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1. Kapitel

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Johnny Combo war nicht der feinsten einer, aber er hatte Geld in rauhen Mengen. Seine Konten waren gepolstert wie eine Filmdiva nach sechs Monaten Schlagsahne. Es gab keine Bank, in der man ihn nicht freudestrahlend willkommen geheißen hätte Gewisse kleine Staaten — Steuerparadiese auf dieser traurigen Welt — waren allein durch Johnny und seine Finanztransaktionen groß geworden. Denn Johnny pflegte sein Geld ständig umzuschaufeln.

Wovon er lebte, wußte keiner.

Wie er lebte, das wußten alle.

Und von ihm lebten eine Menge.

Johnny hatte in seinem vierzigjährigen Leben vermutlich eine Menge Dinger gedreht. Es gab wenig, was ihm uhbekannt geblieben war. Zu dem wenigen gehörte eine Zuchthauszelle, beispielsweise.

Denn Johnny liebte die Eleganz.

Und Zuchthäuser sind unelegant; öde Einrichtungen mit mangelhaften sanitären Anlagen, fand Johnny. Er mied sie.

Als sein vierzigster Geburtstag herannahte, faßte Johnny Combo einen Entschluß. Und er verstieß zum erstenmal gegen seine Prinzipien: Er teilte einer erstaunt aufhorchenden Umwelt seinen Entschluß mit.

Der fußte auf einer einfachen Überlegung. Er hatte fünfundzwanzig Jahre hart gearbeitet, um zu Geld zu kommen — sagte er. Denn Klein-Johnny hatte schon mit fünfzehn Jahren begonnen, als er eine Nadel auf der Straße fand. Da am einen Ende dieser Nadel ein massiver Brillant hing, war es ein verheißungsvoller Start gewesen. Johnny hatte es auch geschafft, den Apparat für nicht weniger als fünfzehn Prozent des wahren Wertes zu verscheuern.

So hatte es begonnen und fünfundzwanzig Jahre angedauert; ein Vierteljahrhundert harter Arbeit, wie Johnny sich ausdrückte. Dann hatte er zu rechnen begonnen und festgestellt, daß mindestens die doppelte Zeit nötig war, um all den Zaster wieder auszugeben. Nach dieser Rechnung wäre Johnny Combo dann neunzig. Er fand, daß bis dahin nicht mehr lange Zeit war. Vor allem hatte er nicht die Absicht, irgend etwas zu hinterlassen, denn von fröhlichen Erben hielt er nichts.

Und so faßte er seinen Entschluß.

Er wollte nur noch dem Vergnügen leben.

Die Welt staunte.

Es gab eine Menge Leute, die fragten, was, zum Teufel, Johnny denn bisher getan habe, außer seinem Vergnügen zu leben?

Es gab andere, die waren schlicht und einfach sauer. Dazu gehörte die Abteilung im Police Center von New York, die Johnnys Akte pflegte. Seit Jahren wartete man dort darauf, daß sich endlich eine Chance bot, „Johnny das Handwerk zu legen“, — wie Attorney Brown es nannte.

Naturgemäß mußte Johnnys Entschluß, sich ins Rentnerdasein zurückzuziehen, im Center Enttäuschung auslösen. Denn zu den Dingen, die einen biederen Cop allemal aufregen, gehört, wenn er sehen muß, Wie ein Gangster sein Geld zu sechs Prozent anlegt und sich einen schönen Tag macht. Vor allem, wenn der Cop weiß, daß dieses Geld auf alle nur denkbaren krummen Touren erworben wurde, es aber beim besten Willen nicht beweisen kann.

Johnny aber faßte unbeirrt seinen Entschluß und sorgte dafür, daß er in die Zeitungen kam.

Manche, die das lasen, hatten ihre eigene Meinung, die sie allerdings für sich behielten. Sie fragten sich, welche neue Masche diesmal dahintersteckte. Zu diesen wenigen gehörten einige, die Johnny besser kannten.

