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Sie waren zu zweit, und ihr Geschäft war Mord. Sie hatten die bösartige Routine berufsmäßiger Kilier, und sie machten sich nicht mehr Gedanken über ihr Opfer als eine Katze. Sie benutzten ein Maschinengewehr, das zweitausend Stahlmantelgeschosse in der Minute aus dem Lauf fetzen konnte – mehr als genug, um ihrem Opfer keine Chance zu lassen. Sie waren bereit, ihr Opfer in Stücke zu zerreißen – unbesorgt um ihre Beute. Denn diese Beute war unzerstörbar und unvergänglich – der Cantogan-Diamant, der größte Diamant des Jahrhunderts, strahlend in seinem Feuer und unbefleckt von dem Blut, das an ihm klebte: der Stein des Bösen.

Im ersten Gang ratterte der Lastwagen die Paßstraße empor. In endlosen Serpentinen dehnte sie sich vor dem überhitzten Kühler. Die Gegend war menschenleer. Hier oben kam nur selten jemand hin. Hier gab es nur Busch, Hitze, Moskitos.

Auf einem Felsen saßen zwei Männer und starrten schweigend nach unten. Sie hatten ein Maschinengewehr zwischen sich aufgebaut. Das Fadenkreuz der Visiereinrichtung zeigte auf einen bestimmten Punkt der Straße.

Keuchend röhrte der Lastwagen heran, nahm die letzte Kurve und erreichte die Paßhöhe.

Der Truck rollte über das Hochplateau heran.

Die Hölle brach los.

Das Knattern der MG-Salve zerriß die Stille. Über den Staub der Straße spritzten die Einschläge, erfaßten den Truck und wanderten an ihm hoch. Querschläger schwirrten mit häßlichem Singen durch die Gegend. Dann wurde der Tank des Lastwagens getroffen. Es gab eine Explosion, und eine Flammenwand lohte empor.

Brennend rollte der Truck weiter, kipple über den Straßenrand und verschwand in der Tiefe.

Der Mann am Maschinengewehr ließ den Abzugshebel los und sah den anderen an.

„Mist!“ knurrte er. „Jetzt müssen wir da ’runterklettern.“

„Wird ein Vergnügen werden, bei der Hitze“, sagte der andere phlegmatisch. „Aber das hätten wir uns ja denken können.“

Er richtete sich auf und klopfte sich den Staub von seiner hellen Khakihose.

„Los“, sagte er. „Es bleibt uns ja nichts anderes übrig.“

Sie nahmen das Maschinengewehr und schleppten es zur Straße hinunter. Ein Stück weiter hatten sie einen Jeep in den Büschen verstecket. Sie verstauten die Waffe und machten sich an den Anstieg.

Von dem Truck war nicht mehr viel übriggeblieben. Die Trümmer der Ladefläche waren in weitem Umkreis verstreut. An einzelnen Stellen flackerlen noch kleine Flammen.

Der Fahrer war herausgeschleudert worden. Seine Leiche lag im Unterholz.

Die beiden Männer sahen nur flüchtig hin und wandten sich dann dem ausgeglühten Rest des Fahrerhauses zu. Sie wußten genau, wo sie suchen mußten.

Die Klappe des Handschuhkastens war verbeult und heiß. Mit einiger Anstrengung bekamen sie sie auf, und dann holten sie einen angesengten Lederbeutel heraus. In dem Beutel zeichnete sich ein etwa hühnereigroßer Gegenstand ab.

Der größere der beiden Männer versuchte, den Beutel aufzuknüpfen. Als ihm das nicht gelang, riß er die Schnur mit den Zähnen auf.

Ein matt glänzender, unregelmäßig geformter Stein rollte heraus. Er sah aus, als wäre er aus Glas oder Quarz. Aber das war er nicht.

Die beiden Männer beugten sich darüber. Ihre Augen glänzten.

„Na also“, sagte der eine und atmete tief durch. „Das ist er. Der Cantogan. Der größte Diamant des Jahrhunderts. De Sache hat sich gelohnt, Partner.“

„Hallo“, sagte seine frühe Besucherin und deutele ein Lächeln an. „Ich hoffe, ich habe Sie nicht aus dem Bett geholt.“

„Das haben Sie“, bekannte Joe. „Aber wenn ich die Wahl zwischen meinem Bett oder Ihnen hätte, würde ich mich freiwillig für Sie entscheiden. – Treten Sie ein.“

Er führte sie zu einem der Besuchersessel.

