Stimme. „Hallo!“ schrie er.

Dünn und verloren wehte die Stimme durch die Kakteen.

„Noch mal“, kommandierte er. „Zusammen.“

„Hallo!“ schrien sie mit vereinten Kräften.

Nichts rührte sich.

„Hätte mich auch gewundert“, sagte Sir Winston. „Das hat ganz ordentlich gescheppert. Ein Wunder, daß der Sprit nicht ausgelaufen ist und Feuer gefangen hat. Ganz besonders bei der Hitze.“

„Was tun wir jetzt?“ fragte Buck Boy und sah trübsinnig auf die Kakteen.

„Wir müssen es versuchen“, entschied Sir Winston. „Irgendwo muß es einen Durchgang geben. Du gehst voran, und ich halte mich dicht hinter dir.“

„Wie wär’s umgekehrt, Bruder?“

„Buck, alter Knabe, die haben bestimmt eine Menge Whisky an Bord.“

„Aber wenn die Flaschen zu Bruch gegangen sind?“

„Glaube ich nicht. Der Whisky wird immer bruchsicher verstaut.“

„Meinst du wirklich?“

„Buck, stell dir doch nur vor: eine Vierzigunzenflasche goldgelben Old Bourbon, erste Qualität und noch nicht angebrochen.“

Bucks Gesicht hellte sich auf.

„Klasse!“ sagte er. „Gehen wir plündern.“

„Natürlich tun wir’s auch wegen der Menschen“, sagte Sir Winston würdevoll. „Vielleicht brauchen sie Hilfe.“

Zwanzig Minuten später saßen sie in den Kakteen fest. Sie hatten das Gefühl, über ein glühendes Nadelkissen gerollt zu sein, und verfluchten sich, die Hitze, die Welt und alles übrige.

„Ich kann nicht mehr“, stöhnte Buck Boy. „Kannst du mir in aller Welt verraten, warum die Kakteen solche Stacheln haben? Kein Mensch denkt doch daran, denen etwas Böses zu tun!“

„Denk an den Whisky“, sagte Sir Winston japsend. Er hatte sich dicht hinter Buck Boy gehalten und war so einigermaßen geschützt vorwärts gekrochen.

„Zur Hölle mit dem Whisky. Ich will hier ’raus.“

„Es sind höchstens noch zwanzig Meter. Da drüben sehe ich schon etwas.“

„Meinst du wirklich?“ Hoffnungsvoll schob Buck Boy seinen Körper vorwärts, sorgsam bemüht, den Stacheln auszuweichen. Trotzdem hatte sein Rükken bald Ähnlichkeit mit dem eines Igels.

Und dann hatten sie es geschafft.

Die Absturzstelle war im weiten Umkreis durch geknickte Kakteen gekennzeichnet. Trümmer des Flugzeugs lagen umher. Eine abgerissene Tragfläche hatte sich tief in den Sand gebohrt und stand aufrecht.

„Junge, Junge“, murmelte Buck Boy, „so sah es nicht mal bei uns zu Hause aus, wenn Vater seinen Rausch ausgetobt hatte.“

„Ich glaube, die Gebrüder Wright haben sich das auch ganz anders vorgestellt.“

„Die Gebrüder — was?“

„Wright, Buck, Erfinder des Flugzeugs. Ihr Texaner seid doch ein ungebildeter Haufen. Was hättet ihr nur getan, wenn wir nicht wenigstens den aufrechten Gang und Messer und Gabel mit Waffengewalt bei euch eingeführt hätten?“

„He!“ schnaubte Buck Boy, der offensichtlich überhaupt nicht zugehört hatte. „Sieh mal dahin!“

Sir Winston blickte in die angegebene Richtung, und sein Gesicht verklärte sich.

Vor ihnen ragte ein besonders großer Stachel in die Luft, und darauf steckte eine Hundertdollarnote.

„Buck, alter Knabe“, flüsterte er. „Haben wir heute zufällig Weihnachten?“

„Da ist noch einer“, sagte Buck Boy aufgeregt und bückte sich. „Und noch einer — und da ein ganzes Bündel.“

Aufgeregt rufend, begannen sie die Scheine aufzusammeln und hatten im Nu ein dickes Bündel zusammen. Der Segen schien überhaupt kein Ende zu nehmen. Immer mehr Scheine fanden sie, je näher sie an das Wrack herankamen.

Buck Boy tanzte wie verrückt herum.

„Ich hab gar nicht gewußt, daß Plündern so eine feine Sache ist“, krähte er. „Bruder, jetzt haben wir’s geschafft. Whisky bis an unser Lebensende.“

Sir Winston packte ihn am Arm und preßte ihn schmerzhaft.