Einer davon war Joe Barry, Privatdetektiv aus Bronx, ein Mann, dessen Foto, in gewissen Straßen des östlichen Manhattan aufgehängt, genügte, um dort die Kriminalität um dreißig Prozent zu senken.

Joe Barry, der unter dem Markenzeichen Kommissar X bekannt geworden war, kannte Johnny Combo ziemlich gut. Er wußte, daß alle Ganoven gleich sind, manche aber gleicher als die anderen, und zu denen gehörte Johnny Combo.

Außerdem war Joemit Combo persönlich bekannt. Diese Bekanntschaft datierte aus dem Jahr 1957, als Joenoch ziemlich am Anfang seiner Karriere stand. Damals hatte er einen Versicherungsfall gehabt. Es ging um eine ziemlich große Summe.

Um es kurz zu machen, es gelang Jo, den Betrag wieder herbeizuschaffen. Es gelang ihm auch, den Mann zu überführen, der fremdes Geld mit eigenem verwechselt hatte. Damit wäre der Fall zu Ende gewesen, und Joehatte auch ein warmes Dankschreiben plus Honorar von der Versicherung bekommen.

Aber manchmal war er eigensinnig wie ein Wasserbüffel. Er hatte festgestellt, daß zwischen dem überführten Ganoven und Johnny Combo gewisse Querbeziehungen bestanden. Er war diesen Beziehungen nachgegangen.

Bereits da war Johnny sauer auf ihn geworden.

Es wurde ein hartes Ringen, und es ging unentschieden aus. Das, was Walker dem gerissenen Fuchs Johnny Combo nachweisen wollte, war nicht zu beweisen. Joewar von der Richtigkeit seiner Theorie überzeugt, und hätte er sie beweisen können, wären Johnny fünf Jahre in Scranton oder Fort Dorset sicher gewesen. Aber er hatte nur seine Überzeugung, und die kaufte ihm kein Schwurgericht ab.

Dafür gelang es Jo, etwas anderes nachzuweisen. Eine Kleinigkeit nur: unerlaubter Waffenbesitz. Bei einem Mann wie Johnny immerhin ein Grund, ihn zu fünf Monaten zu verurteilen. Es gab Bewährung; Johnny brauchte nicht zu sitzen; seine Anwälte waren immer erstklassig gewesen.

Aber es war doch ein Schönheitsfleck, über den Johnny sich lange geärgert hatte. Seitdem durfte er sich nicht die geringste Kleinigkeit erlauben, oder er hätte die fünf Monate absitzen müssen.

Das hinderte ihn nicht daran, große Dinger zu drehen; aber bei den Kleinigkeiten mußte er vorsichtig sein. Er durfte niemals die Höchstgeschwindigkeit im Verkehr überschreiten oder falsch parken. Und das konnte einem Mann, der den Stall voller Spezialchryslers mit fünfhundertpferdigen Maschinen hatte, schon an den Nerv gehen.

Das alles lag lange zurück. Aber es hatte dazu geführt, daß Johnny Combo Kommissar X als den prominentesten Kriminalisten der ganzen Ostküste ansah. Er stand übrigens nicht allein mit dieser Meinung.

Kurz nach seinem Prozeß hatte Johnny Combo, der Gangster, Joe Barry, den Privatdetektiv, aufgesucht. Er hatte sich ziemlich deutlich ausgedrückt.

„Wenn du mir noch mal in die Quere kommst, Walker …“ Er hatte den Satz nicht ausgesprochen, aber seine gummikauenden Leibgorillas mit den Ausbuchtungen unter der linken Schulter waren ein deutliches Symbol gewesen.

Jos Antwort hatte an Deutlichkeit ebenfalls nichts zu wünschen übriggelassen.

„Ich sehe das so, Johnny: Von mir aus unternehme ich nichts, aber ich habe einen Job, den ich ernst nehme. Ich kläre im Auftrag Kriminalfälle auf, auch unangenehme. Und wenn du mir dabei in die Quere kommen solltest …“

Sie hatten sich angesehen und waren sich darüber klargewesen, daß es ein heißer Kampf werden würde.