„Ich frühstücke gerade. Wollen Sie mithalten?“

„Für eine Tasse Kaffee wäre ich sehr dankbar“, sagte sie.

Dann saßen sie sich gegenüber, und Joe musterte seine attraktive Besucherin verstohlen. Er hatte das Gefühl, daß sie in einer Notlage war und sich tapfer bemühte, es nicht zu zeigen.

„Was hat Sie so früh aus den Federn getrieben?“ fragte er.

„Es handelt sich um meinen Vater“, sagte sie leise. „Er lebt in Südafrika, in in Transwarcl, und ist dort Direktor einer Diamantenmine. Die Cantogan-Mine ist eine der bedeutendsten Diamantenminen der Welt. Schon seit zwanzig Jahren lebt er dort. Er ist Geologe und ein solcher Fachmann auf seinem Gebiet, daß die Minengesellschaft ihm diesen wichtigen Posten gegeben hat, obwohl er Ausländer ist.“

„Das will etwas heißen“, sagte Joe. „Die Förderung von Diamanten ist in Südafrika Staatsmonopol. Ein Ausländer, der in einer der staatlichen Gesellschaften einen wichtigen Posten bekommt, muß schon ein Experte sein. Aber wenn etwas schiefgeht, erinnert man sich daran, daß er Ausländer ist. Es ist doch etwas schiefgegangen?“

Sie nickte.

„In den letzten Jahren sind in der Mine eine Reihe von Diamantendiebstählen vorgekommen. Die schwarzen Bergarbeiter schaffen es immer wieder, Steine auf die Seite zu bringen. Die Leitung der Mine weiß das natürlich, und die Sicherheitsvorkehrungen sind ausgeklügelt. Die Arbeiter werden ständig kontrolliert. Auf dem ganzen Celände wimmelt es von Wachtposten. Es ist ein engmaschiges Netz.“

„Das dürfte auch notwendig sein. Nichts ist leichter, als einen Diamanten verschwinden zu lassen. Er ist das ideale Objekt für einen Diebstahl – klein und kostbar.“

„Aber jedes Sicherheitssystem ist nur so gut wie der Mann, der es leitet.“

„Wollen Sie damit sagen, daß Ihr Vater Fehler gemacht hat?“

„Er selbst nicht, aber der Mann, der für den ganzen Sicherheitskomplex der Mine verantwortlich ist. Es handelt sich um einen Franzosen, einen gewissen Serge Larousse. Ich will noch deutlicher werden: Es besteht der Verdacht, daß er hinter den Diebstählen steckt.“

„Worauf gründet sich dieser Verdacht?“

„Vor einigen Wochen wurde in der Mine ein besonders großer Diamant gefunden. Er soll fast hundert Karat Gewicht haben. Sagt Ihnen das etwas?“

Joe beugte sich vor.

„Allerdings. Ein solcher Fund wäre eine Weltsensation.“

„Es wäre der größte Diamant, der in diesem Jahrhundert gefunden wurde. Sein Wert ist unschätzbar. Solche Steine sind so selten, daß es überhaupt keinen Markt dafür gibt. Sie sind einmalige Kostbarkeiten, wie ein Gemälde von Rubens oder Rembrandt.“

„Und dieser Diamant wurde gestohlen?“

„Unter mysteriösen Umständen. Sie werden sich wundern, daß ich so genau Bescheid weiß, aber ich habe ein Vertrauensverhältnis zu meinem Vater. Und weil seine Karriere an diesem Stein zerbrochen ist, hat er mir alles brieflich so ausführlich mitgeteilt.“

„Was wissen Sie über den Diebstahl?“

„Ich weiß nur, daß der Fund zunächst geheimgehalten wurde, um den Markt nicht zu beunruhigen. Nur wenige Personen wußten davon.“

„Die übliche Geschichte“, brummte Joe. „Vermutlich wollte man den Diamanten nach London oder Amsterdam bringen.“

