Читать книгу Privatdetektiv Joe Barry - In die Pfanne gehauen - Joe Barry - Страница 4

1. Kapitel

Оглавление

„Fünfzigtausend? Dreißigtausend hat mir mein Gewährsmann gesagt.“

„Ich bin teurer geworden“, sagte Ben.

„Verdammt, wenn ich das gewußt hätte …“

„Sie zahlen die fünfzigtausend“, sagte Ben ohne eine Spur von Erregung. „Das ist Ihnen die Sache wert.“

„Ich hasse es, geschröpft zu werden!“

„Und ich hasse es, wie ein Teppichhändler zu feilschen. Entweder Sie zahlen …“

„Oder?“

„Oder aus der Sache wird nichts.“

„Verdammt, bilden Sie sich ein, Sie wären der einzige, der das fertigbrächte?“

„Ich bin der Beste“, sagte Ben ruhig. „Kein anderer wird es übernehmen, wenn ich ablehne.“

„Das möchte ich erst sehen.“

„Alle kennen die Spielregeln“, sagte Ben. „Würde einer es tun, hätte die Polizei einen Tag später einen detaillierten Bericht in Händen. Darin würde auch Ihr Name eine Rolle spielen, Mr ….“

„Keinen Namen, bitte“, sagte der Mann schnell. „Verdammt, ich glaube langsam wirklich, daß ich an der falschen Adresse bin. Sie sind ein gemeiner Erpresser.“

„Das hätte ich an Ihrer Stelle nicht gesagt.“ Das Gesicht des Killers straffte sich. „Ich glaube, wir können das Gespräch beenden. War nett, Sie kennenzulernen. Vielleicht stehen Sie einmal auf meiner Liste. Vielleicht zahlt einmal einer die fünfzigtausend für Sie!“

Er warf ein Geldstück auf den Tisch und schickte sich an, aufzustehen.

„Nicht so hastig“, sagte der Mann und sah sich nervös um. „Ich bin in dieser Geschichte leider auf Sie angewiesen.“

„Soll das heißen, daß Sie meinen Preis Zahlen?“

„Yeah“, sagte der Mann heiser. Eröffnete die Krokodilledertasche und zog fünf braune Packpapierumschläge heraus.

„Jeder enthält zehntausend Dollar in Banknoten“, sagte er. „Fünfziger und Hunderter.“

„So mag ich’s gern. In drei Tagen ist Ihr Problem erledigt, Mister!“ sagte Ben und steckte die Umschläge in seinen Mantel, der sich dadurch noch mehr ausboulte.

„Ich lege größten Wert darauf, daß es wie ein Unfall aussieht“, sagte der Mann.

„In solchen Sachen bin ich Spezialist.“

„Ich verlasse mich ganz auf Sie.“

„Das ist unnötig“, sagte Ben kühl. „Behalten Sie nur hübsch die Nerven. Vergessen Sie nicht, daß es jetzt auch mein Problem ist. Ich würde nicht dulden, daß Sie Fehler machen. In einem solchen Fall sähe ich mich gezwungen, auch Sie zu beseitigen. So long, Mister.“

*

Der schwarze Cadillac pflügte durch den Schlamm und kam genau vor einem niedrigen Holzpodest zum Halten. Der Fahrer sprang heraus, lief um den Wagen herum und riß die Tür auf.

Jack Diamond kletterte heraus, federte einmal in den Knien und sah sich dann um. Er war ein großer Mann mit silbergrauen Schläfen, messerscharfer Nase und wachsamen Augen; der Prototyp des erfolgreichen Geschäftsmannes.

„Hübsch“, sagte er anerkennend. „Das geht ja mächtig schnell vorwärts.“

Vor ihm erstreckte sich eine ausgedehnte Baustelle. Ein zwölfstöckiges Bürogebäude war im Rohbau fertiggestellt. Die Luft war erfüllt vom Lärm der Betonmaschinen und den mannigfachen Geräuschen der Bauarbeiter!

Aus einer Gruppe von Männern, die alle weiße Schutzhelme trugen, löste sich einer und kam heran. Ab und zu machte er einen Sprung, um den Pfützen auszuweichen, die den Boden bedeckten.