Bisher war er vermieden worden.

Als Joejetzt in der Zeitung las, daß Johnny sich vom Geschäft zurückziehen wollte — der „Evening Standard“ war sehr stolz darauf, diese Formulierung gefunden zu haben —, schob er die Brauen zusammen. Er glaubte einfach nicht daran. Johnny war eine Spielernatur. Der Bursche brauchte den ständigen Nervenkitzel, den immer höheren Einsatz — und den Gewinn. Es war

kaum vorstellbar, daß Johnny sich aufs Altenteil zurückziehen wollte.

Immerhin, ganz unmöglich war es nicht. Joehatte schon erstaunlichere Dinge erlebt.

Jedenfalls hatte er keine Ahnung davon, daß diese unscheinbare Zeitungsmeldung den Auftakt zu einem Eiertanz bilden sollte, der New York und einiges mehr auf den Kopf stellen würde.

Vorläufig stand nur soviel fest: An seinem Geburtstag wollte Johnny sein neues Leben beginnen; das war am

1. Juli 1963.

Mit einer Riesenparty im Hotel Marberry sollte das Ereignis gebührend gefeiert werden.

Chef der Mordkommission Manhattan war Walkers bester Freund, Lieutenant Antony Starr. Die beiden hatten eine Art der Zusammenarbeit entwickelt, die schon manchem Zeitgenossen des unteren Broadway sauer aufgestoßen war. Es war kein Wunder, daß Antony über Johnny Combo genauso dachte wie Jo. „Ich wette, da steckt ein handfester Betrug dahinter“, grollte der massige Captain. „Combo tanzt uns seit zwanzig Jahren auf der Nase herum. Der kann doch nicht Schluß machen…“

„Denk an Roul Parker“, sagte Jo. Der hat’s verstanden.“

„Parker ist eine Sondernummer. Ganz anderes Kaliber als Combo. Roul Parker ist ein Infanteriekaliber, Combo dagegen eine Mörsergranate. So sehe ich’s. — Seit zwei Tagen übe ich mich in scharfem Nachdenken, aber ich kann einfach nicht herausfinden, was Combo vorhat. Meine Phantasie reicht nicht aus. Ich fürchte, er hat ein großes Ding vor — aber was?“

Joemusterte den Captain aufmerksam.

„Du bist doch für Mordsachen zuständig, Alter! Combo gehört überhaupt nicht in deine Abteilung. Warum geht dir der Bursche so an die Nieren?“

Antony strich sich mit dem Zeigefinger über die Römernase.

„Aus einem einfachen Grund. Kannst du dir vorstellen, daß ein Außenstehender den Dienstplan des Centers kennt?“

„No“, sagte Jo, „den kenn nicht mal ich!“

„Dann will ich dir was sagen: Seit Jahr und Tag wird hier über Combo Buch geführt. Die Akte liegt in Abteilung IIIc, nachdem sie vor einem Jahr von der aufgelösten Abteilung V übernommen wurde. Im Lauf der letzten Jahre sind insgesamt vier Beamte mit der Führung dieser Akte beauftragt gewesen.“

„Und?“

„Niemand kannte die Namen dieser vier Beamten — niemand, der nicht Angehöriger des Centers ist. Und die haben alle Schweigepflicht.“

„Soll das heißen …?“

„Yeah“, sagte Antony, „Gestern hat Combo die Einladungen zu seiner Superfete verschickt. Und ob du’s glaubst oder nicht — jeder, der einmal an Combos Akte gearbeitet hat, hat eine goldbedruckte Einladung bekommen!“

„Das beweist, daß hier irgendwo eine undichte Stelle ist.“

„Stimmt. Aber das ist nicht das Entscheidende, wenn Attorney Brown sich auch aufführt, als stünde das Wohl der Nation auf dem Spiel. Die vier, die eine Einladung bekommen haben, sind vom Betrugsdezernat. Dort hat man über Johnny Buch geführt, weil das am nächstliegenden war. Denn das, was man mit der größten Sicherheit über ihn weiß, ist die Sache mit dem Versicherungsbetrug.“