„Still“, sagte er. „Hast du nichts gehört?“

Ernüchtert hielt Buck Boy inne. Und jetzt wurde es deutlich: ein schwacher Ruf, der aus der zerschmetterten Flugkanzel kam.

Sie sahen sich an.

„Müssen wir — eh, da hineingehen?“ fragte Buck Boy langsam.

„Ich gehe“, sagte Sir Winston entschlossen.

Zögernd setzte er sich in Bewegung. Die Kanzel des Flugzeugs war restlos zerschmettert. Es schien mit der Nase zuerst kopfüber auf den Boden geprallt zu sein. Kaum zu glauben, daß da drinnen ein menschliches Wesen überlebt haben sollte.

Aber da war der Ruf wieder — schwächer zwar, aber unverkennbar.

Sir Winston packte eine der zerbeulten Streben und zog sich in die Höhe. Dicht vor seinem Gesicht hatte er plötzlich die Überreste eines menschlichen Schädels, der nichts Menschliches mehr an sich hatte. Er ließ sich fallen und erbrach sich heftig, während das Grauen ihn schüttelte.

Wieder hörte er den Ruf; es war jetzt nur noch ein Flüstern. Der Tramp bemerkte seine Angst, ging auf die andere Seite des Flugzeugs und kletterte auf die Tragfläche.

Jetzt hatte er einen Einblick in die Kanzel. Der Pilot war sofort tot gewesen, daran gab es keinen Zweifel. Ebenso war es dem neben ihm sitzenden Mann ergangen; die Leiche war fürchterlich zugerichtet.

Aber da war noch ein dritter Mann. Er hatte auf dem Rücksitz gesessen, und er lebte noch.

Sir Winston warf einen Blick auf diesen Mann, und er wußte, daß der arme Teufel nicht mehr lange zu leben hatte. Es gibt Bilder, die sind eindeutig. Sir Winston hatte in einem langen Leben auf der Straße allerhand gesehen. Aber noch nie so etwas.

Er bekämpfte gewaltsam die Furcht, die ihn schüttelte, und zwängte sich durch die Streben. Er vermied es, die beiden Toten anzusehen, kroch nach hinten und beugte sich über den stöhnenden Mann.

„Hallo, Mister“, sagte er ratlos, „kann ich etwas tun?“

Ein paar halberloschene Augen blickten ihn an, als wäre er ein fernes Bild. Ganz dicht brachte er sein Ohr an die Lippen des Sterbenden, um die Worte zu verstehen.

„…zu spät“, keuchte der Mann. „Er hat uns reingelegt!“

„Reingelegt? Ich verstehe nicht …“

„Wir hätten es wissen sollen. Waren auf der Flucht — das gestohlene Geld!“

„Gestohlen?“

„Er hat es geahnt — das Flugzeug präpariert. Eine Falle — eine teuflische Falle!“

„Von wem reden Sie?“ drängte Sir Winston. Er mußte sich anstrengen, die Worte zu verstehen.

„Fahren Sie nach New York, Gun Hill Road 234, in der Bronx — Privatdetektiv Joe Barry. Er wird …“

„Weiter, Mann“, drängte Sir Winston.

Aber der Kopf des Sterbenden fiel zur Seite. Der Mann war tot.

„Ich bin der Ansicht, die Geschichte hier geht uns verdammt wenig an“, sagte Buck Boy. „Bis auf das Geld natürlich.“

Sie hatten jetzt alles Geld eingesammelt. Ein ansehnliches Bündel war zusammengekommen. Aber es war nichts gegen das, was Sir Winston in der zertrümmerten Kanzel geborgen hatte. Ein großer Lederkoffer, der randvoll mit Scheinen gefüllt war. Ein zweiter, kleinerer Koffer war bei dem Absturz aufgeplatzt und hatte seinen Inhalt in die Umgegend verstreut. Zusammen ergab das ein Vermögen, dessen Ausmaße ihre Vorstellungskraft überstieg.

Eine Million, hatte Buck Boy mit Überzeugung gesagt, aber Sir Winston hatte entschieden widersprochen. Er hatte ein Bündel durchgezählt und danach den Rest geschätzt und war auf eine Viertelmillion gekommen. Eine Viertelmillion Dollar, in gebrauchten Hundertern — ein unglaubliches, unerhörtes Vermögen. Sie saßen da und konnten es nicht fassen.

„Ob der Zaster echt ist?“ fragte Buck Boy mißtrauisch.

„Der ist garantiert echt“, sagte Sir Winston, und damit war die Frage entschieden.

„Aber wer kurvt denn mit so einem Haufen Geld durch die Luft?“ wollte Buck Boy wissen.