„Hallo, Mr. Diamond“, sagte er. „Der Vorstand ist bereits vollständig da.“

„Großartig, dann verlieren wir keine Zeit.“ Jack Diamond wies mit dem Kinn auf den Rohbau. „Ich bin angenehm überrascht. Der Bau ist mächtig schnell hochgezogen worden.“

„Ja, wir haben Glück gehabt. Grummond ist seinem Zeitplan um vier Tage voraus. Vermutlich können wir schon im Frühsommer den Umzug machen.“

„Das würde uns eine Menge Geld sparen“, sagte Diamond und setzte sich in Bewegung.

„Ihren Helm, Sir“, sagte der Mann.

„Ah, ja!“ Diamond blieb stehen und stülpte den Helm auf die Frisur.

„Es ist Vorschrift“, sagte der Mann wie entschuldigend.

„Natürlich“, sagte Diamond. „Ich lege großen Wert darauf, daß die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Wer weiß, wieviel Menschen einem solchen Helm bereits ihr Leben zu verdanken haben.“

Er ging mit vorsichtigen Schritten durch den Schlamm zu der Gruppe, die bei seinem Erscheinen in respektvollem Schweigen verharrten.

„Hallo, Gentlemen“, sagte Diamond und lächelte breit. „Dann können wir ja mit der Besichtigung beginnen. Ich nehme an, Sie erwarten die Fertigstellung unseres neuen Bürogebäudes genauso ungeduldig wie ich. Es wird für uns alle eine große Arbeitserleichterung bringen. Mr. Whitcomb, ist jemand von der Firma Grummond da, der uns führt?“

Ein kleiner, vierschrötiger Mann trat vor.

„Palmers“, stellte er sich vor. „Ich bin der Sicherheitsingenieur und vertrete den Architekten.“

„Na großartig“, sagte Diamond leutselig. „Dann kann uns ja nichts passieren. Ich glaube, es ist seit dreißig Jahren das erste Mal, daß ich wieder eine Baustelle betrete. Als Jungens haben wir besonders gern auf Baustellen gespielt. Es war natürlich streng verboten, aber gerade das machte den Reiz aus. Hinzu kommt, daß eine Baustelle so ein gewisses Etwas an sich hat — wie soll ich es nur ausdrücken?“

„Etwas Schöpferisches, Sir“, sagte Whitcomb.

„Richtig, schöpferisch. Und wir, die wir mitten im Erwerbsleben stehen, müssen ja auch schöpferisch sein. Vielleicht macht das den Reiz aus. Also gehen wir, Gentlemen.“

„Einen Augenblick, Sir“, sagte Palmers. „Mr. Grummond dachte, er könnte Ihnen heute etwas Besonderes bieten. Vor zwei Tagen ist der Panzerschrank für Ihr neues Büro gekommen und soll bereits heute nach oben gehievt werden. Er wiegt fast zwei Tonnen; selbst für unseren Kran ist das eine ganz schöne Leistung.“

Palmers wies auf ein riesiges stählernes Ungetüm, das neben der Hauswand lag. Arbeiter waren gerade damit beschäftigt, Stahltrossen daran zu befestigen.

Diamond faßte das Ungetüm ins Auge.

„Ist ja mächtig groß, Mr. Palmers. Ich glaube, wir alle müssen in Zukunft sehr fleißig sein, damit er auch voll wird.“

Der Witz wurde von den Umstehenden gebührend belacht.

Die Arbeiter hatten inzwischen die Stahltrossen befestigt. Sie traten zurück, und einer gab dem Kranführer ein Zeichen. Der saß in seiner Glaskanzel in luftiger Höhe und legte jetzt einen Hebel um. Der Motor surrte, und das Drahtseil straffte sich.

Der Kran war auf dem Flachdach des Baues montiert. Er war mit dem Gebäude in die Höhe gewachsen und würde zum Schluß zerlegt und nach unten transportiert werden. Da das Haus in Fertigbauweise errichtet wurde, war es ein ausgesprochener Schwerlastkran.