„Stimmt“, sagte Jo, „an dem Fall habe ich vor Jahren gearbeitet. Es reichte nicht zu einem Beweis …“

„Privat ist uns deine Ansicht mehr wert als ein Beweis“, brummte Antony. „Aber zurück zur Sache. Betrug ist lautlos, da fließt kein Blut; der Krieg findet nur in den Papieren statt. Aber es gibt noch einen fünften Mann, der eine Einladung zu Johnnys kleiner Feier bekommen hat. Und der ist nicht vom Betrugsdezernat.“

Joebeugte sich vor.

„Soll ich mal raten?“

„Heiß“, grinste Töm.

„Du?“

„Ja — ich! Ich habe so einen pompösen Wisch bekommen. Mr. Johnny Combo gibt sich die Ehre, Mr. Antony Starr zur Feier seines vierzigsten Geburtstages zu einem Empfang in das ,Marberryʻ einzuladen. Smoking erbeten.ʻ Was sagst du nun? “

Joewog die Sache ab.

„Garderobeschwierigkeiten hast du nicht …“

„Ich habe so gut einen Smoking wie du!“

„Dann würde ich hinmarschieren. Ich weiß aus Erfahrung, daß auf derartigen Gangsterfeiern erstklassige Getränke gereicht werden. Vielleicht könnte es dir nicht schaden, mal einen guten Whisky kennenzulernen. Vielleicht wirst du dadurch instand gesetzt, das Zeug, das du hier für Besucher im Safe stehen hast, objektiv zu beurteilen und zu erkennen, daß es nicht mal einem armen Polizisten Ehre macht.“

Antony faßte den Wink richtig auf. Er schwang auf seinem Drehsessel herum, stellte die Flasche auf den Tisch und holte zwei Gläser aus dem Aktenschrank.

„Zwölf Jahre alter Bourbon“, knurrte er. „Ich weiß gar nicht, was du willst.“

„ Was sagt Attorney Brown? “ wollte Joewissen.

„Der sagt natürlich, ich sollte hingehen. Es handelt sich auch gar nicht darum, ob ich gehe oder nicht. Ich möchte nur wissen, warum Combo ausgerechnet mich eingeladen hat.“

„Sicher schätzt er dich besonders.“

„Ich bin seit zehn Jahren im Center, seit sieben Jahren in der Mordkommission“, sagte Antony. „Kein einziges Mal hatte ich in dieser Zeit mit Johnny Combo zu tun. Nicht mal indirekt. Sein Name tauchte bei mir in keinem Zusammenhang auf. Ich hätte zwar keine Hemmungen, ihm jede Bluttat zuzutrauen, aber bisher gab es noch nicht mal den Schatten eines Beweises dafür. Warum also hat er von den zweitausend Leuten des Centers ausgerechnet mich ausgesucht?“

„Schwer zu sagen“, brummte Jo. „Bist du sicher, daß du noch nie mit ihm zu tun hattest?“

„So sicher wie ich hier sitze.“

„Es gibt natürlich die Möglichkeit, daß unter Johnnys Gästen einige alte Kunden von dir sind. Vielleicht will er dich provozieren.“

„Well, ob das wirklich so lustig ist?“

„Weiß ich nicht. Es gibt nur eine Möglichkeit, sich Klarheit zu verschaffen: indem du die Einladung annimmst.“

„Wind mir wohl nichts anderes übrigbleiben“, brummte Antony. „Aber gespannt bin ich. Vielleicht hat er mich

ausgesucht, weil er als Höhepunkt des Abends eine Leiche vorführen will und mich als Fachmann braucht.“

Der Captain ahnte nicht, wie nahe er damit der Wahrheit kam.

Er sollte es bald erfahren.