„Weiß nicht — muß scharf nachdenken!“

Buck Boy sah hoffnungsvoll zu, wie Sir Winston überlegte. Endlich kam der kleine Tramp zu einem Entschluß.

„Ich will dir was verraten, Buck. Das Geld ist gestohlen.“

„Gestohlen?“

„Ja — und zwar von den Männern, die im Flugzeug saßen. Klar?“

„Verflucht, Bruder, willst du etwa behaupten …“

„Gangster waren das, richtige Gangster wie im Kino. Habe ich gleich gemerkt. War typisch. Ich hab da mal einen Film gesehen, mit Hopalong Cassidy, da war es genauso.“

„Wie genauso?“

„Stell doch keine so albernen Fragen!“ sagte Sir Winston gereizt. „Das Flugzeug ist nicht zufällig runtergefallen.“

„Natürlich nicht. Der eine Motor hat gebrannt, und der andere war ausgefallen.“

„Ja, aber warum?“

„Vielleicht die Hitze?“

„Idiot. Das Flugzeug war präpariert. Irgend jemand hat geahnt, daß die Burschen mit dem Zaster abhauen wollten; vermutlich sogar der Boß. So war’s jedenfalls in dem Film. Und da hat er dafür gesorgt, daß sie nicht weit kommen.“

„Und weiter?“

„Nichts weiter. Derjenige, der das gedreht hat, wird demnächst hier erscheinen und den Zaster abholen wollen.“

„Glaubst du wirklich?“

„Aber er wird vergebens kommen“, sagte Sir Winston.

„Verflucht, Bruder, warum drückst du dich nicht endlich deutlich aus. Ich versteh kein Wort. Warum wird er vergebens kommen, und von wem sprichst du?“

„Wir nehmen den Zaster und hauen ab.“

„Ja, klar, hattest du etwas anderes vor?“

„Idiot!“ schrie Sir Winston wütend. „Das paßt zu dir. Das Geld nehmen und abhauen. Und an der nächsten Ecke steht vielleicht schon einer und knallt dir eine Kugel in den Bauch.“

„Aber“, sagte Buck Boy verwirrt, „sollen wir denn das viele schöne Geld etwa hierlassen?“’

„Nein“, sagte Sir Winston, „aber erst nachdenken, bevor wir zugreifen. Ich habe das eben getan und bin zu dem Ergebnis gekommen, daß für uns kein Risiko dabei ist.“

„Bestens!“

„Kein Mensch war Zeuge des Absturzes, außer uns. Die Gegend hier ist höllisch einsam. Es dauert noch eine Weile, bis jemand kommt und das Wrack findet. Und wenn man’s gefunden hat, weiß man nicht, daß es Geld enthielt.“

„Aber du sagtest doch, der Boß der Bande Sucht das Geld.“

„Klar, aber er wird nichts finden. Und wenn es wirklich gestohlenes Geld ist, wird er sich schwer hüten, zur Polizei zu laufen. Er wird glauben, irgendwelche streunende Cowboys hätten das Geld gefunden. Nie im Leben wird er auf uns kommen. Wie sollte er auch? Wir waren im Leben noch nicht in dieser Gegend. Vor einer Woche waren wir noch im Mittelwesten und in ein paar Wochen können wir oben in Kanada sein — oder in Kalifornien. Wer könnte da jemals auf die Idee kommen, daß wir den Zaster haben.“

„Sir Winston, du bist ein Genie!“ sagte Buck Boy.

„Eine Viertelmillion Dollar in bar — damit haben wir für alle Ewigkeit ausgesorgt“, verkündete Sir Winston andächtig.

„Aber was ist mit diesem Burschen in New York?“

„Privatdetektiv Joe Barry?“

„Ist das nicht ein Bulle?“

„Buck Boy, kannst du dir vorstellen, was wir da sollen?“

„Der Mann im Flugzeug hat doch gesagt, wir sollten zu ihm gehen.“

„Der Mann ist tot“, sagte Sir Winston kühl „Wir sind ihm zu überhaupt nichts verpflichtet. Wir lassen das schön bleiben. Wir nehmen den Zaster und hauen ab. Kapiert?“

„Okay, du bist der Boß.“

„Natürlich müssen wir zu Fuß gehen. Wird ein verdammt mühsamer Marsch werden. Aber es lohnt sich, Bruder. Und in der nächsten Stadt kaufen wir den gesamten Whiskyvorrat auf und holen jeden entgangenen Rausch der letzten zwanzig Jahre auf einmal nach.“

Privatdetektiv Joe Barry - Der Tod geht um in Alabaska City

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