„So ist es. Der Transport sollte in aller Heimlichkeit vor sich gehen. Erst von der Mine nach Johannisburg und dann nach Amsterdam, wo die großen Diamantenschleifereien sind. Außer meinem Vater wußte nur Serge Larousse davon. Er wurde beauftragt, den Transport vorzubereiten. Und einen Tag, bevor der Cantogan mit einer Düsenmaschine der Panam abtransportiert werden sollte, geschah der Diebstahl.“

„Weiß man, wie es geschah?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, aber alle Anzeichen deuten darauf hin, daß Serge Larousse den Stein an sich gebracht hat.“

„Welche Anzeichen sind das?“

„Er ist ebenfalls verschwunden.“

Joe stieß einen Pfiff aus. „Das ist allerdings ein merkwürdiges Zusammentreffen.“

„Bisher weiß noch niemand von dem Diebstahl“, fuhr seine Besucherin fort. „Niemand, außer meinen Vater. Er halte den Stein in seinem Safe eingeschlossen. Larousse hatte sich für den Transport einen Trick ausgedacht. Er hatte Vater gesagt, von dem Cantogan wüßten bereits zu viele Personen und das Risiko eines Diebstahls auf dem Transport sei zu groß. Deshalb ließ er eine Imitation aus Quarz anfertigen. Diese täuschend ähnliche Nachahmung des Cantogan sich te unter den üblichen Sicherheitsmaßnahmen auf dem Luftweg verschickt werden, während der echte Cantogan durch einen Kurier transportiert werden sollte.

Auf diese Weise wollte man einen möglichen Überfall von vornherein in die falsche Richtung lenken. Mein Vater ging auf diesen Vorschlag ein. Die Häufungen von Diebstählen in der letzten Zeit hatten ihn beunruhigt. Er wollte alle Risiken ausschalten.“

„Und dann vertauschte Larousse die beiden Steine und setzte sich mit dem echten Cantogan ab?“

„So muß es gewesen sein.“

„Aber wieso trifft Ihren Vater dabei eine Schuld. Er ist doch nicht für Larousse verantwotlich.“

„In gewisser Weise doch“, sagte sie. „Er war es nämlich, der Larousse vor einigen Jahren eingestellt hat, und das hätte er niemals tun dürfen.“

„Warum nicht?“

„Weil Larousse eine zwielichtige Erscheinung ist, eine vielfach gescheiterte Abenteurernatur. Er hat sich schon auf der ganzen Welt herumgetrieben und war in die dunkelsten Geschichten verwickelt. Als er seinerzeit bei Vater erschien, abgerissen und ohne Geld, war er am Ende. Mein Vater kümmerte sich um ihn, besorgte ihm eine Arbeitserlaubnis, stellte ihn in der Mine ein und machte ihn schließlich zum Sicherheilschef.“

Joe sah das Mädchen aufmerksam an.

„Dafür muß es doch einen Grund gegeben haben.“

„Den gibt es auch. Mein Vater war im Krieg bei einer Sonclereinheit der Armee, die gemeinsam mit den Alliierten in Südostasien Spezialaufträge durchführte. Brückensprengungen. Spionage, was weiß ich. Und Larousse war bei derselben Einheit. Die beiden waren Kriegskameraden, verstehen Sie? Larousse hat Vater einmal das Leben gerettet.“

Joe stieß einen Pfiff aus. „Und dafür hat er ihn ausgerechnet zum Sicherheitschef gemacht“, sagte er kopfschüttelnd.

Sie nickte bekümmert. „Der Aufsichtsrat der Gesellschaft erfuhr nichts davon. Mein Vater ist in der Firma ein sehr angesehener Mann. Seine personalpolitischen Maßnahmen werden nicht überprüft. Aber sobald man den Diebstahl entdeckt, wird man sich für Larousse interessieren.“

„Man wird Ihrem Vater den Vorwurf machen, er hätte einen Mann mit einer so bewegten Vergangenheit niemals zum Sicherheitschef der Mine machen dürfen“, brummte Joe, „und das mit Recht.“ „Viel schlimmer noch. Die Versicherung wird es als Verschulden der Gesellschaft bezeichnen, und die Zahlung der Ersatzleistung ablehnen.“

„Der Cantogan war versichert?“

„Er war es. Aber die Versicherung braucht nicht zu zahlen, wenn die Gesellschaft ihre Sorgfaltspflichten verletzt hat. Und das hat mein Vater getan. Es bestehen ganz eindeutige Vorschriften bezüglich der Besetzung wichtiger Posten.“

„Und die hat Ihr Vater mit der Wahl von Larousse ebenso eindeutig verletzt.“

„Die Gesellschaft wird sich jetzt an ihn halten“, sagte sie leise. „Das heißt, er ist ruiniert.“

„Schlimm für ihn. Aber er hat es selbst verschuldet. Er hat das Schicksal geradezu herausgefordert.“

Sie richtete sich auf.