Der riesige Panzerschrank ruckte und hob sich dann sanft vom Boden ab. Gleich darauf schwebte er frei in der Luft. Die Männer legten die Köpfe in den Nacken und sahen interessiert zu.

Oben setzte sich der Kran in Bewegung und rollte ein Stück zur Seite, während er den Safe höher hievte.

Der Safe schwebte jetzt genau über der interessiert beobachtenden Gruppe. Er befand sich etwa in halber Höhe des Gebäudes.

Und genau in diesem Augenblick geschah es. Das straff gespannte Drahtseil zerriß. Die Zeugen sagten später aus, sie hätten einen peitschenartigen Knall vernommen — offensichtlich das Aufkreischen des gequälten Materials, das unter dem Zug des ungeheuren Gewichtes nachgab. Die Männer unten merkten es erst, als es zu spät war. Der Panzerschrank stürzte senkrecht ab, und weil die Gruppe sich genau darunter befand, merkten es die Männer erst, als das tonnenschwere Ungetüm in rasender Geschwindigkeit größer wurde. Erstarrt blieben Sie stehen. Nur Palmers hatte die Geistesgegenwart, zur Seite zu springen.

Für die Männer gab es keine Chance. Sie starben, ehe sie noch recht begriffen hatten, was passiert war.

Es waren Jack Diamond, 63 Jahre alt, Vorstandsvorsitzer der Diamond Company; John Whitcomb, 45; Alan Gillespie, 51, und Anthony MacLean, alles Vorstandsmitglieder derselben Gesellschaft.

*

„Hallo“, sagte Privatdetektiv Joe Barry und griff schlaftrunken nach dem Telefonhörer. „Wer zum Teufel …“

„Hallo, Mr. Walker“, dröhnte es aus der Muschel. „Ich bin froh, daß ich Sie antreffe.“

„Verdammt, es ist sechs Uhr morgens. Soll das ein Scherz sein?“

„Mein Dienst hat bereits um fünf Uhr begonnen, Mr. Walker. Ich bin Turner, diensthabender Leutnant des Untersuchungsgefängnisses auf Welfare Island. Hier ist ein Untersuchungsgefangener, der Sie dringend sprechen will.“

Joe richtete sich auf und faßte den Hörer fester.

„Er soll sich an einen Anwalt wenden. Ich bin Detektiv und nicht Rechtsanwalt.“

„Er besteht darauf, daß wir Sie verständigen. Er Sagt, er wäre ein Freund von Ihnen. Und da rief ich so früh an, damit ich Sie auch bestimmt erwische.“

„Wie ist der Name?“ fragte Joe und blickte unfroh durch das Fenster. Draußen hing dichter Nebel in der Luft; es war noch dämmerig. Der Frühling war kalt in diesem Jahr.

„Grummond — Bill Grummond!“

„Was?“ sagte Joe überrascht. „Bill Grummond, der Bauunternehmer? Was wird ihm denn vorgeworfen?“

„Lesen Sie keine Zeitungen?“ kam die Gegenfrage.

Joe rieb sich das Kinn.

„Etwa die Diamond-Geschichte?“

„Erraten, Mr. Walker. Was soll ich ihm sagen?“

„Sagen Sie ihm, daß ich komme. In einer halben Stunde bin ich da. Sprecherlaubnis kriege ich doch?“

„Aber Mr. Walker — wer könnte Ihnen denn widerstehen“, sagte der Leutnant.

Joe legte auf und erhob sich. Während er nach seinen Kleidern tastete, fiel sein Blick auf die Zeitung, die auf dem Boden lag. Sie zeigte in dicken Lettern die Schlagzeile:

„Sensationelle Wendung im Diamono-Unglück. Bauunternehmer Grummond verhaftet. Aktien der Gesellschaft auf neuem Tiefstand.“

Und dann, in einigem Abstand, stand fettgedruckt das Wort Mord da. Und dahinter, wesentlich kleiner, ein Fragezeichen.

Während Joe sich anzog, rief er sich ins Gedächtnis zurück, was ihm über den Fall bekannt war.