Joe Barry glaubte nicht, daß Johnny Combos Superparty etwas mit ihm zu tun hatte. Sein Interesse war denn auch bis zu diesem Zeitpunkt gering.

Es waren ruhige Tage. New York lag unter der Hitzeglocke, die, alljährlich im Juli die Teerdecken weichen ließ. Wer es sich irgend leisten konnte, war aufs Land gefahren, nach Süden an die Küste oder zum Cape Cod.

Joehatte einen Kurzaufenthalt in den Adirondacks auf dem Programm stehen und das Angelzeug schon eingepackt. Jetzt war die große Frage, ob ihm dieser Kurzurlaub allerseits gegönnt oder ob ihm ein Stein in den Weg gelegt würde.

Während er seinen kleinen Handkoffer mit den drei Standardartikeln packte — Reservenylonhemd, Waschzeug und AuAntonyatic 38 —, blickt er ab und zu mißtrauisch auf das Telefon.

Aber von dieser Seite drohte keine Gefahr.

Sie kam ganz prosaisch durch die Haustür.

Es läutete.

Joezögerte drei Pulsschläge lang, dann öffnete er.

Vor ihm stand ein kleiner Mann mit Ziehharmoniakahosen. breiter Krawatte,bunt wie ein Waldspecht. Auf dem runden Kopf saß ein zerknautschter Filzhut, und ein rosiger Flaum umrahmte das Gesicht, das in mancher Hinsicht an einen deutschen Gartenzwerg erinnerte.

Joestaunte. „Daß so etwas erlaubt ist“, murmelte er.

Der Kleine sah ihn aufmerksam an.

„Mr. Walker?“ Er hatte eine tiefe Baßstimme.

„Der bin ich.“

„Dem Himmel sei Dank. Sie ahnen nicht, wie froh ich bin, Sie endlich kennenzulernen. Man hat mir sehr viel von Ihnen erzählt; nur Gutes. Sie sollen der beste Detektiv der Stadt sein. Ich hoffe, das stimmt, Mr. Walker.“

„Ja, wenn Sie mir sagen würden, worum es sich handelt, Mister …“

„Higgins. Josuah Jerome Higgins. Stören Sie sich nicht an dem Namen. Ich kannte einen, der hieß Klohocker und war kein schlechter Kerl. Darf ich eintreten?“

„Bitte, kommen Sie.“

Joeführte den Mann in sein Arbeitszimmer, das bewußt spartanisch eingeichtet war, dazu angetan, den Redefluß geschwätziger Besucher einzudämmen.

Auf der Unfehlbarkeitsseite des Schreibtisches legte Joedie Hände flach auf die polierte Platte und sah den Besucher an.

„Nun, Mr. Higgins, was kann ich für Sie tun?“

„Prächtig gesagt“, strahlte der Kleine. „Tun ist das richtige Wort, junger Freund. Nur nicht ganz zutreffend in meinem Fall. Worum ich Sie bitten möchte, ist, zu verhindern, daß etwas getan wird. Tun ist gut, wenn etwas Gutes getan wird, aber wenn einer Böses vorhat, muß man es verhindern. Verstehen Sie, was ich meine?“

„Mr. Higgins, meine Zeit ist nicht unbeschränkt. Vielleicht können Sie mir erst einmal sagen, worum es sich handelt.“

„Ich bin Privatgelehrter “ sagte der Kleine stolz.

„Das dachte ich mir“, brummte Jo.

Higgins sah ihn gläubig an und fand offensichtlich, daß nunmehr alles geklärt sei. Joewar anderer Meinug und sagte es ihm.

„Ich bin Erfinder“, präzisierte Josuah Jerome.

„Aha!“

„Ich habe eine wichtige Erfindung gemacht, junger Freund. Eine Sache, von der ich heute schon sagen kann, daß sie die Welt verändern wird.“

„Daran zweifle ich nicht. Aber was habe ich damit zu tun?“ „Junger Freund, wenn ich sage, ich werde die Welt verändern, dann betrifft das auch Ihre Welt.“

Joesah diskret auf die Uhr.