„Ich bin nicht deswegen zu Ihnen gekommen, Mr. Barry. Nicht wegen des Geldes.“

„Sondern?“

„Mein Vater hat mir geschrieben, daß er sich mit dem Diebstahl nicht abfinderi will. Zur Polizei hat er kein Vertrauen. Er will den Diamanten um jeden Preis wiederbeschaffen. Ich fürchte, daran wird er zugrunde gehen. Das schafft er nicht. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Sie müssen mir helfen.“

Joe nahm sich eine Zigarette.

„Wie, glauben Sie, wird Ihr Vater das anstellen?“

„Er wird Larousse jagen. Er wird dabei vor keinem Mittel zurückschrecken. Aber Larousse wird sich mit denselben Mitteln wehren. Bedenken Sie, daß beide im Krieg bei den Special Forces waren. Der Unterschied ist nur, daß Vater nach dem Krieg zu einem normalen bürgerlichen Leben zurückgefunden hat, währen Larousse durch die ganze Welt gehetzt wurde. Er ist ein Gangster. Deshalb würde er diesen Kampf gewinnen.“ „Sie wollen, daß ich nach Südafrika fliege und eingreife“, brummte Joe. „Wie stellen Sie sich das vor?“

„Ich habe volles Vertrauen zu Ihnen und Ihren Fähigkeiten“, sagte sie entwaffnend.

„Sie verlangen nicht weniger von mir, als diesen Cantogan zu finden, um Ihren Vater davon abzuhalten, Amok zu laufen. Wissen Sie, was es bedeutet, einen Diamanten in einem Land von der Größe Südafrikas zu suchen? Wer weiß, wo Larousse jetzt ist. Sie haben selbst gesagt, daß er ein Abenteurer ist, der in der ganzen Welt zu Hause ist.“

„Aber er muß Komplizen haben.“

„Wie kommen Sie darauf?“

„Nun, wenn er auch hinter den früheren Diebstählen steckt – und die Anzeichen sprechen dafür – kann er unmöglich allein gearbeitet haben. Er mußte sich schließlich auch um den Absatz der Steine kümmern. Mein Vater schrieb mir, daß es gewisse Hinweise gäbe, wonach ein ganzer Schmugglerring bestehe, der die gestohlenen Steine in die USA transportiert habe. Der große Cantogan war dabei wohl gewissermaßen der Schlußpunkt, die Krönung des verbrecherischen Unternehmens. Damit hat Larousse sich abgesetzt. Aber da ist ein Schmugglerring, da sind Gangster, die ihm beim Verkauf helfen, Leute, mit denen er teilen muß. Da könnten Sie einhaken.“

„Sie sind ein kluges Mädchen“, sagte Joe anerkennend.

„Ich will Vater nur helfen“, sagte sie leise. „Ich habe mir auch schon überlegt, wie Sie unauffällig nach Südafrika fahren könnten. Mein Verlobter ist Bergwerksingenieur. Sein Name ist Jim Cummings. Er hat eben sein Examen bestanden. In einem Monat wollen wir nach Transward fahren. Vater wollte unbedingt, daß wir zu ihm kommen, und besorgte Jim einen Job in der Cantogan-Mine. Sie könnten nach Transward fliegen – als Jim Cummings. Außer Vater würde es niemand merken, und Sie könnten Ihre Nachforschungen anstellen, ohne Verdacht zu erregen.“

„Das wäre eine Möglichkeit. Vorausgesetzt, daß ich den Job übernehme.“ „Sie müssen mir helfen“, sagte sie. „Ich bitte Sie darum. Mein Vater ist durch seine Gutmütigkeit in diese Geschichte hineingeraten. Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, daß er eher zugrunde geht, als zu resignieren. Er würde die Enttäuschung niemals verwinden, die Larousse-ihm bereitet hat. Dazu käme, daß er persönlich erledigt wäre. Der einzige, der ihm helfen kann, sind Sie.“

Joe drückte seine Zigarette aus.