Vor einer Woche war der gesamte Vorstand der Diamond Company bei einem Unglück ums Leben gekommen. Die Diamond Company war eine Handelsgesellschaft, die gleichzeitig eine Schiffsreederei betrieb. Ihre Schiffe mit dem charakteristischen Symbol am Schornstein — einem stilisierten Diamanten — waren in allen Häfen von Nord- und Südamerika bekannt. Nach Schätzungen transportierte die Gesellschaft zehn bis fünfzehn Prozent aller Obst — und Gemüseeinfuhren, die aus den tropischen Ländern importiert wurden.

Das Unglück hatte großes Aufsehen erregt. Jack Diamond war eine bekannte Persönlichkeit gewesen; ein Mann, der Sich aus dem Nichts nach oben gearbeitet hatte. Das Unglück, bei dem er und sein gesamter Vorstand ums Leben gekommen war, hatte an der Börse zu Kursstürzen der Diamond-Aktien geführt und eine Flut von Spekulationen ausgelöst. Die Polizei hatte eine Sonderkommission zur Untersuchung des Falles gebildet.

Soweit, so gut. Aber warum war Bill Grummond verhaftet worden? Joe kannte Bill, seit sie gemeinsam in Korea bei den Ledernacken Dienst gemacht hatten. Der stämmige Sergeant Grummond war nach seiner Entlassung ins Baugeschäft eingestiegen und hatte es zum Inhaber einer großen Baugesellschaft gebracht. In allen Stadtteilen fand man sein Firmenschild — das große G mit dem quer gestellten B.

War die Polizei der Ansicht, daß Bill an dem Unglück schuld war und hatte ihn deswegen verhaftet?

Joe fuhr in die Tiefgarage hinunter, holte seinen Zweitwagen, den roten Porsche aus der Box, und brauste durch die um diese Zeit noch verhältnismäßig menschenleeren Straßen zur Fähre hinüber, die nach Welfare Island ging.

Auf der Fahre waren nur wenige Passagiere, Leute, die auf der Insel beschäftigt waren. Sie hatten die Hände in den Taschen vergraben und starrten mißmutig in den dichten Nebel, der über dem Wasser lag.

Langsam glitt das Schiff über das Wasser. Einmal tauchte aus dem Nebel ein großer Dampfer auf und fuhr mit ärgerlichem Tuten seines Nebelhorns dicht an ihnen vorbei.

Joe wandte sich um, und für einen Augenblick begegnete er dem Blick eines Mannes, der an der Reling stand. Der Mann war mittelgroß und hatte ein so unauffälliges Gesicht, daß gerade dadurch Jos Aufmerksamkeit geweckt wurde. Der Mann trug einen schwarzen Ulster mit Samtkragen und eine Melone. Der Mantel war etwas zu eng. Neben ihm stand eine schwarze Aktentasche.

Irgend etwas an dem anderen kam Joe bekannt vor, ohne daß er hätte sagen können, was es war. Er wandte sich ab und blickte nachdenklich in den Nebel. Das Bild des Mannes in seiner altmodischen Kleidung hatte eine Assoziation bei ihm ausgelöst.

Aus dem Nebel tauchten jetzt die Umrisse der Insel mit dem massigen Bau des Untersuchungsgefängnisses auf. Die Fähre verlangsamte die Fahrt und glitt langsam an den Kai.

Joe sah zum Gefängnis hinüber, dessen Glockenturm sich im Nebel verlor, und plötzlich wußte er, woran ihn der Mann erinnerte. Der Turm sah aus wie Big Ben in London, und in London war es gewesen, vor sieben oder acht Jahren, als Charles Hickox hingerichtete wurde, der Frauenmörder von Whitehall Chapel. Es war ein grauer, nebliger Morgen gewesen. Joe hatte Charles Addams, den Henker, an diesem Morgen zum erstenmal in seinem Leben gesehen und das Bild des düsteren Mannes im Ulster und Melone nie mehr vergessen. Daran erinnerte ihn jetzt dieser Mann hier.