„Mr. Higgins, vielleicht wäre es angebracht, wir unterhielten uns weiter, wenn Sie die Welt verändert haben. Ich bin ein beschäftigter Mann.“

Der Gelehrte, der eine so frappante Ähnlichkeit mit einem Gartenzwerg hatte, blieb ungerührt. „Selbstverständlich kennen Sie meine Erfindung nicht, sonst würden Sie anders denken. Aber ich will zur Sache kommen,“

Na also, dachte Jo.

„Man will mich umbringen!“

Joebeugte sich vor. „Wer?“

„Das weiß ich nicht. Deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen, lieber Freund. Sie werden den Betreffenden unschädlich machen und die Welt wird es Ihnen danken,“

Verrückt, entschied Jo. Er hatte oft mit solchen Leuten zu tun, mit Verrückten Psychopathen, Querulanten. Mit ihnen fertig zu werden, stellte oft hohe Anforderungen an seine Ver- und Behahdlungskünste. Manche belagerten ihn wochenlang. Es kostete viel Geduld, ihnen klarzumachen, daß sie bei einem Psychiater besser aufgehoben waren als bei ihm.

Und jetzt sah es aus, als hätte er ein neues Exemplar für seine Sammlung. So schonend wie möglich erkundigte er sich nach Einzelheiten.

„Man will Sie also ermorden, Mr. Higgins Kennen Sie den Grund?

„O ja, man will es tun, weil ich eine Erfindung gemacht habe, die von ungeheurer Bedeutung ist.“

„Und um welche Erfindung handelt es sich da?“

Higgins sah ihn listig an.

„Das erfährt7 keiner. Dazu ist die Sache zu wichtig. Glauben Sie mir, das muß geheim bleiben. Tobby ist nur einem kleinen Kreis von Auserwählten zugänglich, und dazu gehören Sie noch nicht, Mr. Walker.“

„Tobby?“

„Der Deckname, unter dem meine Erfindung läuft. Raffiniert, was?“

Tobby, dächte Joekopfschüttelnd.

„Von Tobby hängt ungeheuer viel ab. Deshalb möchte ich Sie bitten, meinen Schutz zu übernehmen. Es geht nicht um meine person, es geht um Tobby, verstehen Sie?“

Jos Gesicht blieb unbewegt.

„Natürlich. Hat man bereits versucht, Sie zu ermorden? Können Sie mir darüber etwas sagen?

„Man hat es bisher noch nicht geschafft, weil ich zu klug war, es soweit kommen zu lassen. Aber von jetzt an muß ich meine ganze Kraft Tobby widmen.“

„Das war keine Antwort auf meine Frage“, korrigierte Joeseinen drolligen Besucher in sanftem Schulmeisterton. „Daß man es nicht geschafft hat, Sie zu ermorden, ahnte ich bereits. Ich will wissen, ob man’s überhaupt ernsthaft versucht hat.“

„Meines, Wissens nicht!“

„Aber es gibt Leute, die Ihnen ans Leder wollen?“

„Zweifellos. Ein Projekt wie Tobby Schafft seinem Erfinder Feinde, das ist ganz selbstverständhich.“

„Das ist mir zu allgemein!“

„Ich verstehe Sie nicht!“

Joewurde jetzt deutlich.

„Sie schwafeln eine Menge daher, Mr. Higgins. Aber das ist keine Basis, auf der ich arbeiten kann. Entweder Sie bringen mir Tatsachen, oder eine Zusäimmenarboitschieddiet.aus.“

Der kleine Mann machte ein bekümmertes Gesicht.