„Okay“, sagte er. „Ich werde sehen, was ich lun kann. Geben Sie mir Ihre Adresse. Ich rufe Sie an.“

Dann war sie fort, und nur der Duft ihres Parfüms hing noch in der Luft.

Er ging ins Bad, duschte erst heiß und dann kalt und zog sich dann an. Er war gerade im Begriff, aufzubrechen, als das Telefon klingelte.

Die Stimme, die sich meldete, klang so, als hätte der Anrufer ein rußiges Ofenrohr anstelle des Kehlkopfes.

„Hallo, Mr. Barry, sind Sie das?“

„Kommt darauf an, wen Sie sprechen wollen. Im Telefonbuch gibt es zwölf Seiten Barrys.“

„Ich meine den Privatdetektiv Joe Louis Barry.“

„Dann sind Sie richtig.“

„Ich muß Sie sprechen, und zwar sofort.“

„Bürozeit ist von neun bis elf.“

„So meine ich das nicht. Ich erwarte Sie in meinem Büro, und das ist jetzt schon geöffnet.“

Joe zog die Brauen zusammen. Der Tonfall mißfiel ihm.

„Sie haben vergessen sich vorzustellen, Mister“, knurrte er.

„Craft“, kam es dann gewichtig durch die Leitung. „Adam Craft. Mein Büro ist in der Park Avenue 1018.“

„Um welche Angelegenheit handelt es sich?“ fragte er.

„Um das Häschen, das eben bei Ihnen war. Pat Moyhan.“

Joe schaltete auf Alarm.

„Was haben Sie damit zu tun?“

„Eine ganze Menge. Das werden Sie merken, wenn Sie zu mir kommen. Ich erwarte Sie in zwanzig Minuten.“

Ein Klicken zeigte Joe, daß der andere aufgelegt hatte.

Er überlegte einen Augenblick und stellte dann eine neue Verbindung her. Er wählte die Nummer der Weatherley-Auskunftei. Mit Fred Weatherley arbeitete er schon seit Jahren zusammen. Fred hatte das phänomenalste Gedächtnis und die größten Ohren der Stadt.

„Hör zu, Fred. Ich interessiere mich für einen aufgeblasenen Burschen namens Adam Craft.“

„Ein Adam Craft kam anno 1644 mit der Mayflower in die Vereinigten Staaten“, sagte Fred.

„Der ist es nicht!“

„Well, dann gibt es noch einen Nachfahren dieses Mannes, der ebenfalls Adam Craft heißt. Er unterschrieb im Jahre 1776 die Unabhängigkeitserklärung mit.“

„Der dürfte ebenfalls ausscheiden.“

„Dann bleibt nur noch Diaman ten Adam übrig.“

Jetzt schlugen bei Joe mehrere Sicherungen gleichzeitig durch.

„Der ist es“, sagte er überzengt. „Was weißt du über ihn?“

„Er ist Diamantenhändler, hat sein Büro in der Park Avenue und einen Ruf, der so einwandfrei ist wie meine Steuererklärung, an der ich seit drei Wochen feile.“

„Und weiter?“

„Er gehört zur Halbwelt dieser Stadt. Muß ziemlich reich sein. Aber die Society akzeptiert ihn nicht, weil er eine dunkle Vergangenheit hat und ebenso dunkle Beziehungen zur Unterwelt.

Und die Unterwelt akzeptiert ihn nicht, weil er gern den vornehmen Geschäftsmann heraushängen läßt.