Aber es schwang noch etwas anderes mit, etwas, worüber er sich nicht im klaren war. Big Ben hatte die Assoziation ausgelöst — Big Ben, der berühmte Turm mit dem Glockenspiel in London. Aber es war nicht nur der Turm; es war noch etwas anderes. Er kam nur noch nicht darauf.

Die Fähre hatte inzwischen angelegt, und Joe verdrängte diese Überlegungen.

Zehn Minuten später folgte er dem drahtigen Leutnant über die mit Eisenplatten belegten Gänge des Untersuchungsgefängnisses. Vor einer Einzelzelle blieb der Leutnant stehen und sperrte auf.

„Sie können ihn sprechen, solange Sie wollen“, sagte er. „Wir behandeln Sie genau wie die Anwälte. Klopfen Sie wenn Sie fertig sind.“

„Danke, Leutnant“, sagte Joe, und trat ein. Er blickte auf den massigen Mann, dessen Gesicht bei seinem Erscheinen aufleuchtete.

„Bill“, sagte er, „was sind das nur für Geschichten.“

„Ziemlich ekelhafte Sache“, sagte Grummond und rieb sich das Kinn. „Nimm Platz, Joe. Mehr kann ich dir nicht anbieten. Bis gestern hatte ich es weitaus komfortabler. Ich habe ganz vergessen, wie es im Gefängnis aussieht. Das letzte Mal, als ich so eine Einrichtung kennenlernte, war es vor fünfzehn Jahren in Fort Myers, als ich den fetten Zahlmeister von der A-Kompanie vermöbelt hatte.“

„Das war doch der Bursche, der beim Pokern gemogelt hatte?“

„Richtig — aber damals war es harmlos. Eine Woche Arrest. Ich wünschte, diesmal wäre es genauso harmlos.“

„Was ist denn passiert?“ fragte Joe ruhig. Er brachte Zigaretten zum Vorschein und bot Grummond eine an.

„Die Sache mit dem Unglück kennst du ja“, sagte Grummond und inhalierte den Rauch seiner Zigarette tief ein. „Scheußliche Sache. Ich verstehe überhaupt nicht, wie es passieren konnte. Seit ich mein Geschäft betreibe, hat es noch nie Unfälle gegeben. Ich habe immer strikt darauf geachtet, daß die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Ich habe persönlich einmal einen Mann entlassen, weil der regelmäßig ohne Helm auf der Baustelle erschien.“ „Das Tragseil des Krans ist gerissen“, sagte Joe. „War der Kran überlastet?“

„Keine Spur. Er ist auf drei Tonnen geeicht, und der Panzerschrank wog nicht einmal zwei Tonnen.“

„Vielleicht war das Seil defekt.“

„Das behauptet die Polizei.“

„Und?“

„Ich kann es nicht verstehen“, sagte Grummond und stützte das Gesicht in die Hände. „Das Seil war fast neu. Es gibt eine Vorschrift im Staat New York, die besagt, daß Kranseile alle zwei Jahre ausgewechselt und außerdem ständig kontrolliert werden müssen. Mindestens bei jedem Standortwechsel des Krans.“

„Und?“

„Ist alles geschehen“, sagte Grummond. „Das Seil war einwandfrei.“ „Vielleicht war es zu schwach.

„Vielleicht wurde versehentlich ein falsches Drahtseil benützt.“

„Nein, das sicher nicht.“

„Wie erklärst du dir dann das Unglück.“

„Überhaupt nicht“, sagte Grummond.

„Mit der Antwort wird sich niemand zufriedengeben“, sagte Joe. „Eine Untersuchung des Seils wird zweifelsfrei ergeben, wieso es gerissen ist.“

„Nein“, sagte Grummond, und etwas in seiner Stimme ließ Joe aufhorchen.

„Was willst du damit sagen?“ erkundigte er sich.

„Das Seil ist verschwunden.“

„Verschwunden? Das soll wohl ein schlechter Witz sein.“

„Nein“, sagte Grummond, „jemand hat es gestohlen.“

„Und wer sollte das getan haben?“

„Die Polizei glaubt, daß ich es war. Ich hätte es auf die Seite gebracht, behaupten sie.“

Joe stieß einen Pfiff aus.