„Mr. Walker, ich habe Ihnen alles gesagt, was zu sagen war. Daß man mich ermorden will, weiß ich. Ich bin da ganz sicher. Warum wollen Sie mich nicht beschützen?“

„Ich bin kein Leibwächter, Mr. Higgins.“

„Wie bitte?“

„Ich löse Fälle, übernehme konkrete Aufgaben, aber ich bin kein Aufpasser, der gummikauend mit schußbereiter Flinte irgendwelche Leute bewacht. Das ist eine Spezialbranche in der Unterwelt. Die scheidet in Ihrem Fall natürlich aus“, schloß Joelächelnd.

„Sie meinen, Verbrecher?“

„Gorillass“, brummte Jo. Er schrieb etwas auf einen Zettel und gab ihn Higgins. „Da gehen Sie am besten hin!“ „Police Center“, buchstabierte Higgins, „Manhattan, Center Street. Abteilung IX c! — Was soll das?“

„Lassen Sie sich Polizeischutz geben“, sagte Jo. Er war aufgestanden und bugsierte den kleinen Mann zur Tür.

Als es geschafft war, atmete er auf. Sie waren meistens harmlos, diese Higgins-Typen, aber sie stahlen einem die Zeit.

Er ging in sein Büro zurück und rief — einem plötzlichen Einfall folgend — die Wheatherley-Auskunftei an.

Fred Wheatherley, der Inhaber der Auskunftei, war ein alter Freund, mit dem er gut zusammenarbeitete. Die Firma schaffte ihm eine Menge Routinekram vom Hals, der zeitraubend war.

„Hallo, Fred“, sagte Jo.

„Ist da der Einäugige aus Bronx?“ kam es aus der Hörmuschel.

„Das Ungeheuer von der Gun Hill Road“, erwiderte Joegrinsend. „Hör zu, Alter. Ich will wissen, ob über einen gewissen Josuah Jerome Higgins, Privatgelehrter und Erfinder, etwas anliegt“ Es verging eine Pause, während Fred notierte.

„Was soll mit dem Burschen los sein?“ fragte er.

„Wahrscheinlich nichts. Ich will nur sichergehen.“

„Aye, Alter, ich ruf dich wieder an Eins kann ich jetzt schon sagen: Präsident ist er nicht. Der heißt anders!“

„Wie denn?“

„George Washington oder so ähnlich!“

Joelegte auf und setzte seine Reisevorbereitungen fort: Er drückte den Kofferdeckel zu. Dann ging er daran, die Post zu erledigen; die langweiligste Arbeit von allen. Er beeilte sich.

Higgins’ Besuch hatte er schon vergessen.

Eine Stunde später verließ er das Appartement in der Gun Hill Road. Er war schon draußen auf dem Gang, da schrillte das Telefon. Er hätte es überhören können, aber Selbstbetrug mochte er nicht. Also kehrte er um.

„Hallo?“

„Hier ist die führende Auskunftei der Vereinigten Staaten.“

„Die Pinkerton Company?“

„Frechheit! — Hör mal, Higgins ist ein ganz großes Tier. Einer der führenden Chemiker des Landes. Wie bist du den geraten?“

Joesetzte sich.

„Unwichtig“, sagte er. „Erzähl schon, Fred!“

„Geboren in England, Studium in Cambridge, Promotion mit einundzwanzig Jahren, Verfasser eines aufsehenerregenden Buches über Molekularstruktur, als er zweiundzwanzig war. Lehrtätigkeit in England. Kam in den dreißiger Jahren in die Staaten und war zwölf Jahre in Rickhaven tätig.“

Joehorchte auf.

„Rickhaven? Das ist doch die Giftküche der Marine.“

„Stimmt. Dort hat er an kriegswichtigen Projekten gearbeitet. Von ihm stammt ein neuartiger Treibstoff. Einzelheiten sind nicht in Erfahrung zu bringen, denn das Ganze läuft unter top secretʻ1), und unsere Regierung hat bekanntlich etwas gegen meine Zunft.“ „Und weiter?“ fragte Jo.

„Nach dem Krieg schied Higgins aus dem Staatsdienst aus und betätigte sich nur noch als Privatgelehrter. Er hat ein kleines Laboratorium in Tuscaloosa, Virginia. Was er da kocht, weiß ich nicht, aber ich habe festgestellt, daß er Dutzende von Patenten hat, und sie sind alle geheim.“

„ Schau einer an “, murmelte Joeverblüfft.