Adam Craft betreibt einen weltweiten Diamantenhandel, aber es gibt ein paar Länder, die ihm aus irgendwelchen Gründen Aufenthaltsverbot erteilt haben. Im Kriege war er bei den Special Forces, und da muß er ein paar ganz finstere Dinger gedreht haben.“

„Sagtest du Special Forces?“

„Ja, er war irgendwo im Südostasien eingesetzt. Ist das wichtig?“

„Zumindest interessant“, brummte Joe. „Was weißt du sonst noch über ihn?“

„Nun, er umgibt sich mit einem Haufen Luxus, hält sich eine Flotte von Cadillacs, eine Jacht und natürlich auch die dazugehörigen Animiermädchen.“

„Danke“, sagte Joe. „Wie kommt es, daß du auf Anhieb so gut informiert bist?“

„Ganz einfach. Vor ein paar Tagen hat mir ein Klient ganz ähnliche Fragen gestellt. Meine Leute haben recherchiert. Der Rest ist Fred Weatherleys unfehlbares Gedächtnis.“

„Ich will ja nicht indiskret sein“, – setzte Joe an, aber der lange Fred unterbrach ihn: „Kommt nicht in Frage, Alter! Ich gebe Auskunft über alles und jeden, aber nicht über meine Kunden. Du willst wissen, wer uns auf Adam Craft angesetzt hat, nicht wahr?“

„Du brauchst mir nur einen Tip zu geben“, drückte Joe nach. „Ich revanchiere mich auch mit einer Nachricht, die für dich neu und wichtig ist.“

„Nun ja“, wand sich Fred, „ich gebe zu, du bist ein Sonderfall.“

„Also?“

„Der Kunde hieß Jim Cummings.“

Joe stieß einen Pfiff aus. Pats Verlobter. Langsam nahmen die Ereignisse Konturen an.

„Wie sleht’s mit der Revanche?“ fragte Fred.

„Wußtest du schon, daß New York eine Insel ist?“

„No. Werde es unter N in die Kartei aufnehmen. Im übrigen schicke ich dir eine Rechnung“, grollte Fred und hängte auf.

Nachdenklich blickte Joe zum Fenster hinaus. Die Luft war scharf und frisch.

Er verließ die Wohnung, holte seinen Mercedes aus der Garage und machte sich auf den Weg zur Park Avenue. Ein Besuch bei Adam Craft war jetzt nicht mehr zu umgehen, auch wenn ihm die Tonart dieses Burschen nicht behagte.

Im Büro empfing ihn eine tiefgekühlte Schönheit. Nur ihren Augen sah man an, daß irgendwo in ihr ein Feuer brannte.

„Mr. Craft erwartet Sie oben in seiner Wohnung“, verkündete sie.

„Danke.“ Joe lächelte und schritt eine breite, ireischwebende Treppe aus weißem Marmor empor. Oben empfing ihn tropisches Grün. Von einem Dachgarten mit Swimming-pool aus hatte man einen weiten Blick auf New York.

Craft war ein mittelgroßer, massiv gebauter Mann. Sein grobschlächtiges Gesicht zeigte einen finsteren Ausdruck, der auch durch seine Bemühungen um ein Grinsen nicht gemildert wurde. Der ganze Mann wirkte so, als wäre er zwischen die Stempel einer hydraulischen Presse geraten und suchte nach einem Ventil, um Druck abzulassen.

„Hallo, Mr. Barry“, sagte er und schwenkte eine unförmige Flosse. „Verdammt nett von Ihnen, meiner Einladung zu folgen.“

Joe übersah die ausgestreckte Hand.

„Machen wir es kurz, Mr. Craft. Was wollen Sie von mir?“

„Seien Sie doch nicht so ungemütlich! Kommen Sic herein. Bei einem Glas Whisky plauscht es sich netter.“

Er ließ sich ächzend in einen Stahlrohrsessel fallen und klatschte in die Hände: „He, Jeannie, bring uns etwas zu trinken. Die großen Gläser. Mein Besucher ist als harter Bursche bekannt.“

„Danke, für mich nichts“, wehrte Joe ab. „Kommen Sie endlich zur Sache.“

„Okay, so sind die jungen Leute heute. Sie haben keinen Sinn für die angenehmen Seiten des Geschäfts. Also gut. Ich glaube, ich sagte Ihnen schon, daß es sich um Pat Moyhan handelt.“

„Ja, das sagten Sie schon.“

„Das Mädchen war heute früh um sechs Uhr bei Ihnen. Eine ziemlich ungewöhnliche Zeit, finden Sie nicht?“

„Ich finde vor allem, daß Sie das nichts angeht, Mr. Craft.“

„Nun werden Sie mal nicht gleich ausfallend, Barry.“

„Mr. Barry, wenn ich bitten darf. Woher wissen Sie überhaupt davon? Haben Sie Pat beobachten lassen?“

„Allerdings“, gab der Koloß kaltlächelnd zu.