„Jetzt begreife ich langsam. Und deshalb haben sie dich eingelocht.“

„Verdunkelungsgefahr“, sagte Grummond und sog grimmig an seiner Zigarette. „Sie behaupten, ich hätte das Seil verschwinden lassen, um eine Untersuchung unmöglich zu machen — eine Untersuchung, die ergeben würde, daß das Seil defekt war und mir demzufolge grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre.“

„Hat man denn das Seil nach dem Unglück nicht sofort sichergestellt?“ erkundigte sich Joe.

Grummond nickte.

„Die Polizei hat eine Augenscheinnahme durchgeführt, so nennt sie das wohl, gleich nach dem Unglück. Sie haben gesehen, daß es gerissen war. Meines Erachtens ist das unmöglich. Solche Seile bestehen aus neunzig ineinandergeflochtenen Stahldrähten und haben ein Vielfaches der offiziell angegebenen Zugfestigkeit,“

„Dein Fall ist aber nicht der einzige Fall dieser Art. Denk an das Seilbahnunglück in den Apalachen, vor drei Jahren.“

„Da war Sabotage im Spiel. Ein hinausgeworfener Angestellter wollte sich rächen.“

„Und so etwas soll bei dir nicht möglich sein? Denk an den Mann, der den Helm nie tragen wollte.“

„Nein, nein“, sagte Grummond. Er verbrannte sich die Finger an der Glut seiner Zigarette, ohne es zu merken. „Ich kann es mir nicht vorstellen, beim besten Willen nicht.“

„Was geschah nach der Augenscheinnahme“, lenkte Joe aufs Thema zurück.

„Das Seil wurde abgenommen und zusammengerollt. Anschließend wurde es in der Baubaracke eingeschlossen und die Tür versiegelt. Die Polizisten kamen, einige Tage später, um es abzuholen. Du mußt bedenken, daß die Geschichte einen mächtigen Wirbel verursacht hatte.“

„Das kann ich mir leicht vorstellen“, nickte Privatdetektiv Joe Barry.

„Das Siegel war beschädigt, und das Seil verschwunden.“

„Und wer steckt deiner Ansicht nach dahinter?“

„Keine Ahnung“, sagte Grummond. „Wenn ich das nur wüßte. Der Kerl hätte nichts zu lachen.“

„Well, nehmen wir mal an, jemand hat das Seil angesägt“, sagte Joe. „Dann wäre es doch nur logisch, daß dieser Jemand das Seil beseitigt. Immerhin ist es das einzige Beweisstück. Vielleicht wollte er dir nur einen Streich spielen und war entsetzt, als er sah, was er angerichtet hat.“

„Das wäre eine Lösung“, brummte Grummond. „Aber die Polizei zieht eine ander vor. Sie sagt, es sei keine Sabotage, sondern Fahrlässigkeit. Ich hätte versäumt, auf den einwandfreien Zustand des Seils zu achten. Die Cops, die es gesehen haben, behaupten, es hätte ausgesehen wie ein zerrissenes, vergammeltes Seil.“

„So etwas kann man doch nur durch eine richtige Untersuchung feststellen.“

„Klar, der Ansicht bin ich ja auch.“

„Trotzdem — das ganze reicht noch nicht für einen Haftbefehl aus“, sagte Joe. „Es gibt keinen Beweis dafür, daß du es warst, der das Seil gestohlen hat.“

„Doch“, sagte Grummond, „jedenfalls für die Polizei.“

Joe sah ihn aufmerksam an.

„Erzähle“, sagte er.