„Higgins ist VIP“, fuhr Fred fort. „ Very important person2)! Es ist anzunehmen, daß unsere Sicherheitsorgane ihn unter ihre Fittiche genommen haben. — Was sagst du nun? Ist das ein Ding?“

Joesah auf die Uhr.

„Schick mir die Rechnung“, sagte er und hängte auf.

Das veränderte natürlich die Sachlage. Joehätte nie geglaubt, daß dieser Higgins echt war. Aber seine alte Methode, auch vermeintliche Bagatellen nachzuprüfen, hatte sich wieder einmal bewährt.

Dieser Higgins schien ein großes Kind zu sein. Aber wenn an seinen Reden etwas daran war … Das Projekt Tobby hatte plötzlich einen ganz anderen Klang.

Joerief anschließend an sein Gespräch mit Wheatherley im Center an.

Chef der Abteilung IXc war Leutnant Moore. Joekannte ihn gut. Moore war ein rotgesichtiger Hüne und eine große Footballkanone. In der Mannschaft des Centers mimte er den Spielführer.

„Walker hier …“

„Jo, alte Pflaume“, schmetterte es aus dem Hörer, „wenn du mir noch mal so einen Spaßvogel wie eben herschickst, komme ich persönlich nach Bronx und steige dir aufs Dach. Was war denn das für ein Geselle?“

„Er war also da?“

„Sicher, Josuah Jerome Higgins war da. Er hat mir die Ohren voll gezwitschert von seiner Tobby. Scheint ’ne Freundin zu sein, eh?“

„No, eine Erfindung!“ sagte Jo. „Wo ist Higgins jetzt?“

„Wieder fort. Ich habe kein Wort von dem verstanden, was er mir erzählt hat. Angeblich bedroht man ihn, aber Einzelheiten wollte er nicht erzählen. Er sagte, du hättest ihn hergeschickt, damit er Polizeischutz bekommt. — Mein lieber Jo, wenn ich all den Leuten Polizeischutz geben wollte, die hier auftauchen, dann brauchten wir noch ein paar Divisionen von der Nationalgarde und würden’s immer noch nicht schaffen.“

„Ich hielt Higgins ebenfalls für einen harmlosen Irren, aber das scheint er nicht zu sein.“

„Was, in aller Welt, ist er denn?“

Joewiederholte die Auskunft, die er von Fred bekommen hatte.

„Es ist purer Zufall, daß ich es überhaupt erfahren habe“, betonte er. „Leider kam ich erst hinterher darauf, mich mit Higgins näher zu befassen. Wie esscheint, ist dieser Higgins seinen Bewachern vom Sicherheitsdienst entwischt und läuft nun frei im Park herum. Wenn er wirklich eine so bedeutende Persönlichkeit ist wie es scheint, kann da allerhand passieren.“

Moore hatte mit angehaltenem Atem zugehört.

„Da brat mir einer ’nen Storch!“ schnaufte er. „Dieses harmlose Männchen soll ein großer Gelehrter sein? Na, meinetwegen. Einstein wäre beim Rugby sicher eine Null gewesen und soll doch ein ganz tüchtiger Physiker gewesen sein. Was soll ich also für deinen Higgins tun?“

„Ich würde die zuständigen Stellen informieren, daß er bei dir war.“

„Und was für Stellen sind das?“

„Weiß ich nicht“, erwiderte Joegelassen. „Das ist sicher geheim.“

„Also Geheimdienst! — Okay, ich werde das Nötige veranlassen. Vielleicht nähen die mir dafür einen Streifen mehr auf den Ärmel. Danke für den Tip, Jo!“

Damit war der Fall ausgestanden.

Dachte Jo.

Er sollte sich irren.

Privatdetektiv Joe Barry - Johnnys neue Masche

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