„Das zeigt nicht gerade von guten Manieren.“

„Meine Manieren tun in diesem Fall nichts zur Sache. Ich will Ihnen aber gern den Grund dafür erklären. Ich bin ein guter Freund von John Moyhan, Pats Vater. John ist in der letzten Zeit in Schwierigkeiten geraten. Vermutlich hat Pat Ihnen einiges darüber erzählt.“

„Weiter!“

„John hat mir geschrieben und mich gebeten, ein Auge auf Pat zu halten – ein väterliches Auge, Mr. Barry. Er bat mich, ihr beizustehen, wenn sie mich braucht. Leider hält Pat nichts davon. Ich will ganz offen zu Ihnen sein: Sie kann mich nicht leiden. Das ändert aber nichts daran, daß ich mich verpflichtet fühle, mich um sie zu kümmern. Verstehen Sie, was ich meine?“

„Ich meine, Pat ist alt genug, um selbst zu entscheiden, wen sie mag und wen nicht.“

„Bin ganz Ihrer Meinung“, sagte Adam Craft bereitwillig. „Solange es sich um Pat selbst handelt. In diesem Falle ist sie aber wegen ihres Vaters zu Ihnen gekommen, stimmt’s?“

Joe schwieg und sah dem Rauch seiner Zigarette nach, der sich zwischen den Fächern einer Palme emporkringelte.

„Es ist ganz klar“, gab Craft sich selbst die Antwort. „Pat wollte, daß Sie ihrem Vater helfen. Sie hat versucht, Sie zu engagieren. Warum sollte sie sonst früh um sechs zu einem Privatdetektiv laufen?“

„Und wenn es so wäre?“ fragte Joe.

„Sie haben hoffentlich den Auftrag abgelehnt?“

„Und wenn nicht?“

„Dann werden Sie es jetzt tun“, sagte Craft ruhig. „Mein Telefon steht da drüben.“

„Warum sollte ich ablehnen?“

„Weil John Ihre Hilfe nicht will und nicht braucht. Ich weiß nicht viel über Sie, Mr. Barry. Ich habe im Branchenverzeichnis nachgesehen, als Pat zu Ihnen ging, und gesehen, daß Sie Privatdetektiv sind. Ich weiß nicht, ob Sie ein guter Detektiv sind oder einer von den Schlüssellochspezialisten für Ehescheidungen. Aber egal, was Sie sind, Sie werden diesen Fall nicht übernehmen.“

„Sie sind Ihrer Sache wohl immer sicher, wie?“

„Absolut sicher. Sehen Sie, John und ich, wir sind alte Freunde. Wir waren schon im Krieg zusammen. Wir waren bei einer ziemlich wilden Einheit, den Special Forces. Wir haben dort die tollsten Dinger gedreht und sind noch immer imstande, mit unseren Problemen allein fertig zu werden.“

„Das ist auch Mr. Moyhans Meinung?“

„Ich weiß, daß er keinen Modedetektiv um sich dulden würde. Also richten Sie sich danach.“

„Arbeiten Sie und John auch geschäftlich zusammen?“ fragte Joe dazwischen.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Nun, er ist Direktor einer Mine, die Diamanten fördert, und Sie sind Diamantenhändler. Da liegt ein solcher Schluß doch nahe.“

Adam Craft stemmte sich in die Höhe. „Es gibt keinen Grund, Ihre Frage nicht zu beantworten. Aber Sie fragen, als hätten Sie mich immer noch nicht verstanden. Das ist nicht Ihr Fall. Teilen Sie das Pat mit. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich bin ein vielbeschäftigter Mann.“

„Einen Augenblick.“ Joe erhob sich ebenfalls. „Sie haben mir eins noch nicht gesagt. Was ist, wenn ich nein sage!“

Craft baute sich vor ihm auf und starrte ihn finster an.

„Ist das wirklich Ihre Absicht?“ knurrte er.

„Ich habe gesagt – wenn.“

„Das würden Sie bereuen!“

„Inwiefern?“

„Probieren Sie es doch aus. Ist das deutlich genug?“

„Überdeutlich“, brummte Joe und ging.

Privatdetektiv Joe Barry - Stirb, Schnüffler

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