„Nachdem die Polizisten das Seil eingesperrt und das Schloß versiegelt hatten, sammelten sie sämtliche Schlüssel zu der Baubaracke ein. Einen hatte Mr. Palmers, der Vormann. Einen zweiten hatte ich.“

„Und?“

„Es steht fest, daß der Einbrecher das Yaleschloß mit einem passenden Schlüssel geöffnet hat. Also muß ein dritter Schlüssel existiert haben.“

„Und wer hatte den?“

„Ich“, sagte Grummond. „Das ist ja das Dumme. Ich hatte völlig vergessen, daß in meinem Schreibtisch noch ein Schlüssel lag. Die Cops bekamen das schnell heraus. Sie brauchten nur zu der Firma zu gehen, die das Schloß geliefert hatte. Dann kamen sie zu mir. Ich wurde mächtig verlegen, wollte den Schlüssel holen …“

„Und er war weg.“

„Ja. Das hat sie verdammt mißtrauisch gemacht. Dazu kam, daß sie meine Fingerabdrücke an der Tür fanden. Aber ist kein Wunder, denn ich hatte dort laufend zu tun — vor dem Unfall, natürlich. Aber mach das mal einem Cop klar.“

„Für mich sieht die Sache ziemlich eindeutig aus“, sagte Joe. „Jemand von deinen Leuten hat das Seil angesägt, und als er merkte, was er angerichtet hat, verlor er die Nerven. Wer wußte von dem dritten Schlüssel in deinem Schreibtisch?“

Grumrnond zuckte ratlos die Achseln.

„Keine Ahnung. Wer achtet denn schon auf so etwas. Ich habe über hundert Arbeiter.“

„Denk darüber nach“, sagte Joe. „Das kann sehr wichtig sein. Bist du schon vom Untersuchungsrichter vernommen worden?“

Grummond nickte.

„Gestern nachmittag.“

„Wie stehťs mit einer bedingten Freilassung? Schließlich wirft man dir ja nur fahrlässige Tötung vor.“

„Plus Siegelbruch“, sagte Grummond. „Ich kann jederzeit hier ’raus. Ich muß fünfzigtausend Dollar Kaution hinterlegen.“

„Das dürfte dir doch nicht allzu schwerfallen.“

Grummond nahm sich eine neue Zigarette.

„Doch, tut es. Da ist nämlich noch eine Kleinigkeit. Die Diamond-Erben haben nämlich eine Schadenersatzforderung in Höhe von mehreren Millionen angemeldet, die sich gegen mich richtet. Es gelang ihnen natürlich, diese Forderung bei Gericht glaubhaft zu machen und einen Arrestbeschluß durchzuführen. Mein ganzes Vermögen liegt fest; alle Konten sind blockiert. Ich kann mir nicht einmal mein eigenes Essen hierherkommen lassen. In diesem ganzen lausigen Kittchen dürfte ich derzeit der ärmste Schlucker sein.“

„Bill, alter Knabe, du hast doch bestimmt irgendwo ein verstecktes Bankkonto.“

„Kleiner Irrtum — ich habe nie für möglich gehalten, einmal in eine derartige Situation zu kommen. Ich verfüge über keine fünf Dollar.“

„Junge, das sieht allerdings übel aus.“

„Begreifst du jetzt, warum ich mir nicht einmal einen Anwalt nehmen konnte? Kein Anwalt, der etwas taugt, wird für mich arbeiten, wenn ich ihm nicht Vorkasse biete. Die Aussicht, daß ich nach dieser Geschichte restlos pleite bin, steht neunzig zu zehn, und niemand setzt sich gern für einen Pleitegeier in die Nesseln. Dazu kommt, daß die öffentliche Meinung und die Presse sich gegen mich stellen werden. So etwas wie das Diamond-Unglück hat es noch nie gegeben, und die Meute verlangt ihr Opfer. Ich habe aber verdammt wenig Lust, mich für einen schmierigen kleinen Ganoven erledigen zu lassen. Ich weiß genau, daß das Seil in tadellosem Zustand war. Ich fühle mich frei von aller Schuld.“

„Okay“, sagte Joe. „Es wird ein verdammt hartes Stück Arbeit werden, herauszufinden, wer das Seil angesägt hat.“

„Joe, wenn einer es kann, kannst du es.“

„Ich will sehen, was ich tun kann.“ Joe erhob sich. „Das Dringendste scheint mir allerdings, die Kaution für dich aufzutreiben. Ich werde einmal mit den Diamond-Leuten reden.“

Privatdetektiv Joe Barry - In die Pfanne gehauen

Подняться наверх